Protocol of the Session on February 14, 2020

(Beifall von der SPD)

Ich komme zum Schluss. – Das passt ins Bild von dieser Landesregierung. Heute ist der Ministerpräsident und Medienminister entschuldigt. Bei den letzten 40 Ausschusssitzungen des Kultur- und Medienausschusses hat er 39 Mal gefehlt. Ein einziges Mal in zweieinhalb Jahren hat er teilgenommen.

Die Redezeit.

Herr Liminski ist heute zumindest als Medienstaatssekretär hier. Das ist aber kein Ersatz für die Tätigkeit eines Medienministers.

Wir erwarten nach dieser Anfrage, dass die Landesregierung endlich tätig wird. Ob nun mit einem Medienminister Armin Laschet oder ohne: Begeben Sie sich auf den Weg. Stärken Sie den Journalismus in diesem Land.

Die Redezeit.

Dieser ist extrem wichtig, auch für unsere Demokratie. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Vogt. – Für die CDU-Fraktion spricht Frau Kollegin Stullich.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Studie der Landesregierung zur Situation des Zeitungsmarktes hier bei uns in Nordrhein-Westfalen ist für meine Begriffe exzellent. Sie beschreibt nicht nur die Entwicklung in der Zeitreihe, sondern sie eröffnet auch Perspektiven. Im Namen der CDU-Fraktion möchte ich mich daher herzlich bei allen bedanken, die an der aufwendigen Recherche für diese umfangreiche Antwort mitgearbeitet haben.

(Beifall von der CDU)

Unsere Demokratie braucht eine vielfältige Medienlandschaft, und gerade dem Lokaljournalismus kommt eine zentrale Funktion in der Demokratie zu. Darauf weist die Landesregierung zu Recht schon in der Vorbemerkung hin.

Leider stehen aber vor allem die Lokalzeitungen unter erheblichem Druck. Auflagen und Werbeerlöse sinken. Die gesellschaftliche Akzeptanz lässt nach, vor allem bei der jungen Zielgruppe. Hauptgrund für die Krise und auch Treiber dieser Krise ist das veränderte Mediennutzungsverhalten vieler Menschen.

Natürlich suchen auch junge Leute solide Informationen, aber in neuen Formaten, zum Beispiel in prägnanten Kurzmeldungen oder auch in Podcasts. Vielen, vor allem jungen Leuten, fehlt das Alleinstellungsmerkmal, der Zusatznutzen, weshalb sie noch Zeitungen lesen sollen, wenn doch das Internet Informationen in modernen Formaten liefert und das meiste davon gratis. Leider wachsen auch noch zu viele Jugendliche in Elternhäusern auf, in denen das Zeitunglesen nicht mehr zur alltäglichen Gewohnheit gehört. Wie sollen sie also spüren, wie attraktiv eine tägliche Zeitung sein kann?

Meine Damen und Herren, für mich persönlich ist Zeitunglesen nicht nur reine Informationsbeschaffung, für mich ist Zeitunglesen Genuss, Emotion, Muße natürlich, auch ein haptisches Erlebnis, vor allem am Wochenende auch ein Ritual. Mein Leben wäre ärmer ohne verschwurbelte Buchbesprechungen im Feuilleton, ohne fünfspaltige Leserbriefe, in denen kraftvoll nach allen Seiten ausgeteilt wird, und auch ohne die Samstagsausgabe, in der meine Pressemitteilung wieder nicht abgedruckt wurde. Vor allem wäre aber mein Leben ärmer ohne kluge Leitartikel, ohne tiefgründige Analysen, ohne spannende Interviews, ohne Reportagen aus aller Welt und vor allem ohne umfassende Lokalberichterstattung, ohne gut recherchierte Geschichten über Menschen in meiner Region.

Ich brauche meine tägliche Dosis Lokalzeitung – zu Hause gerne gedruckt, unterwegs gerne online – und mache mir Gedanken darüber, wie die Zeitung von morgen aussehen kann, die Qualitätsjournalismus bietet, die man unbedingt lesen will, um mitreden zu können, die einen Mehrwert hat, der auch junge Leser begeistert.

Staatliche Zuschüsse für Redaktionen sind dafür sicher nicht die richtige Antwort. Wir wollen in Nordrhein-Westfalen einen Journalismus erhalten, der redaktionell wie wirtschaftlich unabhängig ist.

Dass der Deutsche Bundestag im November beschlossen hat, künftig die Zustellung von Zeitungen zu fördern, halte ich für richtig, denn diese zweckgebundene Förderung gilt nur dem Vertrieb und eben nicht den journalistischen Inhalten.

Auch der reduzierte Mehrwertsteuersatz für elektronische Informationen gehört zu den wichtigen Rahmenbedingungen, mit denen wir den Verlagen helfen können, ebenso wie das verbesserte Leistungsschutzrecht im Internet.

Es ist eben nicht so, Kollege Vogt, dass nichts passiert, sondern es passiert etwas, und zwar an den richtigen Stellen, zum Beispiel auch durch Projekte im Rahmen der Ruhr-Konferenz. Auf alles, was die Bundespolitik macht, hat unser Ministerpräsident bewusst und positiv in Berlin Einfluss genommen. Ich bitte Sie, das einmal zur Kenntnis zu nehmen.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Das journalistische Profil, moderne Formate, Verlässlichkeit, Glaubwürdigkeit, Nutzwert und Crossmedialität sind nur einige Stichworte für Relevanz und Akzeptanz von Zeitungen. Und das Thema „Paid Content“ ist sicher noch nicht ausgereizt.

In Antwort 77 wird geschildert, wie die „Ibbenbürener Volkszeitung“ mit Themenabos im Netz Erfolg hat. Statt das gesamte Angebot zu abonnieren, können Leser für weniger Geld einzelne Themenwelten bu

chen. Es kann also mit flexiblen Angeboten und guten Inhalten, die personalisiert werden können, gelingen, zahlungsbereite Leser im Netz zu finden. Allerdings ist es nicht Aufgabe der Politik, erfolgreiche Geschäftsmodelle für Medienunternehmen im digitalen Zeitalter zu entwickeln. Das ist Aufgabe der Verlage und der Redaktionen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die gute Nachricht zum Schluss: Wir haben hier in Nordrhein-Westfalen immer noch ein vielfältiges, hochprofessionelles und qualitätsvolles Zeitungsangebot, vor allem im Vergleich zu anderen Ländern. Die Tageszeitung ist nach wie vor ein relevantes Informationsmedium bei leider sinkender Auflage im Printbereich, aber bei steigenden Zahlen digitaler Angebote.

In Antwort 76 schreibt die Landesregierung: Auf welchem Ausspielweg journalistische Inhalte die Nutzer erreichen, ist nicht entscheidend. Entscheidend ist eine hohe journalistische Qualität, die die Nutzer befähigt, sich in den demokratischen Diskurs einzubringen.

Wir unterstützen die Verlage auf diesem Weg. Dafür setzen wir bestmögliche Rahmenbedingungen. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin Stullich. – Für die FDP-Fraktion hat Herr Kollege Nückel das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ja, Kollege Vogt, Sie haben recht. Es gibt zu viele EinZeitungs-Städte. Da fehlt Vielfalt. Das hat jedoch die Politik – da schließe ich alle ein, nicht nur die Sozialdemokraten – lange nicht interessiert.

Anfang der 70er-Jahre – da ist beispielsweise unsere Heimatstadt ein negativer Vorreiter gewesen – gab es in Herne zunächst noch drei Zeitungen. 1980 hat schon die zweite geschlossen. Seitdem sind wir EinZeitungs-Stadt. Danach hat sich die Entwicklung in vielen Städten wiederholt. Wir haben fast überall nur noch Ein-Zeitungs-Städte. Deswegen haben wir vielleicht auch heute das Problem, weil es jahrzehntelang eigentlich niemanden so richtig gestört hat.

Zu Beginn möchte ich mich bei den Autorinnen und Autoren der großen Antwort auf die Große Anfrage an die Landesregierung bedanken, denn sie gibt einen aktuellen Überblick über die Lage. Nach diesem Blumenstrauß zum Valentinstag wünscht man sich schon fast einen Schutzheiligen für die Medien in diesem Land. Der heilige Valentin ist es nicht, aber bei seinem Namensvetter Karl Valentin wird man fündig, der mit seinem vortrefflichen Sketch von der „gestrigen Zeitung“ und „was aus der vorgestrigen Zeitung morgen wäre“ sogar einen Teil der Antwort gibt.

Seit vielen Jahren sehen sich die Verlage, die Medienhäuser in Nordrhein-Westfalen in einer Krise. Sie finden nicht so richtig das Rezept dagegen. Aber damit stehen sie nicht alleine. Auch Deutschland steht in dieser Entwicklung nicht alleine.

Fast alle Medien zumindest der westlichen Welt stehen vor der gleichen Frage. Ihre Inhalte werden zwar gelesen, sie werden in den sozialen Medien sogar geteilt, die Reichweiten sind so groß wie nie, die Journalistinnen und Journalisten erreichen mit ihrer Arbeit ein Millionenpublikum, das jedoch – und das ist die eigentliche Tatsache – für die Arbeit der Journalisten nicht mehr zahlen will, als es für Spotify oder Netflix zahlt.

Vor fast 40 Jahren wurden in der alten Bundesrepublik mit ihren damals 60 Millionen Einwohnern jeden Tag 25 Millionen Zeitungen gedruckt. Heute sind es bei 80 Millionen Einwohnern noch gut 14 Millionen. Was da an Einnahmen aus Werbung und Verkauf weggebrochen ist, kann online natürlich nicht aufgefangen werden.

Jetzt kommt ein wenig versteckt die Forderung, der Staat müsse eingreifen. Ich bin als Liberaler – das ist, glaube ich, keine Überraschung – kein Freund von Subventionen. Im Medienbereich halte ich sie sogar für brandgefährlich, denn sie würden die Medien in eine Abhängigkeit bringen.

Es gibt eine Studie des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Das sieht Pressesubventionen auch skeptisch. Vertriebssubventionen sollten wenn, dann nur kurzfristig gewährt werden, denn bei der Förderung von Redaktionen, mahnt das Ministerium an, könnten die Beispiele aus anderen Nachbarländern die Gefahr der Intransparenz belegen. Frankreich zeigt, dass auch eine umfassende Förderung den Niedergang der Zeitungen nicht aufhalten kann.

Die Studie des Bundessozialministeriums beschreibt auch, dass geringere Arbeitgeberbeiträge beispielsweise für journalistisches Personal – das ist auch ein Vorschlag –, Vertriebshilfen und Ähnliches die Entwicklung nicht aufhalten konnten.

Positiv sieht die Studie die Möglichkeit, Projekte zu fördern, die Leser, vor allem ältere, an digitale Produkte heranführen. Das ist vielleicht ein Weg, über den wir mit der LfM noch einmal nachdenken können. Bei Jüngeren könnten auch spannendere Formen noch fruchten.

Die Verlage haben natürlich auf ihre Art und Weise reagiert. Sie bieten attraktive Onlineangebote. Ein Digital-plus-Abo – so nennt man das ja – einer NRWZeitung kostet zwischen 4,99 Euro und 9,99 Euro, also genauso viel wie Socken auf dem Grabbeltisch beim Schlussverkauf. Das ist nicht nur günstig; das ist vor allem, verglichen mit den Preisen der gedruckten Zeitungen, extrem günstig.

Den Verlagen kann man also nicht vorwerfen, sie hätten ihre Hausaufgaben nicht gemacht – genauso wenig, wie man es den Redakteurinnen und Redakteuren vorwerfen könnte, von denen viele natürlich längst multimedial arbeiten, die Liveticker erstellen und so aktuell sind wie noch nie.

Ich glaube nicht, dass es die Lösung zur Rettung der Vielfalt gibt. Ich bin mir aber sicher, dass die Landesregierung mit ihrem Einsatz für den gemeinnützigen Journalismus auf Basis einer Initiative der FDPFraktion 2014 hier im Haus eine gute Idee auf den Weg gebracht hat. Der gemeinnützige Journalismus kann die Situation für Qualitätsjournalismus verbessern.

Die Initiative im Bundesrat ist auf einem guten Weg. Hier jetzt eine Initiative nur für NRW zu fordern, ist zu kurz gesprungen und fördert die Rechtsunsicherheit, fürchte ich. Wenn es Ihnen zu langsam geht, liebe SPD, dann hätten Sie zwischen 2014 und 2017 eben mehr Gas geben müssen.

Es gibt aber noch andere Möglichkeiten. Vielleicht ist ein Modell, wie es einige Streamingdienste verfolgen, sinnvoll. Für einen Grundbetrag erhält man den Zugriff auf ein Basisangebot wie bundesweite und internationale Meldungen sowie Kommentare; weitere Dienste wie Lokalausgaben und Sportdienste können dann günstig zusätzlich abonniert werden.

Den Königsweg gibt es nicht. Diese Landesregierung ist meines Erachtens aber gerade auf einem guten Pfad, die Rahmenbedingungen zu verbessern. Einige Punkte hat meine Vorrednerin schon genannt. Die Ministerin wird sicherlich gleich auch noch darauf eingehen. Daher muss ich meine Redezeit nicht zu sehr überziehen. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Nückel. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Kollege Keymis.

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Nückel, natürlich kann man die Dinge so miteinander vergleichen, wie Sie es gerade getan haben.

Ich finde aber die Entscheidung sinnvoll, die Frankreich schon vor Jahrzehnten gefällt hat. Den Vertrieb zu stützen und Zeitungen im ganzen Land dadurch zu stärken, dass man sie überall kaufen kann, ist doch kein schlechtes Prinzip. Es ist auch nicht die Form von Subvention, die Sie meinen, wenn Sie davon sprechen, wir wollten jetzt die Verlegerinnen und Verleger subventionieren. Das haben sie doch bis heute nicht nötig. Dafür zu sorgen, dass man in Westfrankreich lesen kann, was im Elsass wichtig ist, und umgekehrt, ist aber interessant – vor allen Dingen deswegen, weil die Leute sehr viel unterwegs

sind. Es gibt durchaus Menschen, die mal da und mal dort leben oder Verwandte an anderen Orten haben. Insofern macht es Sinn, Zeitungen überall vorzuhalten. Das sehe ich als gute Idee an.

Deshalb finde ich auch die Initiative richtig, die in Berlin dazu gestartet wurde. In diesem Rahmen sind jetzt etwa 40 Millionen Euro vorgesehen. Das reicht natürlich nicht, um Vertrieb zu organisieren. Da könnte man mehr machen. Es ist aber eine Form medialer Vielfaltsunterstützung, die ich jedenfalls politisch für sehr sinnvoll erachte.