Protocol of the Session on May 27, 2011

Für die SPD-Fraktion erteile ich dem Herrn Abgeordneten Bernd Heinemann das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Schon wieder oder besser noch immer sitzen wir hier im Landtag und sehen der Verzweiflung ins Auge: die Sorgen der Eltern, die sich Gedanken um eine Rundumbetreuung für die Geburt ihres Kindes machen, die Verzweiflung der Hebammen, die kaum noch eine Chance haben, auskömmlich ihrem wunderbaren Beruf nachgehen zu können.

Viele haben in diesem verlorenen Jahr schon wieder aufgegeben. Und sie haben nicht nur aufgegeben, weil die Rahmenbedingungen schwierig sind oder die Geburten zurückgehen, sondern weil immer mehr Kaiserschnitte gemacht werden, weil letztlich auf die Hebammen sehend verzichtet wird.

(Ursula Sassen [CDU]: Darauf können wir doch keinen Einfluss nehmen!)

Was ist seither geschehen? Wir hatten nun ein Jahr Zeit: kein Runder Tisch, keine Bundesratsinitiative, kaum ein Impuls, vom ergebnislosen Rösler-Gespräch mal ganz abgesehen. Jetzt sind auch wir verzweifelt.

Kinder und Mütter haben ein Recht auf eine gesunde, qualifiziert unterstützte und, wo immer möglich, natürliche Geburt - ein Recht auf Hebammenunterstützung. Aber diese Rechte sind unmittelbar mit guten Arbeitsbedingungen verknüpft, für freiberufliche und angestellte Hebammen gleichermaßen.

Wir haben an die Landesregierung appelliert, sind mit den Hebammen auf die Straße gegangen, haben in Arbeitskreisen die Probleme erörtert und uns über die Presse zu Wort gemeldet.

Wir setzen uns für die Sicherstellung der Wahlfreiheit des Geburtsortes, für den Erhalt der Hebammenhilfe, aber eben auch für eine angemessene Bezahlung für Hebammenleistungen entsprechend der hohen Verantwortung des Berufes ein. 5 € pro Stunde ist schlicht eine Zumutung.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Wir haben vor knapp einem Jahr für unseren Antrag Drucksache 17/654 - Sie erinnern sich - gekämpft, der die Hebammen stärken und eine Bundesratsinitiative starten sollte: abgelehnt! Die uns immerhin eingeräumte schriftliche Anhörung allerdings führte trotzdem

(Ursula Sassen [CDU]: Auf meine Veranlas- sung hin!)

zu keiner Bundesratsinitiative. Aber, seien wir fair es ist noch nicht gesagt worden -: Immerhin kam es nach längerem Zögern zur Lösung der Beihilfeproblematik. Die Berechtigten sind nun in den Gebührenkanon einbezogen - geht doch.

Aber wir hatten auch einen Runden Tisch mit den Hebammen und Geburtshelfern verlangt. Was geschah? Wie gesagt, nichts. Erst als die Hebammen vor Kurzem plötzlich streikten und sich lautstark vor dem Landeshaus Gehör verschafften, gab es ach ja, da waren ja noch die Hebammen! - eine Kurzaudienz. Und nun? - Der Minister ist nicht da. Die Staatssekretärin ist nicht da. Die Stellvertretung der Staatssekretärin ist nicht da.

Meine Damen und Herren, nun haben wir erneut einen qualifizierten Antrag - sorry, nicht den der Linken, sondern den der Grünen - vorliegen, der unseren alten Antrag weiter in die richtige Richtung vorantreibt.

Herr Abgeordneter, lassen Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Sassen zu?

Das wird mir ja abgezogen, deshalb gern.

Nein, das wird nicht abgezogen.

Das wird mir nicht von meiner Redezeit abgezogen? - Dann muss ich meine Rede erst schnell zu Ende bringen. Entschuldigung.

Sie bekommen die Zeit dazu, sie wird nicht abgezogen. Also: Lassen Sie die Zwischenfrage zu?

Dann bin ich ganz entspannt und lasse sie zu.

(Ursula Sassen)

(Heiterkeit)

Herr Kollege Heinemann, wenn Sie glauben, dass es für eine Verbesserung der Situation der Hebammen der Anwesenheit des Ministers, der Staatssekretärin oder einer Vertreterin bedurft hätte, und Sie wussten, dass sie heute nicht da sein können, warum haben Sie das dann nicht vertagt?

- Bitte? Wieso kann denn die Staatssekretärin nicht da sein? Das verstehe ich nicht. Wieso kann nicht der stellvertretende Staatssekretär da sein? Das verstehe ich nicht. Vielleicht kann mir das nach meiner Rede jemand erklären, ich mache dann jetzt erst einmal weiter.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Die Leistungen der Hebammen gehören in der Tat als Regelleistung in das SGB V. Die Reichsversicherungsordnung wird am 19. Juli 100 Jahre alt und ist mehrfach reformiert worden. Allein schon der Name „Reichsversicherungsordnung“! Heute befasst sich die RVO nur noch mit Dienstordnungsangestellten bei Krankenkassen - ich weiß überhaupt nicht, ob es die heute noch gibt -, und mit Schwangerschaft und Geburt. Sie ist eine Hemmschwelle der freiberuflichen Geburtshilfe, sie enthält keinen Sicherstellungsauftrag und beinhaltet damit auch nicht die tatsächlichen Kosten und Leistungen. Sie ist also keine Grundlage für die notwendigen Vergütungen und Leistungen der Hebammen. Das ist nicht so wie im SGB V, sondern das steht alles noch in dieser überalteten RVO. Die RVO ist ein stumpfes Schwert und so gut wie überflüssig. 100 Jahre sind genug. Wir wollen keine Kaiserschnitte - 40 % sind wirklich genug -, sondern wir wollen Hebammen.

Auch unsere Forderungen, auf der Bundesebene für bessere finanzielle Rahmenbedingungen einzutreten, konkretisiert der neue grüne Antrag, dem wir uns gern anschließen. Nicht nur die hier bekräftigte Forderung für Verhandlungen der Hebammenverbände und der GKV unter gegebenenfalls neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen, auch und vor allem die Aufnahme unserer Forderung nach einem Bundesversicherungsfonds wird hier aufgenommen.

Dieser Antrag ist in der Sache zielführend, und er greift viele neu gewonnenen Erkenntnisse auf. Der schriftlichen Anhörung des vergangenen Jahres wird damit Genüge getan. Der Antrag ist ein Schritt in die richtige Richtung.

Der Antrag der Linken dagegen ist inzwischen eher überholt, aber auch nicht falsch. Wir werden uns im Sozialausschuss aber lieber für eine öffentliche Anhörung einsetzen, den Runden Tisch also öffentlich zu machen, damit wäre ein verborgener Runder Tisch zum gegenwärtigen Zeitpunkt eher nachrangig.

Und nun wieder ein „Weiße-Salbe-Antrag“ der CDU: Erstens. Der Landtag soll den guten Willen und was wir schon haben unterstützen. Er soll zweitens eine Erhebung der Bundesregierung unterstützen, die es ebenfalls schon gibt. Drittens soll er eine Moderation von Verhandlungen der Beteiligten durch die Bundesregierung unterstützen - absolut innovativ. Einzig die Prüfung des Modellprojektes von Rheinland-Pfalz zur Ausweitung der Wochenbettbetreuung ist immerhin ein kleiner Impuls. Das kann man machen, aber wir sagen dazu: Das ist sehr dünn. Im Zweifel müssten wir uns bei diesem Antrag ebenfalls enthalten.

Geben Sie sich entweder einen Ruck, und unterstützen Sie den klaren Impulsantrag der Grünen, der unsere gemeinsame Richtung klarstellt, oder haben Sie wenigstens den Mut, sich im Sozialausschuss erneut der öffentlichen Debatte mit Expertinnen und Experten zu stellen und überweisen Sie alle Anträge in diesen Ausschuss.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Geburtshilfe ist es fünf nach zwölf, es wird höchste Zeit.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, der LINKEN und SSW)

Für die FDP-Fraktion erteile ich Frau Abgeordneter Anita Klahn das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In den letzten Wochen haben Sozialminister Dr. Garg und Finanzminister Wiegard eine Lösung gesucht, um bei Inanspruchnahme von Hebammenleistungen durch Beihilfeberechtigte diese gegenüber den Mitgliedern der gesetzlichen Krankenkasse gleichzustellen. Dieses war bisher nicht der Fall. Ich spreche daher beiden Ministern den Dank der FDP-Fraktion aus, dass es trotz der schwierigen Haushaltslage hier zu einer guten Einigung im Sinne der werdenden Mütter und der Hebammen kam.

(Bernd Heinemann)

(Beifall bei FDP und CDU)

Lieber Kollege Heinemann, das ist eine Sache, die hätten Sie in Ihrer Verantwortung seinerzeit längst machen können. Das muss ich ganz einfach einmal sagen.

(Beifall bei der FDP)

Mir ist auch klar, dass dieser Schritt - das ist übrigens das einzige Handlungsfeld, auf dem das Land handeln konnte - die Hebammen sicherlich nicht aus ihrer finanziellen Misere herausholen wird, aber - wie gesagt - das war die einzige Möglichkeit, die wir hier vor Ort hatten. Ich finde, in der Schnelligkeit, in der das hier durchgeführt wurde, ist das schon beachtlich. Das hat auch gezeigt, dass wir hingucken, dass wir hinhören, und dass wir dafür nicht große Runde Tische oder lange Diskussionen brauchen, sondern das haben wir kurz und schnell geregelt. Mein Dank geht an die beiden Minister.

Vielleicht wissen Sie auch, dass Minister Dr. Garg heute beim Bundesrat sein muss. - Das nur dazu.

(Bernd Heinemann [SPD]: Und die Staatsse- kretärin?)

Meine Damen und Herren, die generellen Vergütungsverhandlungen müssen die Hebammenverbände mit dem Krankenkassenspitzenverband aushandeln. Im Jahr 2007 wurden die Hebammen von der damaligen schwarz-roten Koalition in die Selbstverwaltung entlassen. Wir als FDP halten diese Entscheidung für richtig, und wir unterstützen sie weiterhin. Wie wir in Gesprächen mit den Hebammen erfahren haben, wird diese Selbstverwaltung von ihnen selbst auch nicht infrage gestellt. Deutlich ist aber geworden, dass die Hebammen 2007 nach zehn Jahren erstmals überhaupt mit der damaligen Gesundheitsministerin auf Bundesebene eine Erhöhung ihrer Vergütung ausgehandelt hatten. Es gab in drei Stufen jeweils 5 %. Sie sollte in den nächsten drei Jahren ausgezahlt werden. Erhalten haben sie aber tatsächlich nur ein einziges Mal 5 %, weil sie anschließend in die Selbstverwaltung entlassen worden sind. Niemand war mehr an diese Zusage gebunden. Sie mussten das mit den Spitzenverbänden der Krankenkassen neu aushandeln. Bitte schön, meine Damen und Herren, über dieses Vorgehen kann man einmal ernsthaft nachdenken. Ich überlasse Ihnen, wie Sie das bewerten.

(Beifall der Abgeordneten Ursula Sassen [CDU])

Meines Erachtens hat damit die Misere für die Hebammen begonnen. Die finanzielle Situation für die Hebammen ist nicht ausreichend. Ich sage deutlich:

Das ist ein Versäumnis der letzten Bundesregierung, und dafür trägt Ulla Schmidt, SPD, ganz klar die Verantwortung.

(Beifall bei der FDP)

Im Übrigen hätte ich erwartet, dass schon damals die Hebammenverbände auf die Straße gegangen wären und nicht bis heute gewartet hätten, bis es wie Sie sagen - fünf nach zwölf ist.

Im Übrigen noch einen Hinweis zu den Anträgen. Da steht drin, 2007 hätte es die letzte Erhöhung gegeben. Das stimmt nicht, sie haben Anfang des Jahres - nachdem die ersten Proteste und Verhandlungen stattgefunden haben - eine Erhöhung der Sätze bekommen. Dass das nicht ausreichend ist, dass das für die Hebammen nicht zufriedenstellend ist, steht für mich auf einem anderen Blatt.

Die in beiden Anträgen geforderten Ansätze eines Runden Tisches und eines Fonds können wir nicht mittragen. Beide Anträge konterkarieren den Status der Selbstverwaltung und beschneiden die Freiheit von Selbstständigen.