(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Adolf Weiland, CDU: Die Redezeit ist zu Ende! Fehler überall, das Land fährt an die Wand, und Sie wollen es dann nicht gewesen sein! – Zuruf des Abg. Carsten Pörksen, SPD)
Liebe Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Diskussion um die Behandlung der Forderung ist, wie wir alle wissen, wahrlich nicht neu, sondern sie beschäftigt uns seit Beginn der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
Die Haltung, dass die Handwerker vorrangig zu befriedigen sind, war im Übrigen nicht nur eine Haltung und eine Meinung von Kurt Beck, sondern sie ist immer noch – das ist eben bereits erwähnt worden – die Rechtsauffassung des Insolvenzverwalters. Wenn dies tatsächlich am Ende so bestätigt wird, dann soll und wird es uns allen recht sein. Aber es muss zunächst einmal bestätigt werden.
Um diese Rechtsklarheit zu erhalten, hat die Landesregierung – das wissen Sie, Herr Kollege Licht – mit dem Insolvenzverwalter vereinbart, dass die Fragestellung der Gleich- oder Nachrangigkeit zur Entscheidung an die Europäische Kommission adressiert wird. Es wird – aber auch das wissen wir genau – natürlich nicht vor Rechtskraft der Verkaufsentscheidung geschehen. Sie alle wissen, dass genau diese Verkaufsentscheidung gerade beklagt wird.
Lieber Herr Kollege Licht, seit dem Nürburgringbeschluss der EU-Kommission vom 1. Oktober 2014 steht eine, wie Sie es eben noch einmal getan haben, geforderte nachrangige Anmeldung der Ansprüche des Landes, des Hauptgläubigers des Landes im Widerspruch, im Konflikt mit dem europarechtlichen Gebot, beihilfewidrige Leistungen zur Beseitigung der Wettbewerbsstörung unverzüglich und vollständig zurückzufordern. Das hat das Bundeswirtschaftsministerium – daraus ist bereits von Herrn Kollegen Pörksen zitiert worden – am 3. Feburar dieses Jahres festgestellt.
Mit Erlaubnis der Präsidentin möchte ich noch einen weiteren Satz vom Bundeswirtschaftsministerium zitieren. Es geht weiter mit dem Zitat: „Der Gläubiger (hier: Staat) muss jede Möglichkeit nutzen, wie andere Gläubiger auch, auf die Höhe der Quote Einfluss zu nehmen und somit eine effektive Durchsetzung der Rückforderung zu erreichen. Nur unter dieser Voraussetzung wird die mit der rechtswidrigen Beihilfe verbundene Wettbewerbsverzerrung wirksam beseitigt.“
Herr Kollege Licht, ich übersetze Ihnen das. Die Landesregierung darf keine Nachrangigkeit ihrer Forderungen gegenüber den Forderungen der Handwerksbetriebe beantragen, weil dies dem EU-Beihilferecht widerspricht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU, Sie alle kennen dieses Schreiben. Sie alle kennen auch die anderen Unterlagen, die Ihnen zur Verfügung gestellt worden sind. Herr Staatssekretär Barbaro hat Ihnen das im Haushalts- und Finanzausschuss ausführlich berichtet. Wenn Sie nun trotzdem fordern, dass die Ansprüche des Landes nachrangig beantragt werden sollen, dann fordern Sie die Landesregierung wissentlich zu einem Rechtsbruch auf. Sie wissen, liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist pure Oppositionspolemik. Das werden wir so nicht akzeptieren. Das dürfen wir so nicht akzeptieren.
Natürlich wünschen wir uns alle, dass die Handwerkerinnen und Handwerker und die Dienstleister am Nürburgring durch die Insolvenz keinen Schaden erleiden sollen. Deshalb fordern und begrüßen wir, dass es insbesondere von der Landesregierung das Angebot gibt, gemeinsam mit der ISB Möglichkeiten auszuloten, inwieweit den betroffenen Betrieben Hilfen zur Verfügung gestellt werden können.
Meine Damen und Herren, eines will ich Ihnen vollkommen klar sagen: Herr Licht, Sie haben versucht, den großen Bogen zum Nürburgring zu schlagen. So etwas wie am Nürburgring darf und wird es in Rheinland-Pfalz nicht mehr geben. Dafür haben wir in den letzten Jahren – das ist oft anstrengend gewesen, Sie waren bei allen Entscheidungen dabei – glücklicherweise die notwendigen Voraussetzungen geschaffen.
Wir haben uns immer an dem Grundsatz orientiert – nicht nur, aber besonders am Nürburgring –, mit Transparenz und Ehrlichkeit die Probleme erstens zu analysieren und sie zweitens zu lösen. Genau das ist uns in den vergangenen Jahren gelungen, meine Damen und Herren.
Genau das ist es. Wir wollen transparent, ehrlich und offen Probleme analysieren und lösen. Wenn Sie uns jetzt zum Rechtsbruch auffordern, machen Sie sich genau diese überkommene Politik zu eigen. Dabei wollen Sie doch eigentlich diejenigen sein, die für Klarheit und Transparenz stehen.
Uns aber zu illegalem Handeln auffordern, das passt leider zu Ihrer Oppositionsrethorik, Frau Klöckner, aber das passt überhaupt nicht zu dem neuen Stil dieser Landesregierung.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach § 39 der Insolvenzordnung sind Gesellschafterdarlehen als nachrangige Forderungen anzumelden. Demnach sind andere Forderungen, wie die im Raum stehenden Handwerkerforderungen, vorrangig zu bedienen.
Auf Basis dieser Rechtslage hat der Ministerpräsident a. D. Kurt Beck an dieser Stelle die nun schon mehrfach erwähnte Aussage getroffen. Diese Aussage stand und steht im Einklang mit dem Wortlaut der Insolvenzordnung, also im Einklang mit einem vom Deutschen Bundestag verabschiedeten Gesetz.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, auf dieser Rechtsgrundlage hat die Landesregierung, hat das Land den größten Teil seiner Forderungen im Dezember 2012 als nachrangige Forderung angemeldet. Sie konnte und musste davon ausgehen – das ist insoweit entscheidend –, dass nur die Anmeldungen im Nachrang Bestand haben werden.
Darauf weist auch ausdrücklich der Sachwalter Lieser hin, als er am 20. März 2014 – ein Jahr und drei Monate nach der hier zitierten Aussage des Ministerpräsidenten – ebenfalls an dieser Stelle in einer gemeinsamen Sitzung des Wirtschaftsausschusses und des Innenausschusses zum Sachstand vorgetragen hat. Mit Erlaubnis der Präsidentin zitiere ich die Frage des Herrn Abgeordneten Licht. Er fragt Herrn Lieser: „Können Sie (...) aus Ihrer Sicht heute schon sagen, dass der Aussage, dass kein Handwerker auf einer Forderung sitzen bleiben wird, Rechnung getragen werden kann, oder wie ist die Bedienung, wer nimmt welche Rangigkeit ein?“
Darauf antwortet Herr Lieser an dieser Stelle: „Herr Kollege Professor Schmidt und ich gehen derzeit davon aus, dass die Forderungen des Landes Rheinland-Pfalz aktuell nachrangig sind. Es sind Gesellschafterdarlehen, die im Rang des § 39 Insolvenzordnung einzuordnen sind, das heißt, nach derzeitigem Stand würden die vorrangigen Gläubiger nach § 38 Insolvenzordnung dann volle Befriedigung erlangen. Das würde wiederum bedeuten, dass die von Ihnen angesprochenen Handwerker keinen Schaden erleiden würden.“ – Ein Jahr und drei Monate später wurde das geäußert.
Dann sagt er weiter: „Allerdings muss abgewartet werden, wie sich das Beihilfeverfahren darstellt und wie die Beihilfeentscheidung aussehen wird. Es kann durchaus sein, dass sich im Fall einer Beihilferückforderung das Rangverhältnis der Forderungen des Landes ändern kann.“ – Das ist im März 2014 an dieser Stelle geäußert worden.
Daraufhin fragt Herr Licht nach – ich zitiere –: „Haben sich Ihrer und Herr Professor Schmidts Auffassung die Landesregierung und die ISB genauso angeschlossen, oder ist das Ihre persönliche Auffassung?“ – Darauf antwortet Herr Lieser: „Das ist erst einmal unsere Auffassung. Das Land hat sich dazu noch nicht endgültig positioniert, kann es meines Erachtens auch nicht, um nicht gegen Beihilfevorschriften zu verstoßen.“ – Der Sachverhalt, über den wir heute sprechen, war also im März 2014 der Sache nach klar.
Herr Licht, wir alle haben noch in guter Erinnerung, wie Sie sich damals, so wie hier auch, empört haben. Es ist im Protokoll festgehalten worden, wie Sie nach Darlegung des Sachverhalts – wie eben auch – von gebrochenen Versprechungen gesprochen haben. Im Protokoll wurde festgehalten: „Herr Abg. Licht: Okay, vielen Dank.“
Meine sehr geehrten Damen und Herren, mit Bescheid vom 1. Oktober 2015 ist nun genau der Fall eingetreten, über den Herr Lieser gesprochen hat.
Die hieraus zu ziehenden Rechtsfolgen sind dem Bundesanzeiger vom 3. Februar 2015 zu entnehmen. Es ist teilweise zitiert worden. Mit Erlaubnis der Frau Präsidentin zitiere ich aus dem Papier vom Februar dieses Jahres, also fast drei Jahre, nachdem der Ministerpräsident die Aussagen getroffen hat. Das heißt es:
„a) Rückforderungsansprüchen muss aus Sicht der Europäischen Kommission dieselbe Priorität (Rang) eingeräumt werden wie einzelstaatlichen Ansprüchen vergleichbarer Art. Der Bundesgerichtshof formuliert sogar: ,Jede Rückforderung muss als ,rechtswidrige Beihilfe‘ deklariert und zur Tabelle nach Insolvenzordnung (InsO) § 38 (erstran- gig) angemeldet und vom Insolvenzverwalter anerkannt werden. Der Gläubiger (hier: Staat) muss jede Möglichkeit nutzen, wie andere Gläubiger auch, auf die Höhe der Quote Einfluss zu nehmen und somit eine effektive Durchsetzung der Rückforderung zu erreichen. Nur unter dieser Voraussetzung wird die mit der rechtswidrigen Beihilfe verbundene Wettbewerbsverzerrung wirksam beseitigt. Der Vorrang der europarechtlichen Regelungen der Artikel 88 Absatz 2 EGV (...) führt zur Nichtanwendung des § 39 Absatz 1 Nummer 5 InsO.‘, vgl. BGH-Urteil (...). “
„b) Die Stelle“ – also der Staat – „soll Beschlüsse von Insolvenzverwaltern anfechten“ – das ist noch wichtig –, wenn diese (...) Ansprüche nicht mit dem richtigen Rang anerkennen.“
Meine sehr geehrten Damen und Herren, so weit die Bundesregierung in diesem Jahr. Vor dem Hintergrund – mit Verlaub – kann ich die Vorwürfe an den ehemaligen Ministerpräsidenten, die ich wegen ihrer groben Infamität nicht wiederholen möchte, so nicht stehenlassen.
Erstens möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich betonen, die Ausführungen der Bundesregierung basieren auf der Rechtsprechung des BGH und dessen Auslegung des europäischen Beihilferechts. An keiner Stelle wird gesagt, dass die Anmeldungen hinsichtlich Höhe und Rang von der Kommission im Bescheid oder an anderer Stelle vorgegeben worden sind. Sie basieren auf der Auslegung des europäischen Rechts durch den Bundesgerichtshof.
Zweitens mag man diese Auslegung des Bundesgerichtshofs nicht teilen, man mag sie auch für falsch halten, aber es obliegt eben nicht der Exekutive, sich darüber hinwegzusetzen.
Drittens ist richtig, dass auch vor diesem Hintergrund der Rechtslage die Anfrage des Europaabgeordneten Dr. Werner Langen unter dem 29. Juni 2015, also von Anfang dieser Woche, an die Kommission sehr holzschnittartig formuliert ist und doch weitgehend am Sachverhalt vorbeigeht. Dort wird suggeriert, als hätte die Landesregierung argumentiert, die Landesregierung habe die Anmeldung der Höhe und der Qualität von der Kommission vorgegeben bekommen. Nein, durch eine Entscheidung vom 1. Oktober 2010 haben wir eine andere Rechtslage, die zum Teil in 2015 präzisiert wurde, der wir folgen.
Es geht aber im Wesentlichen – das ist maßgeblich – um eine Auslegung europäischen Rechts durch den BGH, von der wir uns viertens wünschen, sie wäre eine andere. Wir hoffen auch, dass sich die BGH-Rechtsprechung ändern wird, aber noch hat sie sich nicht geändert, weshalb sie für uns bindend ist.
Gleichwohl gilt, dass wir weiterhin mit der Kommission im Gespräch bleiben, weil die Rechtslage uns nicht befriedigt; denn wir wollen nicht, dass insbesondere Handwerker auf ihren Forderungen sitzenbleiben. Deswegen werden wir alle weiteren Möglichkeiten ausloten, um dies auch zu tun.
Abschließend will ich sagen, dies ist auch im Sinne jener, die ihre Forderung als öffentliche Stelle im ersten Rang angemeldet haben.
Herr Ernst, der mir gerade etwas zugerufen hat, sitzt im Kreistag Ahrweiler. Wenn ich richtig informiert bin, hat der Landkreis Ahrweiler seine Forderungen im ersten Rang angemeldet.
Eines möchte ich noch sagen: Wenn sich ein Landrat, weil er ein CDU-Parteibuch hat, an Recht und Gesetz hält, ist das völlig normal. Tut das die Landesregierung, ist das ein Aufruf, Rechtsbruch zu begehen. Das wiederum kann ich nicht verstehen.