Protocol of the Session on March 23, 2011

(Olaf Schulze)

Nichtraucherschutzgesetz beschlossen. Dieses ist am 1. Januar 2008 in Kraft getreten.

Aus Sicht der Landesregierung sind die zentralen Aussagen der vorliegenden Drucksache wie folgt zusammenzufassen: Mit dem Nichtraucherschutzgesetz wurde für viele Bereiche des öffentlichen Lebens - und ich will sagen für viele Bereiche weitgehend unstrittig - ein grundsätzliches Rauchverbot normiert, das nur ausnahmsweise gelockert wird.

Gegenstand von Diskussionen waren - das wissen die Kolleginnen und Kollegen, die hier schon länger mit dabei sind - insbesondere die Rauchverbotsregelungen in der Gastronomie. Sie wissen, es wurde nicht nur diskutiert, es wurde auch geklagt. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 30. Juli 2008 die gesetzlichen Regelungen anderer Bundesländer verworfen. Aus dem Urteilstenor ergab sich, dass damit auch das schleswig-holsteinische Gesetz keinen unveränderten Bestand haben konnte. Nach erneuter Diskussion erfolgte im parlamentarischen Verfahren eine Novellierung des Gesetzes, das schließlich in seiner heutigen Fassung am 29. Mai 2009 in Kraft trat.

Ich glaube, dass wir nach dieser von Bürgerinnen und Bürgern erzwungenen Herstellung von Rechtssicherheit durch das Verfassungsgerichtsurteil zu einer wesentlichen Befriedung der Lage gekommen sind, insbesondere hinsichtlich der Ausnahmemöglichkeit für getränkegeprägte Kleingastronomie kann ein positives Fazit gezogen werden. Nach allem, was wir wissen, trifft das schleswig-holsteinische Gesetz inzwischen auf breite Akzeptanz bei großen Teilen der Bevölkerung.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Auch in allen anderen geregelten Bereichen, wie zum Beispiel den Behörden, Krankenhäusern, Erziehungsund Bildungseinrichtungen, Heimen, Sport- und Kultureinrichtungen, sind keine nennenswerten Probleme aufgetreten. Es wird von dort weitgehende Akzeptanz durch Beschäftigte, durch Nutzer und durch Besucher berichtet.

Nachweislich hat das Gesetz zu einem Rückgang der Tabakrauchexposition der Bevölkerung geführt. Es wird daher für die nächsten Jahrzehnte von einer Abnahme passivrauchbedingter Neuerkrankungen ausgegangen, wobei dies - insofern ist die Frage nicht klar zu beantworten - heute selbstverständlich noch nicht feststellbar ist.

Nicht zu bestreiten ist, dass es nach wie vor kritische Stimmen gibt. So wird in der Stellungnahme

zu der Großen Anfrage durch den DEHOGA über Umsatzeinbußen berichtet. Dabei ist jedoch anzumerken: Es stimmt, dass hierzu keine belastbaren Daten vorliegen. Es liegt aber in der Natur der Sache, dass Firmeninhaber ihre Unternehmensdaten nicht unbedingt veröffentlichen.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Herr Minister, Sie haben weiterhin das Wort. Das Klingeln galt der Bitte, ein bisschen mehr Ruhe zu schaffen.

- Und nicht zu rauchen. Insofern ist das Fehlen von - wenn Sie so wollen - gerichtsfesten Daten kein Beweis für das Gegenteil.

Ein Wort zu der von den Koalitionspartnern vereinbarten Option einer Innovationsklausel. Sie wurde von der Länderarbeitsgruppe „Umweltbezogener Gesundheitsschutz“, kurz LAUG, beauftragt, im letzten Jahr in einem Sachstandsbericht den Stand von Wissenschaft und Technik zum technischen Nichtraucherschutz zusammenzufassen. Demnach kann derzeit mit den am Markt verfügbaren technischen Systemen ein Schutz vor dem Passivrauchen wie bei einem vollständigen Rauchverbot nicht gewährleistet werden. Insgesamt stellt sich das Gesetz zum Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens aus Sicht der Landesregierung per Saldo als gangbarer Weg und als Kompromiss zur Berücksichtigung und Befriedung unterschiedlicher Interessenlagen dar. Ein kurzfristiger gesetzgeberischer Handlungsbedarf wird daher nicht gesehen.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich eröffne die Aussprache. Ich erlaube mir den Hinweis, dass sich die Fraktionen im Vorweg darauf verständigt hatten, dass alle Fraktionen fünf Minuten Redezeit beanspruchen. Die SPD-Fraktion erhält als antragstellende Fraktion jedoch zehn Minuten Redezeit. Somit erteile ich jetzt für die SPD-Fraktion Herrn Kollegen Peter Eichstädt das Wort.

(Minister Dr. Heiner Garg)

Vielen Dank, Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal sage ich von meiner Seite aus herzlichen Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Ministerien, die an der Beantwortung unserer Großen Anfrage zum Nichtraucherschutzgesetz mitgewirkt haben. Die Antwort zeigt: Die Umsetzung des Gesetzes ist in einigen Bereichen nicht vollständig zufriedenstellend. Das liegt an den Mängeln, die das Nichtraucherschutzgesetz in Schleswig-Holstein neben vielen positiven Aspekten eben immer noch aufweist. Es liegt sicherlich auch daran, dass die Hausspitze, im Besonderen im Sozialministerium, ihre ganz eigene Einstellung zum Nichtraucherschutzgesetz hat. Hierauf komme ich noch zurück.

Als wir vor drei Jahren das Nichtraucherschutzgesetz verabschiedeten, war das ein schwieriger Kompromiss zwischen CDU und SPD. Was aber in den letzten drei Jahren erreicht wurde, war wirklich ein Paradigmenwechsel beim Nichtraucherschutz. Wie die Antworten aus der Großen Anfrage zeigen, galt dies erfreulicherweise auch und insbesondere bei Kindern und Jugendlichen. Trotzdem zeigt der Bericht auch Defizite auf. Am Anfang des Berichts steht die Feststellung der Regierung, dass es leider für eine umfassende Beantwortung unserer Fragen keine vorbereiteten Datengrundlagen gibt, denn aus den Ausführungen geht hervor, dass in unserem Gesetz keine Berichtspflicht und keine Haushaltsmittel verankert wurden. Ich finde das befremdlich. Nun kann man das so zur Kenntnis nehmen. Man kann sich allerdings auch fragen, ob ein Gesundheitsminister bei diesem in alle Bevölkerungsgruppen hineinreichenden Gesetz nicht von sich aus Datengrundlagen hätte schaffen und für entsprechende Haushaltsmittel hätte sorgen können.

Konzentrieren wir uns aber auf die Informationen, die dem Bericht trotz dieser für einen Gesundheitsminister erstaunlichen Grundhaltung gegenüber dem Nichtraucherschutz zu entnehmen sind! Der Bericht bestätigt, dass durch die Rauchverbote ein Paradigmenwechsel erfolgt ist. Weiter wird festgestellt, dass es nicht zu dem anfänglich prognostizierten und vor allen Dingen von der FDP an die Wand gemalten großen Kneipensterben gekommen ist. Vielmehr wird festgestellt, dass auch in der Gastronomie die Umsetzung des Gesetzes weitestgehend geräuschlos vonstatten gegangen ist.

Insgesamt wird ein eindeutig positives Fazit gezogen: Breite Akzeptanz in der Bevölkerung, der beabsichtigte Paradigmenwechsel ist in friedlicher

Koexistenz zwischen Rauchern und Nichtrauchern bereits weit fortgeschritten, so heißt es dort.

Einige statistische Daten können belegen, was sich in der Zwischenzeit getan hat. Deutschlandweit haben wir noch circa 30 % Raucher. Von den Kindern und Jugendlichen zwischen 12 und 18 Jahren rauchen 15,4 %. Die Raucherquote bei der Jugend hat damit im Jahr 2008 einen historischen Tiefstand erreicht. Die Akzeptanz des Nichtraucherschutzes ist erstaunlicherweise auch bei den Rauchern selbst grundsätzlich positiv: 2007 gab es noch 53 % Zustimmung bei den Gelegenheitsrauchern, 2010 waren es schon 69 %.

Die Krankenkassen und die Ärzteschaft haben eine grundsätzlich positive Haltung zum Gesetz, bewerten die Ausnahmeregelungen, die wir dort haben, jedoch kritisch. Diese Gruppen votieren für weitreichende Regelungen ohne Ausnahmen. Die Ärztekammer Schleswig-Holstein fordert eine Nachbesserung des Gesetzes und spricht sich gegen alle Ausnahmeregelungen aus.

(Beifall der Abgeordneten Dr. Marret Bohn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Diese betreffen vor allen die Gaststätten. Es wurde darauf hingewiesen, dass mit den heute zur Verfügung stehenden Mitteln Raucherräume niemals hermetisch gegenüber den umliegenden Räumen abgeschlossen werden können. Daher sind Raucherräume nicht mit dem umfassenden Schutz von Nichtrauchern vor dem Passivrauchen vereinbar.

Einen besonderen Aspekt stellen die Auswirkungen auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Gastronomie dar. Hier stellt der Bericht fest, dass die Schadstoffbelastung deutlich zurückgegangen ist. Es ist aber immer noch davon auszugehen, dass die Partikelkonzentration im rauchfreien Hauptraum einer Gaststätte mit abgetrenntem Raucherbereichen im Mittel um circa das Vierfache höher liegt als in einer komplett rauchfreien Gaststätte. Aus der Sicht der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist diese Regelung also nach wie vor nicht befriedigend.

Bemerkenswert ist besonders aus der Feder eines Gesundheitsministers die Auffassung, dass das Gesetz als ein ausgewogener pragmatischer Kompromiss verstanden werden kann, der in der Bevölkerung auch zu einem Interessenausgleich und zu einer Befriedung unterschiedlicher grundsätzlicher Positionen geführt hat.

Herr Abgeordneter, lassen Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Heinold zu?

Hoffentlich freuen Sie sich nicht zu früh. Herr Eichstädt, meine Frage ist, wie es die SPD-Fraktion in Ihren Fraktions- und Mitarbeiterbüros handhabt. Wird bei der SPD geraucht oder nicht?

(Beifall bei der FDP und des Abgeordneten Dr. Christian von Boetticher [CDU])

- Vielen Dank für die Frage, liebe Kollegin. Ich fahre in meinem Vortrag fort.

(Lachen - Beifall bei der CDU)

Ich will noch einmal daran erinnern: Das Nichtraucherschutzgesetz ist kein Raucherschutzgesetz und kein Gaststättensicherungsgesetz. Es ist auch kein Büroreinigungsgesetz und kein Industrieförderungsgesetz, sondern eben nichts anderes als ein Nichtraucherschutzgesetz.

(Zurufe)

- So einfach machen wir es Ihnen nicht, dass Sie uns mit ein paar Zigarettenwolken hier in Verlegenheit bringen können, Herr Kollege. So einfach ist das nicht, das werden Sie noch merken. Es geht um den Schutz der Gesundheit der Menschen, die nicht rauchen wollen, über das Passivrauchen aber gezwungen werden, es zu tun. Meine Damen und Herren, ich bin der Meinung, dass es in diesem Fall keine Frage des Interessenausgleichs sein darf, sondern dass es einfach eine Frage des Schutzes ist, der die Nichtraucher, aber auch Kinder und Jugendliche zum Schutzziel hat. Bevor die Begeisterung hier zu hohe Wogen schlägt oder zu wolkig wird, will ich Ihnen sagen, dass genau dieser Punkt in der SPDFraktion natürlich bei den dort bestehenden Regelungen berücksichtigt ist. Die Formulierung vom fairen Interessenausgleich muss man sich wirklich auf der Zunge oder besser in der Lunge zergehen lassen. Ich glaube, kein Gesundheitsminister eines Landes wird eine solche Positionierung vornehmen, es sei denn, er kommt aus Schleswig-Holstein und von der FDP.

(Zurufe)

- Das hat gesessen, nicht?

Was gibt es zu tun? - Das Gesetz hat Positives in Gang gebracht.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

- Ich freue mich, wenn Sie ein Zeichen geben, dass Sie noch zuhören und noch wach sind, Herr Kubicki. Von daher ist das zumindest in diesem Sinne ein gutes Zeichen. Die gesetzlichen Regelungen müssen allerdings nach unserer Auffassung nachtariert werden. Ich gebe der Kollegin Bohn recht, die mit ihrer Fraktion schon vor einiger Zeit einen solchen Antrag gestellt hat. Am konsequentesten wäre es, wenn der Nichtraucherschutz nicht mehr von den Ländern, sondern einheitlich über die Bundesgesetzgebung im Rahmen des Gesundheitsschutzes am Arbeitsplatz geregelt würde.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Dies würde auch dem Grundsatz des Europäischen Rats zur Rauchfreiheit aller Arbeitsplätze gerecht werden. Damit wären alle Ausnahmeregelungen, die jetzt zum Beispiel in Gaststätten bestehen, hinfällig, sobald dort Menschen berufstätig sind. Das wäre eine klare, konsequente Regelung. Allerdings sehe ich wenig Bereitschaft auf Bundesebene, trotz der Bemühungen einer fraktionsübergreifenden Gruppe, dieses Thema anzupacken. Deshalb bleibt die Notwendigkeit, das bestehende Gesetz in Schleswig-Holstein nachzubessern. Das bedeutet, dass wir die problematischen Ausnahmetatbestände überdenken, und das betrifft auch die abgetrennten Nebenräume in Gaststätten.

(Vereinzelter Beifall bei der LINKEN)

Natürlich sind abgeschlossene Nebenräume nicht der beste Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens. Der beste Schutz vor diesen Gefahren ist und bleibt das grundsätzliche Verbot des Rauchens in Gaststätten. Das gilt auch für die Situation in Diskotheken, in denen, wie der Bericht bestätigt, auch auf Tanzflächen geraucht werden darf. Das haben wir immer kritisiert.

(Heiterkeit)

- Löst jetzt die Situation in Diskotheken diese Heiterkeit bei Ihnen aus? Oder wo waren Sie gestern Abend? Ich habe das vielleicht nicht ganz mitbekommen.

Ein weiterer Punkt ist die von uns schon oft beklagte Tatsache, dass auf Kinderspielplätzen kein klares Rauchverbot durchgesetzt werden kann. Ein weiteres Ärgernis - das ist allerdings nur auf Bun

desebene zu regeln - sind die Erwachsenen, die am Steuer ihres Autos sitzend die Fahrerkabine voll rauchen, während die kleinen Kinder auf dem Rücksitz spielen.

Ebenso unbefriedigend ist die Lage in Einkaufszentren, in denen der Nichtraucherschutz außerhalb der Gaststätten im überdachten Bereich nur mit der Einsicht der Eigentümer und mit Initiative der Eigentümer umgesetzt werden kann.