Protocol of the Session on August 29, 2003

Das ist eine grundsätzliche Strukturfrage und deshalb unterstütze ich den Wirtschaftsminister voll, wenn er sagt, dass man dieses Thema endlich einmal in der Verkehrsministerkonferenz auf Bundesebene behandeln muss. So kann es nicht weitergehen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Trotzdem sehe ich natürlich das Problem, dass die Kunden - gerade aufgrund der Werbung, die massenhaft in ihre Briefkästen flattert - denken: Die BahnCard 50 ist es, die BahnCard 50 muss jetzt kommen! Das gilt übrigens nicht für alle Kunden. Denn in Schleswig-Holstein wird ab dem nächsten Jahr das einheitliche Schleswig-Holstein-Ticket für Bahn und Bus gelten. Es ist so, dass die Buskunden keineswegs erwarten, dass die BahnCard auch für Busse gilt. Das müssen wir konstatieren. Das kann auch gar nicht funktionieren, weil nämlich die Dauerkartenrabatte für einen Bus nur 18 % ausmachen.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Das heißt, wenn wir beim Busverkehr 50 % Rabatt geben würden, würde kein Kunde mehr eine Dauerfahrkarte kaufen, der gesamte Nahverkehr würde finanziell zusammenbrechen. Das heißt, das geht nicht, und das wissen wir.

Wenn wir nun ein einheitliches Tarifsystem haben, wo der Kunde den Vorteil hat, dass er beim Umsteigen keine neue Fahrkarte mehr kaufen muss, ist die Frage: Wie geht man mit der BahnCard um? - Ich würde mir wünschen, dass wir ein Modell finden, das erstens einen maximalen Vorteil an den Kunden weitergibt - das ist die eine Rahmenbedingung -, und das zweitens als Rahmenbedingung berücksichtigt, dass der Kunde auf Fernstrecken und längeren Strecken 50 % Rabatt erwartet, im Nahverkehr aber kein Rabatt möglich ist. Die dritte Rahmenbedingung ist: Das Modell sollte kostenneutral unter Berücksichtigung dessen sein, was die DB AG an Teilnehmer am Bahnkartell - wenn man das einmal so nennen will - zurückzahlt. Diese Rahmenbedingungen habe ich mit Experten einmal durchdiskutiert.

(Zurufe von CDU und FDP: Oh, oh!)

Wir sind dabei zu dem vorgeschlagenen Modell gekommen. Das heißt, ab 100 km Entfernung gibt es den vollen Rabatt von 50 %, ab 50 km gibt es den halben Rabatt in Höhe von 25 % des Fahrpreises und im Nahverkehrsbereich gibt es keinen Rabatt. Ich habe den Wirtschaftsminister gebeten, das durchzurechnen. Wir werden sehen, wie die Zahlen ausfallen, ob man so ein Modell finanzieren kann oder nicht. Selbstverständlich geht es nicht, dass wir Ausschreibungen zu bestimmten Bedingungen machen und mit Gesellschaften Verträge abschließen, die wesentlich günstiger sind als die mit der DB AG, die teilweise die DB AG um 40 % oder 50 % unterboten haben, und anschließend sagen: Jetzt führt aber neue Fahr

(Karl-Martin Hentschel)

preise ein! Das kann nicht funktionieren. Damit kann man keinen Wettbewerb machen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abgeordneten Peter Eichstädt [SPD] und Lars Harms [SSW])

Denn mit dem Geld, das wir da gespart haben, haben wir gerade zusätzliche Bahnstrecken und zusätzliche Bahnhofsinvestitionen sowie zusätzliche Vergünstigungen im Schleswig-Holstein-Ticket finanziert. Das muss man dazu sagen. Das heißt, das ist dem Kunden bereits alles wiedergegeben worden.

Auf der Grundlage dieser Situation stimme ich voll dem fairen Beitrag von Uwe Eichelberg zu. Ich fand ihn ausgesprochen Klasse.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, vereinzelt bei der SPD und Beifall des Ab- geordneten Lars Harms [SSW])

Ich habe das Vertrauen, dass der Wirtschaftsminister alle Möglichkeiten nutzt - das hat er auch öffentlich gesagt -, um zu einer optimalen Lösung für die Fahrgäste in Schleswig-Holstein zu kommen. Wir sollten darüber im Ausschuss beraten.

(Glocke des Präsidenten)

- Herr Präsident, ich komme zum Schluss.

Wir sollten wieder versuchen, zu einer einvernehmlichen Lösung zu kommen und die dann auch gemeinsam im Land vertreten, und damit dem Bürger klare Signale geben.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Harms das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Problem mit der BahnCard ist ein Problem, das man weder der Landesregierung noch der LVS anlasten kann, lieber Herr Kollege Hildebrand.

(Beifall des Abgeordneten Bernd Schröder [SPD])

Dass wir Probleme mit der Anerkennung der BahnCard haben, liegt einzig und allein an der Preispolitik der DB AG. Im Dezember letzten Jahres sollte die BahnCard der Deutschen Bahn AG auslaufen und ab 2003 das viel zitierte gigantische neue Preissystem der Bahn eingeführt werden. Das war selbstverständlich bei allen Planungen der Mitkonkurrenten und - das ist ganz wichtig - auch bei Ausschreibungen Pla

nungsgrundlage. Man brauchte bei seinen Angeboten und bei seinen Berechnungen nicht mehr die BahnCard berücksichtigen, weil die Deutsche Bahn AG diese gerade abgeschafft hatte.

Nach der Wiedereinführung der BahnCard 50 haben wir nun ein bundesweites Problem. Die einseitig getroffene Entscheidung der Bahn hat dazu geführt, dass die Preissysteme aller anderen Bahnanbieter durcheinander gewirbelt wurden. Würden die anderen Unternehmen die BahnCard 50 anerkennen, würde man dort massiv auf Einnahmen verzichten. Das ist natürlich nicht ohne Weiteres möglich. Solange es sich um kurze Strecken handelt, bei denen die BahnCard nicht so attraktiv ist, ist das Problem relativ gering und überschaubar. In Gegenden, in denen beispielsweise ein privater Bahnbetreiber ein Netz mit Strecken von 20 km oder 30 km Länge fährt, wie in Großstadtregionen, sind Wochen-, Monats- oder Jahreskarten gegenüber Normaltickets mit BahnCard-Ermäßigung durchaus konkurrenzfähig. Schwieriger wird es bei längeren Strecken. Je länger die Strecke ist, desto attraktiver ist die BahnCard. Daher ist die BahnCard 50 auch noch nirgendwo im Bundesgebiet bei anderen Bahnunternehmen voll anerkannt worden. Gerade Flächenländer haben längere Strecken an Private vergeben, was ja in der Natur der Sache liegt, weil weite Strecken überwunden werden müssen.

Für Schleswig-Holstein stellt sich - genauso wie übrigens für das Land Brandenburg - das Problem aber noch verschärft dar, weil wir über einen Tarifverbund verfügen. Innerhalb des Verbundes sind die Fahrpreise überall gleich hoch und alle Bahnbetreiber akzeptieren das jeweilige Ticket der anderen Bahnbetreiber. Das führt natürlich dazu, dass in einem Tarifverbund nicht für viele kleine Strecken nacheinander bei verschiedenen Unternehmen Tickets gelöst werden, sondern dass auch hier zu einem einheitlichen Tarif weite Strecken überwunden werden und sich somit beispielsweise nicht nur die BahnCard 25, sondern auch die BahnCard 50 lohnt. Und das ist für die beteiligten Unternehmen teuer.

Die Nichtanerkennung der BahnCard 50 liegt also nicht am bösen Willen der Beteiligten und schon gar nicht der Landesregierung, sondern ist in wirtschaftlichen Zwängen bei den beteiligten Unternehmen begründet. Insgesamt kann man davon ausgehen, dass eine Anerkennung der BahnCard 50 die beteiligten Unternehmen in Schleswig-Holstein mindestens 2 Millionen € kosten wird. Dieser Betrag steht zur Debatte und muss - wenn man es denn will - vom Land und den Unternehmen aufgebracht werden. Dass die Verhandlungen hierüber sehr lange dauern,

(Lars Harms)

ist vor dem Hintergrund der Summe und der verzwickten Situation nur zu verständlich.

Wir hatten seinerzeit - das wurde auch schon genannt - auch das Ziel, irgendwann einmal die Busunternehmen in den Tarifverbund zu integrieren. Wie soll man sich also jetzt schon auf eine mögliche Ausweitung des Verbundes vorbereiten? Und wollen die Busunternehmen vor dem Hintergrund des Preisdiktates der DB überhaupt noch einem solchen Verbund angehören? - Das sind auch zwei wichtige Fragen, die bei den Verhandlungen mit bedacht werden müssen.

Und eines dürfen wir auf keinen Fall unterschätzen: Die DB ist groß und damit mächtig. Sie kann jederzeit wieder ihr Preissystem ändern und alle anderen müssen sich dann wieder diesem System anpassen. So ist derzeit die Lage. Und in die Verhandlungen müssen natürlich Regelungen einfließen, die dieses verhindern. Daher sollten wir der LVS mehr Zeit geben, genau zu verhandeln, und wir sollten dies vor allem ergebnisoffen tun, denn die Anerkennung der BahnCard 50 ist kein Selbstzweck und die Nichtanerkennung auch kein Weltuntergang.

(Beifall beim SSW sowie vereinzelt bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit schließe ich die Beratung. Der Antrag ist mit der Berichterstattung als erledigt zu betrachten. - Dem widerspricht niemand. Ein weiterer Antrag ist nicht gestellt, sodass der Tagesordnungspunkt damit erledigt ist.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 19 auf:

Ablehnung der Einführung einer Bürgerversicherung im Gesundheitswesen

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 15/2832

Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Dann eröffne ich die Aussprache. Ich erteile Herrn Abgeordneten Kalinka das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist schon ein erstaunlicher Vorgang, dass man antritt, eine große Reform im Gesundheitswesen zu machen, die Vereinbarungen noch nicht einmal auf den Gesetzesweg gebracht worden sind und man schon davon spricht, dass das Ganze nicht viel bringe, man müsse eine neue Bürgerversicherung einführen. Das ist einer der erstaunlichsten Vorgänge überhaupt!

(Beifall bei CDU und FDP)

Man reibt sich die Augen darüber, welche Halbwertzeit das hat, was rot-grüne Politiker zu sagen haben.

(Wolfgang Baasch [SPD]: Deshalb unterstüt- zen Sie das auch!)

Ich glaube, wir stimmen weitgehend darin überein, dass das, was dort vereinbart ist, sicherlich auf Dauer nicht ausreichen wird, um zu einer tatsächlichen, nachhaltigen und stetigen Veränderung im Gesundheitswesen zu kommen. Ich könnte mir auch vorstellen, dass auf Dauer von allen politischen Kräften hier im Haus diese Notwendigkeit gesehen wird. Wenn das Wort von der Bürgerversicherung als Zauberwort kommt, dann kann man nur Folgendes feststellen: Das Gebot der Stunde und der Zukunft ist nicht, für immer mehr neue Einnahmen zu sorgen, sondern im Ausgabenbereich zu sparen. Nur das kann der Weg sein, um den es hier geht.

(Beifall bei CDU und FDP)

Im Gesundheitswesen haben wir ein Volumen von 275 Milliarden €. Allein die Herausnahme oder die Reduzierung der versicherungsfremenden Leistungen würde ausreichen, um einen nachhaltigen Effekt auszulösen. Dies wäre, um nur ein Beispiel zu nennen, ein wichtiger Punkt, den man umsetzen könnte.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: So ist es!)

Eine Bürgerversicherung würde bedeuten, dass von allen abgeschöpft würde.

(Zuruf des Abgeordneten Peter Eichstädt [SPD])

- Seien Sie ganz unbesorgt! Man muss sich tatsächlich die Frage stellen, was dies auslösen würde. Ein Mehr an Einnahmen würde auch zu mehr Leistungsanforderungen führen. Das wäre die automatische Folge. Wolfgang Kubicki hat das Stichwort vorweg genommen. Deshalb wollen wir keine Einheitskasse, sondern mehr Wettbewerb. Das muss zu diesen Themen das Gebot der Stunde sein.

(Beifall bei CDU und FDP - Wolfgang Ku- bicki [FDP]: Da kommen die Sozialisten wieder durch!)

Eine Einheitskasse würde ein Monopol mit mehr Bürokratie nach sich ziehen. Wir sehen heute schon die Probleme der Krankenkassen. Die privaten Krankenversicherungen nicht mehr auf dem Markt zu haben, wäre ein effektiver Verlust.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Baasch [SPD])