Protocol of the Session on January 18, 2001

Zweitens wird durch den Täter-Opfer-Ausgleich eine Richtung in der modernen Rechtspolitik gestärkt, die in den letzten· Jahren, vor allem_ auch bei der rotgrünen BundeHegie

rung, immer stärker in äen Vordergrund tritt, nämlich auch· in der Rechtsprechung die Eigenveranwortlichkeit der Bürgerin

-nen und BürgH zu_ stärken.

(Beifall bei dem BÜNDNI~ 90/DIE GRÜNEN) ·

fvleine Damen und Herren, in der Umsetzung des Täter- _

Opfer-Au~gle:ichs, der im Jugendgerichtsgesetz schon seit 1990 aufgenommen wurde, verhält sich allerdings die Justiz

. unseres Landes noch ziemlich schwerf!illig. So wurde erst vor drei Jahren in Mainz und erst im letzten Jahr in Koblenz eine Stelle für di_e ·Durchführung und Koordination des TäterOpfer-Ausgleichs einge:richtet. Die Zahlen, die dann aller

ding~ erreicht wurden und 5ich innerhalb von zwei Jahren _in

Mainz auf 1 000 Verfahren erhöhten, zeigen deutlich, dass ein großes Potenzial vorhanden ist, das nach Ansicht von For

schungsergebnisse;n noch viel größer sein könnte. Man geht

davon aus, dass 20 % aller Straftaten durch einen T!iterOpfer-Ausgleich aufgearbeitet werden könntr::n. Das wären beispielsweise in Mainz 6 000 Verfahren pro Jahr.

Meine Damen und Herren, wir halten es für außerordentlich wichtig, dass dieses Potenzial ausgeschöpft wird, da sich näm

. lieh herau5gestellt hat, da5s durch dieses Verfahren die Wie

derherstellung des Rechtsfriedens viel besser gelingt. Vielen Straftaten l~egen Konflikte zwischen zwei Personen zugrunde, die durch das herkömmliche Strafverfahren, "das heißt also, durch die Bestraftung de~ Täters, nur sehr unvollkommen aufgenommen werdEn. Der Konflikt, der einer solchen Straftat zugrunde liegt; wird meist gar nicht aufgearbeitet, ge- schweige denn gelöst._

Mit dem Täter-Opfer-Au~gleich besteht nun die fvlöglichkeit,

sich aktiv an der Regulierung zu beteiligen. Das ist natürlich

insbesondere für das_ Opfer oftmals einE stärkere Befriedigung. Aber auch den Täter bringt das direkte Gespräch mit dem Opfer oftmals viel bem:r zur Einsicht in seine Straftat als eine von oben verhängte Sanktion. Darum trägt dieses Verfahre:n substanziell zur Erhöhung der Inneren Sicherheit bei.

Meine Damen und Herren, in der Anhörun·g wurden jedoch

.zwei Punkte deutlich, weshalb es in Rheinland-Pfalzmit dem

Täter-Opfer-Ausgleich noch hapert. Herr Puderbach, der Lei

tende Oberstaatsanwalt in Mainz, hat sehr deutlich gesagt: Das Problem liegt vielmehr in der Justiz selbst. Herr Mertin, in diesem Bereich muss noch viel Überzeugungsarbeit geleistet werden. Wir würden gern von Ihnen hören, wie Sie diese leisten wollen.

Es g_ibt jedoch noch einen zweiten Grund, weshalb unserer Meinung nach der Täter-Opfer-Ausgleich in Rheinland-Pfalz noch nicht annähernd in seinem Potenzi;;ll ausgeschöpft ist. Das liegt in der finanziellen Ausstattung der Organisationen begründet, die diesen Ausgleich anbieten. Bisher werden diese Stellen durch Bußgelder finanziert. Einer der Anzuhörenden, ein Mann aus der Praxis, hat ganz deutlich gesagt - ich zitiere m,m aus der Anhörung-:

"Mit einer Finanzierung überden Haushalt wäre der TäterOpfer-Ausgleich sicherlich weit besser voranzubringen. Wenn die tatsächlich möglichen Fälle auch zum Täter-OpferAusgleich kämen, ist das nicht mehr durch Bußgeldzui.'l!eisungen finanzierbar."

Das ist für uns ein zentraler Punkt; denn diese Stellen müssen

·ihre Arbeit auf eine planbare Grundlage stellen. Wir haben daher in unserem Antrag gefordert, dass diesen Schlichtungsstellen wenigstens ein Sockelbetrag durch Mittel aus dem Justizhaushalt zur Verfügung gestellt wird, und z~'var riicht nur, um die Planungssicherheit zu gewährleisten, sondern auch - dies finde ich sehr wichtig -, um anzuerkennen, dass diese Stellen, die den Täter-Opfer-Ausgleich anbieten, in der Rechtspolitik unseres Landes eine wichtige Funktion einnehmen und durch die Zuweisung eines Sockelbetrags durch das Land ihre Arbeit entsprechend gewÜrdigt wird.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, das ist die zentrale Forderung unseres Antrags. Es reicht nicht aus, wie es im Antrag der Koalitionsfraktionen steht, dass man den Ausbau des Täter-OpferAusgleichs nach Kräften unterstützen will. Das reicht uns nicht aus. Das ist zu unkonkret, und deshalb lehnen wir diesen Antrag.ab und stimmen unserem Antrag zu.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile Herrn Kollegen Redmerdas Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Täter-OpferAusgleich ist aktiver Opferscliutz. Davon waren wir von Anfang an überzeugt, und deswegen widmen wir uns diesem Thema auch sehr intensiv.

Aber es gab auch immer wieder politische Kräfte, die behauptet haben, Täter-Opfer-Ausgleichsei Ti.lterschutz. Der

bekannteste Fürsprecher für diese Po~ition war der ehemalige Innenminister Kanther,

(Zuruf des Abg. Schweitzer, SPD)

der damit immer wieder die Versuche, zu einem vernünftigen. Täter-Opfer-Ausgleich zu kommen, diffamiert hat. Unter den Folgen dieser Diffamierung leiden wir noch heute. Noch heute gibt es massive Vorurteile gegeri den Täter-OpferAusgleich; und immer noch gibt es viel zu viele in der Justiz und auch in der Politik, die den Weg in amerikanische Verhältnisse such~n.

Ich habe ~eute Morgen bereits darauf hingewiesen. Dort hat man immer mehr und immer teure.re Gefängnisse gebaut und eine regelrechte Gefängnisindustrie entstehen lassen. Ein Viertel aller Strafgefangenen dieser Welt befinden sich in den USA. Das muss man sich einmal vorstellen. Dies ist ein Weg, der sicherlich in die Irre führt. Zumindest in Amerika · ·• hat er nicht zu mehr Sicherheit geführt. Wir haben in der Diskussion- um ·die Justizvollzugsanstalten einiges darüber wiederkäuen müssen.

Heribert Prantl stellt in der· "Süddeutschen Zeitung" vom 5. Mai 2000 in diesem Zusammenhang zu Recht fest: "Zwei Millionen Menschen, ein Viertel· aller Häftlinge der

VJelt, sitzen· dort" -also in den USA- "hinter Gittern. Die Entfesselung des strafenden Staates hat zwar zu einer florierenden Gefängnisindustrie, aber nicht zu mehr Sicherheit geführt. Die Kriminalität· sinkt dort erst, seitdem es neue Jobs gibt. ln den USA hat m~n mittlervveile gelernt, Gefängnisse kosten un.geheuer viel Geld. Das Geld, das ma~ in die Repression steckt, ist aber in der Prävention viel besser aufgehoben. Dort ist es zugleich vorbeugender Opferschutz." Qies hatte ich bereits zu Beginn meiner Rede festgestellt.

Die viktimologische Forschung rückte in den 80er Jahren das Problem des Opferschutzes über Täter-Opfer-Ausgleich im-.• mer mehr ins Bewusstsein der Strafjustiz mit der Folge, dass wir seit 1990 im Jugendstrafrecht, später dann auch im gesamten Strafrecht immer mehr den Weg in diese Richtung gesucht haben. ln Rheinland-Pfalzerfolgte dies seit 1990 in Kaiserslautern mit einem ersten Versuch, bei dem in drei bis vier Jahren gerade einmal 30 bis 40 Fälle zustande kamen. Dies ist eine schlichtweg zu vernachlässigende Größe.

Bei Nachforsch\lngen, woral) dies liegt, hat man feststellen müssen, dass viel zu viele bei der Staatsanwaltschaftder Meinung waren, die vornehmste Aufgabe der Staatsanwaltschaft sei es, zu strafen, anstatt zu schlichten. Dort bestand auch die Meinung, es gebe zu wenig geeignete Fälle. Im Übrigen hat man festgestellt, es fehlt an der notwendigen Schulung des Personals, das diese Maßnahme umsetzen könnte.

Es hat schließlich einen weiteren Versuch in Frankenthai gegeben, der schon bei den Vorgesprächen mehr oder weniger im Chaos endete, weil sich die einzelnen Stellen nicht darauf verständigen konnten, wer welche Aufgabe zu übernehmen

hat, um.aus der Lage herauszukommen, wie siE in Kaiserslau

tern festgestelltworden war.

Erst, al! 5ich der Pfälzi~che Verein für 5traffalligenhilfe bereitfand, die: Träger!ichaft zu übernehmen, und. Vereinbarungen darüber getroffen wurden, das;; er einen bestimmten Etat

au~ den Bußgeldern zu ;;einer Verfügung erhält, konnten die

organisatorischen-Voraus~etzungen geschaffen werden und der Täter-Opfer-Au~gleich in Rheinland-Pfalz mit tatsächlichem Erfolg praktiziert werden. Auch konnte ein Abbau der Vorurteile festg;:;;tellt werden. Die Annahme, dies ~ei :illes

viel zu umständlich, i5t mittlerweile nicht mehr so verbreitet, weil viele merken, ~ie können damit die Verfahren 5ogar eher abkürzen, als die;; zuvor der Fall war.

Sie behindern auch keine Erledigung - auch dies hat man mittleil..VeilE fe5tge5tellt -, und sie bedeuten auch keineri zu

~ätzlichen Arbeitsaun1vand, wenn dieses Instrument Tichtig angepackt wird.

ln Mainz kann deshalb heute festge~tellt werden, das~ etwa