Protocol of the Session on November 21, 2007

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke der Frau Ministerin für den Bericht. - Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die CDUFraktion hat die Frau Abgeordnete Ursula Sassen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In den letzten Monaten häuften sich die Berichte über Rückrufaktionen von Kinderspielzeug. Der weltgrößte Spielzeughersteller Mattel war besonders betroffen. Binnen weniger Wochen hatte der US-Konzern mit drei Rückrufaktionen insgesamt etwa 21 Millionen Stück in China hergestelltes Spielzeug wegen möglicher gesundheitlicher Gefahren vom Markt genommen.

Auch der US-Spielwarenhändler Toys-R-Us musste wegen zu hohen Bleigehalts oder gefährlicher Magnete Millionen Spielwaren und Baby-Lätzchen aus China zurückrufen. Das US-Handelsunternehmen Martin Designs rief rund eine Viertelmillion in China hergestellte Adress- und Notizbücher für Kinder zurück.

Das Unternehmen Kolcraft rief 425.000 Laufställe zurück, nachdem ein zehn Monate alter Junge erstickt war, weil er sich in einem Band des Laufstalls verfangen hatte. Vor einigen Wochen wurden Werkzeuge aus Baumärkten beanstandet, da deren Gummigriffe krebserregende Stoffe enthalten.

EU-Verbraucherkommissarin Meglena Kuneva nannte es besorgniserregend, wie viele importierte Produkte sich als gefährlich herausstellen. Bis Jahresende wird in der Europäischen Union mit Beanstandungen in rund 1.500 Fällen gerechnet. Spielzeug liegt dabei vor Elektrogeräten und kleinen Motorrädern an erster Stelle.

Als ich auf RAPEX - das steht für Rapid Alert System for Non Food Products -,

(Beifall des Abgeordneten Detlef Matthies- sen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

ein europaweit betriebenes Schnellinformationssystem bei ernsten Gefahren für Verbraucherinnen und Verbraucher, aufmerksam wurde, hoffte ich auf eine Lösung des Problems. Der von der Landesregierung vorgelegte Bericht ist jedoch ziemlich ernüchternd.

Mit der EU-Produktsicherheitsrichtlinie, die in Deutschland durch das Geräte- und Produktsicherheitsgesetz umgesetzt wurde, sind Anforderungskriterien zum Schutz der Verbraucher festgeschrieben.

Das RAPEX-Verfahren sieht die Meldung von Maßnahmen vor, die behördlicherseits gegen Produkte getroffen wurden, von denen ein unmittelbares ernstes Risiko für die Gesundheit und Sicherheit der Verbraucher ausgeht. Aus dem vorliegenden Bericht ist mir noch nicht ganz klar geworden, ob die jeweilige Behörde unverzüglich die ergriffenen Maßnahmen an die EU-Kommission weiterleitet oder ob diese zunächst an die für Deutschland zentrale Meldestelle, die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, gehen und von dort sowohl an die Bundesländer und die jeweiligen Behörden als auch an die EU weitergeleitet werden.

Die Ausführung der Landesregierung lassen erkennen, dass mit dem RAPEX-Verfahren viel guter Wille vorhanden ist, Schaden vom Verbraucher abzuwenden. Einmal wöchentlich werden die Mitgliedstaaten von der EU-Kommission über eingegangene Meldungen über gefährliche Produkte informiert. Innerhalb von drei Arbeitstagen werden diese unter Berücksichtigung der Schwere der Mängel an die zuständigen Stellen der Länder weitergeleitet, welche einen Marktüberwachungsauftrag erhalten.

Die Zahl der gemeldeten gefährlichen Produkte beziehungsweise Produktgruppen in 2005 mit 847 ist in 2006 auf 1.051 gestiegen und wird bis Ende 2007 bei 1.500 erwartet. Zu Recht kritisiert die Landesregierung, dass Informationen über gefährliche Produkte nicht schnell genug den Vollzugsbehörden, den Verbraucherzentralen oder den Verbrauchern selbst vorliegen. Zeitaufwendige Verwaltungs- und Prüfverfahren seitens der ermittelnden Behörden sind die Ursache.

RAPEX ist Theorie. Die Praxis sieht so aus, dass viele mangelhafte und gesundheitsschädliche Produkte häufig bereits abverkauft sind und von den Überwachungsbehörden auf dem Markt daher nicht mehr gefunden werden. Insofern helfen auch Rückrufaktionen des Handels oftmals nicht.

Ein Großteil aller Konsumgüter wird nicht in der EU hergestellt. Das Spielzeug in deutschen Kinder

(Ministerin Dr. Gitta Trauernicht)

zimmern stammt mittlerweile zu 80 % aus China. Die Ende 2006 von der EU verabschiedete Chemikalienverordnung REACH greift in diesem Fall nicht. Fertigerzeugnisse wie eben Kinderspielzeug werden von dieser EU-Verordnung nicht erfasst. Die Produzenten in Fernost müssen die Unbedenklichkeit der von ihnen benutzten Chemikalien, die sie für Spielzeug verwenden, nicht nachweisen. Hier sollte dahin gehend nachgebessert werden, dass auch ausländische Hersteller für die Exporte lackierter Produkte nach Europa nur Chemikalien verwenden dürfen, die entsprechend REACH registriert sind. Spielzeug darf Kinder nicht krank machen.

(Beifall des Abgeordneten Detlef Matthies- sen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Darüber hinaus wäre auch eine unabhängige europäische Kontrollinstanz oder ein Sicherheitssiegel zu begrüßen. Dieses sollte aber bitte auch für Importeure aus nichteuropäischen Ländern verpflichtend sein.

Ich bin zu der Schlussfolgerung gekommen, dass RAPEX ein umständliches Verfahren ist und entgegen seines hoffnungsvollen Namens „Rapid Exchange“ das Ziel verfehlt, schnellstmöglich Verbraucherinnen und Verbraucher und insbesondere Kinder vor gesundheitsschädigenden Produkten zu schützen. Das RAPEX-Informationssystem muss überarbeitet werden oder durch ein schnelleres ersetzt werden.

(Beifall bei der CDU)

Ich danke der Frau Abgeordneten Ursula Sassen und erteile für die SPD-Fraktion der Frau Abgeordneten Siegrid Tenor-Alschausky das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Rapid Exchange of Information System - kurz RAPEX - ist ein Schnellwarnsystem der Europäischen Union für den Verbraucherschutz. Es werden Informationen aus den Mitgliedstaaten über gefährliche oder potenziell gefährliche Verbrauchsgüter ausgetauscht; ausgenommen sind Lebensmittel und pharmazeutische Produkte.

Jedes EU-Land hat eine zentrale Meldestelle, die die Produktinformationen an Brüssel weitergibt. Die europäische Generaldirektion Gesundheit und Verbraucherschutz veröffentlicht wöchentlich einen Bericht über aktuelle RAPEX-Warnungen. Dieser

Bericht wird für jeden zugänglich im Internet veröffentlicht.

Wie wichtig eine gute Information der Verbraucher ist, haben erst jüngst die Rückrufaktionen eines großen Spielzeugherstellers gezeigt - meine Vorrednerin wies schon darauf hin -, in dessen Produkten gesundheitsgefährdende Bleikonzentrationen festgestellt wurden. Weniger Aufmerksamkeit erfuhren Warnmeldungen zu Funksteckdosen, bei denen Brandgefahr und Stromschlagrisiko bestanden, und zu Kosmetikartikeln, deren Bestandteile nicht zu Verschönerungen, sondern zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen könnten.

RAPEX bietet also die Möglichkeit, Sicherheitsund Gesundheitsrisiken, die bei ordnungsgemäßem Gebrauch eines Produkts auftreten können, EU-weit schnell bekannt zu machen. Es wird der Versuch unternommen, den Verbrauchern Sicherheit auch bei Produkten, die durch die globalen Handelsverflechtungen den europäischen Markt erreichen, durch Prüfverfahren, Transparenz und rechtzeitige Warnungen zu geben. Dies ist eine im Ansatz sinnvolle Maßnahme. Denn durch den internationalen Güterverkehr ist der Verbraucher darauf angewiesen, dass ihn auch Produktwarnungen rasch erreichen.

Die Bundesrepublik Deutschland hat mit den Bundesländern ein arbeitsteiliges Vorgehen vereinbart, nach dem einzelne Länder jeweils unterschiedliche Marktüberwachungsaufträge erhalten. In Schleswig-Holstein nimmt das Landesamt für Gesundheit und Arbeitssicherheit diese Aufgabe wahr.

RAPEX sollte also die Sicherheit der Verbraucherinnen und Verbraucher vor gefährlichen Produkten gewährleisten können. In dankenswerter Deutlichkeit macht die Landesregierung in dem uns vorliegenden Bericht aber auch die Mängel deutlich: Die Auswertung der bisher gemachten Erfahrungen macht deutlich, dass mit den Mitteln der klassischen Marktüberwachung, nämlich der Reaktion einer Behörde auf eine RAPEX- oder sonstige Mängelmeldung, hinsichtlich der Produktsicherheit für den Endverbraucher keine nachhaltigen Erfolge zu erzielen sind.

Die Landesregierung führt aus, dass der rasche Informationsaustausch keineswegs dazu führt, dass Informationen über gefährliche Produkte schnell bei den Verbrauchern oder auch nur bei den regionalen Behörden oder Verbraucherzentralen vorliegen. Denn - ich zitiere

„… die Ursache hierfür liegt darin, dass zunächst einmal gesicherte Erkenntnisse über

(Ursula Sassen)

die Gefährlichkeit eines Produkts vorliegen müssen, bevor entsprechende Informationen darüber ausgetauscht werden können. Solche Erkenntnisse ergeben sich aber immer erst als Ergebnis zeitaufwendiger Verwaltungsund Prüfverfahren seitens der ermittelnden Behörde. Zum Zeitpunkt des Abschlusses dieser Verfahren sind die betreffenden Produkte aber sehr häufig bereits abverkauft und werden von den Überwachungsbehörden auf dem Markt nicht mehr gefunden. Fakt ist, dass sich mängelbehaftete Produkte in der Hauptsache nicht mehr vom Markt zurückholen lassen, wenn sie einmal in den Handel gelangt sind.“

Die Landesregierung ist deshalb von uns in ihrem Bestreben zu unterstützen, den Verbraucherschutz durch die Bildung und Unterstützung von landesweiten Netzwerken zu stärken. Neben den Institutionen, die sich traditionell mit Fragen des Verbraucherschutzes beschäftigen, scheinen der SPD-Fraktion auch die Zollbehörden, Industrie- und Handelskammern sowie die Handwerkskammern geeignete Partner zu sein.

Mein Fazit lautet daher: RAPEX ist ein sinnvoller Baustein für mehr Verbraucherschutz. Wirksamer Verbraucherschutz setzt aber auch Informationssysteme voraus, die möglichst allen Verbraucherinnen und Verbrauchern den Zugriff ermöglichen. Das wird für uns Hauptkriterium für die Überprüfung des jetzt verabschiedeten Verbraucherschutzgesetzes sein, die nach zweijähriger Geltungsdauer dieses Gesetzes vorgesehen ist.

Ich bitte Sie, den Bericht der Landesregierung zur abschließenden Beratung an den zuständigen Sozialausschuss zu überweisen.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke der Frau Abgeordneten Tenor-Alschausky und erteile für die FDP-Fraktion Herrn Abgeordneten Günther Hildebrand das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Weichmacher in Spielzeugen, verbotene Zusätze in Lebensmitteln, Quecksilber in Hautcremes und schlecht isolierte Elektrogeräte - in ganz Europa steigt die Zahl der gemeldeten gefährlichen Produkte von Jahr zu Jahr.

Die über das Meldesystem RAPEX veröffentlichten Daten all jener Alltagsgegenstände, bei denen Unternehmen oder Behörden in den einzelnen Mitgliedsländern ein gesundheitliches Risiko für die Verbraucher vermuten, hat in 2006 einen Zuwachs von mehr als 20 % gegenüber dem Vorjahr verzeichnet.

Angesichts der kaum überschaubaren Menge an Produktneuheiten ist die Zahl von 1.051 RAPEXMeldungen in 2006 vielleicht gering, doch der Trend ist eindeutig. Zum einen zeigt die steigende Zahl an Meldungen, dass RAPEX europaweit immer besser funktioniert. Seit der ersten europaweiten Veröffentlichung von Produktwarnungen vor drei Jahren wird überhaupt erst erkennbar, wie es um die Sicherheit von Alltagsgegenständen bestellt ist. Zum anderen wird deutlich, dass Produkte, Hersteller und Händler, die in diesem Meldesystem namentlich genannt werden, schnell ein Imageproblem bekommen können und von sich aus daran interessiert sind, nicht gelistet zu werden. Selbst Herstellerländer wie zum Beispiel China, auf dessen Produkte fast die Hälfte aller Meldungen entfällt, beginnen zu reagieren.

Produzenten versuchen deshalb durch eigene Qualitätskontrollen und Tests bereits im Vorfeld eine solche Meldung zu vermeiden, was nicht immer gelingt, wie kürzlich ein amerikanischer Spielzeughersteller erfahren musste. RAPEX ist deshalb ein wichtiges Instrument für besseren Verbraucherschutz.

Ein solches Meldesystem kann allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass RAPEX noch nicht so funktioniert, wie es eigentlich funktionieren sollte. Der Jahresbericht der Europäischen Kommission für 2006 macht deutlich, dass nur wenige Länder aktiv melden. Neben Spitzenreiter Deutschland - auf Deutschland entfallen 16 % aller Meldungen sind es vor allem Ungarn, Griechenland, Großbritannien und Spanien, die sich an RAPEX beteiligen. Für einen europäischen Verbund ist das ein einigermaßen schwaches Bild.

Hinzu kommt, dass Behörden in den Mitgliedsländern noch zu oft unterschiedliche Rückschlüsse aus den Meldungen ziehen. Was in einem Land als wenig risikoverdächtig angesehen wird, kann in einem anderen europäischen Land einschneidende Maßnahmen auslösen. Hier müssen Risikobewertungen einzelner Produkte noch verbessert werden, damit ein europaweit einheitliches Vorgehen bei festgestellten Mängeln erfolgen kann. Andernfalls kann dies zu Verunsicherung bei Verbrauchern und Her

(Siegrid Tenor-Alschausky)

stellern führen, was letztlich der guten Idee, die hinter RAPEX steht, schadet.

Wir müssen uns auch bewusst machen, dass RAPEX lediglich ein Meldesystem ist, ein System, das sich bisher bewährt hat und europaweit ausbaufähig ist. RAPEX ist aber kein Ersatz dafür, dass es eine Pflicht der Hersteller oder der Behörden zur technischen Kontrolle von Alltagsgegenständen nicht gibt. Keine Behörde, egal in welchem Land, ist in der Lage, alle Alltagsprodukte zu überprüfen. Darüber kann auch die relativ hohe Zahl von Meldungen aus Deutschland im RAPEX-System nicht hinwegtäuschen.

Hinzu kommt, dass Produktsicherheit in Deutschland relativ schwerfällig organisiert ist. Für die Umsetzung der EU-Richtlinien ist der Bund zuständig. Der Vollzug der Gesetze erfolgt wiederum in den jeweiligen Ländern. Vor Ort wiederum sind für den Bereich der technischen Verbraucherprodukte in der Regel die Gewerbeaufsichtsämter, für Lebensmittel und Bedarfsgegenstände die Lebensmittelüberwachungsbehörden zuständig. Die dezentrale Struktur der Überwachung hat den Vorteil, dass eine Marktüberwachung vor Ort durchgeführt werden kann. Sie hat aber den Nachteil, dass es eines enormen Koordinierungsaufwandes bedarf, damit einzelne Produkte womöglich nicht doppelt innerhalb Deutschlands überprüft werden und andere vollständig durch das Überwachungsnetz fallen. Das ist ein klarer Nachteil, zumal es sich bei RAPEX doch um ein Schnellinformationssystem handeln soll. Das Fazit des Berichtes lautet: Die Einführung von RAPEX hat sich seit drei Jahren bewährt. Jetzt müssen die Vorteile des Meldesystems in der gesamten EU kommuniziert werden.

(Beifall bei der FDP)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Günther Hildebrand und erteile für die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN dem Herrn Abgeordneten Detlef Matthiessen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Thema Verbraucherschutz auch im Non-Food-Bereich erhält durch die nicht enden wollenden Rückrufaktionen von Spielzeugherstellern in den vergangenen Monaten aktuelle Brisanz und wirft ein düsteres Licht auf die Spielzeugbranche und das Risikomanagement auch der Bundesre