Protocol of the Session on March 23, 2011

Herr Habeck, nun kann man natürlich sagen - das ist Ihre Argumentation -: Das ist alles gar nicht so schlimm, man kann die Kosten ja umlegen, insofern sind das keine schlimmen Kosten. Das ist falsch, denn auch wenn man die Kosten umlegen kann, muss sie ja jemand bezahlen, nämlich Sie mit Ihrer Stromrechnung. Das ist nämlich die Logik des Erdkabels.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Christian von Boetticher [CDU])

Die Kosten werden auf alle Stromverbraucher umgelegt. Ein Vorrang des Erdkabels führt notwendigerweise dazu, dass der Leitungsausbau teurer wird, übrigens ohne dass wir die Gewähr haben, dass der dadurch schneller wird. Denn zu glauben, weil es ein Erdkabel gibt, gibt es keine Einsprüche mehr, oder zu glauben, weil es ein Erdkabel gibt, wird keiner mehr einen Planfeststellungsbeschluss beklagen, ist nicht richtig. Es bleiben andere Nutzungskonflikte. Es wird weiterhin Nutzungskonflikte geben.

Insofern ist es mir wichtig, noch einmal klarzustellen, dass Erdkabel zu einer Verteuerung führen, die am Ende von allen Stromverbrauchern getragen wird.

(Vereinzelter Beifall bei CDU und FDP)

Da sage ich als Wirtschaftsminister: Wir dürfen nicht allein daran denken, welche Belastungen wir für die Privathaushalte auslösen, sondern wir müssen auch sehen, dass wir die energiepolitischen Veränderungen, über die wir vielleicht Einigkeit haben, so gestalten, dass die industriellen Großverbraucher, die wir in Deutschland nach wie vor haben, ihre Energie zu Preisen einkaufen können, die für die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts erforderlich sind. Deshalb sind solche Umlagefragen vielleicht eine indirekte Geschichte, aber gleichwohl führen sie zur Verteuerung.

Herr Minister, lassen Sie noch eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Habeck zu?

Ja, auch wenn ich schon fertig war.

Herr Minister, stimmen Sie mir

zu, dass es volkswirtschaftlich sinnvoller und für den Verbraucher billiger ist, installierten Strom durch ein Erdkabel abzuführen, als diese Leistungen nicht abzuführen und trotzdem die Erstattung für die Beträge der theoretisch produzierten Leistung zu bezahlen?

- Das wäre nur dann der volkswirtschaftlich einzig sinnvolle Weg, wenn er der einzige wäre. Das glaube ich aber nicht. Ich glaube nicht, dass allein die Erdverkabelung dazu führt, dass wir den Leitungsbau schneller bekommen. Ich glaube, dass man auch Freileitungen schnell bauen kann, wenn man es richtig angeht. Ich glaube, die Hinweise, die heute Morgen hinsichtlich einer vorgeschalteten Bürgerbeteiligung gekommen sind, sind dafür sehr viel bessere Wege als der Vorrang des Erdkabels.

Zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich Herrn Abgeordneten Detlef Matthiessen aus der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.

Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister, ich habe mich bei Ihrem Beitrag vorhin zu einer kleinen Zwischenfrage gemeldet, weil ich den Eindruck gewonnen habe, dass Sie auch die Regelungen im Landesentwicklungsgrundsätzegesetz bezüglich der Windenergie ablehnen. Ich will Sie nur darauf aufmerksam machen und fragen, ob Ihnen bekannt ist, dass diese Regelungen gar nicht geändert wurden, sondern Gegenstand des Gesetzes sind. Wir haben bezüglich der Windenergie keine neuen Regelungen gebracht.

Gleichwohl haben wir gesagt: Wenn der Gesetzgeber in der Vergangenheit schon sagte, ich bevorzuge eine Erzeugungsform, dann kann man gesetzessystematisch auch an anderer Stelle, nämlich bei der Kohle, wie wir es vorschlagen, eine Diskriminierung in dem Sinne einführen, dass wir sagen: Es soll nur noch in hocheffizienter Kraft-WärmeKoppelung Strom gewonnen werden. Das wollte ich korrigierend hinzufügen, weil Sie den Eindruck vermittelt haben, wir hätten auch zur Windenergie neue Regelungen aufgenommen. Das haben wir mitnichten.

Ich möchte auch auf die Debatte eben zum Erdkabel noch einmal eingehen. Wir sind der Meinung, wir sollten grundsätzlich die 110-kV-Ebene als Erdkabel ausführen. Es kommt auf uns ein massiver Netzausbau nicht nur auf der 380-kV-Ebene,

(Minister Jost de Jager)

sondern auch auf der 220-kV- und 110-kV-Ebene zu. Ich glaube, es wird die Akzeptanz sehr stark erhöhen, wenn wir die Kabel, wo es technisch möglich ist, tatsächlich in die Erde verlegen.

Herr Minister, wenn Sie von Wirtschaftlichkeit und Geschwindigkeit reden, sage ich Ihnen: Zumindest bei dem Beispiel, das im Landtag und Kreistag von Nordfriesland sehr stark diskutiert wurde, der Leitung Breklum-Flensburg, war in der Tat zu beobachten, dass für ein Erdkabelprojekt die Grundbesitzer sämtliche Gestattungsverträge und Dienstbarkeiten haben eintragen lassen. Es hätte längst gebaut sein können. Das heißt, eine Freileitung kommt gegenüber einem Erdkabel - zumindest in diesem Projekt ist das sehr gut belegbar - fünf bis sieben Jahre später. Der volkswirtschaftliche Nutzen, den das Kabel bringen soll, setzt später ein. Ich erinnere daran, dass die Wirtschaftlichkeitsvorschriften in § 1 EnWG keineswegs betriebswirtschaftliche Vorteile des E.ON-Konzerns meinen, sondern damit volkswirtschaftliche Vorteile gemeint sind.

Also, ein Erdkabel kommt nach bisheriger Erfahrung in Schleswig-Holstein schneller, weil die Akzeptanz dafür sehr viel höher ist. Ich erinnere in dem Zusammenhang auch daran, dass bei der 380-kV-Leitung von Hamburg/Nord nach Dollern, die jetzt im Planfeststellungsverfahren ist, der Kreistag Pinneberg einstimmig, mit den Stimmen von SPD, FDP - falls ihr da vertreten seid - und CDU zugestimmt hat.

(Christopher Vogt [FDP]: Selbstverständlich! Hochburg!)

Alle haben zugestimmt, die Planungsbehörde aufzufordern, dass die 380-kV-Leitung als Erdkabel gebaut wird.

Wir haben unseren Leuten auf der kommunalpolitischen Ebene kommuniziert, dass das technisch eine etwas ehrgeizige Übung ist. Ich glaube aber, wenn man die 110-kV-Leitungen grundsätzlich als Erdkabel ausführt, bringt uns das im gesamten Netzausbau auf der Zeitschiene gewaltig nach vorn.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie vereinzelt bei SPD und SSW)

Zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich Herrn Abgeordneten Johannes Callsen aus der CDU-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich finde, die Diskussion pro oder contra Erdkabel muss ehrlicher geführt werden. Ich glaube, wir haben heute Morgen gemeinsam festgestellt, dass wir, wenn wir die erneuerbaren Energien in Schleswig-Holstein konsequenter nutzen wollen, einen Netzausbau brauchen. Der Minister hat zu Recht darauf hingewiesen, dass wir bei der Frage Erdkabel auch die Kosten mit im Blick haben müssen, die sich auf die Strompreise niederschlagen. Dass diese bei Erdkabeln etwas höher liegen als bei Freileitungen, ist wohl unbestritten.

Wir sollten den Menschen aber auch nicht vorgaukeln, dass mit einem Erdkabel die Probleme deshalb erledigt sind, weil ich die Leitung oder das Kabel nicht sehe.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Es hilft hier ein Blick auf die Ergebnisse der Anhörung in Brandenburg, die dort zum Erdkabelgesetz durchgeführt worden ist. Darin gibt es viele interessante Hinweise. Es ist dort zum Beispiel festgehalten, ein Erdkabel liegt zwar in der Erde, braucht aber einen Korridor, der dauerhaft von Bebauung freizuhalten ist, der auch forstwirtschaftlich nicht genutzt werden kann und der landwirtschaftlich nur sehr eingeschränkt genutzt werden kann. Deshalb gelten für Erdkabel andere Entschädigungsregelungen als für Freileitungen, nämlich deutlich höhere, bis zu 100 % des Verkehrswertes.

Ich finde, das gehört zur Ehrlichkeit in dieser Debatte auch mit dazu, dass es nicht damit getan ist, ein Kabel in die Erde zu legen, und dann sehen wir die Probleme nicht mehr. Auch darüber müssen wir mit den Menschen sehr ehrlich reden.

(Vereinzelter Beifall bei CDU und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich dem Kollegen Olaf Schulze aus der SPD-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Weil wir beim Thema Ehrlichkeit sind und der Minister davon gesprochen hat, dass das hier protokolliert wird, möchte ich auch noch einmal sagen: Zur Ehrlichkeit gehört, dass auch Freileitungen einen Korridor brauchen. Auch in diesem Korridor

(Detlef Matthiessen)

darf dann nicht gebaut werden. Wenn Herr de Jager sagt, bei einem Erdkabel mit 380 kV ist der Korridor so breit wie dieses Haus, dann ist die Breite bei 380 kV auch bei einer Freileitung nicht geringer als dieses Haus. Wer einmal unter einer 380-kV-Leitung gestanden hat, wird feststellen, dass eine Freileitung ebenfalls so breit ist. Auch darunter darf man nicht bauen. Das muss zur Ehrlichkeit und zum Argument, dass man deshalb Erdkabel nicht verlegen könne, mit dazu gesagt werden.

Ich habe auch gedacht, dass wir in der Diskussion schon sehr viel weiter wären, weil wir uns in der letzten Legislaturperiode alle einig waren - auch mit der CDU und FDP -, dass wir Erdkabel favorisieren wollen. Es wundert mich deshalb, dass es immer wieder so viel Widerstand gegen Erdkabel gibt.

(Unruhe)

Wenn wir die volkswirtschaftlichen und auch andere Kosten nehmen, muss ich sagen, Herr de Jager: Sie wollen - das ist auch das, was Sie uns eben erzählt haben - den Unternehmen, den Netzbetreibern, Geld zu Verfügung stellen, damit schneller ausgebaut wird. Das ist auch in Ordnung. Aber dann kann man auch sagen, wenn schneller ausgebaut werden soll, dann übernehmen wir Kosten und verlangen - weil wir ja Geld dazugeben -, dass dann auch Erdkabel verlegt werden. Dann kann das auch nicht auf alle umgelegt werden, weil es ja einen Zuschuss von Ihrem Haus gibt. Dann müssten also auch die Mehrkosten darüber geregelt sein. Vielleicht sollten wir darüber auch noch einmal offen und ehrlich reden, über das, was wir immer fordern. Das sollten wir vielleicht im Ausschuss tun.

(Vereinzelter Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Es ist beantragt worden, den Gesetzentwurf Drucksache 17/1359 dem Innenund Rechtsausschuss und mitberatend dem Wirtschaftsausschuss zu überweisen. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dann ist das damit einstimmig so beschlossen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, jetzt zwei geschäftsleitende Bemerkungen: Die Parlamentarischen Geschäftsführer haben sich darauf verständigt, den Tagesordnungspunkt 17, Statistiken den Ministerien zuordnen, ohne Aussprache zu behan

deln. Gerade haben wir die Information bekommen, dass sich die Parlamentarischen Geschäftsführer auch darauf verständigt haben, dass wir jetzt zunächst den Tagesordnungspunkt 9, die Große Anfrage der SPD zum Passivrauchen, aufrufen und danach den Tagesordnungspunkt 18. - Ich werde jetzt so verfahren.

Ich rufe also Tagesordnungspunkt 9 auf:

Erfahrung mit der Umsetzung des Gesetzes zum Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens in Schleswig-Holstein

Große Anfrage der Fraktion der SPD Drucksache 17/863

Antwort der Landesregierung Drucksache 17/1248

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Ich stelle fest, das ist nicht der Fall. Wir kommen zunächst zur Beantwortung der Großen Anfrage durch die Landesregierung. Ich erteile dem Minister für Arbeit, Soziales und Gesundheit, Herrn Dr. Heiner Garg, das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Gesundheitsministerium hat die Beantwortung der Großen Anfrage der SPD-Fraktion zum Nichtraucherschutzgesetz federführend übernommen und dabei Beiträge sämtlicher zuständiger Ressorts und der kommunalen Landesverbände berücksichtigt. Ich darf mich ganz herzlich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die an der Erstellung der Antworten beteiligt waren, bedanken.

(Vereinzelter Beifall)

Ich glaube, wir brauchen hier in diesem Haus über die allgemeine Akzeptanz der Aussage, dass Rauchen die Gesundheit gefährdet, nicht weiter sprechen. Dass das im Übrigen auch für das Passivrauchen gilt, ist vielfach wissenschaftlich belegt. Das Postulat eines angemessenen Schutzes von Nichtrauchern ist daher dem Grund nach völlig unstrittig.

Nachdem aufgrund der verfassungsrechtlichen Kompetenzzuordnung klar war, dass ein bundeseinheitliches Nichtraucherschutzgesetz sich nicht realisieren lassen würde, hat der Landtag nach Gesetzesvorlage der damaligen Landesregierung das

(Olaf Schulze)