Unser aufrichtiges Mitgefühl gilt dem Opfer. Auch wenn es bis heute zum Glück noch keinen körperlichen Schaden erlitten hat, so ist doch die seelische Verletzung, die dieser Mensch auf Dauer tragen muss, beträchtlich. Stigmatisierung und Ausgrenzung wiegen manchmal noch schwerer als die eigentliche Tat.
Meine Damen und Herren, selbstverständlich müssen wir als Staat, aber auch als Gesellschaft entschieden einschreiten, wenn Menschen aufgrund ihrer Lebensweise, ihrer politischen oder religiösen Überzeugung oder aus welchen Gründen auch immer zu Opfern von Gewalt werden. Hierfür haben wir unsere Strafverfolgungsbehörden und ein Strafgesetzbuch, das alle Täter gleichermaßen hart bestraft. Wir hoffen, dass der oder die Täter auch im aktuellen Fall mit aller Härte und Konsequenz zur Rechenschaft gezogen werden.
Meine Damen und Herren, darüber hinaus ist jeder von uns selbst gefordert. Gerade die alltäglichen Diskriminierungen im zwischenmenschlichen Bereich spielen sich oft unter der Schwelle strafbarer Handlungen ab und entziehen sich so dem Zugriff des Staates. Hier stehen wir alle in der Pflicht, unsere Stimme laut und deutlich gegen jede Form der Verächtlichmachung und Herabwürdigung von Menschen zu erheben. Für Homo- und Transsexuelle gilt ebenso wie für alle anderen: Wir dürfen nicht schweigen, und wir dürfen nicht wegsehen, wenn jemand erniedrigt oder ausgegrenzt wird.
Dadurch – nur dadurch – werden wir dem Auftrag unseres Grundgesetzes gerecht. Wirken wir als Vorbild für andere, und schaffen wir gleichberechtigte Partizipation für jeden, so wie es der Würde des Menschen entspricht.
Verehrte Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der traurige Anlass für die heutige Debatte ist bereits geschildert worden. Auch wir sind der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dankbar, dass sie diesen Punkt für die Aktuelle Debatte auf die Tagesordnung gebracht hat; denn wir als SPD, CDU, Grüne und Freie Demokraten möchten heute in unserem Land ein ganz klares Zeichen gegen Diskriminierung setzen.
Meinen Damen und Herren, zu unserer Aktuellen Debatte gehört auch zu erwähnen, wie teilweise in Parlamenten über solche Themen diskutiert wird. Das stimmt mich in Teilen enttäuscht. Frau Kollegen Nieland, wenn Sie sagen, in Ihrer Präambel stünde dies, dann haben einige Kollegen Ihrer Partei die Präambel wohl nicht gelesen.
Ich erlaube mir einen Rückblick auf die Debatte zum Personenstandsrecht in diesem Hause, die vorhin schon erwähnt wurde. Frau Kollegin Rauschkolb führte damals mit Blick auf die Ehe zwischen Menschen gleichen Geschlechts aus – ich darf zitieren –: „Mich stört es auch nicht, dass die Menschen heiraten können.“ Aus den Reihen der AfDFraktion war daraufhin der Zuruf „Abartig!“, namentlich von Frau Dr. Groß, zu vernehmen. Meine Damen und Herren, ich bewerte dies als Diskriminierung.
Ich darf Ihnen noch ein Beispiel nennen. Herr Kollege Frisch, am letzten Montag wurden Sie im BalthasarNeumann-Technikum in Trier vor 50 Schülern und anderen Abgeordneten auf das Thema „Ehe für alle“ angesprochen. Ihre Antwort lautete: Das interessiert mich nicht. Manche lieben auch ihren Dackel. –
(Zurufe von der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wow! – Abg. Martin Haller, SPD: Unglaublich! – Abg. Kathrin Anklam-Trapp: Dann wissen wir Bescheid! – Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Das Letzte!)
Eine Reaktion der Fraktion auf diese Entgleisung habe ich übrigens nicht vernommen. Frau Kollegin Nieland, Sie haben eben gesagt, wir dürfen nicht schweigen. Ihre Fraktion schweigt zu diesem Bereich.
Ein weiteres Beispiel aus dem Landtag Sachsen-Anhalt. Da müssen Sie durch. Hier möchte ich den Fall von Andreas Gehlmann aufrufen. Der AfD-Abgeordnete ließ sich zu einem besonders menschenfeindlichen Beitrag hinreißen. Als eine Abgeordnete schilderte, dass in den sogenannten
Maghreb-Staaten Gefängnisstrafe drohe, wenn man seine Homosexualität auslebe, tätigte Gehlmann den Zwischenruf: „Das sollten wir in Deutschland auch machen!“ Meine Damen und Herren, das ist ein weiterer Beweis, dass in der AfD diskriminierend gegen Minderheiten gesprochen wird.
(Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Martin Haller, SPD: Widerlich! – Zuruf des Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD)
An dieser Stelle möchte ich noch einmal die Debatte zum Landesnetzwerk SCHLAU aufrufen. Frau Kollegin Dr. Groß hatte in ihrer Rede zu diesem Thema kein gutes Haar an diesem Demokratieprojekt gelassen, über das an Schulen über sexuelle und geschlechtliche Vielfalt aufgeklärt wird. Laut Pressemitteilung wolle die AfD-Fraktion in diesem Zusammenhang auch an das Aktionsbündnis DEMO FÜR ALLE herantreten, das regelmäßig die angebliche Frühsexualisierung unserer Kinder durch linke Ideologen beklagt.
Wir können vor diesem Hintergrund gerne auch einmal über die Ideologie der selbsternannten Alternative sprechen. Bundestagswahlkampf 2017: Ein Gymnasium in IdarOberstein hatte zur Diskussion eingeladen. Auch Ihre Parteifreundin Nicole Höchst, die heute für die AfD-Fraktion im Bundestag sitzt, war damals eingeladen. Es ging dort um die Entscheidung des Bundestags zur Ehe für alle. In diesem Zusammenhang wird Ihre Parteifreundin in der Rhein-Zeitung mit folgendem Satz zitiert: „Studien belegen, dass es unter homosexuellen Männern mehr Pädophile gibt.“
Das ist Ihre Parteifreundin. Einmal abgesehen davon, dass sie sich auf pseudowissenschaftliche Behauptungen stützt, ist das eine Äußerung, die nur eines zum Ziel hat: Menschen, nämlich Homosexuelle, verächtlich zu machen. Das verurteilen wir ausdrücklich!
(Beifall der FDP, der SPD, der CDU und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Alexander Schweitzer: So sieht es aus! Eine Unverschämtheit ist das!)
Sie könnten sich distanzieren, aber auch die AfD-Fraktion im Bundestag kennt diese Äußerung von Frau Höchst und hat darauf reagiert. Als Belohnung für ihre menschenverachtende Aussage wollte man ihr eine neue Aufgabe geben. Sie sollte nämlich auf Beschluss der Fraktion in die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld entsandt werden, die sich gegen Diskriminierung von LSBTI einsetzt.
Die AfD sagt mit der Nominierung von Frau Höchst einer Stiftung den Kampf an, deren Namensgeber ein international anerkannter jüdischer Sexualwissenschaftler war und als Mitbegründer der ersten homosexuellen Bürgerrechtsbewegung von Nazis verfolgt wurde. Das ist perfide.
(Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie vereinzelt bei der CDU – Abg. Alexander Schweitzer, SPD: So sieht es aus!)
Meine Damen und Herren – Frau Präsidentin, ich komme zum Ende –, schließen möchte ich aber nicht mit der AfD und deren Verfehlungen, sondern mit einem Dank an alle, die sich in Oppenheim mit Sandra Bitz solidarisiert haben, an Haupt- und Ehrenamtliche, die täglich gegen Diskriminierung kämpfen, und an alle, die hier ein klares Wort gesprochen haben.
(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei der CDU – Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Sehr gut!)
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Feindlichkeit gegenüber Homosexuellen und Transsexuellen ist in aller Deutlichkeit abzulehnen. Das Opfer, die Dame, die aktuell Schaden erlitten hat, hat wirklich mein aufrichtiges Beileid. Ich hoffe, dass sie bald genesen und wieder gut beisammen ist.
Gleichzeitig ist jedoch klarzustellen, dass auch berechtigte Kritik gegenüber entsprechenden Verbänden, Institutionen und öffentlichen Personen nicht als Homophobie oder Ähnliches diffamiert werden darf. Berechtigte Kritik an LSVD, AIDS-Hilfe oder anderen Vereinigungen sollte im Anlassfalle durchaus in einer selbstbewussten Demokratie als legitim und sogar notwendig erachtet werden.
Es braucht einerseits die Rückkehr zum Dialog zwischen Befürwortern und Kritikern gewisser Entwicklungen.
(Abg. Martin Haller, SPD: Welche Entwicklungen denn? – Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Die Entwicklung der AIDS-Hilfe!)
dass beispielsweise mein Lebensgefährte aufgrund seiner AfD-Zugehörigkeit von einer lesbischen Aktivistin – hören Sie einmal zu – am Besuch der Ausstellung über die historische Entwicklung des homosexuellen Lebens in Rheinland-Pfalz gehindert wurde, die vor einigen Monaten in Saarbrücken stattfand und bei deren Feierlichkeit ich als einzige Landtagsabgeordnete von Rheinland-Pfalz anwesend war.
Nein, nein. Wer für sich einerseits Toleranz und Akzeptanz fordert, muss dies auch selbst vorleben. Da gibt es gar keine Diskussion.
Nein, in dem Punkt nicht. Wer toleriert werden möchte, muss auch gleichzeitig Andersdenkenden gegenüber Toleranz üben, natürlich auf dem Boden der Demokratie.
(Abg. Jens Guth, SPD: Wie beurteilen Sie die Aussage von Frau Dr. Groß? – Zurufe des Abg. Martin Haller, SPD – Glocke der Präsidentin)
Vor allem aber müssen wir auch endlich dort der Homophobie sowie dem Antisemitismus entgegentreten, wo viele aus ideologischen Gründen schweigen. So ist auf Schulhöfen, in Vereinen und in Moscheen die Verachtung gegenüber Schwulen, Lesben und Transsexuellen leider immer noch sehr stark ausgeprägt, in weiten Teilen sogar noch mehr als im Durchschnitt der Bevölkerung.