Protocol of the Session on November 20, 2014

(Vereinzelt Heiterkeit im Hause)

Es ist natürlich immer eine Einzelfallentscheidung, wie welches Kind wo behandelt werden muss. Das kann aber nicht die Politik entscheiden. Wir haben für gute Rahmenbedingungen zu sorgen. Wir hören mit diesem Engagement nicht mit dem heutigen Tag auf, sondern das werden wir auch in Zukunft tun.

(Glocke des Präsidenten)

Deswegen ist Ihr Antrag ehrenhaft, aber nicht erforderlich.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Ebli. – Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Herr Dr. Konrad das Wort.

Vielen Dank. – Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es war eine sehr wissenschaftlich fundierte Anhörung, zu der mehrere Ausschüsse mit eingeladen waren. Ich fand das auch den richtigen Ansatz. Insofern war auch Ihr Antrag in der Zielrichtung richtig, dass es eben nicht nur die Medizin und die Medikation von Kindern, sondern das gesamte Umfeld, das private Umfeld, das familiäre Umfeld betrifft und es stabile Beziehungen und Bindungen sowie auch ein gutes Lern- und Betreuungsumfeld erfordert. Insofern gebe ich Ihnen ausdrücklich recht.

Allerdings käme es in der Intention des Antrags jetzt so rüber, als hätten wir mit der Ablehnung Ihres Antrags im Ausschuss auch abgelehnt, dass Sie feststellen, dass dieses Umfeld jeweils auch mitbestimmend ist für die Realität, in der diese Kinder leben. Vielmehr ist es aber so, dass dieser Antrag Dinge vorgibt, die zum Teil nicht nachvollziehbar sind; dies angesichts dessen, dass auch die Anhörung erbracht hat, dass dieses Gebiet intensiv beforscht wird und auch auf einer guten fachlichen Grundlage sowohl die Prävention als auch die Behandlung stattfinden.

Sie fordern in Ihrem ersten Antrag unter anderem eine wissenschaftliche Studie zu den gesellschaftlichen Ursachen. Da muss ich Ihnen sagen, die liegen wirklich in epischer Breite vor. Unter anderem haben wir jetzt zur Feststellung dieser wissenschaftlichen Grundlage die Anhörung durchgeführt. Das heißt, dieser Punkt läuft ins Leere.

Dann die Arbeit auf dieser Grundlage weiterzuentwickeln. Das wäre ja die Unterstellung an die Ministerien, dass sie die wissenschaftliche Arbeit ignorieren. In die Richtung ging auch ein Teil Ihrer eben gehaltenen Rede. Dem stimmen wir ausdrücklich nicht zu.

Sie fordern, bei zukünftigen bildungs- und familienpolitischen Maßnahmen die Auswirkungen auf das kindliche Verhalten angemessen zu berücksichtigen. Sie können nicht von uns verlangen, dass wir der von uns getragenen Regierung unterstellen, dass sie das erstens unangemessen tut und wir sie zweitens auffordern müssen, angemessen diese Dinge zu berücksichtigen.

Im Änderungsantrag sprechen Sie von unzureichenden Bedingungen in den Kindertagesstätten, und Sie sprechen davon, ein weiterer Ausbau der stationären Kinder- und Jugendpsychiatrie allein könne keine befriedigende Lösung sein. Wer hat denn das gefordert?

Insofern enthält der Antrag neben viel Richtigem und Wahrem auch sehr vieles, was eigentlich nur dazu dient – ein Teil Ihrer Rede erstreckte sich darauf auch –, die Landesregierung für gesellschaftliche, medizinische sowie pädagogische Entwicklungen verantwortlich zu machen, die sie erkennbar nicht zu verantworten hat.

Ich erinnere zum Beispiel an eine Aussage des CDUMinisterpräsidenten Späth, weil auch Medien im kindlichen Verhalten eine wichtige Rolle spielen. Späth hat Anfang der 2000er-Jahre gesagt: Als wir uns noch Sorgen gemacht haben über die Schädigung der Jugend, waren andere Länder uns weit voraus im Ausbau des privaten Rundfunks und des privaten Fernsehens. – Heute beklagen wir genau das und sehen zum Teil auch die Ergebnisse.

Das heißt, Sie sehen auch, dass das einseitige Schielen auf Wachstumspotenziale in Bereichen, in denen die Kinder und Jugendlichen vielleicht überfordert sind, dazu geführt hat, dass wir heute eine Medienlandschaft haben, die gerade für diese Kinder deutliche Probleme liefert. Dafür ist aber die Landesregierung auch nicht verantwortlich. Diese Entwicklung können wir auch nicht zurückdrehen.

Dafür ist aber natürlich schon ein gesellschaftliches Umfeld verantwortlich, in dem einseitig immer auf Profit und auf das Bessersein gezielt wird, so wie Frau Ebli das eben schon gesagt hat. Auch dafür können wir die Landesregierung nicht verantwortlich machen.

Woran sich die Landesregierung orientiert und weiter orientieren sollte – dazu stehen wir auch als regierungstragende Fraktionen –, ist, das Bildungsumfeld und das Umfeld in den Kindertagesstätten qualitativ so zu gestalten, dass gerade die Kinder, die besondere Zuwendung und einen klaren Rahmen brauchen, entsprechend betreut werden. Daran werden wir weiter arbeiten, und daran lassen wir uns auch messen.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Für die Landesregierung hat Frau Ministerin BätzingLichtenthäler das Wort.

Vielen Dank. – Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Als neue Gesundheitsministerin habe ich mit großem Interesse wahrgenommen, wie intensiv Sie sich mit der Thematik ADHS auseinandersetzen.

Für mich ist die Thematik nicht neu. Ich durfte in den vergangenen Jahren sehr häufig mit der Selbsthilfe JUVEMUS e. V. aus Koblenz Kontakt haben. Dort habe ich auch an einem Symposium teilgenommen. Daher weiß ich um die Betroffenheit und den Bedarf.

Aus der Anhörung wurde mir berichtet – ich konnte das im Protokoll nachlesen –, dass sie nicht nur hochkarätig besetzt war, sondern wirklich auch intensiv diskutiert wurde. Der vorliegende Änderungsantrag der CDU spiegelt diese Ergebnisse teilweise wider. Allerdings fehlt in diesem Antrag, dass die Landesregierung – das hat die Anhörung so ergeben – mit ihren Maßnahmen und Einschätzungen zum Thema ADHS und den Behandlungsansätzen recht hat. Liebe Kollegin Huth-Haage, daher war für uns nicht so viel Neues in der Anhörung dabei wie vielleicht für Sie. Für uns sind der Antrag und auch der Änderungsantrag der CDU daher obsolet. Ich will das kurz begründen.

Im ursprünglichen Antrag war die Forderung aufgeführt, die wissenschaftliche Studie zu den gesellschaftlichen Ursachen durchzuführen und ein Symposium zu veranstalten. Zur Studie hat Herr Kollege Konrad schon gesagt, dass sie keine neuen Erkenntnisse bringen würde. Die wissenschaftliche Diskussion ist hier schon viel, viel weiter. Ein Blick in die Datenbank „PSYNDEX“ zeigt uns, dass wir über 500 Nachweise zur Behandlung und zu weitergehenden Ansätzen haben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Symposium haben wir bereits 2013 am 4. Juni im Rahmen unserer Veranstaltungsreihe „Gesundheitspolitischer Impuls“ realisiert, bei der es um die Arzneimittelpraxis für Kinder im Brennpunkt ADHS ging.

Selbstverständlich – das möchte ich noch einmal betonen – ist sich die Landesregierung ihrer Mitverantwortung bei der Versachlichung der Diskussion bewusst; denn auch dies wird gefordert. Wir tragen dieser Mitverantwortung mit unserer psychiatriepolitischen Öffentlichkeitsarbeit Rechnung. So haben wir vor einigen Jahren den Wegweiser „Kinder- und Jugendpsychiatrie“ mit dem Schwerpunkt ADHS veröffentlicht.

Meine Damen und Herren, im Änderungsantrag geht es weiter mit obsoleten Forderungen. Ich erwähne zum Beispiel den ersten Spiegelstrich. Dort wird gefordert, dass sich die Multimodalität der Erkrankung in multidisziplinären Handlungsansätzen widerspiegelt. Ein Blick ins Gesetz lässt erkennen, dass diese Forderung schon

längst erfüllt ist. Die Rechtslage sieht nämlich als Voraussetzung für die Behandlung mit Methylphenidat Folgendes vor: Erstens eine gesicherte und kriterienorientierte Diagnostik einer ADHS, zweitens eine entsprechende Schwere, drittens eine entsprechende Dauer der Erkrankung, und viertens müssen Behandlungsversuche mit anderen Therapieverfahren erfolglos geblieben sein. Nur dann kann Methylphenidat verordnet werden.

Die sich dann anschließende therapeutische Gesamtstrategie umfasst neben den pharmakologischen psychologische, pädagogische und soziale Maßnahmen, die alle nur unter Aufsicht von Spezialisten durchgeführt werden können.

Meine Damen und Herren, daher ist die Landesregierung der Auffassung – da stimmen Sie mir mit Sicherheit zu –, dass die notwendigen gesetzlichen Regelungen für eine leitliniengerechte Behandlung absolut erfüllt sind.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Im Übrigen wird auch bestätigt, dass die multimodale Behandlung in der Praxis Standard ist. Auch das hat die Anhörung ergeben. Das heißt, die Forderungen sind in der Tat längst überholt.

Ganz zentral war die Botschaft aus der Anhörung, dass die Ursachen für psychologische Störungen komplexer Natur sind und sie mit Lebensstil, mit gestiegenem Stress und Leistungsdruck zusammenhängen. Darum ist es notwendig – dem stimmen wir absolut zu –, dass wir Kinder und Jugendliche stärken, damit sie den Belastungen besser gewachsen sind.

Diese Aufgabe kommt der Familie, dem Bildungssystem, dem Gesundheitssystem und natürlich der Politik zu, die dafür Sorge tragen muss, dass wir gute Rahmenbedingungen und Unterstützungsangebote für die Familien haben, damit wir die Kinder in ihrer Resilienz gegen diese entsprechenden Umweltfaktoren stärken können.

Von daher sind wir gesundheits-, familien- und bildungspolitisch aktiv. Ich möchte ganz kurz noch einige Beispiele nennen, wo die Landesregierung aktiv ist. Zum einen bieten wir verschiedene Projekte zur Prävention an, und zwar zur Stärkung der Kinder, und keine Bindestrich-Prävention, sondern eine Prävention, bei der es um die Lebenskompetenz geht. Partner ist hierbei die Landeszentrale für Gesundheitsförderung. Darüber hinaus gibt es Projekte, die Sie alle kennen, nämlich die „Klasse2000“, „Ich und Du und Wir“ – hier wird Persönlichkeitsentwicklung gefordert – und viele mehr.

Die Kinder brauchen in der Schule, in der Familie und in der Kita eine einheitliche Orientierung, um ihr Verhalten ändern zu können. Ich möchte noch kurz auf das Thema Schule eingehen.

Wir brauchen eine Zusammenarbeit von Eltern und Lehrkräften. Diese ist schon in der Schule gegeben. Die Lehrerinnen und Lehrer sind sowohl in der Ausbildung, die alle Lehrämter angeht, als auch in der zweiten Phase ihrer Ausbildung auf dieses Thema geschult. Darüber

hinaus werden immer wieder entsprechende Weiterbildungsmaßnahmen für die Lehrkräfte im Bereich ADHS angeboten. Die Familien werden durch die Familienbildungsstätten mit entsprechenden Angeboten, wie zum Beispiel dem Elternkursprogramm des Landes „Auf den Anfang kommt es an“, unterstützt.

Liebe Frau Kollegin Huth-Haage, ich freue mich, Ihnen mitteilen zu können, dass die Kürzungen bei den Familienbildungsstätten auf Initiative unserer Familienministerin, Frau Alt, abgefedert werden konnten.

(Zuruf der Abg. Frau Huth-Haage, CDU)

Die Familien werden weiterhin durch Angebote der sozialpädagogischen Familienhilfe, Tagesgruppen und auch der Beratungsstellen gestärkt, in denen sie Erziehungs- und Familienberatung erhalten.

Zum guten Schluss möchte ich noch auf die Kita eingehen, weil Sie eine Behauptung in den Raum gestellt haben, die absolut haltlos ist. Natürlich kommt den Kitas eine wichtige und präventive Rolle zu. Sie kritisieren – das ist die haltlose Behauptung –, dass die ErzieherKind-Relation viel zu gering sei.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, richten Sie einen Blick auf die Fakten. Dann werden Sie merken, dass es absolut haltlos ist; denn unser Personalschlüssel in der U3Betreuung beträgt 3,8 Kinder pro Erzieherin oder Erzieher. Wir sind damit besser als der Bundesdurchschnitt mit 4,8. Im Ü3-Bereich beträgt er 9,3. Auch hier sind wir besser als der Bundesdurchschnitt. Das heißt, wir sind bei der personellen Ausstattung vergleichsweise gut aufgestellt.

(Zuruf der Abg. Frau Huth-Haage, CDU)

Meine Damen und Herren, ich komme damit zum Schluss. Ich glaube, ich habe Ihnen die vielfältigen Ansätze und Initiativen aufführen können. Das war nur punktuell. Es wird aber zweierlei deutlich:

1. Wir sind als Landesregierung auf dem richtigen Weg. 2. Der Antrag von Ihnen ist obsolet.

Wir werden weiter gemeinsam mit den Familien und dem Bildungsministerium zum Wohle unserer Kinder zusammenarbeiten. Die Betroffenen können uns hierbei an ihrer Seite wissen.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Wir stimmen zuerst über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU – Drucksache 16/4230 – ab. Wer dem Änderungsantrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Wer stimmt dagegen? – Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der SPD und des