Protocol of the Session on December 11, 2003

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Veronika Kolb [FDP]: Täten wir gern!)

Ich verstehe das nicht. Ich kann beispielsweise - ohne dass es mir etwas ausmacht - lobende Worte über Herrn Müller sagen. Ich kann lobende Worte über Ole von Beust sagen. Ich kann lobende Worte über Herrn Wulff sagen, ohne dass mich irgendjemand verdächtigt, ich wollte in die CDU eintreten. Sie können nicht ein einziges Mal ein lobendes Wort über irgendetwas verlieren, das in diesem Land gut gelaufen ist. Da staune ich über Sie. Wie Sie damit Menschen ansprechen wollen, ist mir ein Rätsel. Ich glaube, dahinter steht mehr der Wunsch, einen Wahlkampf anzufangen. Ich frage mich übrigens schon die ganze Zeit verzweifelt: Wie wollen Sie das durchhalten? Die Leute werden Ihnen nicht mehr lange zuhören, wenn jeder dritte Satz bei Ihnen anfängt: Sie werden den Februar 2005 nicht mehr erleben! Natürlich werden

(Ministerpräsidentin Heide Simonis)

wir den Februar 2005 erleben! Die Frage ist nur wie. Ich denke, gut!

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, SSW und des Abgeordneten Günther Hildebrand [FDP])

Ob Sie ihn so, wie Sie sich das wünschen, erleben werden, werden wir sehen. Im Übrigen entscheiden darüber nicht unsere Reden hier, sondern die Wähler in der Kabine. So einfach ist das.

Lassen Sie uns doch lieber über Sachen reden, über die wir zu reden haben. Wie können wir unsere Hilfen für die neuen Beitrittsländer, die wir schon haben anlaufen lassen, so ausbauen, dass auch wir im Land davon etwas haben? Was können wir machen, um die Ausbildungsplatzabgabe, die der Wirtschaftsminister, das Kabinett und ich nicht wollen, zu vermeiden, weil alle Jugendlichen in unserem Land einen Ausbildungsplatz gefunden haben? Wie können wir unsere Exporte, die sich bereits verdoppelt haben, weiter verstärken?

Ich habe die Diskussion der Opposition über meine Vietnamreise mitgekriegt. Wissen Sie, die Leute tragen einem Exporte nicht nach. Man muss dafür werben. Dort stehen schon andere. Verdammt und zugenäht, da stehen auch sehr viele deutsche Ministerpräsidenten, die ganz schön für ihre Länder werben. Man muss manchmal auch etwas wagen und rausgehen. Wenn Sie dabei sein wollen, dann habe ich nichts dagegen. Im Gegenteil, es würde mich freuen, wenn Sie mit dabei wären und sagen würden: Jawohl, auch wir von der Opposition sind der Meinung, mit denen in Schleswig-Holstein zusammenzuarbeiten und dort Waren zu kaufen, ist etwas Tolles. Dafür können wir die Hand ins Feuer legen! Dafür wäre ich Ihnen sehr dankbar.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Schleswig-Holstein, das sind Kulturaktivitäten, das Schleswig-Holstein Musik Festival, touristischen Attraktionen und eine Minderheitenpolitik, über die die Frau Kollegin so viel gesagt hat. Vielen herzlichen Dank für die netten Worte! Da sind wir mit unserem Versuch der Politik einer inneren Sicherheit, die genau zwischen der notwendigen Stärke und Laissez-faire unterscheidet, sodass ganz klar ist, wann der Staat eingreifen wird und wann der Staat nicht eingreifen wird. Da sind ein Finanzminister, der es schafft, sich in Berlin durchzusetzen, eine Justizministerin, die für Justizpolitik steht, die die klare Linie zwischen dem was der Staat machen muss und dem, wo er auch einmal fünf gerade sein lassen kann, genau zieht. Wen habe ich noch vergessen? -

(Lachen bei der CDU)

Ich weiß natürlich, wen ich vergessen habe. Darüber kann man leider nicht lachen. Ich habe leider meine kranke Kollegin Frau Moser vergessen. Es ist selbstverständlich, dass ihre Arbeit auch zu loben wäre. Sie ist aber leider nicht da. Es tut mir Leid, dass mir das passiert ist.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich glaube, dass wir in diesem Land neue Impulse gesetzt haben. Ich hätte mich gefreut, wenn der Strukturwandel, der in diesem Land stattgefunden hat, schneller gegangen wäre, breiter getragen worden wäre, denn es braucht in Schleswig-Holstein immer ein bisschen lange, bis alle dabei sind, und wenn er uns weniger Geld gekostet hätte. Ich glaube aber, es sind Investitionen, die sich für dieses Land lohnen. Sie haben ein anderes Konzept als wir es haben. Darüber brauchen wir uns überhaupt nicht zu streiten. Wir glauben, unser Konzept ist gut. Anders als Sie es heute dargestellt haben, haben die Schleswig-Holsteiner bei der T-Online-Befragung gesagt: Hier bleiben sie, hier sind sie glücklich und hier werden sie nicht wegziehen. Die Schleswig-Holsteiner merken, dieses Land bringt sie und das ganze Land nach vorn.

(Anhaltender Beifall bei SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Neugebauer das Wort.

(Zuruf des Abgeordneten Günter Neugebauer [SPD] - Unruhe)

- Der Abgeordnete zieht zurück.

(Günter Neugebauer [SPD]: Vorerst!)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Wiegard das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist schon in mancherlei Hinsicht bemerkenswert, wenn das die Rede der Ministerpräsidentin zum Doppelhaushalt 2004/2005 war und wenn der finanzpolitische Sprecher sogar auf seinen eigenen Beitrag verzichtet, um die eigene Politik zu erläutern. Das ist schon eine besondere Bemerkung wert.

(Zurufe von der SPD)

Frau Ministerpräsidentin, zu Ihrer einleitenden Bemerkung zur Ernsthaftigkeit sage ich: Die Diskussion über notwendige Reformen in Deutschland, an der

(Rainer Wiegard)

wir alle nicht zweifeln, hätte nicht darunter gelitten, wenn wir diesen Haushalt im Januar beraten hätten. Sie hätte kein Stück darunter gelitten.

(Beifall bei CDU und FDP)

Im Gegenteil: Die Wahrhaftigkeit und die Glaubhaftigkeit des Landeshaushalts 2004/2005 hätte deutlich gewonnen. Ich glaube, daher war Ihre einleitende Bemerkung nicht besonders hilfreich. Die von Ihnen aufgeführten positiven Entwicklungen in vielen Teilen der schleswig-holsteinischen Wirtschaft sind jedenfalls in der Masse nicht das Ergebnis Ihrer Politik. Sie sind nicht wegen Ihrer Politik erreicht worden, sondern im Wesentlichen trotz Ihrer Politik.

(Beifall bei der CDU)

Frau Ministerpräsidentin und Herr Hentschel, ich habe bei dem, was Sie zu unseren Vorschlägen oder besser zu dem, was wir an Vorschlägen in diesem Jahr nicht gemacht haben, weil wir meinten, dies sei in dieser Zeit nicht finanzierbar, gesagt haben, sage ich: Habe ich da aus Ihren Worten Häme herausgehört? Herr Hentschel, Häme nach dem Motto: Ätsch, da haben wir das Land aber schön an die Wand gefahren, wenn ihr nicht einmal mehr selbst eure Vorschläge unterbringen könnt, die ihr gerne hättet? Herr Hentschel, das war schon ziemlich starker Tobak!

Zu den Berechnungskünsten sage ich: Wenn es richtig wäre, ein bisschen hochzurechnen! Wenn man Geld in die Hand nimmt, dann weiß man, dass das nicht allein die Summe ist, die sich an Investitionen auftut. Dies auf die dritte Stelle hinter dem Komma präzise zu errechnen, müsste zu dem Ergebnis führen, dass die zweimal 100 Millionen €, die wir 2004 und 2005 investieren wollen, nach Ihrer Rechnung präzise 1.618 Millionen € an Investitionen auslösen würden. Dann müssten wir das gemeinsam tun und nicht auf diese Weise darauf zu sprechen kommen.

(Beifall bei der CDU)

Ich wundere mich, dass es von Ihnen nach wie vor verleugnet wird, die eigentliche Situation des Landes zu beschreiben. Sie weigern sich nach wie vor, eine objektive Beschreibung der Lage Schleswig-Holsteins abzugeben. Gleiches gilt für eine Beschreibung der politischen Entwicklung, die dazu geführt hat. Wir werden Ende 2005 insgesamt 20 Milliarden € Schulden haben. Das ist ein Batzen Geld, den künftige Generationen abtragen müssen. Und wir haben kein aktives Vermögen mehr. Die Haushaltsrisiken, die sich leider aus dem Doppelhaushalt ergeben, belaufen sich auf über 700 Millionen €.

„Das ist angesichts der eher schwachen Wirtschaftsdecke des Landes eine ausgemachte

Katastrophe. Die … Regierung hat mit dieser Verschuldungspolitik einen Treibsatz gelegt, der sich mittelfristig für die wirtschaftliche Zukunft des Landes als ein bösartiger Sprengsatz erweisen kann. … Da wurden Grundsätze der Haushaltsklarheit und -wahrheit als störend beiseite gewischt. Da wurden Verpflichtungen eingegangen ohne sorgfältige Prüfung der Folgekosten. Da wurde die mittelfristige Finanzplanung schon bei Drucklegung zur Makulatur. … Mir scheint, Sie haben nicht begriffen, dass Sie mit dieser Finanzpolitik weite Teile der Zukunft verbaut haben, Lasten für junge Leute aufgetürmt haben, für die der Begriff ‚Erblast’ noch viel zu schwach ist.“

(Beifall bei der CDU)

Mein Manuskript verzeichnet an dieser Stelle: Beifall bei der SPD.

(Lachen des Abgeordneten Günter Neuge- bauer [SPD])

- Stattdessen kommt Gelächter. Du kommst gleich noch dran, Günter. Mein Manuskript ist das Plenarprotokoll der Regierungserklärung von Ministerpräsident Björn Engholm vom 28. Juni 1988.

(Beifall des Abgeordneten Martin Kayenburg [CDU])

Und die Zustandsbeschreibung, auf die sich diese Regierungserklärung bezieht, bezieht sich auf einen Schuldenstand von 17,1 Milliarden DM, 8,7 Milliarden € im Jahre 1988. Das war übrigens nach 43 Jahren Aufbauarbeit in Schleswig-Holstein.

(Zuruf des Abgeordneten Holger Astrup [SPD])

- Nichts dabei herausgekommen! Da erinnere ich vielleicht noch einmal an manche Entwicklungen, zum Beispiel was Flüchtlingsströme anbetrifft, die hier zu bewältigen waren; eine Aufbauleistung im Bildungssystem, die hier zu bewältigen war. Und sich dann hier hinzustellen und zu sagen, es sei nichts dabei herausgekommen, ist eine Ungeheuerlichkeit.

(Beifall bei CDU und FDP - Zuruf des Ab- geordneten Holger Astrup [SPD])

Und das als lächerlich zu bezeichnen, mein lieber Holger Astrup, 8,7 Milliarden € in 43 Jahren, 11,3 Milliarden € in 17 Jahren plus 1,5 Milliarden € verschleudertes Landesvermögen plus 700 Millio

(Rainer Wiegard)

nen € Schulden, ist ebenfalls ungeheuerlich. Das ist das Thema, über das wir heute zu reden haben.

(Beifall bei CDU und FDP - Zuruf des Ab- geordneten Holger Astrup [SPD])

Und seit einem Jahr verweigern Sie sich konstant, hier noch einmal darüber zu sprechen, wann Sie denn überhaupt die Neuverschuldung gedenken wieder anzugehen.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU und Bei- fall des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Von ihrem Versprechen aus der Koalitionsvereinbarung hören wir seit einem Jahr kein Wort mehr. Das ist so, als ob meine Hündin zur Seite guckt und meint, wenn sie mich nicht sieht, sehe ich sie auch nicht. Sie sprechen nicht darüber und meinen, dann merkt es auch keiner.

(Beifall bei der CDU)