Protocol of the Session on December 15, 2000

Wir kommen zum zweiten Thema der_

AKTUELLEN STUNDE

.,lntegrationsbemühungen verstärken vor dem Hintergrund der geringen Einbürgerungszahl von Kindern"

auf Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/QIE GRÜNEN - Drucksache 13/6561

Für die antragstellende Fraktion erteile ich der Abgeordne" ten Frau Grützmacher das Wort.

Meine Damen und Herren! Zum Jahresende läuft die ÜbergangsregeJung zur Einbürgerung von Kindern ausländischer Eltern im Alter bis zu zehn Jahren ab. Das wäre nicht unbedingt ein Anlass für eine Aktuelle Stunde,

(Dr. Schiffmann, SPD: Stimmt!)

- wenn alles so gelaufen wäre, wie wir uns das vorgestellt haben.

MeineDamen und Herren, an diesem Beispiel wird sehr deutlich, dass Integration - ei!le Einbürgerung ist immerhin eine der Grundlagen für eine erfolgreiche Integration - Anstrengungen von beiden Seiten benötigt, natürlich auch von der Person, die zu uns kommt, aber vor allem auch von uns und von staatlicher Seite.

Meine Damen und Herren, die entscheidende Reform des neuen Staatsangehörigkeitsrechts ist die Ergänzung um das Geburtsrecht. Das heißt, in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern, die dauerhaft hier leben, werden deutsche Staatsbürger. Man hat aber auch, weir es hier viele Kinder gibt, die hier geboren sind, -einen zweiten Teil dazugenommen, nämlich dass Kinder bis zum Alter von zehn Jahren zusätzlich zur alten Staatsangehörigkeit einen Anspruch auf Einbürgerung -haben.

Dies hätte ein wichtiges-lntegrationsinstrument werden können, wenn man die Zahlen sieht, die uns die Ausländerbeauftragte gerade gesagt hat. Danach sind etwa zwei Drittel aller ausländischen Kinder in Deutschland geboren, und zwar

Landi:ag Rheinland-Pfalz- 13. Wahlperiode- 124. Sitzung, 15. Dezember 2000 9337

65%- mehr als zwei Drittel- der unter Achtzehnjährigen und 87 % der unter Sechsjährigen. Man sieht, dass das ein ganz entscheidender Faktor ist: Leider sieht es in der Realität anders aus.·

Herr Zuber, Sie haben in Ihrer Presseerklärung darauf hingewiesen, wie wenig bisher von dieser Möglichkeit Gebrauchgemacht wurde, die deutsche Staatsbürgerschaft fur Kinder unter zehn Jahre zu erreichen. Uns liegen nur die Zahlen von

· der Mitte des Jahres vor. Zu diesem Zeitpunkt waren es 426 Anträge. Das sind erschreckend und enttäuschend wenig.

Meine Damen und Herren, der Doppelpass für ausländische Kinder bis zehn Jahre ist bisher nicht erfolgreich. Allerdings -das ist richtig- ist das im ganzen Bündesgebiet der Fall. Bundesweit rechnet man damit, dass nur jedes zehnte berechtigte Kind nationalisiert wird. Nur jedes zehnte Kind wird sich einbürgern lassen.

Herr Zuber, ich weiß;Si~ haben in einem Elternbrief die Menschen, für die das infrage kommt, informiert. Die Zahlen sagen ~ehr eindringlich, dass das nicht reicht. Integrationsförderung muss zum frühe!stmöglichen Zeitpunkt ansetzen. Ge

rade diese Kinder unter zehn Jahren sind ein wichtiger Adres

saten kreis, um den integrationspolitisch geworben werden muss.

Nach den Schätzungen des Initiativausschusses sind es auch in Rheinland-Pfalz zwischE!n 15 000 und 20 000 Kinder, die die Voraussetzungen für ei.1e Einbürgerung unter zehn Jahre erfüllen. Welch eine inte~1rationspolitische Chance! Wie wenig wurde sie bisher genutzt.

Wir müssen an die Rahmenbedingungen gehen. Die Rahmen

bedingungen müssen 9eändert werden. Es muss zu einem schlanken und zügigen Einbürgerungsverfahren kommen und natürlich auch die Gebühr infrage gestellt werden.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

500 DM für jedes einge!bürgerte Kind, das schreckt die Berechtigen ab. Leider sind es gerade die großen Städte wie Ludwigshafen und Mainz, die auch für das zweite Kind noch einmal eine Gebühr von 500 DM erheben.

Meine Damen. und Herren, dass sich dabei natürlich die Eitern sehr wohl überlegen, ob sie das machen wollen oder nicht, ist ganz verständlich. Dazu kommt auch noch, das~ wir, um die Einbürgerung dieser Kinder zu verstärken, notwendig die Be

troffenen vor Ort intensiv beraten und unterstützen. Das muss auch Vonseiten des Landes stärker passieren. Hier muss mit Know-how, aber auch mit Geld unterstützt werden. Lei

_ der fehlt es auf kommunaler Ebene oft an dem entschiedenen Willen, die EinbürgHung von Kindern unter zehn Jahren wirklich als wichtiges Integrationsangebot umzusetzen. Die schleppende Umsetzung der Einbürgerung ist ein deutliches _ Symbol dafür.

Meine Damen und Herren, wir begrüßen die Pläne der Ausländerbeauftragten auf Bundesebene, dass die zum Jahresende auslaufende Einbürgerungsfrist für Kinder verlängert werden soll. Herr Zuber, ich fordere Sie auf, sich in den Gesprächen mit den anderen Ländern und dem Bund für eine Fristverlängerung einzusetzen. Darüber hinaus müssen wir natürlich ganz dringend darauf hinwirken, dass die Gebühren für die Einbürgerungen gesenkt werden. Auch müssen wir auf Landesebene und auf kommunaler Ebene deutlicher machen, dass wir die Menschen und die Kinder, die einbürgerungswillig sind,

(Glocke des Präsidenten)

bei uns haben und wir sie bei der Einbürgerung und der lnte

-gration unterstützen •~erden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Redmer das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Im vergangeneo Jahr ist nach einer langen, allzu langen Diskussion über das Einbürgerungsrecht in Deutschland endlich eine Reform gelungen, die in die richtige Richtung zielt und den Weg für eine moderne Einbürgerungspolitik öffnet. Der Schaden, der dieser Reform vorausgegangen ist, ist enorm gewesen. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an das Stichwort "Unter

schriftensammlung", die damals durchgeführt wurde. Dieser Schaden_ wird noch lange nachwirken. Das hat natürlich auch Auswirkungen auf die, die als potenzielle Einzubürgernde für uns in Betracht kommen und mit denen wir Gespräche führen müssen, um eine vernünftige Einbürgerung zu erzielen.

Trotz dieses Schadens kann festgestellt werden, dass die Gesamtzahl der Einbürgerungen in diesem Jahr deutlich angestiegen ist. Insbesondere Angehörige aus den Anwerbeländern, in Deutschland lebende Türken, Ex-Jugoslawen, Italie

ner, Spanier, Griechen, haben bei einer Umfrage im laufenden Jahr erklärt; das 13 o/o von Ihnen die deutsche Staatsbürgerschaft noch in diesem Jahr anstreben. Hochgerechnet würde dies bedeuten, dass etwa 400 000 bis 500 000 Menschen die Einbürgerung anstreben müssten. Es- gibt andere Hochrechnungen aus Hessen, hochgerechnet dann auf das Bundesgebiet, die nicht von dieser Umfrage ausgehen. Sie kalkulieren mit etwa 150 000 Fällen in diesem laufenden Jahr.

So erfreulich dies in Bezug auf die Gesamtzahl der Einzubürgernden ist, so negativ ist die Entwicklung -darauf hat Frau Kollegin Grützmacher hingewiesen - bei den Kindern unter

zehn Jahren, für die eine Übergang-sregelung geschaffen wurde. Diese Zahl bleibt bislang deutlich hinter den Erwartungen zurück. Es gibt dafür unterschiedliche Erklärungsmuster. Eines bewegt sich entlang der Gebührenhöhe. 500 DM sind _in der Tat ein stattlicher Betrag. Allerdings muss man darauf hinweisen, dass er sich bei einer Familieneinbürge

rung·auf 100 DM pro Person reduziert.

Man muss aber auch die Familiensituation in Betracht ziehen.

Es gibt beispielsweise Geschwister, die älter sind, für die diese Regelung nicht gilt. Warum soll man jetzt das neunjährige Kind einbürgern und die beiden Geschwister, die berei~ 12 und 15 Jahre alt sind, werden nicht eingebürgert: Dann gibt es schon eine Verwerfung innerhalb der Familie. Das ist auch ein Grund, weshalb davon kein Gebrauch gemacht wird.

Im Übrigen kommt auch die Nähe zum Optionsalter 18 oder 23 Jahre in Betracht. Das wird auch einige abschrecken, die dann sagen: Dann warten wir noch einige Jahre bis der- oder diejenige 18 Jahre alt ist; Dann soll er oi:lersie selbst entscheiden. Dann müssen wir nicht !'ür 500 DM eine Entscheidung vorwegnehmen.

Innenminister Schily hat angekündigt, dass erdurehaus damit leben könne, dass _eine gesetzliche Änderung herbeigeführt

- wird, mit der die Übergangsfrist - die nur ein Jahr betragen

soll, bis zum 31. Dezember 2000- verlängert wird. Ich könnte mich mit einer solchen Verlängerung einer Übergangsregelung durchaus anfreunden, zumal die Zahlen so sind, dass wir keinen· Schrecken haben mOssten, wenn ich an die Dinge denke, die Altbundeskanzler Kohl in die Welt gebracht hatte mit

· zig Millionen Türken, die nach Deutschland kämen, um ein

gebü~gert zu werden, und ähnlichen Horrorszenarien. Ich

· denke, das ist zwischenzt;?itlich alles vor einem Hintergrund zu sehen, der als sachlich betrachtet werden kann.

Zu betrachten ist aber bei all diesen Dingen- Frau Kollegin Grützmacher, Sie haben auch schon darauf hingewiesen-. esgeht hier nicht nur um Formalien, sondern auch um das lntegrationsklima, in dem sich das abspielt. Das muss stimmen. Dass das im laufenden Jahr nicht gestimmt hat, werden wir nachher noch bei der Debatte über den Rechtsextremismus merken, dass wir erheblichen Nachholbedarf haben, um die. ses Integrationsklima zu verbessern. Ich erinnere in dem Zu

sammenhan):l an das Stichwort -.. Leitkultur". das der CDU