Protocol of the Session on May 15, 2014

Das Wort hat Herr Minister Dr. Kühl.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Bevor ich inhaltlich zu den Anträgen Stellung nehme, möchte ich eine Bemerkung vorab machen. Soweit Ansprüche gegen Personen in ihrer Eigenschaft als Organe der Nürburgring GmbH in Rede stehen, ist die Zeit vor Insolvenzantragstellung im Juli 2012 von der Zeit danach zu unterscheiden. Daher nehme ich zunächst zu der Zeit Stellung, die vor Insolvenzantragstellung liegt. Im Anschluss behandele ich die Situation in der Zeit danach.

Solange noch die Verantwortung für die Nürburgring GmbH bei der Gesellschafterversammlung lag, hat sie sich mit der Thematik eventueller Schadenersatzansprüche auf der Ebene der Nürburgring GmbH im Zusammenhang mit der Entlastung der Aufsichtsratsmitglieder mit Ausnahme des ehemaligen Aufsichtsratsvorsitzenden für die Jahre 2008 und 2009 Anfang 2012 intensiv auseinandergesetzt. Insoweit verweise ich auf die ausführlichen Darlegungen im Rahmen der Beantwortung der Kleinen Anfrage Nr. 1010 vom 14. August 2012.

Der Entlastung der dort Genannten lag folgender Sachverhalt zugrunde: Bei der Nürburgring GmbH handelt es sich um eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die einen fakultativen Aufsichtsrat hat. Grundsätzlich haben Organmitglieder einer solchen Gesellschaft einen Anspruch auf Entlastung, wenn keine Anhaltspunkte vorliegen, die die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen nach sich ziehen müssen.

Sie sehen also die Interdependenz zwischen der Entlastung und dem Einfordern von Schadenersatzansprüchen.

Für die bereits genannten Jahre 2008 und 2009 wurden bei der Nürburgring GmbH zunächst keine Entlastungen erteilt, da in diesem Zeitraum die Errichtung des Projektes Nürburgring 2009 fiel. Hierzu wurde ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss eingesetzt, und auch der Landesrechnungshof setzte sich mit diesem Projekt auseinander. Darüber hinaus wurde ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren unter anderem gegen den ehemaligen Geschäftsführer und ehemaligen Aufsichtsratsvorsitzenden eröffnet. Aus diesen Gründen war unklar, ob sich auch gegen die anderen Aufsichtsratsmitglieder Anhaltspunkte ergeben könnten, die Schadenersatzansprüche begründet hätten.

Explizit wies der Rechnungshof in seiner Stellungnahme darauf hin, dass Schadenersatzansprüche zu prüfen seien.

Nachdem die Jahresabschlüsse 2008 am 30. Oktober 2009 und 2009 am 26. September 2011 festgestellt wurden und die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen Anfang des Jahres 2012 nach unserer Kenntnis gegen die weiteren Aufsichtsratsmitglieder eingeleitet wurden, wurde Anfang April 2012 über die Entlastung der Aufsichtsratsmitglieder der Nürburgring GmbH in den Jahren 2008 und 2009 mit Ausnahme des ehemaligen Aufsichtsratsvorsitzenden entschieden.

Aufgrund der weitreichenden Wirkung eines solchen Beschlusses, nämlich Verzicht auf Erhebung von Schadenersatzansprüchen für die Zukunft für alle bekannten Sachverhalte, war zu gewährleisten, dass die Entlastung auf entsprechend sicherer Basis erteilt wird.

Daher wurde vor der Beschlussfassung eingehend geprüft, dass sich weder aus den festgestellten Jahresabschlüssen noch aus den sonstigen Unterlagen und Erkenntnissen, die die Gesellschaft selbst betreffen, noch aus der Anklage selbst Hinweise ergaben, die Schadensersatzansprüche wahrscheinlich erscheinen ließen.

Im Einzelnen: Jahresabschlüsse wurden vom Ministerium der Finanzen unter dem Blickwinkel Hinweise auf pflichtwidriges Handeln der weiteren Aufsichtsratsmitglieder geprüft. Hinweise ergaben sich hieraus nicht. Auch der Wirtschaftsprüfer hat in seinen Berichten keine Anhaltspunkte festgehalten.

Die Nürburgring GmbH beauftragte eine Anwaltskanzlei zu prüfen, ob es Anhaltspunkte für pflichtwidriges, zu Schadenersatz führendes Verhalten der Organe gibt. Mit Datum vom 1. September 2011 wurde ein Gutachten vorgelegt, das zu dem Ergebnis kommt, dass keine Anhaltspunkte hierfür hinsichtlich der weiteren Aufsichtsratsmitglieder gesehen werden.

Mit Datum vom 21. März 2012 wurde dem Finanzministerium eine weitere Stellungnahme von dem Anwalt der Kanzlei vorgelegt, die nunmehr auch die Auswertung der Anklage der Staatsanwaltschaft mit umfasst. Die Kanzlei kommt in Kenntnis der Angabe gemäß der dort niedergelegten Sachverhaltsdarstellungen noch klarer zu der Einschätzung, dass keine Schadenersatz begründenden Sachverhalte im Hinblick auf die weiteren Aufsichtsratsmitglieder erkennbar sind.

Da sich insgesamt keine Hinweise auf pflichtwidriges Handeln ergaben, wurde den weiteren Aufsichtsratsmitgliedern Anfang April von den Gesellschaftern der Nürburgring GmbH Entlastung erteilt. Auch der Gesellschafterlandkreis Ahrweiler hat dabei der Entlastung zugestimmt.

Das ist im Grunde genommen der Sachverhalt, der auch in der eingangs genannten Beantwortung der Kleinen Anfrage niedergelegt ist.

Wie Sie wissen, hat die Nürburgring GmbH aus den Ihnen bekannten Gründen im Juli 2012 Insolvenzantrag gestellt. Im Insolvenzverfahren obliegt die Durchsetzung von Haftungsansprüchen gegen Organe der insolventen Gesellschaft am Nürburgring ausschließlich dem Sachwalter. Das ist zurückzuführen auf die §§ 280 und 92 der Insolvenzordnung.

Zur Unterstützung seiner Tätigkeit wurde diesem vonseiten der Landesregierung insbesondere auch die Stellungnahme der Kanzlei zum Thema Schadenersatz zur Verfügung gestellt. In der gemeinsamen Sitzung des Wirtschafts- und Innenausschusses am 20. März 2014 hat der Sachwalter die Ausschüsse darüber informiert, dass durch die Verwalter im Rahmen der vorhandenen D&O-Versicherung in 2013 ein Vergleich geschlossen wurde. Dieser Vergleich umfasst Haftungsansprüche gegenüber den Angeklagten im Strafverfahren vor dem Landgericht Koblenz, die Organe oder leitende Angestellte der Nürburgring GmbH waren.

Nähere Details zu dem geschlossenen Vergleich können aus Gründen der vereinbarten Vertraulichkeit der Parteien nicht genannt werden. Darüber hinausgehende Haftungsansprüche werden vom Geschäftsführer der Nürburgring GmbH, von dem Sachwalter, eigenständig geprüft. Gebotene Maßnahmen zur Hemmung einer drohenden Verjährung werden von diesem beachtet.

Sobald das Urteil des Landgerichts Koblenz in schriftlicher Form vorliegt, wird die Landesregierung es im Hinblick auf etwaige Schadenersatzansprüche umfassend prüfen. Derzeit wissen wir aus der Verlesung der Anklageschrift lediglich, dass den damaligen Angeschuldigten in Bezug auf das Vermögen des Landes lediglich eine Vermögensgefährdung vorgeworfen wird.

Die Verjährung etwaiger Schadenersatzforderungen, die sich im Hinblick auf das Urteil des Landgerichts ergeben könnten, steht derzeit nicht zu befürchten. Hierzu wird auf die Rechtsprechung des Oberlandesgerichts München vom 12. Februar 2008 sowie den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 15. November 2007 verwiesen. Aus diesen Urteilen ergibt sich, dass die Verjährung erst dann beginnt, wenn der Anspruchsberechtigte Kenntnis der Tatsachen, insbesondere des Schadens, hat. Die Urteile heben hervor, dass dies bei deliktischen Handlungen erst ab dem Zeitpunkt der Anklage bzw. dem Zeitpunkt der Eröffnung des Hauptsacheverfahrens der Fall ist.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Es gibt eine Kurzintervention des Herrn Kollegen Dr. Wilke.

Ich habe noch 1 Minute und 40 Sekunden Redezeit. Ich kombiniere die Redezeit der Kurzintervention mit der restlichen Redezeit.

(Frau Klöckner, CDU: Das geht nicht! – Zurufe von der SPD)

Dann rede ich jetzt 1 Minute und 40 Sekunden zu Herrn Wiechmann, zu Herrn Pörksen möchte ich eigentlich nicht reden,

(Heiterkeit des Abg. Baldauf, CDU)

aber zu Ihnen, weil Sie gesagt hatten, die Problematik des Nürburgrings sei Vergangenheit, Herr Wiechmann.

(Frau Schleicher-Rothmund, SPD: Sie können sich bei Ihrer Kurzintervention nur auf den Minister beziehen!)

Gut, dann kommt jetzt zuerst die Kurzintervention, und dann melde ich mich danach noch einmal für die restliche Redezeit. Sie bekommen auf jeden Fall alles zu hören.

Entschuldigung, von der Geschäftsordnung her ist das völlig richtig. Herr Kollege Dr. Wilke hat sich zur Kurzintervention gemeldet. Dafür hat er eine Redezeit von 3 Minuten. Die wird abgehandelt. Anschließend hat er noch einmal 5 Minuten Redezeit, haben wir gerade festgestellt, wenn er will.

Bitte schön, Sie haben das Wort zur Kurzintervention, Herr Kollege Dr. Wilke.

Vielen Dank.

Herr Minister Kühl, vieles von dem, was Sie jetzt zu dem Thema, was die Nürburgring GmbH unternommen hat, um ihre Ansprüche zu sichern, ausgeführt haben, ist nicht neu für uns. Sie haben die Kleine Anfrage zitiert, die Frau Klöckner an die Regierung gerichtet hatte. Wir haben es auch schon im Rechtsausschuss mehrfach abgehandelt. Über den Vergleich wurde dort auch schon gesprochen.

(Frau Elsner, SPD: Warum stellt ihr dann noch einen solchen Antrag!)

Wissen Sie, was ich bei Ihnen vermisst habe? – Das waren jegliche Ausführungen zu dem, was auch ein Schwerpunkt meiner Rede gewesen war. Vielleicht hat

es Sie überrascht, dass ich darüber auch reden würde, aber das Thema ISB ist ein ganz entscheidendes Thema, ebenso wie die stillen Einlagen.

(Frau Klöckner, CDU: Ja!)

Die Aussagen des Gerichts schon in der mündlichen Urteilsverkündung waren doch sehr eindeutig bei diesem Thema. Ich denke, dazu ist noch nachzuarbeiten und die Regierung unmittelbar betroffen.

(Beifall der CDU)

Das war die Entscheidung des Herrn Deubel als Minister, aber wer in diesem Maße 100%ige Ausfallbürgschaften ausreicht, dürfte sich bei der gesamten Regierung rückversichert haben, dass so etwas in Ordnung geht. Das ist jedenfalls nachzuprüfen. Dabei ist auch über Haftungsansprüche gegen Regierungsmitglieder nachzudenken, und auch Haftungsansprüche im Rahmen der ISB sind zu prüfen.

(Pörksen, SPD: Das ist doch Quatsch, was Sie erzählen!)

Hier ist noch Arbeit zu leisten. Damit hat sich, wie ich Ihren Worten entnehme, noch niemand beschäftigt. Dann wird es höchste Zeit, auch vor dem Thema der Verjährung, die immer zu beachten ist.

Damit bin ich mit meiner Kurzintervention am Ende. Darf ich dann gleich weitermachen?

Nein, jetzt besteht erst einmal für den Minister die Möglichkeit zu erwidern. – Das möchte er nicht.

Jetzt hat Herr Kollege Dr. Wilke das Wort. Er hat noch 5 Minuten Redezeit. – Bitte schön.

Herr Wiechmann, was ich noch zu Ihrer Wortmeldung ausführen wollte, war, dass Sie gesagt haben, das Thema Nürburgring sei ein Thema der Vergangenheit.

(Frau Klöckner, CDU: Leider nicht!)

Ich weiß nicht, ob über 500 Millionen Euro Verlust für die Steuerzahler unseres Landes ein Thema der Vergangenheit ist.

(Beifall der CDU)

Die Steuerzahler unseres Landes sind massiv geschädigt durch das, was hier über Jahre vergeudet worden ist und welche Fehler gemacht worden sind. Es ist allerhöchste Zeit, sich darüber Gedanken zu machen, wie man wenigstens einen Teil dieses Geldes zurückholen könnte.