Protocol of the Session on February 25, 2010

Die eben schon erwähnten im Erlass vorgegebenen Abstände gehen weit über das Immissionsschutzund Baurecht hinaus und bedeuten eine dramatische Verschlechterung im Vergleich zum alten Runderlass, zum Beispiel bei dem Mindestabstand von Gemeindestraßen als schutzwürdige Nutzungen. Mir kommt leider der Verdacht, dass bei diesem Erlass die Windkraft nicht gestärkt werden soll. Der Erlass beinhaltet mehr bürokratische Hürden als Erleichterungen für den Ausbau von Windkraftanlagen.

(Beifall des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

DIE LINKE hält einen Ausbau der Windenergie auf mindestens 2 % der Landesfläche in Schleswig-Holstein für machbar. Das sollte auch gesetzlich festgeschrieben werden.

(Beifall bei der LINKEN und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dazu muss auch die raum- und bauordnerische Drangsalierung der Windenergie in den Kommunen rechtlich eingegrenzt werden. Die Änderungsanträge der Grünen sowie des SSW sind richtungweisend, benötigen jedoch noch einige Überarbeitungen. Darum wünschen wir die Ausschussüberweisung für die drei Anträge.

(Beifall bei der LINKEN und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion des SSW erteile ich Herrn Abgeordneten Lars Harms das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Windkraftplanung ist ein Dauerbrenner in der politischen Diskussion. Dass bisher kein neuer Erlass für die Windkraftnutzung herausgegeben worden ist, liegt sicherlich auch an der Neuwahl des Landtags. Jetzt liegt uns ein erstes Exemplar vom 15. Januar vor, und das ist vom Zeitablauf her erst einmal zu begrüßen. Gleichwohl muss man sagen, dass auch dieser Erlass wieder eher von einer Angst geprägt ist, möglicherweise zu viel Windkraft zuzulassen. Deshalb möchte ich erst einmal deutlich machen, wie wichtig die Windkraft für unser Land ist.

Bis vor einigen Jahren waren wir noch Windkraftland Nummer eins. In Zeiten der Großen Koalition wurden wir aber von mehreren Bundesländern überholt. Hier gilt es also, wieder Terrain zurückzugewinnen. Für die Kommunen ist die Windkraft inzwischen zu einer wichtigen Steuereinnahmequelle geworden, und für die Investoren - oft Einzelpersonen - stellt die Windkraft oft ein weiteres wirtschaftliches Standbein dar. Betrachtet man die Windkraft historisch, so kann man feststellen, dass die Windkraft die erste neue großflächige Industrieansiedlung in unserem Land seit mindestens 400 Jahren war. Die letzte Ansiedlung dieser Art waren die Werften in diesem Land.

Vor diesen Hintergründen ist es nicht hinnehmbar, dass die Landesregierung - wie schon die Vorgängerregierung - die Windkraft nicht so fördert, wie es nötig wäre. Dabei spreche ich ausdrücklich nicht von der finanziellen Förderung, sondern von der Schaffung vernünftiger rechtlicher Rahmenbedingungen. Betrachtet man den Erlass vom 15. Januar, den die regierungstragenden Fraktionen bei Antragstellung am 12. Februar anscheinend noch nicht kannten, so kann man sehen, dass dieser Erlass nicht in der Tiefe durchdacht ist, die nötig gewesen wäre.

(Beifall bei der LINKEN)

Bei den Abstandsregelungen redet man zum Beispiel von - ich zitiere - „schutzwürdigen Gebäuden“, ohne diesen Begriff genau zu definieren. So wird nur Unsicherheit geschaffen, wo Rechtssicherheit nötig wäre. Aber auch die Bestimmung, nach der der Mindestabstand einer Windkraftanlage zu einer Gemeindestraße das Anderthalbfache ihrer Gesamthöhe betragen soll, ist weltfremd. Gemeindestraßen gibt es so gut wie überall, und damit sind viele Flächen nicht mehr nutzbar. So wäre zum Beispiel das Kreiskonzept Windkraft in Nordfries

(Ranka Prante)

land schlicht nicht mehr umsetzbar, weil die Hälfte der dort ermittelten Flächen schon allein dieser Bestimmung zum Opfer fallen würden.

(Unruhe)

Herr Abgeordneter, einen kleinen Moment bitte. Es wäre sehr freundlich, wenn alle Kolleginnen und Kollegen ihre Gespräche entweder beenden oder draußen weiterführen würden.

(Beifall)

Herr Abgeordneter Harms, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Ein richtig guter Erlass würde sich am geltenden Immissionsschutzrecht und am Baurecht orientieren. Keinesfalls dürfen aber weitere willkürliche Begrenzungen eingebaut werden. Wer die Windkraft darüber hinaus noch planen will, und das würden wir begrüßen, der muss eine landesweite Windflächenplanung umsetzen. Hier haben die ehemalige und die jetzige Landesregierung bisher nichts getan, und das ist eine Ursache dafür, dass unsere Entwicklung in diesem Bereich ins Stocken geraten ist.

(Beifall bei SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Jetzt haben wir es aber inzwischen nicht nur mit alten Versäumnissen der jeweils CDU-geführten Landesregierungen zu tun; inzwischen werden auch neue Entwicklungen blockiert. Deshalb haben wir einen Änderungsantrag eingebracht, der die Nutzung von Kleinwindanlagen leichter möglich machen soll. In dieser Branche haben wir nach unserer Auffassung ein enormes Potenzial und ebenfalls einen Vorsprung in der technischen Entwicklung, wie wir ihn auch bei der großen Windkraft einmal hatten. So kommt zum Beispiel die einzige bisher zertifizierte Kleinwindanlage in Deutschland aus Nordfriesland. Diesen Vorsprung wollen wir nicht verspielen.

(Beifall bei SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Uns liegt nun aber ein Kleinwindanlagenerlass mein Gott, welch ein Wort - vom 2. Februar vor, der an Detailverliebtheit im negativen Sinn nicht mehr zu überbieten ist. Der Erlass lässt sich über 14 Seiten darüber aus, was alles nicht geht. Man kann deutlich sehen, dass der Erlass von dem Gedanken getragen ist, möglichst wenig zuzulassen und mög

lichst viele Einschränkungen gelten zu lassen. Das ist genau der falsche Weg. Genauso, wie wir es schon eben für die großen Anlagen vorgeschlagen haben, müsste man sich auch hier vornehmlich am Immissionsschutzrecht und am Baurecht orientieren.

Die Landesregierung ist - jedenfalls verbal - dafür angetreten, Bürokratie abzubauen. Die Erlasse zur Windenergienutzung machen deutlich, dass hier aber eher Bürokratie aufgebaut wird und dass damit die wirtschaftliche Entwicklung in unserem Land torpediert wird. Bleiben die Erlasse so, wie sie sind, werden wieder Verwaltungen damit beschäftigt sein, zu Windenergie-Verhinderern zu mutieren. Gleichzeitig werden wir unsere gute Position auf dem Windenergiemarkt weiter verschlechtern. Zudem werden den Kommunen Entwicklungschancen genommen, weil sie auf Gewerbesteuereinnahmen verzichten müssten. Auch Arbeitsplätze in der Region würden unnötig gefährdet. Deshalb fordern wir die Landesregierung auf, die Erlasse schnellstmöglich zu überarbeiten, sie auf ein Mindestmaß zu beschränken und die Windflächenplanung im Lande endlich ernsthaft anzugehen.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir sind natürlich mit dem Vorschlag einverstanden, die drei Anträge an den Ausschuss zu überweisen. Wir wollen allerdings auch, dass schnell gehandelt wird. Meinetwegen können wir im Ausschuss schnell mit den Betroffenen diskutieren und uns Ratschläge einholen. Ich denke hier insbesondere an den Bundesverband Windenergie. Das Überweisen an den Ausschuss soll aber nicht dazu dienen, dass wir die Erlasse einfach liegen lassen und dass nichts passiert oder dass genau das dabei herauskommt, was wir jetzt als Entwurf eines Erlasses vorliegen haben. Diese Erlasse müssen auch wirklich geändert werden.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

- Lieber Kollege Kubicki, wir müssen als Ausschuss wirklich den Wunsch formulieren, dass wir endlich auch in diesem Bereich einen Bürokratieabbau machen. Dafür sind Sie angetreten. Folgen Sie uns, dann klappt das auch!

(Beifall bei SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

(Lars Harms)

Für die Landesregierung erteile ich dem Innenminister, Herrn Klaus Schlie, das Wort.

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Herr Abgeordneter Harms, der vorgelegte Antrag zielt, auf den Punkt gebracht, darauf ab, die Ausweisung von Eignungsflächen für die Windenergienutzung zu erleichtern und die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die Flächenproduktivität - Megawatt pro Hektar - in den Eignungsgebieten steigt. Der Planungserlass für Windkraftanlagen soll hierfür überarbeitet werden.

Ich danke den Regierungsfraktion außerordentlich für die klare politische Unterstützung. Eine Erlassüberarbeitung mit genau dieser Zielsetzung ist unter Federführung meines Hauses bereits angelaufen. Der entsprechende Entwurf wurde zwischen dem Innenministerium, dem Wirtschaftsministerium sowie dem Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume auf Arbeitsebene einvernehmlich abgestimmt; denn es handelt sich um einen gemeinsamen Runderlass der drei Ressorts. Es wird doch wohl möglich sein, dass wir im Entwurfsstadium das, was an Erkenntnissen auf Arbeitsebene vorhanden ist, in die Anhörung bringen, bevor wir im Kabinett eine politische Entscheidung dazu treffen. Das muss in diesem Lande schon noch möglich sein, es sei denn, wir verlassen das geordnete Verfahren.

(Beifall bei CDU und FDP)

Sich hier hinzustellen und den Eindruck zu erwecken, das sei bereits eine Erlasslage, ist - um es einmal deutlich zu sagen - unredlich.

(Beifall bei CDU und FDP)

Mitte Januar wurde die Verbandsanhörung zu diesem Entwurf eingeleitet. Der Entwurf ging also an die zu beteiligenden Verbände, die kommunalen Landesverbände, die Fachverbände. Die letzten Stellungnahmen aus der Beteiligung erwarten wir Ende des Monats. Dann werden - das ist doch selbstverständlich - die Stellungnahmen ausgewertet, der Entwurf wird überarbeitet, und dann kommt es zu einer politischen Entscheidung. Die Maßstäbe hierfür sind in dem Antrag der Regierungsfraktionen sehr deutlich gemacht worden.

Es handelt sich also momentan um ein Entwurfsstadium, Herr Abgeordneter Matthiessen, und nicht um etwas, was im Dunkeln geschieht. Sie waren doch auch ein paar Jahre Abgeordneter, als die Lan

desregierung durch Ihre Fraktion mit gestellt wurde.

Angesichts der geplanten Erweiterung und Neuausweisung von Eignungsgebieten gehen im Innenministerium fast täglich Anrufe und Briefe von besorgten Bürgern ein, die ausdrücklich nicht möchten, dass ihnen zukünftig Windkraftanlagen - um es einmal leger zu sagen - zu dicht auf die Pelle rücken. Wer die Lokalpresse aufmerksam liest, wird solche Reaktionen bis hin zu Bürgerinitiativen und Bürgerbegehren gegen Windkraftanlagen kennen. In meinem Kreis sind es fast ein Dutzend. Wenn wir das politische Ziel, das wir gemeinsam haben, nämlich Investitionshemmnisse bei den Windkraftanlagen zu beseitigen, verfolgen wollen, dann geht es auch um die Akzeptanz durch Bürgerinnen und Bürger, und dann müssen wir rechtssicher arbeiten und nicht irgendwelche Sprüche in die Welt setzen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ebenso erreichen mich natürlich auch die Forderungen der Projektentwickler und Investoren, denen alles nicht schnell genug gehen kann. Bei einigen ist es sogar so - insoweit bitte ich auch um Differenzierung -, dass ihnen jegliche Vorgaben ein Dorn im Auge sind. Ich wende mich auch als Kommunalminister dagegen, dass schon Verträge mit Kommunen abgeschlossen werden, in denen es ausdrücklich nicht möglich ist, dass Windkraftanlagen entstehen. Übrigens ist die Ausweisung der Naturschutzgebiete, in denen das nicht möglich ist, nicht in der Regierungszeit entstanden, in der ich in der Landesregierung war, Herr Abgeordneter Matthiessen.

Ich will damit sagen: Die Rückendeckung und Akzeptanz für den weiteren Ausbau der Windenergie ist in der Bevölkerung nicht immer und überall gegeben. Die Aussicht auf gute Einnahmen aus sicheren Investitionen verschleiert leider manchmal den Blick auf andere Befindlichkeiten und Belange. Das hehre Anliegen des Klimaschutzes spielt auf dieser Diskussionsebene auf beiden Seiten oftmals leider keine wichtige Rolle mehr. Dabei sind wir uns doch über das Ziel einig: Die Windkraft bleibt eine der wichtigsten Säulen beim Ausbau der erneuerbaren Energien, die es in dem dafür privilegierten Schleswig-Holstein natürlich zu stärken gilt. Gerade deshalb setzen wir auf eine breite Akzeptanz in der Bevölkerung.

Ich plädiere für etwas mehr Gelassenheit in dieser Diskussion und frage mich natürlich schon: Der letzte Erlass ist im November 2003 unter der Feder

führung von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erlassen worden. Warum haben Sie denn diese klugen Erkenntnisse nicht damals schon alle eingebracht?

(Beifall bei CDU und FDP)

Aus den auf Ebene der Kreise abgeschlossenen Vorarbeiten für die geplante Neuausweisung von Eignungsflächen im Rahmen der Teilfortschreibung der Regionalpläne lässt sich schon jetzt ablesen, dass wir überhaupt kein Problem hätten, die Eignungsgebietsfläche mehr als zu verdoppeln. Wir können aus einem Überangebot an Flächenvorschläge schöpfen. Das ist doch eine hervorragende Ausgangsbasis, um das, was Sie, Herr Abgeordneter Harms, hier einfordern, nämlich eine landesweite Windkraftanlagenplanung, ins Auge zu fassen. Sie werden mir aus Ihrer kommunalpolitischen Kompetenz, die Sie haben, sicherlich zustimmen, dass es toll ist, dass wir über das ganze Land hinweg mehr als eine Verdopplung der Flächenangebote zu verzeichnen haben. Das ist auch deshalb gut so, weil es ökologisch und ökonomisch sinnvoll ist. Dies ist übrigens ein wesentlicher Bestandteil der Politik des Aufbruchs dieser Landesregierung.

(Beifall bei CDU und FDP - Lachen bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Gerade deshalb halte ich es für nötig, dass wir in einem geordneten Verfahren Eckwerte für die Errichtung von Anlagen definieren, die meist ohnehin schon gerichtlich abgesicherter bundesweiter Standard sind.

Damit bin ich bei den Inhalten des neuen Erlasses. - Bei den Inhalten des neuen Erlassentwurfs.