Bericht der Enquete-Kommission 14/2 „Zukunft der Arbeit – Schaffung und Erhalt von Arbeit und Arbeitsplätzen in Rheinland-Pfalz im neuen Jahrhundert“ – Drucksache 14/4610 –
Die Fraktionen haben eine Redezeit von 15 Minuten vereinbart. Zunächst hat der Berichterstatter, Herr Abgeordneter Schwarz, das Wort.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Dezember 2002 hat der rheinland-pfälzische Landtag die Enquete-Kommission „Zukunft der Arbeit – Schaffung und Erhalt von Arbeit und Arbeitsplätzen in Rheinland-Pfalz im neuen Jahrhundert“ aufgrund eines gemeinsamen Antrags der Fraktionen der SPD, CDU und FDP eingesetzt.
Die Aufgabenstellung lautete zusammengefasst, eine Bestandsaufnahme entlang der im Einsetzungsbeschluss genannten Kriterien vorzunehmen, Vorschläge, Initiativen und Maßnahmen für Rheinland-Pfalz zu erarbeiten, und zwar auch dazu, wie europäische, bundespolitische Initiativen und Vorschläge unterstützt und bei der Umsetzung begleitet werden können.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, bei allen Beteiligten war Konsens: die Hauptverantwortung, Arbeitsplätze zu schaffen, liegt bei der Wirtschaft. Auch wenn heute vieles durch die EU oder auch international geregelt ist, Bund, Länder und Kommunen tragen gemeinsam mit den Sozialpartnern und den Verbänden Verantwortung für wesentliche Rahmenbedingungen.
Dabei können die Länder über den Bundesrat ihren Einfluss und ihre Kompetenz auf den bundesgesetzlichen Rahmen geltend machen, etwa in Arbeits-, Steuer-, Umwelt- und Planungsrecht. Beispiele hierfür waren in der letzten Zeit die Agenda 2010 und die Hartz-Gesetze.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, damit unser Hochlohnland mit der Globalisierung Schritt halten kann, fordern Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft von der Politik, die Bildungs- und WeiterbildungsAnstrengungen anzupassen und zielgerichtet auszubauen sowie Kompetenz und Stärken der Regionen bei Innovation, Produktentwicklung und Produktionsverfahren zu fördern.
Daraus ergeben sich auch die Aufgaben der Landespolitik: Die Wirtschaft im Rahmen rechtlicher Regelungen regional zu fördern, zu beraten und – wie es landläufig heißt – als Türöffner tätig zu werden. Wie erfolgreich dies sein kann, zeigen die Beispiele Konversion und Wiedernutzbarmachung von Industriebrachen in diesem Land. Seit den 90er-Jahren wurde mit landespolitisch gezielten, regional abgestimmten Maßnahmen unter aktiver Mitwirkung der Kommunen und Betriebe vor Ort diese massive Herausforderung gemeistert. „Zukunft der Arbeit“ betrifft zentrale Bereiche der Landespolitik.
Die Kommission hat sich auf die politisch-pragmatischen Instrumente der Landespolitik konzentriert: Bildung, Forschung, Innovationspolitik, Ausbau der Infrastruktur, regionale Technologie und Wirtschaftsförderung, Arbeitsmarktpolitik unter Einbeziehung der veränderten Arbeitsmarktinstrumente. Es war hilfreich, in der Enquete-Kommission dieses Thema zusammenzuführen. Wir hatten dafür auch Vorbilder, nämlich die EnqueteKommission „Arbeit in der Industriegesellschaft“ Ende der 80er Jahre, die Herr Präsident Grimm geführt hat, und in den 90er Jahren unter anderem die nordrheinwestfälische Enquete-Kommission „Zukunft der Erwerbsarbeit“.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass strukturelle Umbrüche, die mit Globalisierung, Europäisierung und Wiedervereinigung einhergehen, im Kontext eines umfassenden Generationenwandels zu einer Neubewertung von etablierten Gerechtigkeits- und Gemeinwohlvorstellungen führen. Weitgehend weggebrochen ist der Konsens hinsichtlich des Bekenntnisses zum Modell Deutschland. Verbreitet wird die These vertreten, nur eine restriktive Finanzpolitik, verbunden mit sozialpolitischen Einschnitten könne die Funktionsfähigkeit von Staat und Wirtschaft erhalten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe die Aufgabe der Kommission so verstanden, dass es auch darum geht, Angebote für neue, tragfähige, sozialstaatliche Konzeptionen zu entwickeln. Es geht um das Herausarbeiten von Gemeinsamkeiten, die im Sinn eines zukünftigen Ganzen nicht aufgegeben werden sollten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, bereits Anfang 2004 legte die Kommission ihren Zwischenbericht zur Zukunft der Berufsausbildung vor. Die Kommission verzichtete seinerzeit darauf, über die teils gleichgerichteten, teils unterschiedlichen oder gar entgegengesetzten politischen Schlussfolgerungen abzustimmen. Der Bericht – Landtagsdrucksache 14/2880 – wurde im Januar 2004 einstimmig verabschiedet und vom Landtag im Februar 2004 beraten.
Die Fraktionen brachten ihre Forderungen zum Thema „Zukunft der Berufsausbildung“ durch Anträge in den Landtag ein. Der Zwischenbericht fand mit der Beratung seine Erledigung
Der Antrag „Berufsausbildung und Arbeitsplätze in Rheinland-Pfalz“ – Drucksache 14/2891 – der Fraktionen der SPD und FDP wurde in der 93. Plenarsitzung im
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Kommission verständigte sich auf die Beratung der weiteren, im Einsetzungsbeschluss angesprochenen Fragen: demografische Entwicklung und ihre Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt, Beschäftigungsfelder der Zukunft, Erwerbspersonenpotenziale der Zukunft, künftige Beschäftigungsformen zur Steigerung des Arbeitsplatzangebots, Qualifikation und lebenslanges Lernen zur Sicherung von Beschäftigung und Innovation. Im Verlauf der Beratung entsprach die Kommission dem Wunsch der Vertreter der CDU-Fraktion, die Auswirkungen des Arbeits-, Steuer-, Umwelt- und Planungsrechts auf die Beschäftigung durch eine schriftliche Anhörung als weiteren Punkt zu behandeln.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, aufgrund der demografischen Entwicklung wird das Angebot an jungen Arbeitskräften schon in den nächsten Jahren geringer. Deshalb stellt sich die Frage, wie wir gewährleisten können, dass dem Arbeitsmarkt ausreichend und vor allem ausreichend qualifizierte Menschen zur Verfügung stehen. Die Kommission hielt es allerdings nicht für sinnvoll, Empfehlungen speziell zur Bewältigung des demografischen Wandels zu beschließen. Vielmehr sollten die Auswirkungen der Bevölkerungsentwicklung jeweils in die konkreten arbeitsmarktpolitischen Entschließungen und Berichte einfließen. (Vizepräsidentin Frau Grützmacher übernimmt den Vorsitz)
Die Kommission und auch die angehörten Experten sahen sich nicht imstande, exakte Vorhersagen zu Zukunftsbranchen und zukünftigen Beschäftigungsfeldern in Rheinland-Pfalz zu machen. Sachverständige, Experten der Wirtschaft, der Wissenschaft und der Verbände haben jedoch Trends der Vergangenheit in die Zukunft verlängert und diese mit der aktuellen Ausgangslage in Rheinland-Pfalz verglichen, um daraus Chancen und Risiken zu erkennen und Handlungsfelder aufzuzeigen.
Aufgrund dieser Trends kann aus heutiger Sicht eine Reihe von Technologien und Tätigkeitsfelder als mögliche Beschäftigungsträger der Zukunft angesehen werden.
Wir brauchen vitale Industriestandorte als Basis für die Entwicklung neuer tragfähiger Beschäftigungsfelder, um unseren Wohlstand und unsere solidarischen Sicherungssysteme zu erhalten.
Die Arbeit der Zukunft ist von der Dynamik in diesem Wirtschaftssektor abhängig. Daher ist es für RheinlandPfalz wichtig, die bestehende Industrie, ihre Standorte zu erhalten, zu stärken und auszubauen. So wird die Industrie in Zukunft zunehmend enger mit dem Dienstleistungssektor verzahnt sein.
Besonders soziale Dienstleistungen werden als Wachstumsbranche prognostiziert. Der Bedarf an Bildung, die Bedürfnisse nach Kommunikation und Logistik, Gesundheits-, Pflege- und Betreuungsleistungen sind sehr hoch.
Der Staat, Wirtschaft und Wissenschaft sehen jedoch Trends, die es zu unterstützen gilt. Hier ist zu beachten, technische und sonstige Produktteile und Komponenten werden immer kleiner. Zu nennen ist das Stichwort „Mikro- und Nanotechnik“.
Die Informationstechnologien sind in allen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bereichen etabliert. Sie werden auch künftig die Produktivität vorantreiben.
Die fossilen Rohstoffe werden knapp und teurer. Es sind Technologien gefragt, die möglichst wenig Energie und Rohstoffe verbrauchen und damit einen Beitrag zur ökologischen Zukunft leisten.
Vor dem Hintergrund der Endlichkeit fossiler Brennstoffe haben effiziente, regenerative Energieerzeugungsanlagen einen hervorgehobenen Stellenwert.
Umfassenden Systemlösungen werden gegenüber isolierten Produkten und Dienstleistungen besondere Chancen eingeräumt.
Besonders in den innovativen Bereichen, vor allem in der Hochtechnologie, werden zukünftig Arbeitsplätze entstehen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die großen Betriebe nutzen den globalen Wettbewerb. Wir haben einige erfolgreiche in unserem Land, allen voran die Chemische Industrie. Sie sind unverzichtbar.
Die meisten Rheinland-Pfälzer arbeiten jedoch in Klein- und Mittelbetrieben. Diese Betriebe in den Regionen zu stärken, ist eine vorrangige Aufgabe und steht im Mittelpunkt der Landespolitik.
Als eine Möglichkeit der Stärkung wurde die Bildung so genannter Cluster beschrieben: Eine freiwillig vereinbarte Zusammenarbeit mit einer auf die kooperierenden Unternehmen abgestimmten Infrastruktur von Forschung, Entwicklung und Ausbildung. Ein Beispiel ist der PRE-Park in Kaiserslautern.
Wichtig erscheint es der Kommission, solche Cluster zum Beispiel durch eine regionalspezifische Forschungs- und Entwicklungsinfrastruktur zu fördern. Dazu muss die Vernetzung der regionalen Akteure kommen: Unternehmen, Kammern, Verbände, Arbeitsagenturen, Kommunen, Schulen und Hochschulen müssen sich abstimmen und zum gegenseitigen Vorteil kooperieren. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das vor Ort zu organi
Wir haben in der Kommission mehrere gute Beispiele gesehen, wie lokale und regionale Netzwerke auch über die Grenzen des Landes hinaus entstehen können. Wir haben aber auch die Schwierigkeiten gesehen.
Oft erschwert die Konkurrenz zwischen den Betrieben eine Kooperation. Hier hilft, wie uns berichtet wurde, Fingerspitzengefühl und Überzeugungsarbeit.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Förderung und Begleitung von Klein- und Mittelbetrieben hat an vielen Stellen unserer Beratung eine hervorgehobene Rolle gespielt.
Als zentrale Faktoren, um Betriebe- und Arbeitsplätze zukunftsfähig zu gestalten, wurden folgende genannt:
moderne, flexible und familienfreundliche Formen der Arbeit, – Aus-, Fort- und Weiterbildung der Beschäftigten, – Forschung und Entwicklung, – der Transfer von neuestem Wissen und neuester Technologie, – Beratung und Unterstützung dort, wo betriebsinterne Kapazitäten nicht vorhanden sind oder nicht ausreichen, um mit den steigenden Anforderungen des Wettbewerbs mitzuhalten.
Dies ist ein Feld, das Landespolitik nur gemeinsam mit den anderen Akteuren vor Ort bewältigen kann, so die Kommission. Dazu zählen auch die Beschäftigten und ihre Gewerkschaften.
Im Bereich der Gründungsförderung ist das Land aktiv, nicht zuletzt im Hightech-Bereich, zum Beispiel bei Ausgründungen aus Hochschulen und Forschungseinrichtungen.
Ein weiterer wichtiger Baustein zur Beschäftigungsförderung ist nach Meinung der Kommission der Abbau von Bürokratie. Die Fülle komplizierter Regelungen der EU, des Bundes, der Länder und Kommunen stellt Existenzgründer sowie kleine und mittlere Unternehmen vielfach vor Probleme. Regeln sind unverzichtbar.
Der Reigen von Vorschriften beinhaltet aber auch solche, die nicht regeln, sondern verkomplizieren. Hier gilt es, die Landesregierung zu ermutigen und zu unterstützen, auf dem von ihr begonnen Weg der Entbürokratisierung weiterzugehen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wie sehen denn die Arbeitsbedingungen der Zukunft aus? Die vielfach locker formulierte Forderung lautet: Arbeitnehmer und die Organisation der Arbeit müssen flexibler werden.
Von den Praktikern und Experten wurde der Kommission sehr deutlich gemacht, nirgendwo sonst sind die bestehenden Arbeitsverhältnisse so flexibel wie in deutschen Betrieben, insbesondere bei der Arbeitszeit. Bei der internen Flexibilität ist Deutschland Weltmeister. Nicht „Heuern und Feuern“ ist angesagt. Ziel sind langfristig
angelegte Arbeitsverhältnisse mit flexiblen Arbeitszeiten und, wenn möglich, auch Arbeitsorten, etwa im Rahmen von Telearbeit.