Das verwundert schon sehr, zumal die Landesregierung selbst überörtlicher Träger der Sozialhilfe in RheinlandPfalz ist.
Für Sie rechnet das Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung jedes Jahr 50 % der Kosten verschiedener Hilfen im Rahmen der Eingliederungshilfe mit den Kreisen und kreisfreien Städten ab, die diese Aufgabe für Sie wahrnehmen. Unter dem Strich entfallen auf das Land und die Kommunen jährlich jeweils fast eine halbe Milliarde Euro, fast 500 Millionen Euro jährlich.
Im Jahr 2007 erhielten nach der Statistik 28.194 Menschen Eingliederungshilfe, 2009 waren es bereits 30.782 Menschen. Das ist eine Steigerung in zwei Jahren von gut 9 %. Eine altersgruppenbezogene Sonderauswertung für die Jahre 1995 bis 2009, die immerhin vorliegt, macht auch hier einen starken Anstieg älterer und hochbetagter Menschen mit Behinderung deutlich.
In der Aufgabenwahrnehmung durch die Landkreise und kreisfreien Städte und nicht zuletzt durch die Leistungserbringer erwartet das Land die Umsetzung des schon zuvor beschriebenen Paradigmenwechsels. Aber was bedeuten die konsequente Umsetzung vorrangig ambulanter Hilfsangebote, der Rückbau großer Einrichtungen, der Wechsel behinderter Menschen in einzelne Wohnungen oder betreute Wohngruppen für den künftigen Fachkräftebedarf? – Das wollten wir von Ihnen wissen.
Wie auch im Bereich der Altenpflege vermisse ich ganz klare Vorstellungen zu dem damit verbundenen Fachkräftebedarf in der Zukunft. Auf Alarmmeldungen der Leistungserbringer zu warten, wie Sie es in Ihrer Beantwortung darlegen, um dann zu reagieren, hat meines Erachtens mit verantwortlichem Handeln nichts zu tun.
Sie sind Veranlasser des Perspektivwechsels und schieben die Verantwortung für eine vorausschauende Planung und Umsetzung komplett auf die Kommunen. Damit werden Sie Ihrer Verantwortung nicht gerecht. Gerade in der Eingliederungshilfe werden viele Betreuungsbedarfe überregional geleistet, zum Teil in Einrichtungen jenseits der Landesgrenzen. Genauso sind Plätze in Einrichtungen im Land von Menschen aus anderen Bundesländern belegt. Die Planung der erforderlichen Hilfestruktur erfordert daher auch eine intensive Mitwirkung des Landes.
In dem künftig wachsenden Bereich der ambulanten Hilfeleistungen bauen Sie umfassend auf den Einsatz von Familien, von Angehörigen, von Freundinnen und Freunden, der Nachbarschaften und ehrenamtlich Engagierter, um Ihr Ziel der Dezentralisierung und der Finanzierbarkeit umzusetzen. Schon heute leisten Familien und persönliche Netzwerke schier Unglaubliches in der Betreuung vor allem pflegebedürftiger Menschen, und hierfür gebührt ihnen unser Dankeschön.
Ob diese Gruppe in Zukunft noch in dem nötigen Umfang – das ist das Entscheidende – zur Verfügung steht, können Sie nicht sagen. In Rheinland-Pfalz regiert dazu das Prinzip Hoffnung. Aber wir wissen, dass Familien sich verändern, die Kinder nicht mehr in der Nähe der Eltern leben, der Anteil der Singlehaushalte – insbesondere bei den über 60-Jährigen – deutlich zunehmen wird. Wir wissen, dass Eltern die Betreuung ihrer
Sehr geehrte Frau Ministerin, die Dezentralisierung der Hilfen erfordert zwingend, sich jetzt Klarheit über die hierdurch entstehenden und künftig wachsenden Bedarfe an Fach-, Hilfs- und Betreuungskräften zu verschaffen und heute schon darauf hinzuarbeiten, diese Bedarfe sicherstellen zu können.
Tun Sie dies nicht, gehen Sie sehenden Auges das Risiko ein, die betroffenen Menschen nicht ausreichend versorgen und betreuen zu können. Dann kann die ambulante Hilfe zu Einsamkeit, Verwahrlosung und gesundheitlichen Risiken führen. Wir erwarten – und hierauf zielen unsere Anträge –, dass Sie sich einen detaillierten Überblick über die aktuelle Situation und über die Auswirkungen der demografischen Entwicklung verschaffen und entsprechend tätig werden, damit die betroffenen Menschen auch in Zukunft noch gut in Rheinland-Pfalz leben können.
Die Alternativanträge von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die wir leider erst gestern Abend erhalten haben, begrüßen – wie überraschend – alles, was die Regierung schon gemacht hat, stellen fest, dass man auf einem guten Weg sei und stellen Forderungen besonders an die Bundesregierung und die Kommunen. Eine Aussage zur Bewältigung des Fachkräftemangels findet sich nirgendwo in dem Antrag zum Thema „Pflege“, und das halte ich für erbärmlich.
(Beifall der CDU – Pörksen, SPD: Und was habt ihr dazu zu sagen, außer Fragen zu stellen? Sie stellen nur Fragen, ansonsten tun Sie nichts! Wischiwaschi und nichts drin!)
Das Gleiche gilt im Prinzip für Ihren Alternativantrag zur Situation der Eingliederungshilfe: Alles ist gut und soll weiterentwickelt werden.
Aber wer Hilfen richtig weiterentwickeln will, muss wissen, wo er steht und welche Bedarfe zum Beispiel an Fachkräften und weiteren Ressourcen auf uns zukommen. Nur dann kennt man die Richtung, in die die Hilfen weiterentwickelt werden müssen und in welchem Maße der Ausbau von Fachkräften vorangetrieben werden muss. Ohne Fachkräfte läuft das Wunsch- und Wahlrecht behinderter Menschen nach der UNBehindertenrechtskonvention ins Leere. In diesem Punkt fordern Sie zumindest die Regierung auf darzulegen, mit welchen Aktivitäten auf den unterschiedlichsten Ebenen den steigenden pflegerischen Bedarfen auch von Menschen mit Behinderungen begegnet werden kann – immerhin ein Bekenntnis zum wachsenden Bedarf.
Im Übrigen richten Sie auch hier Ihre Erwartungen überwiegend an die Bundesregierung und die Kommunen, aber das, sehr geehrte Damen und Herren, ist zu wenig.
Wir erwarten, dass Sie – Landesregierung und die regierungstragenden Fraktionen – Ihrer Verantwortung an dieser Stelle gerecht werden und weder die pflegebedürftigen und behinderten Menschen noch die Kommunen an dieser Stelle allein lassen. Nehmen Sie Ihre Verantwortung wahr, und folgen Sie unseren Anträgen. Darin steht vieles, Herr Pörksen.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Frau Thelen, wir sind auf dem richtigen Weg. Ich hatte eigentlich in der vergangenen Legislaturperiode das Gefühl, dass Sie einen Teil dieses Weges mitgegangen sind, aber als ich Ihren Antrag gelesen habe, der sich auf die Besprechung Ihrer Großen Anfrage und der Antwort der Landesregierung darauf beziehen soll, habe ich festgestellt, dass Sie entweder diese Antwort auf Ihre Große Anfrage nicht gut gelesen haben oder nicht verstanden haben, was in diesem Land geschieht.
(Frau Thelen, CDU: Sehr gut sogar, Herr Dröscher! – Pörksen, SPD: Verstanden vielleicht schon, aber nicht verstehen wollen!)
Gefragt sind nicht neue Statistiken, die Sie immer anfordern und unter denen man über diese Entwicklung jammern kann – mich wundert dabei auch, dass Sie das, was in diesem Land geschieht, nur als Negativentwicklung dargestellt haben –, sondern gefragt sind Mut und Gestaltungswille. Ich denke, das, was die Landesregierung mit Unterstützung der Regierungsfraktionen als Konzept auch in Beantwortung Ihrer Großen Anfrage aufgezeigt hat, beweist diesen Mut und Gestaltungswillen sowie auch das Bemühen, dies gemeinsam mit den Betroffenen und den Einrichtungen zu machen. Darauf möchte ich gleich noch etwas näher eingehen.
Die Große Anfrage – wenn man sie genau liest – enthält zunächst einmal eine Reihe von Situationsbeschreibungen, die genau das beschreiben, was Sie soeben vermisst haben. Sie sagen auch etwas aus über die Chancen, die in der Entwicklung stecken, dass nämlich behinderte Menschen heute eine größere Chance haben, alt zu werden und natürlich auch mit ihren Behinderungen alt zu werden. Sie sagen auch etwas aus über die Risiken, aber nicht nur so sehr in eine Richtung.
Die Bedeutung der demografischen Entwicklung für Menschen mit Behinderungen und für die Eingliederungshilfe bringt natürlich Herausforderungen mit sich. Ich denke, dass diese Herausforderungen in der Großen Anfrage beschrieben sind und darin auch beschrieben ist, wie die Lebenserwartung und die Lebensqualität sich verändert haben. Darüber hinaus ist der Paradigmenwechsel beschrieben sowie die Herausforderung, den Begriff des Altseins vielleicht neu zu formulieren.
Fehlende statistische Zahlen sind – wie ich glaube – nicht das Entscheidende. Es gibt eine sehr differenzierte Darstellung, und es gibt auch Kernaussagen, die deutlich das Konzept dieser Landesregierung und der sie tragenden Fraktionen beschreiben, nämlich dass das Selbstbestimmungsrecht und mehr Teilhabe im Mittelpunkt stehen, der Verzicht auf Unterscheidung zwischen ambulanten und stationären Leistungen ein Zukunftsziel ist, das in die Gemeindearbeit integriert werden soll, ein echtes persönliches Budget ein Ziel ist und auch ältere Menschen im Rahmen des neuen Pflegebegriffes Leistungen erhalten sollen, die über die Eingliederungshilfe hinausgehen.
Da haben wir natürlich einen Punkt, den wir seit Langem bemängeln, dass die Bundesregierung in der Frage des neuen Pflegebegriffes ein Reförmchen veranstaltet hat.
Ihr Antrag geht in dem kleinen Antragsabschnitt durchaus in diese Richtung: Eingliederungshilfe auf die demografische Entwicklung vorbereiten, Fachkräfteversorgung soll gesichert werden, Kostenentwicklung nachhaltig leistbar gestalten. – Das ist alles in Ordnung. Aber die Begründung, die Sie hier noch einmal wiederholt haben, dass wir, also die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen, zu wenig eigene Erkenntnisse zu diesem Bereich und kein Konzept haben, geht doch deutlich an der Wirklichkeit vorbei.
Unser Alternativantrag weist natürlich in diese Richtung. Der Alternativantrag unterstützt die Politik der Landesregierung, die wir in den vergangenen Jahren auch deutlich mitgestaltet haben. Er unterstützt insbesondere auch die Meinung der Landesregierung, dass diese Versorgung der Menschen mit Behinderungen auch eine Kernaufgabe der kommunalen Daseinsvorsorge ist. Das ist natürlich nicht einfach.
Ich bin selbst Mitglied in einem Kreistag. Dass die Weiterentwicklung des Pflegeversicherungsrechts dabei eine große Rolle spielt, habe ich eben schon beschrieben, ebenso den Aktionsplan „Altern“ und dass die Frage der Umsetzung der UN-Konzeption, eine personenzentrierte Unterstützung älterer Menschen mit Behinderungen fordert. „Ambulant vor stationär“ habe ich ebenfalls genannt.
Wir fordern die Landesregierung in unserem Antrag auf, diesen Weg weiterzugehen und insbesondere auch auf Bundesebene darauf hinzuwirken, dass der Pflegebedarf unabhängig vom Lebensmittelpunkt gesichert wird, auch aus der Pflegeversicherung. Wir unterstützen die Landkreise und kreisfreien Städte mit der Pflegestrukturplanung. Das wird im Moment auch durch Modellprojekte und durch eine Stelle bei der Landeszentrale für Gesundheitsförderung gemacht, dass wir die Landkreise
und kreisfreien Städte dabei unterstützen, ihre Sozialplanung in dieser Richtung zu gestalten. Dass wir gemeinsam mit den kommunalen Gebietskörperschaften und den Trägern der Angebote für ältere Menschen darauf hinwirken, dass sie fachlich in die Lage versetzt werden, ist eine ganz wichtige Geschichte. Es werden Wohnangebote gefördert. Ich denke, das haben wir in diesem Hause schon sehr oft besprochen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es geht natürlich darum, Ressourcen effizienter und effektiver zu nutzen. Ich glaube, da sind wir einer Meinung.
Ich habe aber in Ihrer Rede und Ihrem Antrag etwas vermisst. Es geht vor allem um die Menschen, um eine weitgehende Normalität des Lebens. Es geht um Selbstbestimmung und Teilhabe. In diesem magischen Dreieck von Qualität, von Kosten und auch von Rechtsanspruch haben wir dieses Leitbild Normalität, Selbstbestimmung und Teilhabe, nach dem wir uns richten. Ich denke, dass wir da auf einem guten Weg sind.
Ich komme insofern auf meine Anfangsthese zurück und denke, dass Ihre Kritik, warum auch immer, da zu kurz greift. Wenn man eine solche Antwort auf eine Große Anfrage bekommt, dann versucht man natürlich, daraus etwas zu machen. Ich denke, Sie haben nicht eine zukunftsweisende Antragsgeschichte daraus gemacht.