Protocol of the Session on March 19, 2015

Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Wilke das Wort.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Brede-Hoffmann, was Sie eben ausgeführt haben, dass wir hier pauschal Muslima, die Kopftuch tragen, aus diesem Land vertreiben wollten, ist eine solche bodenlose Unterstellung,

(Beifall der CDU)

eine solche unglaubliche Entgleisung, dass ich froh bin, wenn der 1. April gekommen ist. Ganz ehrlich!

(Beifall der CDU – Zuruf von der SPD: Was? – Pörksen, SPD: Wir sind hier nicht im Theater!)

Ich habe es in neun Jahren nicht anders kennengelernt. Das ist übertriebene Polemik. Selbstverständlich respektieren wir glaubensgeleitete Einstellungen, dass jemand, der ein Kopftuch tragen möchte, das auch tragen kann, in der Öffentlichkeit, daheim oder wo auch immer.

(Frau Brede Hoffmann, CDU: Ach ja!)

Aber Schulen sind ein besonderer Raum. Da gibt es eine Zwangssituation, der ich mich nicht entziehen kann.

(Beifall bei der CDU)

Wie wirkt dieses Kopftuch? Wie wirkt die kopftuchtragende Lehrkraft auf das liberale, muslimische Mädchen aus liberalem muslimischem Haus, das das Gegenüber sieht und vermittelt bekommt, nur das ist eine rechtschaffende Muslima, die ein Kopftuch trägt? Das ist doch genau der Punkt, der seinerzeit hinter unserem Gesetzentwurf stand. Was jetzt durch das Urteil ausgelöst wird – ich kann es nicht anders sagen –, trotz allem Respekt vor Karlsruhe, ist Steine statt Brot für die Schulverwaltung.

(Beifall der CDU – Guth, SPD: Richterschelte!)

Wenn ich es richtig sehe, ist als nächstes die SPDFraktion an der Reihe. Ich erteile Frau Brede-Hoffmann das Wort.

Herr Kollege Wilke, ich glaube, ich gehe jetzt nicht mehr auf Ihre Beschimpfung ein.

Nur noch einige wenige Sätze. Wäre dieses Parlament Ihrem Antrag gefolgt, hätte dieses Parlament jetzt ein Problem. Dieses Parlament müsste sein Schulgesetz ändern.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Frau Klöckner, CDU: So wie beim Kommunalen Finanzausgleich!)

Dieses Parlament müsste Menschen erklären, warum mehrere Jahre lang in diesem Land ein Verbot gegolten hat, das von einem Bundesverfassungsgericht schon einmal infrage gestellt worden war und das dann jetzt endgültig infrage gestellt worden ist. Gestatten Sie mir, Herr Wilke, dass ich einfach abschließend sage, das Bundesverfassungsgericht hat einen Schlussstrich unter diese Form der Debatte gezogen.

(Frau Klöckner, CDU: Nein!)

Debatteure wie Sie würden dort auf Unverständnis stoßen. Bei mir stoßen Sie auch darauf.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Baldauf, CDU: Das ist auch nicht schlimm!)

Das können Sie so sehen. Für mich schließt sich an diesem Punkte der Debatte ein Kreis, in dem von einem Gericht gesagt wird, das, was verschiedene Menschen fordern, ist nicht verfassungsgemäß. Das haben wir zu akzeptieren. Ich freue mich darüber.

Gestatten Sie, dass ich an dieser Stelle ein klitzekleines „siehste“–Gefühl empfinde, weil es nicht der einzige Punkt ist, an dem wir mit Ihnen debattiert haben, ich weiß nicht, in wie vielen Sitzungen, Ausschüssen und Ähnlichem, und sich dann zum guten Schluss herausgestellt hat, dass das, was die CDU vorgeschlagen hat, oder das, was die CDU gefordert hat, oder das, was andere CDU-geführte Bundesländer realisiert haben, mit den aktuellen Entwicklungen nicht mehr standhält.

Ich will nur – das erlaube ich mir jetzt hier und heute an dieser Stelle – dann auch das Wort G8 und G9 in den Mund nehmen.

Ich kann mich noch entsinnen, wie ich von der CDU als Vertreterin eines kleinen gallischen Dorfes beschimpft wurde. Das fand ich damals ganz lustig und ein nettes Kompliment. Heute aber weiß ich, erlebe in Diskussionen und kann lesen, dass es so gut wie kein Bundesland gibt, das nicht ein wenig neidisch auf uns schaut und sagt, hätten wir damals auch so schlau wie ihr reagiert.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Dr. Wilke, das ist nach 20 Jahren Landtagszugehörigkeit kein ganz schlechtes Resümee, das man ziehen kann, festzustellen, dass es richtig wichtige Fragen in diesem Parlament gegeben hat, an denen man beteiligt war.

(Glocke des Präsidenten)

Dazu gehört die Findung von Antworten und Lösungen, das Entwickeln von Lösungskonzepten, die Umsetzungen, die sich – ich sage es jetzt einmal so großartig – in der Geschichte der letzten 20 Jahre als richtig erwiesen haben.

Die Frage mit dem Kopftuch ist eine davon, aber nur eine. Es ist eine sehr wichtige davon, weil sie etwas mit Toleranz und Freiheit zu tun hat.

Ich schaue auf die 20 Jahre. Es waren tolle 20 Jahre. Das kann ich auch nach solchen Beschimpfungen wie eben doch noch sagen mit vielen neuen Erfahrungen, vielen netten Kolleginnen und Kollegen, der Chance, einer Chance, die für mich unbezahlbar ist, unentwegt Neues zu lernen, und zwar auch zu Themen und Problemen, für die ich mich sonst nie auch nur ansatzweise interessiert hätte.

Wenn Schülerinnen und Schüler mich immer gefragt haben, von was haben Sie keine Ahnung – die Landwir

te mögen es mir verzeihen –, dann habe ich immer gesagt, am wenigsten Ahnung habe ich von Milch- und Forstwirtschaft. Das sind schließlich Gebiete, die in meinem Wahlkreis weniger wichtig sind.

Aber ich habe trotzdem in den Diskussionen, ob das hier war oder in Ausschüssen, in Arbeitskreisen, in der Fraktion, bei Terminen vor Ort, auch in den Feldern Milch- und Forstwirtschaft die eine oder andere Information in meinen Kopf hineinbekommen.

Dafür danke ich, und zwar nicht nur für die Information in der Milch- und Forstwirtschaft, sondern für alle, die ich hier lernen durfte. Danke für das Lernen, für die Chancen und die Erlebnisse. Hier durfte ich das tun, was ich eigentlich am liebsten mache, nämlich mit anderen Leuten zusammen über Fragen grübeln, Lösungen finden, dann überlegen, wie man Lösungen in die Wirklichkeit umsetzt und Gesellschaft gestaltet.

Das größte Geschenk – diejenigen die dabei waren, es sind nicht mehr sehr viele hier im Haus – war für mich die Übernahme des Vorsitzes in der EnqueteKommission „Jugend und Politik“. Das waren etwas über zwei Jahre, in denen wir uns dem Stress der dauernden Entscheidung, des dauernden Zankens und der Konfrontation entzogen haben und stattdessen zu einer AusflugEnquete mutiert sind. Wir waren nonstop unterwegs im Lande Rheinland-Pfalz und haben uns tolle Sachen angeschaut.

(Frau Kohnle-Gros, CDU: Best Practice!)

Ja, Best Practice haben wir es genannt. Wir haben hinterher gemeinsam davon geschwärmt, was für tolle Menschen, besonders Kinder und Jugendliche, in diesem Land leben.

Aus dieser Arbeit ist mein größter Wunsch übrig geblieben. Den geb ich jetzt Ihnen, wenn es hier nicht mehr klappt, dem nächsten Parlament mit auf den Weg. Finden Sie Kraft und Vernunft, um unsere Verfassung so zu ändern, dass unsere jungen Menschen schon mit 16 Jahren wählen dürfen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mindestens dann muss es entschieden sein, wenn mein heute zweijähriger Enkel 16 ist. Ich will, dass er mit 16 wählen darf. Ich werde ihn dafür wild machen.

(Heiterkeit bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es sind noch 14 Jahre. Man muss früh anfangen.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Eigentlich setze ich auf Sie, dass Sie das noch schaffen bis zum Ende dieser Legislaturperiode. Der nächste Landtag soll es richten.

Wichtig bei meiner politischen Arbeit war und ist mir, dass wir auf etwas achten, was auch gestern schon die Kollegin Hannelore Klamm sehr ausführlich gesagt hat, dass wir unsere Arbeit hier unglaublich professionell

machen. Darunter verstehe ich nicht, dass wir uns ansäuseln. Verstehen Sie es nicht falsch.

Ich weiß schon, das Suchen und Finden von Lösungen findet hier im Disput, im Streit, manchmal sogar in der harten Auseinandersetzung statt. Das müssen wir professionell können.

Hart, klar, entlarvend, bei mir hat man immer gesagt, kratzbürstig und nervig am Rednerpult, im Ausschuss, in unserer Medienarbeit – das gehört dazu. Das müssen wir ertragen. Wenn ich es richtig sehe, ertragen wir es auch. Aber draußen im Foyer, in der Stadt, in der Kneipe und vor allen Dingen bei den Diskussionen mit Schüler- und Schülerinnengruppen – das ist mir etwas ganz Wichtiges – muss es gelingen, dass wir den politischen Gegner mit Respekt behandeln und vielleicht sogar ein freundschaftliches Verhältnis aufbauen. Wir müssen das schaffen. Sie müssen das künftig schaffen, die saubere Trennung von Auseinandersetzung und vielleicht auch Kampf in unserem politischen Berufsalltag, aber den Respekt und die Freundschaft im privaten und menschlichen Miteinander.

Für mich war und ist das eine Basis, auf der ich versucht habe, meinen politischen und unpolitischen Tag zu gestalten. Es war die Basis, die mich dazu gebracht, zusammen mit Johannes Klomann, der mir hier nachfolgen wird, im Landtag bei der Landtagsfastnacht mitzumachen. Da war das wichtige Ziel, über mich selbst zu lachen, über Sie alle zu lachen, Sie, mich selbst kräftig durch den Kakao zu ziehen. Es war mir gerade egal, ob das meine politische Herkunftsfamilie war, der Koalitionspartner oder der politische Gegner.

Mein Rat, meine Bitte: Verlernen Sie auf keinen Fall diese Fähigkeit, über sich und über die anderen zu lachen, und das vielleicht auch nicht im nächsten Wahlkampf.

Dass mich dieses Jahr die Absage der Landtagsfastnacht ganz besonders traurig gestimmt hat, will ich nicht verhehlen. Sie werden mir das dann besonders glauben, wenn ich Ihnen heute verrate, dass wir eigentlich für diese Landtagsfastnacht einen ganz besonderen Knalleffekt vorgehabt haben, der die physische Darstellung von Freundschaft über die Parteigrenzen hinaus sein sollte. Wir hatten geplant, den Ulla- und Seppel-Vortrag, der in dieser Fastnacht schon fast ein Ritus ist, zusammen mit dem echten Seppel Keller vorzutragen. Ich hoffe, Sie sind zusammen mit mir besonders traurig. Unser gemeinsamer Vortrag stand. Wir zwei, der Seppel und ich, haben uns auf den Auftritt als das alte Kampfhahn- und Kampfduo gefreut wie Bolle.

Davon kann ich Ihnen leider nur vorschwärmen. Wir konnten es Ihnen nicht vorführen. Ich sage Ihnen, dass wir zwei sogar zum Schluss als Friedensengel dem Landtag etwas vorsingen wollten. Aber wer weiß, man soll die Hoffnung nie sinken lassen, vielleicht klappt dieser Versuch bei der nächsten Landtagsfastnacht.