Protocol of the Session on February 25, 2010

Vielleicht noch ganz kurz an die Adresse des Kollegen Harms: Der Kleinwindanlagenerlass ist natürlich auch uns nicht verborgen geblieben.

(Olaf Schulze [SPD]: Das glauben Sie selbst nicht!)

Wenn man sich den genau ansieht, sind darin sehr viele bundesrechtliche Regelungen und gültige Rechtsprechungen verarbeitet. Ich bin aber zuversichtlich, dass wir zu einer Lösung kommen werden. Wir werden das im Ausschuss noch einmal erläutern.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich Herrn Abgeordneten Detlef Matthiessen das Wort.

(Dr. Christian von Boetticher [CDU]: Der weiß, wie man Wind macht!)

Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Zwei neue Erlasse zur Windenergie hat die Landesregierung auf den Weg gebracht. Im Dunklen ausgebrütet - niemand wusste davon -, schlagen die Wellen der Empörung über das Machwerk hoch. Von Förderung der Windenergie steht etwas in der Präambel. Verhinderung zieht sich wie ein schwarz-gelber Faden durch den Inhalt der Erlasse.

Es gibt einen Abstand zu einem Gemeindeweg abhängig von der Höhe der Windenergieanlage. Der Weg wird als schutzwürdig bezeichnet. In dem neuen Entwurf will die Landesregierung das 1,5-fache der Höhe der Windenergieanlage zu einem Gemeindeweg festschreiben.

Meine Damen und Herren, damit soll der schutzwürdige Wirtschaftsweg - dabei handelt es sich bei einem Gemeindeweg in der Regel - vor der Windenergieanlage geschützt werden. Um welches Schutzgut es sich bei dem schutzwürdigen Wirtschaftsweg handelt, wird nicht näher erläutert. Ich gehe davon aus, dass Gefahrenabwehr gemeint ist. Bei Sturm wird die Windmühle aus dem Fundament gerissen und kippt auf den Weg. Darum redet man auch vom Kippabstand. Die Mühle kippt also auf den Weg und beschädigt Mensch oder Material. Das soll mit dem Abstand vermieden werden.

Nun gibt es in der Technik zwei Wege zur Gefahrenvermeidung. Einmal macht man sich Gedanken, was passieren könnte, um etwas dagegen zu tun. Zum Beispiel kann der Monteur oder die Mechatronikerin bei der Wartung abrutschen. Der Konstrukteur sieht einen Ring an geeigneter Stelle

(Oliver Kumbartzky)

vor, wo sich der Fachmann oder die Fachfrau bei der Arbeit mit der Sicherheitsleine einhängen kann. Das ist eine gute Idee: Mehr Sicherheit konstruktiv berücksichtigt.

Insgesamt bei junger Technik kommt neben Theorie noch ein Zweites hinzu, nämlich Erfahrungswerte. Niemand dachte voraus, dass ein Ingenieur in einer Atomanlage den Kabelschacht mit einer Kerze kontrollieren und in Brand setzen könnte. Seitdem gibt es redundante Kabelführungen in Atomkraftwerken.

Die in der Praxis gewonnene Erfahrung ertüchtigt also fortwährend die Sicherheitstechnik. Risiko ist das Produkt aus Schadenshöhe und Schadenhäufigkeit. Was sagen uns diese Überlegungen für den schutzwürdigen Wirtschaftsweg? Wie häufig ist Sturm? Wie häufig kippt eine Windenergieanlage dabei um? Wie häufig trifft sie in einem solchen Fall auf ein auf einem schutzwürdigen Weg befindliches Wirtschaftsfahrzeug? Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Bauer auf seinem Trecker im Sturm auf dem schutzwürdigen Weg von der kippenden Windmühle erschlagen wird? Das ist noch nie vorgekommen. Das ist auch theoretisch sehr unwahrscheinlich. Mit dem Abstand - der, statt gestrichen zu werden, jetzt sogar noch vergrößert werden soll - passiert so ein Unglück natürlich nicht. Das ist klar, das ist wahr. Aber ohne den Abstand passiert auch nichts. Dasselbe gilt auch, wenn man bei Frost Eiswurf an den Rotoren annimmt. Auch da liegen keine Erkenntnisse von Schadensereignissen vor.

Zur Gefahrenabwehr ist eine Regelung, die einen 300 m breiten Streifen in den knappen Windeignungsflächen erzwingt, nicht erforderlich. Diese Regelung unterstreicht nur die Liebe, die die Landesregierung den erneuerbaren Energien entgegenbringt.

In Nordfriesland, wo 3.500 ha neu angemeldet werden sollen - von ursprünglich 11.000 ha, die die Gemeinden anmelden wollten - würde die Eignungsfläche durch den neuen Erlass in der Nutzbarkeit um 60 % eingeschränkt werden. Wenn ich von diesem Wirtschaftsweg so ausführlich rede, dann rede ich nicht von Peanuts.

Es scheint glücklicherweise im Hohen Hause Einigkeit zu bestehen, dass die Windenergie weiter ausgebaut werden soll und dass wir das intensiv fördern und begleiten wollen. Dabei gibt es zwei Ziele.

Erstens. Die Fläche der Windeignungsgebiete soll vergrößert werden. Alte, starre Begrenzungen sol

len wegfallen. Noch im vergangenen Juli, Herr Ministerpräsident, war die Rede von einem Anteil von 1 % in dem Klimaschutzbericht 2009 aus Ihrem Umweltministerium. Wir sind uns im Klaren darüber, dass Windenergieanlagen - so sehr wir ihren Ausbau unterstützen - auch einen Eingriff darstellen. Daher fordern wir nicht blind Wachstum um jeden Preis, sondern sorgfältige Planung.

Zweitens fordern wir, dass die geschaffenen Eignungsräume dann aber auch optimal ausgenutzt werden können. Dabei gibt es insbesondere bei den genannten Erlassen noch eine Menge zu tun. Ich sage das hier deutlich und glaube, das auch im Namen des ganzen Hauses tun zu können. Der Landtag wird die künftige Arbeit der Landesregierung intensiv beratend begleiten. Wir wollen nicht von einem neuen Erlass überrascht werden. Wir wollen dieses wichtige Thema für unser Land mitberaten und Empfehlungen dazu beschließen. Wie ich die Stimmung bei den Fachsprecherinnen und -sprechern der Fraktionen einschätze, wollen wir aus einem Verhinderungserlass einen Erleichterungserlass machen.

Zum Abstimmungsverhalten meiner Fraktion: Wir sind der Überzeugung, dass die Intention in dem von der Koalition gestellten Antrag stimmt. Allerdings glaube ich auch, dass dort erhebliche Unschärfen sind. Herr Magnussen, wir hatten uns darüber am Rande unterhalten. Wir werden uns daher gegenüber dem Antrag -

(Zurufe)

- Wir überweisen alles? - Das ist gut. Das wollte ich als Optimum vorschlagen. Dann können wir noch mal in toto alle drei sorgfältig im Ausschuss beraten, weil ich glaube, dass alle drei Anträge in die richtige Richtung gehen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, SSW und des Abgeordneten Dr. Chri- stian von Boetticher [CDU])

Für die Fraktion DIE LINKE erteile ich der Frau Abgeordneten Ranka Prante das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir reden heute über einen Antrag von CDU und FDP, in dem die Regierungsparteien den Landtag auffordern - ich zitiere -:

(Detlef Matthiessen)

„Der Landtag bittet die Landesregierung, ‚den Erlass zur Planung von Windkraftanlagen’ in der Fassung vom 25.11.2003 dahin gehend zu überarbeiten, dass sowohl die Flächenausweisung für Windkraftanlagen erleichtert wird als auch den technischen Entwicklungen dahin gehend begegnet wird…“

Wenn ich das richtig sehe, ist der Antrag vom 12. Februar 2010.

Was mich etwas verwundert, ist die Tatsache, dass die Abteilung für Landesplanung und Vermessungswesen des Innenministeriums schon am 15. Januar 2010 einen Brief mit der Überschrift „Neufassung des gemeinsamen Runderlasses Grundsätze zur Planung von Windkraftanlagen an Verbände und Organisationen“ verschickt hatte mit der Bitte zur Stellungnahme zum Entwurf des gemeinsamen Runderlasses Grundsätze zur Planung von Windkraftanlagen. Darin steht weiter - ich zitiere -:

„Anliegend übersende ich Ihnen den in der Landesregierung abgestimmten Entwurf zur Neufassung des gemeinsamen Runderlasses ‚Grundsätze zur Planung von Windkraftanlagen’ in der in der Landesregierung abgestimmten Fassung.“

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das war die letzte Landesregierung!)

- Nein, nicht die letzte.

Wenn Mitte Januar ein in der Landesregierung abgestimmter Entwurf den Verbänden und Organisationen zugeschickt wurde und um Stellungnahme gebeten wurde, frage ich mich, warum der Landtag im Auftrag von CDU und FDP die Landesregierung auffordern soll, einen Erlass auszuarbeiten, obwohl dieser Erlass schon erarbeitet ist!

Ich kann mir das nur so erklären, dass Sie, Herr Magnussen, und Sie, Herr Kumbartzky, den Erlass nicht kennen oder eingesehen haben, dass dieser Erlass von Mängeln durchwoben ist, die Windkraft weiter einschränkt und keine Erleichterung für die Windkraft darstellt. Da ich Vertrauen habe, dass die Regierungsfraktionen wissen, was in den Ministerien passiert, gehe ich davon aus, dass Sie erkannt haben, dass der Erlass erhebliche Mängel aufweist. Das freut mich.

Frau Abgeordnete, lassen Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kubicki zu?

Herr Kubicki, Sie haben das Wort.

Reizende Kollegin,

(Zurufe)

können Sie mir folgen, dass es sich bei dem Entwurf um einen Entwurf und nicht um einen Erlass handelt und dass die regierungstragenden Fraktionen das Ministerium auffordern, einen Erlass mit bestimmtem Inhalt zu erlassen und nicht auf den Entwurf zu rekurrieren?

Ich kann Ihnen da folgen. Trotzdem denke ich, dass so etwas zuvor in diesem Hohen Hause beredet werden müsste. Aus meiner Sicht ist das hintenrum gelaufen. Ich denke, wir hätten offen darüber sprechen müssen. Ich finde die Art und Weise der Herangehensweise etwas merkwürdig. Habe ich damit Ihre Frage beantwortet?

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Jawohl!)

- Danke schön. - Ich gehe aber aus Sicherheitsgründen weiter auf den Erlass ein, um zu überprüfen, ob wir von den gleichen Mängeln sprechen. Da meine Redezeit begrenzt ist, kann ich aber nur auf einzelne Stichpunkte eingehen: Erstens, Abstände zur Bebauung. Im Erlassentwurf soll in der Regel der dreifache Abstand der Anlagengesamthöhe nicht unterschritten werden. Dabei wird auf die Rechtsprechung verwiesen, nämlich auf Urteile des Bundesverwaltungsgerichts und des Oberverwaltungsgerichts Münster. Bei den heutzutage üblichen Höhen von 150 m pro Mast wären kaum noch nutzbare Eignungsflächen vorhanden. Besonders viele Küstenstandorte würden aus der Eignungsfläche herausfallen. Nur die Hälfte der ermittelten Eignungsfläche in Nordfriesland wäre nutzbar.

Zweitens. Das Urteil bezieht sich auf Wohngebäude, der Erlass spricht von Gebäuden. Anders als im Erlass impliziert, gibt es nach intensiver Prüfung Spielraum bei der Abstandsregelung. Außerdem bezieht sich das Urteil auf andere Grundlagen, zum Beispiel auf Einzelanlagen im Außenbereich, nicht auf Eignungsraum. Die Praxis in Schleswig-Holstein legt zudem den Abstand zum Mastfuß plus

(Ranka Prante)

Rotorradius zugrunde, die Rechtsprechung dagegen nur den Abstand zum Mastfuß.

Im Anschreiben der Landesplanung heißt es weiter, dass innerhalb der Eignungsgebiete nur noch auf das geltende Immissionsschutzrecht und auf das baurechtliche Gebot der nachbarlichen Rücksichtnahme abgestellt werde. Im Punkt 2.2., Abstände zur Bebauung, heißt es dann im Erlassentwurf selbst:

„Für alle WKA orientieren sich die Abstände, die gegenüber schutzbedürftigen Gebäuden einzuhalten sind, im Wesentlichen an den Vorschriften des Bundes-Immissionsgesetzes sowie dem Bauplanungsgesetz.“

Der Begriff ,,orientiert sich“ ist eindeutig Auslegungssache.

Die eben schon erwähnten im Erlass vorgegebenen Abstände gehen weit über das Immissionsschutzund Baurecht hinaus und bedeuten eine dramatische Verschlechterung im Vergleich zum alten Runderlass, zum Beispiel bei dem Mindestabstand von Gemeindestraßen als schutzwürdige Nutzungen. Mir kommt leider der Verdacht, dass bei diesem Erlass die Windkraft nicht gestärkt werden soll. Der Erlass beinhaltet mehr bürokratische Hürden als Erleichterungen für den Ausbau von Windkraftanlagen.