Protocol of the Session on May 16, 2019

Dass es anders geht, zeigen uns andere Bundesländer. Nordrhein-Westfalen hat zum Beispiel das „Zukunftsnetz Mobilität NRW“ ins Leben gerufen, das die Gemeinden flächendeckend beim Ausbau von Radverkehr und ÖPNV unterstützt. Rheinland-Pfalz: Fehlanzeige.

Hessen baut gerade einen Radschnellweg zwischen Darmstadt und Frankfurt. Rheinland-Pfalz: viel zu langsam.

(Beifall bei der CDU)

Dann wird bei uns viel zu einseitig auf die touristische Radförderung gesetzt. Die brauchen wir auch, aber mehr noch brauchen wir ein Alltagsradwegekonzept, und das fehlt völlig.

In Bayern und im Saarland übernimmt das Land beispielsweise die Anmeldegebühren der Kommunen für das STADTRADELN. Rheinland-Pfalz: Fehlanzeige. Es ist, als ob es STADTRADELN hier nicht gäbe, und das mit Grünen

in der Landesregierung. Das kann man gar nicht glauben, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Ein Beispiel: In 15 Bundesländern gibt es einen Landesfahrradbeirat. Nummer 16, Rheinland-Pfalz: Fehlanzeige. Wir brauchen eine Arbeitsgruppe aus Ministerium, Landesbetrieb Mobilität Rheinland-Pfalz (LBM), Verbänden und Kommunen, die Impulse setzt und Strategien entwickelt. Kern könnte als Best Practice-Ansatz zum Beispiel eine AG „Fahrradfreundliche Kommune“ sein.

Es läuft insgesamt zu wenig. Es gibt zu wenige überörtliche Radwege. Es fehlt das flächendeckende Netz. Meine Damen und Herren, der ADFC-Fahrradklima-Test hat eindrucksvoll gezeigt, dass in Rheinland-Pfalz im Bereich Alltagsfahrradverkehr – denn nur darum geht es – einiges im Argen liegt. Ideenlos, konzeptlos, mutlos. Das kann nicht die alternative Verkehrspolitik dieses Landes sein. Das ist zu wenig.

Rheinland-Pfalz kann mehr.

(Zuruf der Abg. Jutta Blatzheim-Roegler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Treten Sie endlich stärker in die Pedale! Entwickeln Sie zukunftsweisende Mobilitätskonzepte, und setzen Sie diese zeitnah um! Denn nur so können wir bewirken,

(Abg. Christine Schneider, CDU: Zuhören!)

dass die Menschen ihr Mobilitätsverhalten beim Weg zum Arbeitsplatz überdenken und der ländliche Raum

(Glocke der Präsidentin)

beim Radverkehr nicht abgehängt wird. Es muss unser Anspruch sein, das zu fördern; denn nur zufriedene Radfahrer steigen aufs Rad um.

Vielen Dank.

(Beifall der CDU – Zuruf des Abg. Christian Baldauf, CDU)

Für die SPD-Fraktion spricht der Abgeordnete Benedikt Oster.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! In der vorangegangenen Sitzung des Wirtschafts- und Verkehrsausschusses wurde auf unsere Bitte hin die Studie des ADFC ausführlich behandelt. Ich muss sagen, ich habe die dortige Diskussion als sehr sachlich und angenehm empfunden und das auch noch einmal im Protokoll nachgelesen.

Deshalb verstehe ich gar nicht, warum Sie heute eine solche Schärfe in diese Debatte hereinbringen und das Verschulden ausführlich bei dem Land Rheinland-Pfalz suchen. Ihre Kollegin Frau Wieland hat selbst in der Debatte gesagt, dass das Land im Bereich der Land- und

Kreisstraßen durchaus etwas mehr machen solle, aber die Kommunen und die Städte die Hauptakteure sind, wenn es um die innerstädtischen Radwege geht. Ich glaube, das sollte man heute direkt klarstellen.

(Beifall bei der SPD)

Aus meiner Sicht wird das Thema heute auch keiner Aktuellen Debatte gerecht; denn aktuell war es, als wir es im Ausschuss thematisiert haben. Für mich ist das heute wieder ein Stück Wahlkampf.

Es ist super, dass der Radverkehr und somit das Rad als Verkehrsträger gerade einen enormen Schub verspürt und in Anspruch genommen wird. Ich bin mir sicher, dass das Rad einen wichtigen Teil zur Verkehrswende beitragen kann und wird.

Deshalb ist die Studie des ADFC auch so interessant und gibt durchaus konkrete Einblicke. Jedoch – das haben Sie verschwiegen – sollten wir diese Studie nicht als Ultima Ratio ansehen; denn ein Großteil der Befragten kommt aus der Community, und selbst der ADFC spricht davon, dass es keine repräsentative Studie ist.

Vielleicht noch einmal zur Einordnung und Klarstellung: In Rheinland-Pfalz wurden lediglich 18 Städte befragt und unter die Lupe genommen. Wenn man Sie heute reden hört, erweckt das den Eindruck, als wären damit alle anderen Städte und Kommunen in Rheinland-Pfalz gleichzustellen.

(Abg. Thomas Barth, CDU: Ich habe „18“ gesagt!)

Außerdem sind die Noten in der Studie – auch das haben Sie nicht gesagt – im bundesweiten Gesamtbild eher schlecht. Auch das gehört zur Wahrheit.

Warum ist das so? Weil jahrzehntelang das Auto und der motorisierte Individualverkehr im Vordergrund der Gesellschaft standen.

Eine weitere Ursache ist, dass das Verkehrsaufkommen in den Städten in den letzten Jahren massiv angestiegen ist und weiter ansteigt und es zu Verstopfungen in den Straßen kommt. Man kann nicht noch einen Radweg links und rechts anbauen. Die Ressourcen innerhalb der Städte sind vorgegeben.

Hier muss ein Umdenken stattfinden, meine Damen und Herren. Radwege sollten im selben Atemzug mit der ganz normalen Straße gedacht und geplant werden. Dies wurde in der Vergangenheit nicht gemacht. Wenn Sie mit Verkehrsplanern und -ingenieuren sprechen, bestätigen die Ihnen das. Die haben jahrelang Straßen komplett isoliert von Radwegen gedacht und geplant. Das war ein großer Fehler, und diesen spüren wir heute massiv.

Es wird immer davon gesprochen, dass Ingelheim und Freiburg zu den fahrradfreundlichsten Städten gehören. Warum ist das denn so? Weil das Fahrrad dort im Handeln der Akteure vor Ort seit Jahren im Mittelpunkt steht und Politiker und Verantwortungsträger kluge Verkehrsleitplanung gemacht haben. Genau da müssen wir ansetzen. Wir brauchen Multiplikatoren in den Kommunen vor Ort.

Deshalb haben wir als SPD einen landesweiten Radbeauftragten gefordert; denn nur so können wir mehr Drive in diese Debatte bringen. Auch ein landesweites Radwegekonzept, das Sie gefordert haben, haben wir selbstverständlich angesprochen und auch angestoßen; denn nur so können wir spürbare Verbesserungen erzielen.

Der Ehrlichkeit halber muss man sagen, dass auch nicht immer nur die baulichen Aspekte eine Rolle spielen. Auf die Befragung im Rahmen der Studie des ADFC wird ganz häufig geäußert, dass Radwege in den innerstädtischen Bereichen von Autos zugeparkt werden. Wollen Sie der Landesregierung jetzt auch noch die Schuld für zugeparkte Radwege geben? In den Städten braucht man ein fahrradfreundliches Ordnungsamt und sonst nichts.

Das Land hat seine Hausaufgaben zum großen Teil gemacht. Schauen Sie sich die Radwege entlang des Rheins und der Mosel an. Die sind vorbildlich. Das haben Sie auch verschwiegen.

Des Weiteren wurden im Doppelhaushalt die Gelder für die Radwege erhöht. Auch das haben Sie mit keiner Silbe erwähnt.

Davon zu sprechen, dass in Rheinland-Pfalz die Radfahrer ausgebremst würden, entspricht nicht der Wahrheit.

(Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Dr. Adolf Weiland, CDU: Nicht Ihrer Wahrheit!)

Für die AfD-Fraktion spricht der Abgeordnete Dr. Bollinger.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der ADFC-Fahrradklima-Test wurde bereits im Verkehrsausschuss am 18. April diskutiert. Bundesweit nahmen 170.000 Menschen an dem Fahrradklima-Test teil, was zeigt, dass es viele engagierte Fahrradfahrer in Deutschland gibt.

Trotz dieses beeindruckenden Stichprobenumfangs hatte die Befragung allerdings nicht den Anspruch, repräsentativ zu sein. Das heißt, gerade bei der Bewertung kleinerer Städte durch wenige Befragte können die Angaben unzuverlässig sein; dies als Einschränkung vorweg.

Gleichwohl waren die Ergebnisse für Rheinland-Pfalz wenig schmeichelhaft. Die Durchschnittsbewertung der rheinland-pfälzischen Städte mit mehr als 50.000 Einwohnern lag bei gerade einmal 4,3, also bei der Note 4 minus. Das lag sogar unter dem Bundesdurchschnitt, der Note 4. Wie eben bereits von einem Vorredner gesagt wurde, war Rheinland-Pfalz im Bundesschnitt das Schlusslicht.

Am schlechtesten schnitt übrigens meine Heimatstadt Neuwied ab, was unsere Stadtratsfraktion vor Ort thematisieren wird. Neuwied bekam eine magere 4,7, also ein Mangelhaft.

Gegenüber dem letzten Fahrradklima-Test von vor zwei Jahren gab es übrigens kaum Veränderungen. Besonders schlecht werden vor allem die Breite von Radwegen, die Führung des Radverkehrs an Baustellen und die Kontrolle von Falschparkern auf Radwegen bewertet.

Wir stellen also fest, auch in Bezug auf Fahrrädern ist diese Landesregierung ein Ankündigungsriese und ein Umsetzungszwerg; denn Fakt ist, seit 1991 regiert die SPD in Rheinland-Pfalz, seit 2011 in einer Koalition zusammen mit den Grünen. Die Grünen steigen bekanntlich gern aufs Rad, sobald eine Kamera in der Nähe ist, doch an den Bedingungen für die Radfahrer vor Ort ändert sich nichts.

Meine Damen und Herren, vielleicht liegt das an einem Denkfehler der Landesregierung. Die Hoffnung der Landesregierung ist doch allem Anschein nach folgende: Wenn wir, so die Landesregierung, die Straßen genügend vernachlässigen – 55 % der Landesstraßen, 54 % der Kreisstraßen sind in schlechtem oder sehr schlechtem Zustand, den Zustand der Gemeindestraßen bringt die Landesregierung vorsichtshalber gar nicht erst in Erfahrung, das Ergebnis könnte ja so sein, dass es nicht zufriedenstellend ist –, wenn wir keine dringend benötigten Brücken bauen – siehe Mittelrheinbrücke –, wenn wir die vorhandenen Brücken planlos sanieren und simultan sperren – siehe Koblenz –, wenn wir die Autofahrer genügend diffamieren, etwa als „Klimasünder“, wenn wir nichts gegen Dieselfahrverbote machen, sondern unsere Stickoxidmessstationen am liebsten direkt auf den Mittelstreifen oder so nah wie möglich an die Straße stellen, wenn wir aber trotzdem das Autofahren immer teurer werden lassen – siehe auch die Pläne für eine CO2-Steuer –, dann, ja dann, so die Hoffnung der Landesregierung, haben die Leute schon irgendwann die Schnauze voll und steigen von allein auf das Fahrrad um.

(Heiterkeit der Abg. Dr. Sylvia Groß, AfD)

Das, liebe Kollegen, funktioniert natürlich nicht. Schon allein von den natürlichen Gegebenheiten her sind die Bedingungen für das Radfahren sehr unterschiedlich. Man vergleiche Mainz mit Neuwied und Neuwied mit zum Beispiel den Dörfern in der Vulkaneifel. In den weiten ländlich geprägten Gebieten von Rheinland-Pfalz ist das Fahrradfahren nur selten eine echte Alternative im Alltag; wir reden heute nicht von touristischen Zwecken. Diese ländlichen Regionen leben mit dem Auto, und wenn das Auto irgendwann verboten wird, sterben sie endgültig. Die Entfernungen zur Arbeitsstätte, zum nächsten Supermarkt oder zum nächsten Bürgerbüro sind zu groß für das Fahrrad.

In den Städten zeigt sich ein etwas anderes Bild. Hier könnte das Fahrrad für kurze und mittlere Strecken eine gute Alternative sein. Doch hier, meine Damen und Herren, muss Fahrradfahren zunächst einmal sicherer oder überhaupt sicher gemacht werden. Fahrradfahrer sind nämlich überproportional Opfer von Verkehrsunfällen. Im Jahr 2017 starben in Deutschland 382 Radler bei Verkehrsunfällen. Das sind 12 % der Verkehrstoten, obwohl nur 11 % der Wege, und dazu noch eher die kürzeren Wege, mit dem Rad zurückgelegt werden.

Mehr in der nächsten Runde. Vielen Dank.