Protocol of the Session on June 24, 2020

Zum Staatsvertrag: eine innovative Antwort auf die Herausforderungen, die vom globalen Internet und

von sozialen Medien für die nationalen Kommunikationsordnungen ausgehen; oder: ein überfälliger Schritt in die richtige Richtung und notwendige Aktualisierungen, die der gewandelten Medienrealität folgen; oder: ein echter Meilenstein, der den Anforderungen des digitalen Medienwandels Rechnung trägt.

Das sind alles Zitate aus der schriftlichen Anhörung. Der Medienstaatsvertrag wurde von dem ganz überwiegenden Teil der Sachverständigen gelobt. Warum eigentlich?

Wenn man sich den Staatsvertrag ansieht, erkennt man, dass dieser Staatsvertrag ein Dokument ist, das Meinungsvielfalt sicherstellt. Beispielsweise dürfen bei Smart-TV-Geräten bestimmte Programme nicht willkürlich schlecht platziert werden. Der Medienstaatsvertrag stellt Chancengleichheit sicher. Google und Facebook müssen zum Beispiel Transparenzregeln erfüllen. Er stellt im Bereich Jugend- und Verbraucherschutz Verbesserungen dar, Social Bots müssen beispielsweise gekennzeichnet werden, und Videoplattformen werden verpflichtet, bei der Werbung den Jugendschutz zu beachten.

Mit dem Medienstaatsvertrag werden also nicht mehr nur Radio und Fernsehen reguliert, sondern auch Onlineplattformen und Intermediäre wie Suchmaschinen.

Wenn wir jetzt überlegen, inwieweit dieser Medienstaatsvertrag für Nordrhein-Westfalen Relevanz besitzt, dann muss man nicht nur in die einzelnen Kapitel, sondern auch in die Protokollerklärungen schauen. Dort wird nämlich die Möglichkeit aufgezeigt, dass die Länder insbesondere den regionalen und lokalen Journalismus fördern können. Die Sachverständigen haben in ihren Stellungnahmen – das können Sie nachlesen – eine ganze Reihe von Vorschlägen gemacht, wie man lokalen und regionalen Journalismus fördern kann. Das ist ein Punkt, der insbesondere Nordrhein-Westfalen betrifft und eine Chance für unser Bundesland bietet.

Sie sehen: Eine ganze Reihe von Vorschlägen, die wir jetzt nicht alle im Einzelnen durchgehen können, liegen auf dem Tisch. Der Medienminister, wenn er sich einmal um sein Ressort kümmern würde,

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

könnte hierauf Einfluss nehmen und sich ansehen, welche Vorschläge auch für Nordrhein-Westfalen umzusetzen sind. Die Medienlandschaft in NRW hat mehr verdient als einen Medienminister, der mal wieder Besseres zu tun hat, als sich mit seinem eigenen Ressort zu beschäftigen.

(Widerspruch von der CDU und der FDP)

Wir stimmen dem Medienstaatsvertrag zu, verbunden mit dem klaren Auftrag an die Landesregierung

und den Medienminister Laschet, der Protokollerklärung Taten folgen zu lassen. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Nückel das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Vogt, ich möchte Ihnen zu dieser Primetime unserer Diskussion zurufen: Früher in rot-grüner Zeit war in der Tat der Medienminister körperlich anwesend, hat aber nichts Vernünftiges ausgehandelt.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Jetzt ist unser Medienminister nicht da, aber er hat etwas Gutes ausgehandelt.

Der Rundfunkstaatsvertrag ist tot, deshalb folgt jetzt der Medienstaatsvertrag. Eine Modernisierung war notwendig und auch lange überfällig, weil der klassische Rundfunk auf der einen Seite und Telemedienangebote im Netz auf der anderen Seite einfach unterschiedlich kontrolliert wurden. Das war gerade für private Fernsehsender ein echtes Problem. Wir sind deswegen mit dem Ergebnis zufrieden und halten den Staatsvertrag bei allem, was man noch kritisieren könnte, für einen wichtigen Meilenstein auch im europäischen Kontext. Erstmals werden Intermediäre überhaupt unter Vielfaltsgesichtspunkten behandelt. Ich denke, das ist schon sehr wertvoll.

Gut, die Medienanstalten, 14 an der Zahl, haben jetzt auch ein paar Werkzeuge durch den Staatsvertrag an die Hand bekommen. Das klingt natürlich gegen Google und Facebook immer noch nach einem ungleichen Kampf, aber die Googles und Facebooks fürchten auf dieser Welt immerhin die Schmerzen der Europäischen Union und ihrer Bußgelder in Milliardenhöhe, die sie verteilt.

Ich sehe im Staatsvertrag auch ein Bemühen, Fake News einzudämmen und die Sichtbarkeit seriöser Informationen zu erhöhen. Vielleicht sollte man einmal darüber diskutieren, ob das Konzept der Rundfunklizenz – das wurde jetzt nur in Ansätzen im Staatsvertrag gelöst – überhaupt noch zeitgemäß ist und ob man nicht vielleicht die Zulassungsfreiheit von visuellen Livestreamingangeboten ansteuern sollte.

Aber der Medienstaatsvertrag ist natürlich work in process und progress. Deswegen werden wir sicherlich bald auch über Änderungen reden. Aber dieser erste Wurf ist schon einmal etwas Gutes.

Ich will noch eine kleine Werbenummer einbauen. Am 28. September – keine Sorge: Das wird nicht der Gedenktag für die alten Rundfunkstaatsverträge – werden wir im Landtag beim Tag der Medienkom

petenz viele der Dinge, die im Medienstaatsvertrag angesprochen werden, viele der Dinge, die dort angegangen werden, wo Lösungen für manche Probleme formuliert sind, bei dem Thema über die Datenrohstofffresser wie Twitter, Instagram und Facebook haben. Ich denke, das ist etwas Gutes. Der Landtag wird zwar nur ein Anker sein, weil natürlich in diesen Zeiten eine solche Veranstaltung besser digital stattfindet, aber dafür wird es eine sehr muntere und farbige Veranstaltung – insofern dies als kleiner Werbeblock. – Ich bedanke mich, und gute Nacht.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Nückel. – Für die Fraktion der Grünen spricht der Abgeordnete Keymis.

Schönen guten Morgen alle zusammen. Es geht nämlich weiter, Herr Nückel. Die Nacht hat noch nicht begonnen, jedenfalls nicht so, dass wir schon daran teilzunehmen hätten, sondern wir müssen uns noch ein bisschen unterhalten. Ich meine, es kommt noch ein Tagesordnungspunkt mit Debattenbeitrag, Herr Präsident?

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Also, nicht schon einschlafen, jedenfalls nicht gerade bei mir – oder von mir aus auch.

Ich fand bei den Anhörungen Folgendes interessant. Wir haben eine schriftliche Anhörung durchgeführt. Wir hatten 23 Teilnehmende. Ich habe noch einmal nachgesehen, weil wir schon einmal am Rande einer Diskussion gehört haben, da wären so viele Kritische dabei gewesen. Ich habe durchgezählt: Es gab vier kritische Stellungnahmen, deren Autoren der Meinung waren, da fehlte einiges. Dann gab es vier weitere, bei denen positive und negative Haltungen zu dem Staatsvertrag gemischt waren.

15 Stellungnahmen haben durchweg relativ positiv auf diesen Vorschlag der 16 Bundesländer reagiert. Das ist auch der Grund, warum das bisher so einheitlich läuft. Alle, die sich ernsthaft damit befasst haben, haben festgestellt, dass dieser Medienstaatsvertrag, der Nachfolgevertrag des ehemaligen Rundfunkstaatsvertrages, in besonderer Weise besonderen Herausforderungen gerecht wird. Das ist vielfach beschrieben.

Frau Stullich hat auch zu meiner Freude Herrn Holznagel zitiert. Er ist der Gutachter, den wir seinerzeit in dieses Verfahren mit eingebracht haben. Ich habe mich ebenfalls darüber gefreut, dass er sehr deutlich gemacht hat, dass wir in diesem Medienstaatsvertrag auch im europäischen Vergleich in Reaktion auf die Herausforderungen, die das globale Internet, die die sozialen Medien an uns stellen, eine wirklich innovative Lösung erarbeitet haben.

Er hat auch deutlich gemacht, dass insofern wir alle in Deutschland mit diesem Medienstaatsvertrag gut werden umgehen können.

Von den Vorrednerinnen sind schon einige Verbesserungsmöglichkeiten angesprochen worden. Das sehen auch wir Grüne so. Da ist manches möglich. Ich könnte mir vorstellen, dass wir in Zukunft noch einmal den Vorschlag von Herrn Holznagel aufgreifen und über eine Medienanstalt der Länder reden, um den Aspekt der intermediären Kontrolle auf sichere Füße zu stellen. Es ist schließlich nach wir vor merkwürdig, dass wir diese Aufgaben noch immer auf verschiedene Anstalten verteilt bewältigen. Aber das kann man im Zuge der weiteren Entwicklung des Medienstaatsvertrages verbessern.

Daher möchte ich jetzt gar nicht so viele Worte verlieren. Wir werden diesem Vertrag zustimmen. Er ist klug und richtig ausgehandelt. Er sichert die Vielfalt und macht deutlich, dass wir nicht einfach nur irgendwie mit den Medien und Angeboten umgehen, sondern dass sich die Bundesländer auch im europäischen Vergleich richtige Gedanken gemacht haben und an der richtigen Stelle die richtigen Fortentwicklungen vorgenommen und die richtigen Antworten auf die Digitalisierung gegeben haben.

Manchen, die das alles nur dereguliert betrachten wollen, hat das natürlich nicht gepasst; das kann man auch nachlesen. Da wir aber der Meinung sind, dass das ein Bereich ist, in der die gesellschaftliche Kontrolle ein gewisses Ausmaß haben sollte, stimmen wir diesem Vertrag in der jetzt ausgehandelten Fassung gerne zu. – Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Fraktion der AfD spricht nun Herr Abgeordneter Tritschler.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die neue Medienwelt, die in den letzten Jahren ganz ohne Ihr Zutun entstanden ist, ist eine gute. Sie hat unsere Demokratie ungeheuer bereichert.

Noch vor einigen wenigen Jahren gab es eine kleine, mit der Politik eng verwobene Kaste aus Journalisten, Redakteuren und Intendanten, die darüber bestimmt haben, welche Meinung verbreitet wird und welche eben nicht. Das ist vorbei. Bürger auf der ganzen Welt können heute selbstbestimmt und frei entscheiden, was sie lesen, was sie sehen und was sie hören. Ja, besser noch: Sie können mit sehr geringem Aufwand selbst Redakteur, Journalist oder Programmdirektor werden.

Den Mächtigen und den Machtlüsternen auf dieser Welt hat diese Entwicklung von Beginn an nicht besonders gut gefallen. Sie versuchen, dem Internet

Zügel anzulegen, und das leider auch nicht ohne Erfolg.

Besonders fortgeschritten auf diesem Weg ist die Volksrepublik China. Dort ist das Internet längst ein Intranet geworden. Staatliche Filter blockieren unliebsame Websites aus anderen Ländern,

(Zurufe von der SPD)

und im Land sorgt eine Heerschar von Zensoren für politisch korrekte Inhalte.

Nun ist Deutschland noch keine Volksrepublik – „Volk“ ist ja sowieso ein böses Wort –, aber die Mächtigen und Machtgierigen wollen sich auch hier nicht mehr länger von bösen Dissidenten auf der Nase herumtanzen lassen. Anders als in China kann der Staat hier aber nicht mal eben ganze Netzwerke sperren oder säubern. Stattdessen sourct er diese Aufgabe einfach aus.

Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz, NetzDG, war einer von vielen Schritten, um die Meinungsfreiheit im Netz zu beschneiden. Die Zensoren arbeiten hierzulande nicht für die Volksrepublik, sondern für Facebook und Google und löschen munter alles, was eben in diesen 10 cm kleinen Meinungskorridor zwischen CDU und Grünen passt.

Aber damit nicht genug: Jetzt kommt also der Medienstaatsvertrag. Er soll das Internet offenbar endgültig zum Volksempfänger machen, wo Sie dann wieder entscheiden, wer was sehen und hören darf und was eben nicht.

Mit der privilegierten Auffindbarkeit …

(Zuruf von Dr. Günther Bergmann [CDU])

Brüllen Sie doch nicht so rum. Ich bin ja fast froh, dass Sie von einem Glaskasten umgeben sind, Herr Kollege.

(Zurufe von der SPD)