Verehrte Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehen Sie es mir nach, aber nachdem wir das Thema im Wirtschaftsausschuss behandelt haben, stelle ich mir die Frage: Ist die CDU mit dieser Aktuellen Debatte auf der Jagd nach dem Grünen Trikot?
Wir haben es vorhin gehört, Fahrradhauptstadt in Rheinland-Pfalz ist Ingelheim am Rhein. Die Stadt wurde von den Teilnehmern der ADFC-Umfrage mit der besten Note bewertet. Bei den Städten von 20.000 bis 50.000 Einwohnern belegt die Stadt am Rhein damit bundesweit den 2. Platz. Andere rheinland-pfälzische Städte schafften es nicht in die bundesweite Spitzengruppe.
Aber wie sind diese Zahlen denn zu bewerten? Von insgesamt 2.304 Gemeinden in Rheinland-Pfalz wurden 18 bewertet, darunter die zehn einwohnerstärksten Städte. Insgesamt haben 4.899 Rheinland-Pfälzerinnen und Rheinland-Pfälzer teilgenommen. Das entspricht 2,88 % der Menschen, die insgesamt teilgenommen haben. Die absolute Zahl der Teilnehmer pro Stadt ist gering und verbleibt meistens im zweistelligen oder geringen dreistelligen Bereich. Der ADFC – auch das wurde schon erwähnt – sagte selbst, dass die Studie nicht in allen Bereichen repräsentativ sei.
Die Bewertung der Städte in Rheinland-Pfalz isoliert betrachtet war schwach befriedigend bis ausreichend, und auch im Jahr 2014 lagen die Noten in Rheinland-Pfalz auf demselben Niveau. Vergleicht man diese Zahlen jedoch mit den Ergebnissen der anderen Bundesländer, kann man zu folgendem Ergebnis kommen: Diese mittelmäßige Bewertung ist der Normalfall. Gut bewertete Städte sind in allen Bundesländern die Ausnahme. Es ist eindeutig zu beobachten, dass in den vergangenen Jahrzehnten der Straßenverkehr in den Städten stark zugenommen hat. Vor diesem Hintergrund sind die mittelmäßigen bis schlechten Bewertungen des Fahrradklima-Tests nicht einfach als individuelles und gegenwärtiges Versagen der Städte oder des Landes zu sehen.
Laut ADFC bewerteten Radfahrer vor allem zu schmale und unebene Wege sowie zugeparkte Radwege als negativ. Es werde zu wenig kontrolliert, zu wenig auf Falsch
parker reagiert. Insgesamt würden sich Radfahrer weniger sicher fühlen. Auf viele wichtige im Fahrradklima-Test 2018 geäußerte Kritikpunkte kann aber überdies nicht einfach mit baulichen Maßnahmen reagiert werden. Positiv bewerteten Radfahrer etwa das Angebot öffentlicher Leihfahrräder und die Öffnung von Einbahnstraßen für den Radverkehr.
Eines zeigt der Test deutlich: In Stadtkernen sind auch andere Lösungsansätze gefragt, als Radwege schneller zu bauen oder schneller zu planen. Dies ist nicht immer eine Frage der finanziellen Mittel, sondern oft auch eine der Bereitschaft, Anregungen anzunehmen und doch einfach einmal auszuprobieren oder umzusetzen. Das heißt also im Umkehrschluss, auch die Akteure der Städte sind am Zug. Sie sollten Anregungen soweit möglich in konkrete Bau- und Handlungsprogramme einfließen lassen, und Land und Bund helfen mit finanzieller Förderung aus.
Das Wirtschaftsministerium ist hier tätig. Es stellt die Fragen: Wie kann die Verkehrssicherheit in Zukunft gewährleistet werden? Wie kann man den ÖPNV und den Radverkehr im Land stärken und noch weiter fördern? Oder: Welche Möglichkeiten möchten wir Menschen bieten, die mit dem Rad zur Arbeit, zum Verein fahren oder die in der Freizeit unterwegs sein wollen? Bedenken Sie auch, dass wir in Rheinland-Pfalz viele kleine verdichtete ländliche Räume haben, in denen wir raumplanerisch andere Herausforderungen haben, als das vielleicht in großen Städten der Fall ist.
Ich darf erwähnen, dass Wirtschaftsminister Dr. Wissing die Förderzuschläge um 10 % zum Grundfördersatz erhöht hat. Somit können wir Förderung bis zu 80 % beantragen, und bei Pendlerradrouten gibt es noch einmal einen weiteren Zuschlag um 10 %. Wir müssen also versuchen, den Anforderungen verschiedener, individueller Mobilität auch in Zukunft gerecht zu werden. Dem nimmt sich die Ampelkoalition auch an.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der ADFC-Test hat herausgefunden, die Kommunen in Rheinland-Pfalz sind schlechter bewertet als der Bundesdurchschnitt. Insgesamt war das leider auch im Jahr 2017 nicht anders.
Der bundesweite Trend ist auch – das kommt in dem Bericht heraus –, dass der Fahrradfahrer, die Fahrradfahrerin für sich selbstbewusster wird. Das Sicherheitsgefühl wird ein anderes. Sie sind auch anspruchsvoller geworden, was ihre Rolle im Straßenverkehr angeht. Sie wollen sich nicht mehr dem motorisierten Verkehr unterordnen. Das
ist in einem Großteil der Gemeinden und der Städte in Rheinland-Pfalz, aber eben auch anderswo, nach wie vor der Fall.
Es geht darum – auch dem ADFC geht es darum –, deutlich zu machen, dass der Straßenraum anders aufgeteilt wird. Nicht das Auto soll die Priorität haben, sondern der Straßenraum muss so aufgeteilt werden, dass die verschiedenen Mobilitätsträger ihren Platz finden.
Ehrlich gesagt, als ich gesehen habe, dass die CDU diese Aktuelle Debatte beantragt hat, war ich doch etwas verwundert,
(Abg. Dr. Adolf Weiland, CDU: Sie haben sich nur geärgert, dass nicht Sie auf die Idee gekommen sind!)
Wenn man sich die letzten Jahre in dieser Wahlperiode – nur allein in dieser – ansieht, kommt man nämlich zu der Erkenntnis, Anzahl der Anträge im Verkehrsausschuss zum Thema „Radverkehr“ seitens der CDU: null. Anzahl Mündlicher Anfragen: null. Plenaranträge: null.
Es freut mich natürlich, wenn auch die CDU dazulernt. Ich möchte – mit Erlaubnis des Präsidenten – exemplarisch die Aussage von Gabriele Wieland in der Haushaltsdebatte im letzten Jahr, am 12. Dezember 2018,
Hört zu, das ist Eure Kollegin, die es gesagt hat, wahrscheinlich im Einverständnis mit der Fraktion.
Sie sagte zu den Radwegen: „Wir haben gelesen, die Grünen sagen, 5 Millionen Euro mehr für Radwege haben wir in den Haushaltsplan eingebracht. – Gut, mehr Mittel für Radwege ist auch in unserem Sinne; aber haben Sie wirklich verstanden, dass die vom Landesstraßenetat abzuziehen sind? Welche Ortsumgehung soll deshalb nicht gebaut werden,
Die Zahlen stimmen nicht; denn natürlich – das haben wir im Haushalt beschlossen, und es ist vorhin auch erwähnt worden –
Aber die Äußerung von Frau Wieland, die ich ansonsten sehr schätze, zeigt ja auch, bei der CDU heißt es: Auto First!
Schauen wir uns die kommunale Ebene an. Ich komme viel im Land herum, und in der Regel wird beklagt, dass die Kommunen mit CDU-Mehrheit Radverkehrskonzepte ablehnen oder zumindest skeptisch sehen. Beispiel Mainz: Bei vielen Projekten – das weiß ich – fordert die CDU in Mainz sowohl die vierspurigen Straßen als auch den Bau von Radwegen. Aber Parkplätze sollen nicht geopfert werden.
(Abg. Dr. Adolf Weiland, CDU: Die Grünen müssen sich in der Landesregierung mal durchsetzen! – Ministerpräsidentin Malu Dreyer: Das hat nichts mit der Landesregierung zu tun! – Abg. Christian Baldauf, CDU: Haben Sie nichts zu sagen?)
Auch hier ist die CDU-Haltung: Hauptsache, den Autofahrern wird nichts weggenommen. – Straßen wachsen aber nicht auf Bäumen. Der Raum – ich sage es noch einmal – muss geteilt werden.
Anderes Beispiel: Koblenz – das ist auch durch die Presse gegangen –, Pfaffendorfer Brücke. Die CDU wehrt sich dort ganz vehement gegen einen eigenen Radweg. Und die CDU hat sich auch dort dagegen ausgesprochen, einen Radweg umzusetzen, der nach den auch vom ADFC geforderten ERA-Normen (Empfehlungen für Radverkehrsan- lagen) angelegt wird. Begründung: Es würden Parkplätze wegfallen.