Die Leopoldina als Nationale Akademie der Wissenschaften hat in ganz wesentlichen Zügen die deutsche Coronastrategie mitbestimmt. Die dafür zuständige Kommission hat 26 Mitglieder, davon zwei Frauen. Ich sage: Das merkt man auch an den Ergebnissen und Empfehlungen dieser Kommission.
In der Öffentlichkeit stehen rund um die Coronapandemie vor allem männliche Wissenschaftler. Noch wichtiger für die wissenschaftliche Welt ist der Coronapublikations-Gap, der sich schon jetzt abzeichnet und auch statistisch nachweisen lässt. In vielen Forschungsdisziplinen werden seit Beginn der Pandemie weniger Arbeiten von Wissenschaftlerinnen veröffentlicht. Die Gründe kennen wir: eine ungleiche Verteilung der Care-Arbeit in den Familien und zu wenig Unterstützung für Frauen und Familien in dieser Krise.
Wir wissen doch alle, was es für wissenschaftliche Karrieren bedeutet, wenn es in einer historischen Situation so einen Publikations-Gap gibt. Das wird wahrscheinlich ein langfristiger und nachhaltiger Karriereknick für viele Wissenschaftlerinnen sein.
Der Handlungsbedarf ist also akut. Diese akute Perspektive fehlt im Antrag; sie wird komplett ausgeblendet.
Die grundlegenden Feststellungen im Antrag sind durchaus richtig. Wir teilen den Anspruch, geschlechterbezogene Diskriminierung an den Hochschulen zu bekämpfen. Es ist ein Skandal. Es ist super, dass wir es schaffen, gemeinsam festzuhalten, dass das ein Skandal ist, dass der „Gender-Report“ ein Gender Pay Gap von 7,7 % für Professorinnen gegenüber Professoren offenbart. Dass diese Verdienstlücke dann auch noch mit steigenden Besoldungsgruppen immer größer wird, das zeigt auch, wie dramatisch ungleich die Aufstiegschancen im Wissenschaftssystem verteilt sind.
Aber wir müssen bei dieser Problemanalyse auch die ganze Breite in den Blick nehmen, denn der Antrag geht auf eine ganze Reihe von Problemen, die der
„Gender-Report“ auflistet, nicht ein, zum Beispiel darauf, dass an vielen Hochschulen das GenderBudgeting unzureichend umgesetzt wird, dass die Gleichstellung an den Hochschulen nicht die einzige Baustelle ist, sondern wir über das gesamte Wissenschaftssystem sprechen müssen, auch über die Forschungseinrichtungen. Insgesamt wird auch die Lage der Beschäftigten im Antrag zu kurz betrachtet. Es folgt kein Bezug zu Studentinnen, also zu der ganzen akademischen Karriere. Da besteht sicherlich Nachholbedarf.
Ein Austausch zu hochschulinternen Anreizsystemen und Steuerungsinstrumenten macht Sinn, aber eben nicht alleine mit den Hochschulleitungen. Gleichstellungsbeauftragte und die entsprechenden Forscherinnen müssen hier einbezogen werden.
Die Forderung nach einem zusätzlichen Bericht zum Gender Pay Gap mag nicht falsch sein, aber sie ist natürlich nur dann sinnvoll, wenn sie auch in die bestehenden Strukturen eingebunden wird, nämlich in den „Gender-Report“, in die vorhandenen Portale. Da braucht man nicht das Rad neu zu erfinden; das Rad ist schon längst da.
Ausführlicher eingehen möchte ich noch auf das Stichwort „Vereinbarkeit“. Es ist nicht alleine ein Thema für Frauen, die Vereinbarkeit von Familie und Karriere endlich zu gewährleisten. Gerade wenn es um Familien geht, stehen Väter in einer gewissen Verantwortung, endlich einmal einen Beitrag zu leisten.
Davon abgesehen ist natürlich Vereinbarkeit von Karriere und Familie nicht die alleinige Herausforderung, über die wir sprechen müssen, wenn wir Gleichberechtigung im Wissenschaftsbereich fordern wollen, wenngleich wir auch da eine ganze Reihe Baustellen haben. Wenn wir zum Beispiel Kinderbetreuung an den Hochschulen in den Blick nehmen wollen, dann müssen wir auch in den Blick nehmen, dass wir völlig unterfinanzierte Studierendenwerke haben.
Letzter Punkt: Ich finde es traurig, dass Sie in diesem Antrag komplett verschweigen, warum wir denn in den letzten Jahren die Fortschritte erzielt haben. Wir haben mit dem Hochschulzukunftsgesetz – Dietmar Bell hat es gerade schon angesprochen – gegen Ihren erheblichen, gegen Ihren erbitterten Widerstand klare gesetzliche Regelungen zur Gleichberechtigung an den Hochschulen durchgesetzt.
Durch flexible Frauenquoten beim Personal und Frauenquoten in den Gremien haben wir es geschafft, dass Karrierewege von Frauen an der Hochschule gefördert werden. Das funktioniert. Das haben wir gezeigt. Ich finde, Sie sollten, weil wir diese Erfahrungen gemacht haben, auch durchaus mal andere Bereiche betrachten. Wirkliche Gleichberech
tigung gibt es nur dann, wenn wir nicht alleine auf Austauschrunden und Mentoring setzen, sondern vor allem auch auf klare Regeln. – Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, die CDU/FDP legen einen Antrag vor, der wie aus der Zeit gefallen ist und einzig auf Spekulationen sowie übler Nachrede gegenüber den Universitäten beruht.
Wenn man an der Universität immer noch nicht diskriminierungsfrei Leistungen beurteilt und wenn Entgeltdifferenzen der Willkür geschuldet sind und nicht etwa natürlichen Bedingungen, die auch im Leben und in der Entscheidung des einzelnen Menschen liegen, dann sind das Vorwürfe, die schwer wiegen und vor allen Dingen auf Sie selbst und die Vorgängerregierung zurückfallen.
Nein, ich denke, dass die Universitäten und Hochschulen für angewandte Wissenschaften nicht hinter den Schulen und anderen öffentlichen Einrichtungen zurückstehen, in denen nach menschlichem Ermessen diskriminierungsfrei Leistungen des Personals beurteilt werden.
Die Zahlen des „Gender-Reports 2019“ des Studiennetzwerks Frauen- und Geschlechterforschung belegen, dass der Frauenanteil in allen Bereichen der Universitäten und Hochschulen erfreulicherweise gestiegen ist. Bei den Zahlen von Studenten und Absolventen haben wir geradezu einen Gleichstand von Männern und Frauen. Auch bei der Zahl der Promovierten liegen die Frauen und Männer nicht sehr weit auseinander.
Und wenn sich prozentual der Anteil von Frauen bei den Professorenstellen deutlich verringert, dann darf man diese Entwicklung doch nicht eindimensional an der Ungerechtigkeit von Strukturen oder anderen unstatthaften Hemmnissen festmachen. Dafür gibt es doch keinen Grund.
Völlig anders noch als im letzten Jahrhundert gibt es heute eben keine öffentlichen Verlautbarungen, die Frauen etwa in herablassender Art von bestimmten Berufen ausschließen wollen oder deren Eignung infrage stellen. Das ist doch Gott sei Dank vorbei. Frauen bestimmen heute selbstbewusst und aus freiem Willen ihren beruflichen Weg – je nach Fähigkeit, Vorlieben oder Motivation.
Begreifen Sie endlich: Wir haben es hier mit Menschen zu tun, die im Laufe ihres schulischen und akademischen Weges eben unterschiedliche Entscheidungen treffen. Nicht für jeden ist eine Professur erstrebenswert oder der Traum schlechthin. Es gibt
viele Akademiker, übrigens Männer und Frauen, die nach dem Studienabschluss vor oder nach der Promotion die Universität verlassen und andere berufliche Wege einschlagen. Und auch das tun sie doch aus unterschiedlichsten Gründen.
Wenn einer der Gründe die Absicht ist, sich für eine Familiengründung einen sicheren Arbeitsplatz zu suchen, dann ist doch auch daran nichts Verwerfliches zu finden. Sie selbst, alle Abgeordneten der Altparteien, sollten sich einmal die Frage stellen, ob sie nicht durch Ihre Hochschulpolitik massiv dazu beigetragen haben, die Universitäten und Hochschulen zu einem familienfeindlichen Arbeitsplatz zu machen.
90 % der Wissenschaftler sind befristet beschäftigt und 50 % davon weniger als ein Jahr. Dieses Ausmaß an Befristungen belastet nicht nur die psychische Gesundheit, sie führt auch zu Kinderlosigkeit der Akademiker. 88 % der Wissenschaftler wünschen sich Kinder. Die überwältigende Mehrheit ist dann aber gezwungen, diesen Wunsch auf die lange Bank zu schieben, bis am Ende nahezu die Hälfte aller Wissenschaftlerinnen kinderlos bleibt. Sie sind doppelt so häufig kinderlos wie der Durchschnitt aller Hochschulabsolventen.
Und weil das so ist, können Sie davon ausgehen, dass viele Männer und Frauen sich dieses gerade nicht antun wollen. Sie verlassen dann lieber die Universitäten und Hochschulen. Und bei Frauen ist der Anteil dann eben höher. Aber er ist nicht in allen Fakultäten gleich hoch. In den sprachwissenschaftlichen und gesellschaftswissenschaftlichen Fakultäten sowie an den Kunst- und Musikhochschulen ist der Anteil der Frauen in der Professorenschaft wesentlich höher als in den mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultäten. Das kann man beklagen, das ist aber so.
Damit hängt im Übrigen doch auch die Entgeltunterscheidung zusammen. Das müssten Sie doch wissen; Herr Vosgerau hat Ihnen das doch im letzten Wissenschaftsausschuss erklärt:
Einen wesentlichen Teil ihres Gehalts beziehen die Professoren aus den Verhandlungen, die sie führen. Im naturwissenschaftlichen und medizinischen Bereich kann man eben mehr Drittmittel einwerben, was wiederum dazu führt, dass auch die Gehälter höher sind.
Ich glaube nicht, dass wir als Politiker den Auftrag haben, hier etwas ändern zu müssen. Lassen Sie den Menschen die Freiheit, zu wählen, was ihren Wünschen und Fähigkeiten entspricht. Die Menschen brauchen nicht die regelnde Hand des Übervaters, der das Leben seiner unmündigen Schäfchen leitet und lenkt.
Konzentrieren Sie sich bitte darauf, umzusetzen, was die AfD fordert, seitdem sie im Parlament sitzt, nämlich die Erhöhung der Grundfinanzierung von Universitäten und Hochschulen und damit die Möglichkeit, befristete Stellen in unbefristete Stellen umzuwandeln.
Dann brauchten Sie auch nicht die in meinen Augen skandalöse Forderung aufzustellen, geschlechtsspezifische Aufstiegsbarrieren abzubauen, wie Sie im Antrag schreiben.
Wer wie Sie Schwangerschaft und Geburt als geschlechtsspezifische Aufstiegsbarrieren bezeichnet, offenbart die Perversion eines Denkens und die große Entfernung von allem, was früher einmal die CDU eines Konrad Adenauers und eines Helmut Kohls ausgemacht hat. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Seifen. – Für die Landesregierung spricht nun Frau Ministerin Pfeiffer-Poensgen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Die Förderung von Frauen in der Wissenschaft ist Bestandteil eines exzellenten Wissenschaftsstandorts. Gleichstellung trägt ganz wesentlich dazu bei, dass die Besten in der Wissenschaft arbeiten und alle Potenziale genutzt werden. Das macht doch der vorliegende Antrag deutlich.
Hier geht es mir weder um Vergangenheitsaufarbeitung oder um Vergangenheitsbewältigung, wie es anklang, noch um die Besonderheiten in der Coronazeit, die uns im Moment natürlich sehr beschäftigen, sondern wirklich um den Blick in die Zukunft.
Zwar lesen, hören und wissen wir, dass viele Frauen von den Auswirkungen der Coronapandemie betroffen sind und durch die Kinderbetreuung davon abgehalten werden, weiter wissenschaftlich und an ihren Publikationen zu arbeiten; das ist aber weniger ein typisches wissenschaftliches, sondern ein sehr grundsätzliches Problem: Wer kümmert sich in der Familie um die Kinder? Das sollte nicht aus dem Blick gelassen werden.
Es ist erfreulich, dass wir an den Hochschulen in Nordrhein-Westfalen in den letzten Jahren auch dank der gezielten Förderung von Frauen beim Anteil von Frauen in herausgehobenen Positionen Fortschritte feststellen können.
Der Anteil von Juniorprofessorinnen hat sich seit 2005 mehr als verdoppelt. Auch der Anteil von Frauen auf W2- und W3-Professuren steigt langsam, aber stetig. Überdies ist heute ein Drittel der Rektoratsposten an Hochschulen in Nordrhein-Westfalen mit Frauen besetzt.
Als aktuelles Beispiel erinnere ich an die jüngste Entscheidung zur Bewilligung bzw. Fortsetzung von Sonderforschungsbereichen durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft. Von den vier für NRW gewonnenen Sonderforschungsbereichen werden zwei von Wissenschaftlerinnen geführt. Das ist natürlich nur ein Spotlight, aber doch eine sehr erfreuliche Entwicklung.
Dennoch wissen wir, dass weibliche Führungskräfte immer noch unterrepräsentiert sind und bei gleicher Leistung im Schnitt schlechter bezahlt werden, was hier schon mehrfach angesprochen worden ist. Dies spiegelt der „Gender-Report 2019“ wider, auf den der vorliegende Antrag Bezug nimmt.
Nun liegt die Aufgabe vor uns, das allerdings sehr viel genauer und tiefer zu analysieren, denn dann wird man feststellen – das kann ich jetzt hier nicht ausführen; das werden wir im Wissenschaftsausschuss tun –, dass es große Unterschiede zwischen den Hochschulen und auch zwischen den Hochschultypen gibt. Sehr große Unterschiede bestehen auch zwischen den Fakultäten. Hierin wird einer der Ansätze liegen, über die wir weiter reden müssen.
Es ist schon verabredet, dass sich die Landesregierung deshalb gemeinsam mit den Hochschulen dafür einsetzen wird, die Beurteilung und Würdigung von Leistungen sowohl in der Wissenschaft als auch in der Wissenschaftsverwaltung diskriminierungsfrei zu gestalten. Dazu werden wir zu gemeinsamen Überlegungen und Maßnahmen kommen müssen.
Der vorliegende Antrag gibt dafür zusätzliche Impulse, indem er unter anderem vorschlägt, durch Monitoring mehr Transparenz in Bezug auf die Vergütungen zu schaffen. Dass die Berichterstattung zum Gender Pay Gap künftig regulärer Bestandteil des „Gender-Reports“ sein wird, soll aus Sicht der Landesregierung zur Erreichung dieses Ziels beitragen.
Ein weiterer wichtiger Punkt des Antrags und ein zentrales Anliegen der Wissenschaftspolitik der Landesregierung ist natürlich die Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die keineswegs nur eine Herausforderung für Frauen darstellt.