Protocol of the Session on November 11, 2015

„Wer Minderheiten angreift, legt einen Sprengsatz an das Fundament unserer Gesellschaft.“

Ich möchte diese mahnenden und gleichsam aktuellen Worte weiter fassen, indem ich sage: Wer Mitmenschen angreift, legt einen solchen Sprengsatz an das Fundament unserer Gesellschaft.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, weshalb diese Worte aktueller denn je sind, ist offenkundig. Mitmenschen sind in unserem Land – in Rheinland-Pfalz allerdings weniger als in anderen Teilen Deutschlands – alltäglichen Angriffen ausgesetzt. Sie werden mit Hass und Hetze überzogen. Sie werden diffamiert, verbal und körperlich angegriffen, ihre Unterkünfte angezündet und Wohnhäuser beschmiert. Dies alles ist umso verwerflicher, als sich diese Angriffe leider allzu oft auch gegen Menschen richten, die als Flüchtlinge Schutz vor Terror, Krieg und Verfolgung suchen.

An dieser Stelle möchte ich aber betonen – dazu greife ich das Wort des hellen Rheinland-Pfalz auch gerne auf –, diejenigen, die Asylsuchende angreifen, seien es verbale Brandstifter oder Gewalttäter, sind und bleiben – von dem Bleiben bin ich überzeugt – eine Minderheit. Ich werde gleich einige Zahlen dazu nennen. Die weit überwiegende Mehrheit in Rheinland-Pfalz, die Rheinland-Pfälzerinnen und Rheinland-Pfälzer, stehen für ein freies und tolerantes Land. Sie stehen für ein Land, in dem Schutzsuchende willkommen sind.

Mein persönlicher Dank und der Dank der gesamten Landesregierung gilt den vielen freiwilligen Helferinnen und Helfern, die ihre Freizeit opfern, um den Asylsuchenden zur Seite zu stehen. Sie dokumentieren überdeutlich, Rechts

populismus und Rechtsextremismus dürfen in unserer Gesellschaft keinen Raum finden.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, mein Dank gilt natürlich auch all denjenigen, die im wahrsten Sinne des Wortes Flagge zeigen. Frau Ministerpräsidentin Dreyer, Frau Kollegin Lemke und viele andere, die in diesem Raum sind, waren in Bad Marienberg anwesend. Diese sehr beeindruckende Demonstration war ein Ausdruck des Bürgersinns, dieses helle Rheinland-Pfalz auch nach außen stark und deutlich vertreten zu wollen. Darauf bin ich sehr stolz.

Wir haben aber auch die Zahlen auf der anderen Seite wahrgenommen. Das waren nicht wenige, die unter einem ganz anderen Überbegriff demonstriert haben. Deswegen bin ich fest davon überzeugt, Rechtspopulismus und Rechtsextremismus gedeihen bekanntermaßen auf einem Nährboden von diffusen Vorurteilen, Ressentiments, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Nationalismus. Wohin das führen kann, haben wir in unserer Geschichte leider feststellen müssen. Die maßgebliche Lehre, die wir zu ziehen haben und die wir auch daraus ziehen, lautet: Eine Zeit der nationalen Verblendung, in der sich Rassismus und die Verfolgung von Minderheiten wieder Bahn brechen können, darf es niemals wieder geben. Wir als Landesregierung, wir als Parlament mit vielen anderen stehen dafür ein, dass es so etwas nie wieder geben darf, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber auch heute sind Rechtspopulisten und Rechtsextremisten die treibende Kraft hinter jeglicher rechtsextremistischer Hetze. Sie sind es, die Menschen pauschal diffamieren und ihnen ihre ureigenen Rechte absprechen. Sie agitieren hemmungsloser denn je insbesondere gegen Asylgewährende. Wer sich auch und insbesondere in den sozialen Netzwerken umschaut, der kann nur beschämt, entsetzt, abgeschreckt sein, und auch dort müssen wir Wege finden, dagegenzuhalten.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, um es ganz klar zu sagen, Rechtspopulisten und Rechtsextremisten sind geistige Brandstifter, und nicht wenige unter ihnen werden auch zu Tätern. Wenn man sich die Zahlen zum Beispiel zu rechtsextremistisch motivierten Straf- und Gewalttaten gegen Asylsuchende und Asyleinrichtungen im Land Rheinland-Pfalz anschaut, kann man feststellen, bis Ende letzten Jahres registrierte die Polizei lediglich eine Straftat gegen Asylunterkünfte in Rheinland-Pfalz, in diesem Jahr sind es bereits 22.

Insgesamt zählte die Polizei im Übrigen bis zum 10. November, also bis gestern, in Rheinland-Pfalz 529 rechtsextremistisch motivierte Straftaten mit einer Aufklärungsquote von über 50 %. Das ist eine gute Leistung unserer Polizei, und auch darauf können wir sehr stolz sein.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

2014 waren es im ganzen Jahr 521 Delikte.

Wenn man sich das Personenpotenzial rechtsextremistischer Parteimitglieder und von Rechtsextremisten insgesamt anschaut, kann man feststellen, in Deutschland waren es 2014 21.000 auf Bundesebene. In RheinlandPfalz waren es 2014 650 Mitglieder, das scheint in diesem Jahr auch konstant zu sein.

Unter diesen 650 Mitgliedern gab es 150 Gewaltbereite und rund 200 Neonazis. Parteimitglieder rückläufig, sonstige – das sehen wir in gewisser Weise an pegida-ähnlichen Situationen – steigend. Das werden wir wohl für dieses Jahr feststellen müssen.

Wenn man sich politisch motivierte Kriminalität und Straftaten anschaut, gab es in Rheinland-Pfalz mit Stand vom 10. November 2015, also von gestern, fünf Brandanschläge in diesem Jahr, in den Jahren 2014, 2013, 2012 und 2010 keine, im Jahr 2011 zuletzt ein Brandanschlag.

Körperverletzungen gab es 2013 30, 2014 29 und in diesem Jahr auch schon 26.

Gewaltdelikte waren 2013 36 erfasst worden, 2014 33 und in diesem Jahr 36. – Ich habe Ihnen die Aufklärungsquote genannt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn man sich den politischen Arm der Rechtsextremen anschaut, dann ist es die NPD, die natürlich immer noch deswegen aktiv ist, weil das Verbotsverfahren noch nicht in dem Sinne entschieden ist, in dem wir votieren; trotzdem bin ich Tag für Tag stolzer darauf, dass wir als Land Rheinland-Pfalz und auch der Bundesrat das NPD-Verbotsverfahren auf den Weg gebracht haben. Ich halte es für richtig.

Ich möchte des Weiteren den III. Weg und die Rechte nennen, und wir schauen auch sehr aufmerksam auf PEGIDAähnliche Entwicklungen, und auch HoGeSa – Stichwort Köln – haben wir natürlich sehr genau im Blick.

Wenn man sich insbesondere die Partei Der III. Weg anschaut, haben sie drei Stützpunkte – so bezeichnen sie es – in Rheinland-Pfalz, nämlich für die Räume Vorderpfalz, Rheinhessen und Westerwald, wobei letzterer auch eine Überschneidung nach Hessen hat.

Wenn man sich Flugblattaktionen zum Beispiel nach den Ereignissen in Limburgerhof, in Diez und in Stegskopf anschaut, insbesondere nach der Diskussion rund um das Lager Stegskopf, dann weiß man, wie ideologisch dort agitiert wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, abschließend – es ist bereits betont worden – möchte ich sagen, wir können Rechtspopulismus und Rechtsextremismus nur gemeinsam in die Schranken verweisen. Gemeinsam bedeutet, Staat und Zivilgesellschaft müssen Hand in Hand arbeiten. Es ist dabei eine Selbstverständlichkeit für einen Vertreter der Landesregierung, dass der Verfassungsschutz, die Polizei und die Justiz, aber auch viele andere Institutio

nen wie zum Beispiel das Landesjugendamt dazugehören. Wir müssen auf der einen Seite diese Straftaten verfolgen, auf der anderen Seite aber auch Auswege – wir nennen es (R) Auswege – anbieten, und wir müssen Hilfestellungen anbieten. Nur so kann man gesamtgesellschaftlich dieses Problem angehen, jedenfalls aus der Verantwortung der Landesregierung.

Ich möchte mich noch einmal ganz herzlich bei unserer Ministerpräsidentin bedanken, die mit vielen Initiativen auch gesellschaftliche Gruppierungen einbezieht und auf diesem Weg mitnimmt. Dabei gilt das Motto: Nur gemeinsam sind wir stark. Das gilt für diesen Landtag, es gilt für das Parlament und die Landesregierung, es gilt aber auch für Rheinland-Pfalz und seine gesellschaftlichen Institutionen insgesamt. Auf dieses helle Rheinland-Pfalz sind wir stolz, und wir werden alles dafür tun, dass diese dunkle Seite, die auch Herr Bundespräsident Rau sehr intensiv beschrieben hat, nicht noch mehr um sich greift, als dies leider im Augenblick ohnehin schon der Fall ist.

Herzlichen Dank.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bevor ich das Wort an Herrn Kollegen Schweitzer weitergebe, möchte ich Ihnen mitteilen, dass die Landesregierung ihre Redezeit überschritten hat. Somit erhält die CDU-Fraktion noch eine Minute und 54 Sekunden und die Koalitionsfraktionen jeweils noch eine Minute und 25 Sekunden. So steht es in der Geschäftsordnung. Wir haben das alle gemeinsam erfunden.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lieber Herr Präsident, ich möchte mich zunächst bei Ihnen entschuldigen. Eben hat der 11.11. bei mir gewirkt; denn ich habe Sie im Abgang soeben als „Sitzungspräsident“ bezeichnet. Das wollte ich mir nicht wirklich erlauben.

(Dr. Adolf Weiland, CDU: Beim 11.11. geht das!)

Meine Damen und Herren, ich bin sehr froh über die Einmütigkeit in der Debatte. Ich danke auch Herrn Innenminister Lewentz, dass er deutlich gemacht hat, dass – entgegen den Andeutungen, die ich bei Ihnen gehört habe, Herr Lammert – unsere Sicherheitsbehörden zum einen sehr aufmerksam sind und zum anderen gut aufgestellt und auch im Stoff drin sind.

Wer sich mit unseren Polizeidienststellen, aber auch anderen Stellen beim Landeskriminalamt, bei der Verfassungsschutzbehörde unterhält, der sieht ganz deutlich, dass man es da mit Experten zu tun hat, die sich mit der Situation gut auskennen und – das will ich auch sagen – mit innerem Engagement an die Sache herangehen. Das will ich in diesen Zeiten besonders hervorheben und loben, meine Damen und Herren.

(Beifall der SPD, des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der CDU)

Es ist wichtig, dass man denen, die jetzt populistisch daherreden, die Grundlage nimmt. Das ist verbal argumentativ notwendig. Aber in der Flüchtlingsdebatte, in der wir zurzeit sind, muss man auch deutlich machen, dass der Staat und die demokratischen Kräfte handlungsfähig sind. Sie wissen, was sie tun. Sie sind immer lösungsorientiert.

Ich will sagen, dass man sich bei manchen Debatten, die wir am Wochenende auf der Bundesebene erlebt haben, wünschen würde, dass man sie zunächst intern führt, bevor man sie auf öffentlicher Bühne und Grundlage führt, damit nach einem solchen Wochenende, wie wir es erlebt haben, bei den Menschen nicht der Eindruck entsteht, da sind welche am Werk, die wissen nicht genau, wohin die Reise geht. Dann entsteht Frustration. Dann entstehen Fragezeichen.

Meine Damen und Herren, deshalb gehört Handlungsfähigkeit – das habe ich in meinen Vorschlägen aufgeschrieben – ganz entscheidend dazu, um diesen politischen Kräften die Grundlage zu nehmen.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich habe etwas zu den Sicherheitsbehörden gesagt. Ich will deutlich sagen, dass wir bei der Entwicklung, die PEGIDA genommen hat, natürlich mit den Kräften des Verfassungsschutzes daraufschauen müssen. Da, wo sich inzwischen in manchen Bundesländern die AfD als parlamentarischer Arm der Pegida-Bewegung deklariert, würde ich das auch auf die AfD übertragen. Da muss man genau hinschauen, welche Kräfte sich entwickeln. Aber – das gehört auch zur Wahrheit – der beste Verfassungsschutz sind aufgeklärte Demokratinnen und Demokraten. Wir alle müssen dagegenhalten. Darum erneuere ich meine Bitte an alle demokratischen Kräfte.

Ich werde Sie alle in den nächsten Tagen anschreiben, die Kolleginnen und Kollegen der GRÜNEN, aber auch der CDU. Ich konzentriere mich auf die Parlamentsfraktion. Lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass in Rheinland-Pfalz der AfD keine Hand gereicht wird, man die Hand nicht hebt, wenn sie in Kommunalparlamenten Anträge stellen, und man die Hand nicht hebt, wenn sie Dinge sagen, die vielleicht andere vorher auch gesagt haben, und applaudiert. Wir wollen uns von diesen Kräften argumentativ, aber auch politisch abgrenzen. Ich glaube, das ist ein wichtiges Signal in diesen Tagen.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Lammert, Sie haben noch knapp vier Minuten Redezeit.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst bin ich dankbar – das will ich ausdrücklich sagen –, dass wir uns im Vorgehen gegen Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus, denke ich, hier im hohen Hause einig sind. Es ist wichtig, dass wir hier als Demokraten gemeinsam zusammenstehen.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will an dieser Stelle deutlich sagen, dass sicherlich Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus bekämpft werden müssen. Es muss aber auch jeder Extremismus bekämpft werden. Ich denke, das gehört dazu. Das ist in der Debatte vielleicht noch nicht gesagt worden.

(Beifall des Abg. Dr. Dr. Rahim Schmidt, fraktionslos)

Diesen gibt es auch. Wir müssen uns dem gemeinsam und entschlossen entgegenstellen.