Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch wenn man mit 35 Jahren für 16-, 17- oder 18-Jährige schon nahe an Methusalem dran ist, glaube ich, hat man vielleicht doch noch ein bisschen mehr Erinnerung an die eigenen Jahre in der Zeit beziehungsweise über den Bereich der Jugendarbeit - Frau Erdmann sprach das an - in diesem Bereich enge Kontakte. Ich habe diese seit über 20 Jahren, und ich muss sagen, ich habe ein bisschen das Gefühl, die Debatte, die wir hier führen, läuft an dem, was 16-, 17- und 18-Jährige diskutieren, mal wieder meilenweit vorbei. Das ist nicht das Thema, was junge Leute umtreibt. Das ist nicht einmal bei den jungen Leuten, die sich politisch engagieren, das Thema, das sie umtreibt.
Wenn wir einmal mit denjenigen, die in den politischen Jugendorganisationen aktiv sind, über das Wahlalter sprechen - und ich glaube nicht, dass es an dieser Stelle eine durchorganisierte Parteimeinung bei jungen Menschen in der Jungen Union oder bei den Jungen Liberalen gibt -, stellen wir
fest, dass das nicht der zentrale Punkt ist, über den diskutiert wird. Auch wenn wir uns darüber Sorgen machen, warum sich weniger junge Menschen als in vergangenen Jahren und Jahrzehnten politisch engagieren, dann geht es nicht darum, dass sie nicht wählen dürfen. Diejenigen, die beispielsweise mit 14 Jahren in die Junge Union eintreten und dann mit 16 Jahren die Möglichkeit haben, CDU-Mitglied zu werden, die machen das nicht, obwohl sie nicht wählen dürfen, sondern sie machen das, weil sie inhaltlich mit diskutieren wollen. Diejenigen, die das nicht machen und die das früher vielleicht mehr gemacht haben, die sagen auch nicht, ich gehe da nicht rein, weil ich am Ende nicht wählen darf. Sondern wenn wir junge Menschen mehr ansprechen wollen, dann müssen wir ihnen auch ein politisches System präsentieren, in dem Verantwortlichkeiten klarer sind und wo transparenter wird, welche Entscheidungen wann und warum getroffen werden.
Der zentrale Punkt an der Stelle sind wichtige demokratische Entscheidungsprozesse. Die sind in dem Umfang, wie sie für Erwachsene nachvollziehbar sind, auch für Jugendliche nachvollziehbar.
Insgesamt liegt eine Schwierigkeit darin, dass Verantwortlichkeiten zu sehr zersplittert sind. Wenn Sie fragen: „Wo ist denn Ihr Baustein?“, würde ich als jemand, der sich noch zur jüngeren Generation zählen darf, aus den Diskussionen, die wir vor Ort führen, das Thema Schule nennen. Wenn es darum geht, warum unsere Schule nicht in dem Zustand ist, in dem sie sein soll, dann darf der 16-Jährige bei der Kommunalwahl darüber abstimmen, ob eine neue Tafel angebaut wird, aber er darf über seine Stimme nicht darüber mitreden, wie die Lehrerversorgung ist. Es ist nicht der Punkt, der ihn umtreibt, dass er da wählen darf und da nicht wählen darf. Es geht vielmehr um das Unverständnis dafür, dass das Problem nicht aus einer Hand gelöst wird, dass es nicht einen Ansprechpartner gibt, an den ich rangehe.
Ich habe eine Gemeindestraße vor der Tür, ich habe eine Kreisstraße vor der Tür. Die eine wird geflickt, die andere wird nicht geflickt. Das sind ganz simple Beispiele dafür, dass wir insgesamt eine Systematik entwickelt haben, die so kompliziert ist, dass sie nicht nur für Jugendliche, sondern auch für viele Erwachsene nicht mehr nachvollziehbar ist. Wenn wir uns attraktiver machen wollen, sollten wir dar
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte versuchen, ein bisschen zur Sachlichkeit beizutragen. Wenn ich mir einige Redebeiträge, insbesondere auch von Ihnen, Herr Kubicki, anhöre, zweifle ich daran, dass es hier um eine ernsthafte Diskussion geht, was ich in der Rede eben zumindest im Ansatz spüren konnte.
Zu dem, was der Herr Innenminister hat zu den damaligen Veranstaltungen von Professor Hurrelmann gesagt, warum die SPD, warum Rot-Grün das für das Landtagswahlrecht nicht gleich mitgeregelt hat! Das hat einen ganz einfachen Grund, der heute überhaupt nicht erwähnt wurde. Zu der Zeit haben wir uns in der SPD lange und ausführlich über das Thema Beteiligung von Kindern und Jugendlichen in den Kommunen unterhalten, § 47 f, heute vielen bekannt. Die Diskussion sollte dazu führen, Kinder und Jugendliche an Demokratie heranzuführen. Das war der Ursprung, die sogenannte Demokratiekampagne. Im Rahmen dieser Demokratiekampagne kam die Idee auf, das Wahlalter herabzusetzen. Es wurde sogar eine Herabsetzung auf 14 Jahre diskutiert, das stimmt. 14 Jahre, 16 Jahre, es wurde im gesamten Land Schleswig-Holstein diskutiert, mit Jugendlichen, mit Erwachsenen, mit Verbänden. Da ist die Idee geboren, das Kommunalwahlrecht ab 16 auszuprobieren.
Ich möchte einmal an die Argumente erinnern, die damals aus den Reihen der CDU gekommen sind, warum man dagegen sein sollte. Unter anderem wurde behauptet, Jugendliche wählten doch nur aus Spaß, die wählten irgendwelche Parteien und gingen danach, was da draufstehe, irgend so ein Blödsinn. Das waren alles Argumente. Wenn die Jugendlichen wählen dürften, würde das unsere Kommunalparlamente total verändern, weil die gar nicht wüssten, worüber sie entschieden.
All das, was damals gesagt wurde, ist nicht eingetreten, im Gegenteil. Wir haben erlebt, dass Jugendliche sehr wohl ein Interesse daran haben zu wählen und im Grunde nicht weniger wählen als manch 40oder 50-Jähriger. Insofern stimmt die ganze Argumentation nicht.
Professor Hurrelmann wollte damals - das war auch seine Aufgabe - provozieren, er wollte die Diskussion anregen. Das ist ihm gut gelungen. Insofern freue ich mich, dass wir jetzt die Diskussion über die Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre auf Landesebene führen.
Herr Matthießen, wenn ich mir Ihren Redebeitrag anhöre, vermisse ich allerdings die Ernsthaftigkeit. Ihnen ging es nur darum zu provozieren. Ihnen ging es in keiner Form darum, sich mit diesem Thema ernsthaft zu beschäftigen. Wer sich hier hinstellt und das Zündeln mit Streichhölzern von kleinen Kindern mit einem Wahlrecht für Jugendliche vergleicht - es tut mir leid, da sollte man sich überlegen, wer hier so im Landtag sitzt.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dem, was Herr Bernstein hier gesagt hat, will auch ich etwas entgegensetzen. Ich bin noch zehn Jahre jünger als er, ich bin erst 25. Ich war letztes Wochenende auf einer Veranstaltung meiner Jugendorganisation. Da hat sich eine Menge Leute bei großer Hitze ernsthaft über Politik unterhalten. Denen will ich jederzeit zubilligen, wählen zu dürfen, selbstverständlich genauso wie den Mitgliedern der Jungen Union.
Ich kann mir das eigentlich nur so erklären, dass das ein bisschen Eigennutz ist, dass Sie sich gegen die Absenkung des Wahlalters stellen. Ich kann sehr gut nachvollziehen, dass Sie nicht wollen, dass die 16- und 17-Jährigen, die von Ihrer Schulpolitik betroffen sind, darüber abstimmen, wer im nächsten Landtag sitzt. Denn ich glaube, Sie würden von diesen jungen Menschen so gut wie keine Stimme bekommen.
Bei der Schuldenbremse sieht es ähnlich aus. Sie argumentieren immer, für die junge Generation zu handeln, und scheuen sich davor, die Quittung für Ihre Politik zu bekommen.
Auch in der CDU und in der FDP dürfen Parteimitglieder - seien sie auch 16 - selbstverständlich über das Wahlprogramm mit abstimmen, über das Bundestagswahlprogramm, über das Landtagswahlprogramm, und diese Wahlprogramme ändern die Politik in diesem Land. Deshalb glaube ich, dass es sinnvoll wäre, jungen Menschen mit 16 das Wahlrecht zu geben. Meinetwegen können wir auch gern darüber diskutieren, ob das schon mit 14 der Fall sein soll.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Debatte um das Wahlrecht ist so alt wie die Demokratie selbst. Es gab schon im alten Griechenland die Frage, wer wählen darf und wer nicht.
Ich möchte noch einmal auf den Kollegen Bernstein antworten. Herr Bernstein, der Landesjugendring fordert seit Jahren die Herabsetzung des Wahlalters bei Landtagswahlen auf 16 Jahre. Insofern gibt es hier auch eine politische Forderung der Jugendverbände, aller Jugendverbände, der Kirchen, der Sportverbände, dies umzusetzen.
Herr Kubicki, in Österreich gab es am 1. Juli 2007 eine Wahlrechtsreform. Das Wahlalter wurde gesenkt bei Landtagen, für die Nationalversammlung, für die Wahl des Bundespräsidenten und sogar für die Wahl zum EU-Parlament, auf 16 Jahre. Ich frage Sie: Sind die österreichischen Jugendlichen reifer als die deutschen Jugendlichen?
Wollen Sie in dieser Debatte ernsthaft behaupten, dass die Österreicherinnen und Österreicher eine falsche Entscheidung zum Wahlalter getroffen haben? - Nein, die Österreicher haben nämlich erkannt, dass die Debatte um das Grundrecht keine Scheindebatte ist, sondern dass das die Demokratie tatsächlich stärkt.
pflichtet, auch vor dem Hintergrund der Frage der Generationengerechtigkeit über eine Absenkung des Wahlalters zu sprechen. Sonst haben Sie tatsächlich eine Präferenz von älteren Menschen im Wahlrecht.
Das will niemand. Das heißt, das Wahlalter auf 16 Jahre herabzusetzen ist auch ein Stück Stärkung der Demokratie und eine moderne Demokratiepolitik und nicht eine Theoriedebatte, die Sie hier angefangen haben.
- Herr Kubicki, die Beratung ist geschlossen. - Es ist beantragt worden, den Gesetzentwurf Drucksache 17/669 (neu) dem Innen- und Rechtsausschuss zu überweisen. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen worden.
Meine Damen und Herren, bevor wir zum nächsten Tagesordnungspunkt kommen, bitte ich Sie, mit mir auf der Tribüne Mitglieder der Lübecker Turnerschaft zu begrüßen.
Ebenso Mitglieder der Christian-Albrechts-Universität Kiel, Institut für Sozialwissenschaft mit dem Politikwissenschaftlichen Seminar. - Seien Sie uns herzlich willkommen im Landeshaus in Lübeck!