Protocol of the Session on August 26, 2020

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wir müssen Leerstände in den oberen Geschossen umwidmen und in Parkraum, Wohnraum, Seniorenheime oder möglicherweise sogar Logistik-Hubs umwandeln. Je nach Etage sinkt die Produktivität pro Quadratmeter – vom Erdgeschoss bis in die dritte Etage jeweils um die Hälfte. Das heißt: Wir werden die oberen Etagen nicht mehr für Handel nutzen.

Für die Erdgeschosslagen sind vitale und vielfältige Besatz- und Nutzungsmöglichkeiten zu entwickeln. Hierfür sollten wir zügig das Bauordnungs- und Planungsrecht sowie das Immissionsschutzgesetz reformieren und anpassen. Zudem sollten wir in den Kommunen die Gestaltungssatzungen prüfen.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Frequenz. Wir müssen die Supermarktketten wieder in die Städte bringen. Hier geht es um einen klugen Ausgleich. Einerseits müssen wir dem großflächigen Einzelhandel Verkaufsflächen bis 1.200 m² ermöglichen und verschaffen; das sollte im LEP verankert werden, weil die Kommunen dann mehr Spielraum bei Genehmigungen haben. Andererseits wollen wir im Gegenzug, dass kleinformatige Supermärkte wieder in den Städten eröffnen. Sie können die so dringend benötigten Frequenzen zurückbringen. In meinem Wahlkreis hat mitten im Ort ein Discounter mit einer Fläche von 500 m² sehr erfolgreich eröffnet und somit neue Frequenzen geschaffen.

Ein weiteres wichtiges Thema für Handel und Städte hat der Städte- und Gemeindebund völlig zu Recht angesprochen: die Miethöhe. So wie bisher wird es insbesondere in den Mittelstädten nicht weitergehen, wenn wir dort Expansion haben wollen. Deshalb brauchen wir auch unter Moderation der jeweiligen Wirtschaftsförderung konstruktive neue Mietpartnerschaften. Hierzu gehört auch verstärkt die Gründung von sogenannten Immobilienstandortgemeinschaften. Damit das leichter und besser geht – das lernen wir gerade aus der Praxis –, sollten wir das entsprechende Landesgesetz entschlacken.

Das wichtigste Thema – das haben Sie gerade auch angesprochen; da bin ich völlig bei Ihnen; alle Studien sagen uns das – wird es sein, die Aufenthaltsqualität in den Innenstädten zu erhöhen. Aber hierfür braucht jede Stadt ein eigenes, passgenaues

Konzept. Die Besucher und Kunden wollen saubere, ordentliche und sichere Städte. Wer sich gern aufhält, verweilt länger und macht mehr Umsatz.

Ein mir wichtiger Punkt ist das digitale Leerstandskataster, das in Echtzeit allen Marktteilnehmern in den Kommunen, idealerweise im ganzen Land, eine Übersicht über die in den Städten vorhandenen Leerstände verschafft. Die Marktteilnehmer – Eigentümer, Expansionsmanager, Makler oder Mieter – kommen an dieser Stelle nicht gut genug zusammen. Dieses digital aufgesetzte Leerstandskataster schafft neue Möglichkeiten und versetzt uns in die Lage, einen neuen Besatz zu schaffen.

Um den Handel vor Ort digital fit zu machen, brauchen wir in den Städten sicheres WLAN als Basis aller digitalen Services; denn nur so werden LoyaltyProgramme, Gutscheine oder lokale Plattformen möglich.

Zum Abschluss möchte ich noch einmal betonen: Wir benötigen in jeder Stadt ein gemeinsames Citymanagement, das alle Akteure aktiv und nachhaltig zusammenbringt: Eigentümer, Stadt, Makler und potenzielle Mieter. Corona hat diese schwierige Zukunft unserer Städte noch einmal verschärft. Sterben Handel und Städte, geht für die Menschen ein Stück Heimat verloren. Deshalb müssen alle Beteiligten dringend neu denken und den Blick auf die kluge Wiedervermietung leer stehender Flächen schärfen. Nur so können wir unsere Städte wiederbeleben. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Kehrl. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der FDP Herr Abgeordneter Kollege Paul das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Leben in unseren Innenstädten verändert sich. Kommunalpolitiker und Kommunalverwaltungen sind vielerorts ehrlich bemüht, ihre vernachlässigte Stadtmitte wieder aufzuwerten und attraktiver zu machen. Innenstadtbewohner, Einzelhändler, Gastronomen und viele andere engagieren sich ebenso – in Quartiersgemeinschaften, in Bürgerinitiativen, in lockeren Ideenrunden oder in regelrechten Immobilien- und Standortgemeinschaften; Oliver Kehrl hat sie gerade schon angesprochen. Da gibt es überall viel Engagement und Lösungsideen.

Klar ist jedenfalls allen: Die Gewichte zwischen Wohnen, Einzelhandel, Gastronomie, Hotellerie und anderen Funktionen verschieben sich, und Corona beschleunigt diesen Trend.

Es ist angesprochen worden: Unser Ursprungsantrag stammt aus dem vergangenen Jahr.

Zu diesem Antrag haben wir im Ausschuss für Heimat, Kommunales, Bauen und Wohnen am 13. Dezember letzten Jahres viele Sachverständige ausführlich angehört. Erkenntnisse daraus sind in unseren umfangreichen Änderungsantrag ebenso eingeflossen wie das, was sich dann ereignete.

Denn dann kam bekanntlich Corona und führte zu neuen Erschwernissen und Verwerfungen in unseren Innenstädten für das Zusammenleben, den Handel, die Gastwirtschaft, die Vereine und die Kommunen insgesamt – Verwerfungen, die gerade in den Innenstädten besonders spürbar und sichtbar geworden sind. Es wäre unzureichend, wenn wir diese Erfahrungen und die vielen Ideen, die dann aus der Bürgerschaft an uns herangetragen wurden, nicht aufgegriffen hätten.

In einer Fleißarbeit beider Koalitionsfraktionen ist dann ein, mit Verlaub, gehaltvoller Änderungsantrag entstanden, gewissermaßen ein umfangreiches Update. Ich danke allen daran Beteiligten, besonders den Kolleginnen und Kollegen in unseren Arbeitskreisen für Wirtschaft, Digitalisierung, Kommunales, Bauen und Wohnen, allen voran Ralph Bombis, Bodo Middeldorf, Rainer Matheisen, Oliver Kehrl und Fabian Schrumpf.

Was wollen wir als NRW-Koalition nun mit unserem Antrag bewirken? Es braucht überall in den Städten und Gemeinden im Land Strategien für die Weiterentwicklung und Attraktivierung der Dorf- und Stadtzentren, immer nach dem Motto „Chancen erkennen statt Risiken wälzen“. Zu einer solchen Strategie vor Ort gehören dann verkaufsoffene Sonn- oder Feiertage genauso wie die Digitalisierung bislang ausschließlich stationärer Einzelhandelsmodelle.

Das Land hilft dabei mit Förderprogrammen wie dem Projektaufruf „Digitalen und stationären Einzelhandel zusammendenken“ und „Mittelstand Innovativ & Digital – MID“ sowie Förderprojekten wie „Digitalcoaches Handel des Handelsverbandes NRW“. Wenn Sie sich in der Region darüber informieren, werden Sie feststellen, dass diese mittlerweile gut angelaufen sind.

Mit der Landesinitiative „Zukunft. Innenstadt. Nordrhein-Westfalen.“ steht das Land an der Seite der Städte und Gemeinden. In der Initiative arbeitet das Land mit Partnern der kommunalen Familie, des Handels, der Wohnungswirtschaft, der Baukultur, des Netzwerks Innenstadt und der Arbeitsgemeinschaft Historische Stadt- und Ortskerne zusammen. Denn es gilt, genau diese wieder in Wert zu setzen.

Alleine in diesem Jahr wurden im Rahmen der Städtebauförderung des Landes und des Bundes 186 Millionen Euro für die Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen bewilligt. Mit dem schon angesprochenen Sofortprogramm zur Stärkung unserer Innenstädte und Zentren 2020 gibt das Land aktuell weitere 70 Millionen Euro.

(Beifall von der FDP)

Es wird für die Innenstädte, liebe Kolleginnen und Kollegen, besser gemeinsam gehen. So wollen wir die Kommunen mit Fördermitteln unterstützen, Citymanager einzustellen, die die Akteure der Stadtentwicklung besser vernetzen sollen.

(Christian Dahm [SPD]: Das ist doch nichts Neues!)

Wir sehen da große Chancen im gemeinsamen Dialog – besonders, wenn sich Bürgerinnen und Bürger, Händler, Gastronomen und andere Aktive daran beteiligen. Diese Selbsthilfe in den Ortsteilen und Stadtquartieren wollen wir viel stärker wecken und motivieren – auch, indem wir die rechtlichen Rahmenbedingungen dafür weiterentwickeln und günstiger gestalten und das nicht selbstverständliche Engagement anerkennen und fördern.

Die Wiederbelebung und Erneuerung unserer Innenstädte ist oft auch eine bauliche Gestaltungsaufgabe. Handel oder Umnutzung zu Wohnzwecken scheitert in den Innenstädten oft an zu engen Räumlichkeiten. Wir erkennen dies und wollen baurechtliche Hürden beiseiteräumen, um insbesondere Erdgeschossflächen in den Innenstädten

(Michael Hübner [SPD]: Welche sollen das denn sein?)

besser nutzen zu können.

Auch der Einzelhandelserlass soll an veränderte Bedürfnisse angepasst werden, ebenso die TA Lärm auf Bundesebene,

(Michael Hübner [SPD]: Was soll das denn bringen?)

um Wohnen und Arbeiten in den Stadtzentren besser miteinander zu versöhnen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Kommunen und die gerade angesprochenen bürgerschaftlichen Akteure müssen auch mehr experimentieren dürfen,

(Michael Hübner [SPD]: Mit der TA Lärm?)

um neue, vielversprechende Geschäftsmodelle und Formen des Wohnens und der innerstädtischen Nahmobilität zu erproben.

(Michael Hübner [SPD]: Mit der TA Lärm, oder was?)

Die Sozialdemokraten, die recht rege bei dieser Debatte sind, allerdings nur mit Zwischenrufen,

(Michael Hübner [SPD]: Nein! Frau Philipp hat schon geredet, Herr Kollege!)

haben uns hierzu einen Antrag vorgelegt. Wir haben ihn gelesen.

(Sarah Philipp [SPD]: Das ist schön!)

Und wir haben ihn noch einmal gelesen. Und dann fingen wir wirklich an, zu suchen. Aber er enthält eigentlich keine Ideen, obwohl es im Lande so viele gibt: von den Bewohnern der Innenstädte, von den Einzelhändlern, von den Ehrenamtlichen in unseren Stadt- und Gemeinderäten.

Dann haben wir aber doch etwas gefunden, liebe Kolleginnen und Kollegen, nämlich die Forderung nach der von Oliver Kehrl eben schon angesprochenen Milliarde. Wie üblich soll hier getreu dem Motto „Viel wird schon viel helfen“ vorgegangen werden. Woher das Geld kommen soll, wird im Antrag aber nicht genauer beschrieben.

(Sarah Philipp [SPD]: Doch! Das steht im An- trag drin! Das müssen Sie nur lesen!)

Auch als langjähriger Kommunalpolitiker kann ich nur sagen: Dem gemeinsamen Anliegen, unsere Innenstädte und Zentren zu stützen und neue Perspektiven zu eröffnen, wird dieser, mit Verlaub, recht dünne Antrag nun wirklich nicht gerecht.

Anders als die Opposition leistet die NRW-Koalition aus Freien Demokraten und Christdemokraten einen tatsächlichen Beitrag, den in den Innenstädten lebenden Menschen neuen Mut zu machen,

(Christian Dahm [SPD]: Das macht mir Angst!)

das Leben dort zu erleichtern

(Sarah Philipp [SPD]: Neuen Mut! Darauf ha- ben die Einzelhändler wirklich gewartet!)

und unsere Innenstädte nach den ersten Coronamonaten wieder zu beleben. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Paul. – Als nächster Redner hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herr Abgeordneter Kollege Remmel das Wort.