Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Oppositionsfraktionen beantragen die Einführung verbindlicher Stundentafeln an den Grundschulen. Mittelfristig sollen die Stundentafeln auch an den weiterführenden Schulen verbindlich werden. Sie greifen damit Forderungen lokaler und überregionaler Initiativen auf, die sich für eine Verbesserung der Unterrichtsversorgung besonders an den Grundschulen einsetzen. Ich erinnere hier an Initiativen wie www.bildungswueste.de oder die Initiative „Eltern für mehr Unterricht“.
Natürlich ist dies ein Anliegen, für das wir Verständnis haben. Wir wollen die Initiativen auch soweit unterstützen, wie wir dies eben können. Selbstverständlich stehen auch wir mit diesen Initiativen im Gespräch.
Wir haben in den vergangenen Wochen und Monaten intensiv über die Konsequenzen aus der internationalen PISA-Studie diskutiert. Uns wurde dabei ins Stammbuch geschrieben, dass Deutschland im internationalen Vergleich zu wenig für die Primarstufe tut und dass viele Probleme, die sich in den Sekundarstufen I und II zeigen, bereits in den ersten vier Schuljahren ihren Ursprung haben. Wir müssen in Schleswig-Holstein intensiv darüber nachdenken - das haben wir auch wiederholt hier besprochen -, ob die kleinen Klassen, die wir in Schleswig-Holstein im Landesschnitt haben, tatsächlich ein geeignetes Äquivalent für das Mehr an Unterrichtsstunden sind, das Schüler in den südlichen Bundesländern in weit größeren Klassen zuteil wird. Schulverwaltung, Schulaufsicht und Schulleitungen werden in Zukunft umsteuern müssen: Im Mittelpunkt muss auch die Quantität neben der Qualität des Unterrichts stehen.
(Beifall bei der SPD sowie der Abgeordneten Sylvia Eisenberg [CDU] und des Abgeordne- ten Dr. Ekkehard Klug [FDP])
Die entstehenden Freiräume an personellen Ressourcen etwa durch die geringer werdende Anzahl der Grundschülerinnen und -schüler sollten dabei herangezogen werden. Ich denke hier auch an die Entscheidungen in mehrzügigen Schulen, also ob man mit 88 Schülern in einem Jahrgang nun drei oder vier Klassen bildet. Die Bildungswissenschaft hat uns hier
wichtige Hinweise gegeben. Ich erinnere an Aussagen von Professor Jürgen Baumert vom PISA-Konsortium oder auch an die Ausführung von Professor Struck von der Universität Hamburg; beide haben uns gesagt: Wenn ihr vor der Wahl steht, ob ihr kleine oder große Klassen bildet, dann entscheidet euch in jedem Fall für die größere Klasse, alles andere wäre herausgeschmissenes Geld.
Denn es ist in der Tat kaum ein Unterschied, ob eine Klasse aus 22 Schülerinnen und Schülern besteht oder aus 29. Das sind Aussagen dieser beiden Wissenschaftler, die wir, wie ich glaube, durchaus Ernst nehmen müssen.
Wir haben vor einigen Jahren die Lehrpläne auch für die Grundschulen neu gefasst. Wir wollen darüber hinaus die Kriterien für den Schulübergang transparenter und kinderfreundlicher gestalten, auch unter Wahrung der Entscheidungsrechte der Eltern. Das setzt natürlich voraus, dass wir an unseren Grundschulen ein landesweit und über die Grenzen des Landes hinaus vergleichbares Niveau an Anforderungen und Leistungen erreichen. Dieses vergleichbare Leistungsniveau erreichen wir aber nicht unbedingt mit festgelegten Stundentafeln, die die pädagogische Eigenverantwortung der Schulen und der Lehrer wie ein Korsett umschließen und kaum Raum für eine kreative und eigenständige Unterrichtsgestaltung lassen. Gerade dann, wenn wir in Zukunft von der betreuten Grundschule ausgehen und zur verlässlichen Halbtagsschule übergehen wollen, ist ein hohes Maß an Flexibilität in der pädagogischen Gestaltung der Grundschule wie auch der weiterführenden Schule notwendig. Hier reicht kein schematisiertes Unterrichtsraster. Schauen Sie nach Finnland, liebe Kolleginnen und Kollegen. Dort sind alle verbindlichen Vorgaben bei der Unterrichtsgestaltung, der Lehrpläne, der Stundentafeln und der Verordnungen soweit reduziert worden, dass sie in einen Taschenkalender passen.
Wir sind gerne bereit, die Diskussion mit Ihnen weiterzuführen, und beantragen daher die Überweisung beider Anträge an den Bildungssausschuss.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die FDP hat heute einen Antrag zur Wiedereinführung verbindlicher Stundentafeln vorgelegt und das ist gut so. Ich stelle heute fest, Herr Höppner, die Mehrheitsfraktionen fangen langsam an umzudenken, und ich denke, auch das ist gut so.
Die CDU hat die Wiedereinführung verbindlicher Stundentafeln praktisch seit der so genannten Flexibilisierung der Stundentafeln immer wiederkehrend und erfolglos gefordert. Hintergrund war zumeist die Forderung, vor allen Dingen der Eltern, einen exakten Überblick über das Stundenfehl zu erhalten. Daraus erwuchs dann immer wieder der Streit über die Unterrichtssituation und am Ende gab es keine Einigung.
Ich will diese Streitereien über die tatsächliche Größe des Unterrichtsfehls an dieser Stelle nicht neu entfachen. Fakt ist aber - das wurde hier schon erwähnt, und das zeigt auch der Bericht zur Unterrichtssituation in diesem Jahr -, dass Schleswig-Holstein im Bereich der Grundschulen den letzten Platz im Vergleich der Unterrichtsversorgung zu den anderen Bundesländern einnimmt. Dies ist kein Wunder. Ich bringe - ich will nicht immer Bayern nehmen, Frau Erdsiek-Rave, aber wir können ja einfach einmal Niedersachsen nehmen - ein einfaches Beispiel: In Niedersachsen werden in der dritten Klasse der Grundschule 26 Unterrichtsstunden erteilt, in Schleswig-Holstein aktuell 19. Ich hoffe sehr, meine Damen und Herren, dass wir sachlich zu einer Einigung in der Frage der Verbindlichkeit der Stundentafeln kommen werden. Das würde schon für die dritten Klassen zum Beispiel 24 Stunden statt 19 Stunden bedeuten, wenn man die Stundentafeln von 1988 zugrunde legt.
Meine Damen und Herren, es geht heute weniger um den Nachweis von Versäumnissen der Regierung. Es geht vielmehr um ein sinnvolles Instrumentarium, um ein vernünftiges Ziel zu erreichen, nämlich zunächst die verlässlichen Grundschulzeiten.
Natürlich bleibt meine Fraktion dabei, dass eine angemessene Unterrichtsversorgung nur auf der Grundlage entsprechender Planstellenzuweisungen zu erreichen ist. Die Gewährleistung einer soliden Unterrichtsversorgung aber, ähnlich wie in anderen Bundesländern, bleibt die oberste Pflicht einer Regierung in der Verantwortung für alle Schülergenerationen.
Instrumentarium, wie der Bildungsstaatssekretär uns und auch den Elterninitiativen weismachen wollte.
Ich darf Sie, Frau Ministerin, bitten, einmal über den Tellerrand nach Niedersachsen zu schauen und sich daran ein Beispiel zu nehmen. Dort ist gerade die verlässliche Grundschule auf der Grundlage verbindlicher Stundentafeln eingeführt worden.
Meine Damen und Herren, die CDU-Fraktion will festschreiben, dass die Planstellenzuweisung trotz zukünftig sinkender Schülerzahlen im Grundschulbereich konstant bleibt. Das ist wichtig, weil wir die Grundschulen stärken wollen und angesichts der PISA-Ergebnisse auch stärken müssen. Auch darin sollte Einigkeit herrschen. Stundentafeln sichern Chancengerechtigkeit und Bildungsqualität. Sie tun aber noch mehr. Wir sind uns fast alle darüber einig, dass wir zukünftig nicht nur verlässliche Grundschulzeiten, sondern auch die verlässliche Halbtagsgrundschule in Schleswig-Holstein realisieren wollen. Wir als CDU-Fraktion wollen dabei die gleichen Verhältnisse im ganzen Land.
Dieses Ziel können wir nicht allein, aber auch mit verbindlichen Stundentafeln erreichen. Wir erreichen zudem, dass wirklich alle Schülerinnen und Schüler das gleiche Maß an Unterricht erhalten, dass nicht die einen anspruchsvollen Deutschunterricht erhalten, während die anderen sich ihre Zeit mit Bilder malen unter Aufsicht vertreiben. Das kann nicht der Sinn von Unterricht sein. Ich denke, verbindliche Stundentafeln sichern Unterricht, und sie sichern auch vergleichbare verlässliche Schulzeiten. Auf dieser Grundlage hoffe ich, dass der Antrag der FDP, ergänzt durch unsere Vorschläge, auch die Unterstützung der Mehrheitsfraktionen findet. Ich freue mich diesmal auf die Diskussion im Ausschuss.
Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich jetzt der Frau Abgeordneten Angelika Birk.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Tat, unser Nachbarland Hamburg hat die verbindliche Halbtagsgrundschule schon Mitte der 90er-Jahre flächendeckend umgesetzt. Jetzt ist Niedersachsen dabei. Die geplante schrittweise Einführung der Halbtagsgrundschule in Schleswig-Holstein hatten wir gefordert und wir begrüßen sehr, dass endlich Taten
folgen. Wir erwarten hiervon mehr Unterricht, mehr Qualität für die Grundschulen und mehr Zusammenarbeit der Schulen mit außerschulischen Jugendeinrichtungen. Die verbindliche Halbtagsschule soll so gestaltet werden, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Familie leichter wird. Wir erwarten, dass sie seriös finanziert ist. Unser Ziel, Schulen mit einem Ganztagsprofil zu schaffen, behalten wir weiterhin im Auge. Die Opposition - insbesondere aus dem Beitrag von Frau Eisenberg ging dies hervor - dreht sich nun wieder ängstlich nach hinten und möchte den Schulen die Handlungsfreiheit nehmen, nämlich mit der Stundentafel flexibel umzugehen. Einig sind wir uns darin, dass die Stundenzuweisung an die Schulen so erfolgen muss, dass die Stundentafeln auch eingehalten werden können. Insofern ist es natürlich richtig, dass Herr Dr. Klug hier auf unsere Position hinweist, die wir im bundesweiten Vergleich einnehmen. Dies wird uns im Ausschuss sicherlich beschäftigen. Denn es ist klar: Eine Handlungsfreiheit ist nur eine Freiheit, wenn die Voraussetzungen dazu auch stimmen.
Um dies umzusetzen, ist es nicht notwendig, zu einer überholten Regelung zurückzukehren, sondern es gilt, den Bildungshaushalt entsprechend auszustatten und seine Umsetzung zu überwachen. Das wird unsere vornehmste Aufgabe in den nächsten zwei Monaten in den Haushaltsberatungen in den Ausschüssen und anschließend wieder im Plenum sein.
Die Opposition unterstellt, es gebe gar keine Vorschriften, wie Fächer quantitativ zu verteilen und zu gewichten sind. Das ist nicht so. Aber im Sinne von projekt- und fächerübergreifendem Unterricht sowie zur Profilbildung sind den Schulen Abweichungen bis zu 10 % gestattet. Das ist eine sehr pragmatische Regelung, an der wir festhalten möchten.
Nach den mit rot-grüner Mehrheit gefassten Beschlüssen aus dem letzten Jahr - damals hatten wir uns vor allem mit der Hauptschule auseinander gesetzt - und nach den noch in dieser Landtagsdebatte zu fassenden Beschlüssen - Fragen, über die wir uns im Bildungsausschuss schon einig geworden sind, da ging es beispielsweise um die Grundschule -, haben wir eine deutliche Akzentuierung gesetzt: Wir wollen, dass mehr Geld in die Grundschule und in die Hauptschule fließt. Wir wollen bestimmte Qualitätsparameter erfüllt haben, die ich hier nicht noch einmal alle aufführen muss. Wir hatten dazu eine ausführliche Debatte sowohl im Plenum als auch im Ausschuss.
Wir erwarten von allen Schulen deutliche Anstrengungen gegen das Sitzenbleiben. Wir möchten, dass es keine Schulversagerkarrieren gibt, die auf Grund mangelnder Förderung entstehen. Ich glaube, wir sind uns im hohen Hause darin einig, dass wir das Prinzip „Fördern und Fordern“ sowohl mit Inhalten als auch mit Ressourcen füllen müssen.
Lassen Sie uns deshalb in der Anstrengung zusammenkommen, einmal das Projekt volle Halbtagsschule auf den Weg zu bringen. Lassen Sie uns dieses Projekt nicht zerreden, sondern mit Elan angehen und hierzu auch die Kommunen vor Ort ermutigen. Lassen Sie uns außerdem dafür sorgen, dass es in der schwierigen Haushaltslage tatsächlich gelingt, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass wir das für die Stundentafeln in den Grundschulen vorgesehene Volumen tatsächlich zur Verfügung haben.
Das Wort für den SSW im Schleswig-Holsteinischen Landtag erteile ich der Sprecherin Frau Anke Spoorendonk.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Natürlich wissen wir nicht erst seit der PISA-Studie um die Probleme im Grundschulbereich. Seitdem ist aber die öffentliche Diskussion natürlich intensiviert worden. Die Bereitschaft, sich dieser Probleme anzunehmen, ist zum Glück in der Öffentlichkeit und auch in der Politik gewachsen. Auch wir im Landtag haben über die Konsequenzen, die sich aus der PISA-Studie ergeben, mehrfach diskutiert und Beschlüsse gefasst, die den Grundschulbereich betreffen. Nun kann man immer darüber streiten, ob diese Beschlüsse weit genug gehen. Zum Beispiel hatte der SSW - wie Sie alle wissen - einen Antrag eingebracht, in dem es um die Einführung einer regionalen Öffnungsklausel für die Einführung der sechsjährigen Grundschule ging. Bisher konnten sich leider die Kollegen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nicht dazu entschließen, uns zu folgen. Dagegen gibt es gerade bei der Elternschaft immer lauter werdende Stimmen, die endlich mehr in den wichtigen Grundschulbereich
Das sieht die FDP auch so. Herr Kollege Klug hat es heute noch einmal deutlich gemacht. Sie fordert die Wiedereinführung verbindlicher Stundentafeln, um verlässliche Grundschulzeiten zu garantieren. Mittelfristig will man die Verbindlichkeit der Stundentafeln auch im Bereich der weiterführenden Schulen gewährleisten.
Sosehr es aus unserer Sicht richtig ist, den Grundschulbereich zu stärken, so sind wir doch der Meinung, dass dieser Weg nicht der richtige ist. Die Einführung verbindlicher Stundentafeln begrenzt die gerade erst zaghaft eingeführte Autonomie der Schulen und führt wieder zu einem sehr unflexibel gestalteten Schulbetrieb.
Wenn gleichzeitig ersichtlich wird, dass die verbindlichen Stundentafeln nur als Voraussetzung für landes- und bundesweite Leistungsvergleiche dienen sollen, wie es die CDU-Fraktion in ihrem Änderungsantrag fordert, dann sagen wir: Das wollen wir so nicht mitmachen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir kommen nicht darum herum, uns mit der Unterrichtsversorgung zu befassen und sie zu verbessern. Das ist uns allen klar. Das ist so. Das geschieht aber nicht ohne weiteres, wenn man die Wiedereinführung verbindlicher Stundentafeln festschreibt. Dadurch wird nur die Statistik verbessert. Wichtig ist auch hier, was hinten herauskommt.
Auch wenn es die Landesregierung nicht gern hört: Wir müssen uns in Zukunft verstärkt mit den finanziellen Rahmenbedingungen für die Grundschule auseinander setzen. Gerade finanziell liegt Deutschland im Grundschulbereich mit 3.490 € pro Grundschulkind weit hinter dem internationalen Durchschnitt. Ich verweise auf Finnland, wo es zum Beispiel 4.640 € pro Grundschulkind sind. Das macht den Unterschied deutlich.