Protocol of the Session on February 17, 2000

Kurt Beck hat Recht: Wir müssen diesen Diskurs nicht nur über Paragraphen führen- diese sind notwendig; dies sind Instrumente unseres Staates, wie wir Grenzlinien ziehen können -,aber darüber hinaus brauchen wir bei der Veränderung der Medienlandschaft einen Grunddiskurs, in welche Richtung wir uns eigentlich bewegen wollen, was wir dulden wol

len. Meine Damen und Herren, ich bin überzeugt davon, dass dieser Diskur:s nicht in einem Jahr beendet sein wird, sondern

dass dieser Diskurs ein Prozess sein wird, der uns in den nächsten Jahren massiv beschäftigen wird, weil die Medien miteinander wachsen, zusammenwachsen und immer neue Aspekte erscheinen.

Wenn im Augenblick insbesondere interaktive Spielshows angesagte Themen in den Medien sind, der Kick muss her, koste

es, was es wolle, meine Damen und Herren, wenn schon keine Berge mehr zu ersteigen sind, weil Messmer alle Achttausender dieser Welt mit bloßen Händen schon erklommen hat, dann stellt sich wirklich die Frage: Was bleibt eigentlich den Menschen? Bleibt ihnen wirklich nur nQch die Glotze?- Entschuldigung, wenn ich dies so sage.

(Beifall bei der SPD)

Bleibt ihnen nur noch der Bildschirm, oder gäbe es nicht die Möglichkeit, diesen berühmten Knopf zu drücken, den Bildschirm auszumachen, aus der Tür hinaus zu gehen und die Realität miteinander zu erleben.

Etwas Absurdes passiert eigentlich auch bei dem, was wir im Augenblick sehr negativ thematisieren. Bei.. Big Brother" geht es um nichts anderes als um Menschen, da geht es um nichts anderes, wie Menschen leben, wie Menschen fühlen, wie Menschen eigentlich in dieser unserer Gesellschaft leben sollen. Wenn dies über ein solches Medium in einer solchen Art und Weise transportiert wird, als Surrogat für tatsächliches Leben, dann kann ich nur unseren Ministerpräsidenten noch einmal erwähnen und zitieren: Da läuft irgendetwas ganz schief. - Deswegen müssen wir miteinander intensiv reden, in welche Richtung es geht.

(Beifall t>ei SPD und F.D.P.)

Meine Damen und Herren, Politik ist auch nicht hilflos. Nur, Politik muss auch lernen, sich neuen Feldern anzunehmen

und den Mut zu haben, auch zu diskutieren, wenn der Erfolg nichtgreifbar ist.

Ich möchte in dieser kurzen Zeit nur einen einzigen Aspekt hervorheben, dem wir zukOnftig mehr Beachtung schenken

sollten, das ist die Frage der Medienkompetenz. Wenn die Landesmedienanstalten Aufsicht ausOben, so ist dies ein Punkt. Wenn die hiesige Landesmedienanstalt zukOnftig bei

spielsweise Ober das Medienkompetenzforum ein Netzwerk aufbaut, um Medienkompetenz zu vermitteln, so ist dies - wie ich glaube - der richtige Weg. Wenn wir alle unsere Schulen ans Netz nehmen, dann glaube ich, dass dies der richtige Weg ist.

Ich möchte vier Dinge ansprechen, die möglicherweise in diesen Diskurs einfließen können. Der kompetente Umgang mit den Medien wird eine der SchiOsselqualifikationen unserer Gesellschaft sein. Rundfunkfreiheit wird sich daran messen

mOssen, ob gesellschaftlich qualifizierte Medienmacher aus

gebildet werden, die ihren Platz in verantwortlichen Jobs finden und die Zukunft auf dem Boden einer demokratischen Grundordnung weltweit mitgestalten werden.

Meine Damen und Herren, Medienkompetenz ist fOr mich untrennbar mit Wirtschaftsethik verbunden. Dies ist auch ein. spannendes Thema, Ober das wir uns einmal unterhalten soll

ten, da die Quotierung von Sendungen durchaus auch etwas mit Knete, mit Geld machen zu tun hat. Das allein kann je

doch nicht die oberste Prämisse von Wirtschaftsunternehmen sein.

Meine Damen und Herren, als Letztes muss festgehalten werden, die Vision einer menschlichen Weit darf nicht in den Köpfen und in den Herzen der Menschen verloren gehen.

(Beifall der SPD)

Ich erteile Herrn Kollegen Mittrack er das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist angenehm zu hören, dass in diesem Hause von allen Fraktionen die Men

schenwOrde und die Moral in gleicher Weise kommentiert werden. Ich denke, wenn schon von diesem Parlament eine Signalwirkung ausgehen soll, ist es richtig, dass wir alle gemeinsam auf die MenschenwOrde und die Moral achten. Wenn dies Konsens im Hause ist- ohne die rechtliche Bewertung zu nennen-, haben wir schon viel geleistet.

Meine Damen und Herren, aber ein kleines bisschen Wasser möchte ich doch noch in den Wein gießen. Ich erinnere mich, vor wenigen Wochen gab es in diesem Parlament einen Streit um den Filmtitel:.,Tötet Miss Tingle". Ich erinnere an die in

letzter Zeit gehäuften SchOier-Lehrer-Problematiken, bei denen auch Tote zu beklagen waren.

Damals hat ein solcher Filmtitel nicht in die Landschaft gepasst, genauso wenig, wie die angedachte Sendung.,Big Brother" es heute tut.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, damals hat sich Staatsministerin Frau Dr. Rose GOtte ohnmächtig gefOhlt. genauso zu argumentieren, wie wir es heute im Fall.,Big Brother" tun. Den Werteverfall in unserer Gesellschaft hätten Sie anhand dieses Filmtitels genauso kritisch hinterfragen können, wie wir es heute mitdergeplanten Sendung in RTL II tun.

Oft holen einen die eigenen Schatten schneller ein, als es einem lieb ist. Gleichwohl denke ich, dass wir in der Lage sind,

auch zukOnftig und insbesondere bei Staatsverträgen mehr Augenmerk darauf zu legen, wie wir die Moral und die MenschenwOrde noch besser fixieren und noch schärfere Kriterien formulieren, damit wir in absehbarer Zeit nicht mehr in dieselbe Lage kommen wie heute.

(Beifall der CDU)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Creutzmann das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Ministerpräsident, ich worde jedes Wort Ihrer emotionsgeladenen Rede fOr meine Fraktion unterschreiben. Ich worde auch das unterstOtzen, was Sie zum Thema.. MenschenwOrde" und zum Thema.,Ausstrahlung" gesagt haben, dass nicht alles gesendet werden darf, von dem man meint, dass es die Quote erhöht. Aber es bleibt natOrlich -das haben Sie auch sehr schön herausgearbeitet - immer das Problem der Informations- und Meinungsfreiheit gegen den Inhalt, der dort ausgestrahlt wird. Dazu wollte ich noch einige Dinge sagen.

Zu der Informations- und Meinungsfreiheit gehört allerdings ein erweiterter Begriff der Freiheit: Das ist die Freiheit und die WOrde des Publikums und desjenigen, Ober den berichtet wird.

Freiwillige Selbstkontrolle- das warfOrmich das Entscheidende; darauf sind auch Sie eingegangen - ist deshalb eine besondere Form gestärkter gesellschaftlicher Eigenverantwortung. Staatsminister Dr. Michael Naumann hat beim Internationalen Medienseminar am 20. April 1999 in SaarbrOcken zu

dem Thema "Freiwillige Selbstkontrolle im Medienbereich auf europäischer Ebene" zutreffend gesagt:

wlm Medienbereich spielt die freiwillige Selbstkontrolle eine besondere Rolle. ln Deutschland und in vielen Ländern Europas ist sie seit Jahrzehnten rechtlich und gesellschaftlich anerkannt als Instrument zur Wahrung wichtiger Interessen der Allgemeinheit. Ich nenne zum Beispiel den Jugendschutz, den Schutz vor unlauterer Werbung, den Schutz vor persönlicher Ehre - ein Begriff, der in der modernen Gesellschaft immer unbekannter wird. Bei Hege I heißt es auch in der Rechtsphilosophie: Die Ehre"- er meint die nationale, nicht die individuelle- ,.ist das Allerheiligste."

Folgt man dem Beauftragten der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien, dann ist die Men

schenwürde von zentraler Bedeutung bei der Beachtung der Selbstkontrolle im Medienbereich.

Die F.D.P.-Fraktion appelliert deshalb mit Nachdruck an die Eigenverantwortung der Rundfunkveranstalter, die Selbstkontrolle bei der Ausstrahlung ihrer Sendungen ernst zu nehmen, damit auch in Zukunft ein größtmögliches Maß an Freiheit im Rundfunkbereich gewährleistet werden kann.

, Herr Kollege Dr. Braun, wir setzen nicht auf Verbote, wie Sie dies in Ihrer Rede, wie man das alles in den Griff bekommen kann, angedeutet haben.

(Dr. Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sie setzen auf Vernunft!)

- Wir setzen nicht nur auf Vernunft. Der Vierte Rundfunkänderungsstaatsvertrag -gibt ganz klare Kriterien und Richtlinien vor.

(Dr. Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Doch Verbote! Was jetzt, Herr Creutzmann?)

Ich habe in meinem ersten Beitrag auch bereits ausgeführt,

dass die Grenzen der Freiheit auch ihre Grenzen in den Gesetzen haben, sei es der Jugendschutz oder die Menschenwürde, die ausdrücklich in dem Staatsvertrag erwähnt werden.

Trotzdem muss man immer abwägen. Für die F.D.P.Landtagsfraktion ist die Rundfunkfreiheit ein hohes Gut, das

es auch in Zukunft zu erhalten gilt. Dies bedeutet jedoch aber auch- dies betone ich ausdrücklich-, dass die Einschaltquote nicht der alleinige Maßstab für die Produktion und Ausstrahlung einer Fernsehsendung sein darf.