Protocol of the Session on February 12, 2020

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Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/8578

Diesen Antrag begründet für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herr Kollege Bolte-Richter.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! 5G – das wissen wir – ist die Zukunft des Mobilfunks. Wir brauchen den Ausbau besser heute als morgen, und zwar flächendeckend bis zur sprichwörtlichen Milchkanne. Dazu stehen wir Grüne ohne Wenn und Aber. Denn die Chancen für unser Industrieland, für die Attraktivität der Lebensbedingungen in unserem Land und für die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse zwischen Stadt und Land sind aufgrund des neuen Mobilfunkstandards immens, und wir wollen diese Vorteile für alle nutzbar machen.

Wir fordern die Landesregierung heute auf, den Ausbau des 5G-Mobilfunkstandards zügig, konkret und engagiert voranzutreiben und einen Ausbauplan mit konkreten Zielen vorzulegen. 5G muss in NRW flächendeckend verfügbar sein. Ankündigungen sind – und das ist bei Minister Pinkwart eine Sache, die wir von ihm kennen – das eine. Ein konkreter Ausbauplan, was Sie wann, wie und mit welchen Mitteln erreichen wollen, ist das andere. Genau das würde uns aber weiterbringen.

Meine Damen und Herren, im Mittelpunkt des Antrags steht heute allerdings ein anderer Aspekt, nämlich nicht die Ausbaufortschritte, sondern die Rahmenbedingungen für den Ausbau und dafür, wie dieser gelingen kann. Denn oftmals haben Bürgerinnen

und Bürger bei der Etablierung von Großtechnologien wie dem Mobilfunk Fragen und Sorgen. Diese sollten wir gemeinsam mindestens genauso ernst nehmen, wie wir gemeinsam engagiert den Netzausbau vorantreiben müssen.

Es ist wichtig, die Menschen umfassend zu informieren und zu beteiligen; denn wir wissen aus jahrzehntelanger Forschung zum bisherigen Mobilfunk, dass eine gesundheitlich schädigende Wirkung des Mobilfunks innerhalb der gültigen Grenzwerte nicht belegt werden kann. Die Grenzwerte und Messmethoden sind im Frequenzbereich bis 3,6 Gigahertz auf Basis vieler Studien etabliert. Im Sinne des Vorsorgeprinzips ist es dennoch sinnvoll, hier weiter intensiv und unabhängig zu forschen, so wie wir das heute mit unserem Antrag fordern.

Wir wollen die Forschungsergebnisse auch breit und transparent zugänglich machen. Eine informierte Debatte braucht fundierte Informationen für diejenigen, die sich an dieser Debatte beteiligen wollen. Also, schaffen wir mehr Transparenz und ermöglichen wir eine solche Debatte! Denn nur dann können wir die Bürgerinnen und Bürger auch gemeinsam überzeugen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in ihrer 5G-Strategie sieht die Landesregierung einen sogenannten 5G-Dialog vor. Da wird allerdings alleine auf Fachgespräche mit Akteurinnen aus dem Mobilfunksektor gesetzt, und dabei ist gerade der Mobilfunkausbau ein Thema, bei dem heute neue und innovative Formen der Bürgerbeteiligung sinnvoll und erforderlich sind. Das wollen wir voranbringen. Daher fordern wir die Landesregierung auf, mehr Mut zu zeigen. Denn Akzeptanz steigt mit Information und Beteiligung, und davon profitieren wir doch am Ende alle durch einen zügigen 5G-Ausbau.

(Beifall von den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nicht zuletzt nimmt auch die Diskussion um einen ökologischen Ordnungsrahmen der Digitalisierung an Fahrt auf.

Einerseits ist völlig klar: Die Digitalisierung treibt den sozialen und ökologischen Wandel voran – für die Wirtschaft, für die Gesellschaft. Zum Beispiel ist die Vollendung der Energiewende abhängig von digitalen Technologien. Die Digitalisierung ist auch die Grundlage für eine ressourcensparende Produktion. Das ist gerade für ein Industrieland wie NordrheinWestfalen immens wichtig. Zudem bietet die Digitalisierung uns auch die Möglichkeit, mehr Wertschöpfungskreisläufe zu schließen. Sie bietet also auf der einen Seite viele ökologische Vorteile.

Auf der anderen Seite sehen wir aber steigende Stromverbräuche und einen hohen Bedarf an Ressourcen. Ich glaube nach wie vor, dass wir diesen

Planeten entweder digital oder gar nicht retten werden. Aber Ersteres klappt nur, wenn wir – und das sehr gerne mit der Wirtschaft gemeinsam entwickelt – heute an den Rahmenbedingungen arbeiten, wie wir die Digitalisierung – und das gilt dann natürlich auch ganz besonders für den Netzausbau – ökologisch gestalten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe an dieser Stelle die Hoffnung, dass wir diesen Antrag sehr sachlich debattieren und in einigen Punkten vielleicht sogar zusammenkommen. Es würde mir wirklich große Freude bereiten, wenn wir die Herausforderungen des 5G-Ausbaus gemeinsam angehen könnten und in der Bevölkerung für Akzeptanz und die gleiche Begeisterung für den Mobilfunkausbau werben und sorgen würden. In dieser Hinsicht voranzukommen, wäre eine gemeinsame Mission. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Danke schön, Herr Bolte-Richter. – Nun spricht Herr Schick für die CDUFraktion.

Vielen Dank. – Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Ausschuss für Digitalisierung und Innovation zeichnet sich nicht nur durch zukunftsweisende Themen, sondern auch durch ein äußerst kollegiales Miteinander aus, und, Herr Bolte-Richter, aus diesem Blickwinkel habe ich Ihren Antrag gelesen. Wohlwollend erkenne ich an, dass Sie Ihrer Fraktion einen Arbeitsnachweis geliefert haben und deutlich machen, dass wir uns im Ausschuss noch einmal mit dem Thema „5G“ beschäftigen sollten.

Als Ausschussvorsitzender hat man nicht immer die Gelegenheit, in Debatten einzugreifen. Insofern ist das hier eine schöne Möglichkeit, einmal zu dem Thema „5G“ zu sprechen.

Zunächst, Herr Minister Pinkwart, möchte ich der Landesregierung meinen Dank aussprechen, denn Nordrhein-Westfalen steht beim mobilen Datennetz gut da und verbessert diese Position kontinuierlich. Das ist auch ein Ergebnis der Arbeit dieser Landesregierung.

Der Mobilfunkpakt wirkt. Ende 2019 lag der Anteil von LTE-versorgten Haushalten in Nordrhein-Westfalen bei der Deutschen Telekom und bei Vodafone bei über 99 %. Telefónica hinkte da noch etwas hinterher.

Im Sommer 2018 hatten die Mobilfunkanbieter zugesagt, die Mobilfunkverfügbarkeit binnen drei Jahren durch Upgrades und Neubauten von insgesamt 6.850 Basisstationen erheblich zu verbessern. Und tatsächlich: Ende 2019 waren bereits über 3.000 Mobilfunkmasten umgerüstet und 573 neue Standorte in

Betrieb genommen worden. Das ist auch notwendig, weil in der Fläche noch etwas Nachholbedarf herrscht. Hier sind insgesamt erst etwas mehr als 93 % von NRW durch zumindest einen Mobilfunkanbieter abgedeckt. Durch den Mobilfunkpakt hat das Ausbautempo allerdings deutlich angezogen – eine weitere gute Nachricht.

Herr Minister Pinkwart, das sind ohne Zweifel Erfolgsmeldungen, die die Landesregierung durch einen engen Dialog mit Mobilfunkbetreibern unterstützt. Diesen engen Dialog hat es in der Vergangenheit unter Rot-Grün nicht gegeben. Dieser ist jedoch notwendig, um die Voraussetzungen für einen zügigen 5G-Ausbau zu schaffen.

Die Deutsche Telekom hat angekündigt, dass Köln und Bonn zu den ersten sechs Städten in Deutschland gehören, die Ende des Jahres 5G-Standorte haben werden. Ein Jahr später sind dann auch die Städte Dortmund, Essen, Duisburg und Düsseldorf dabei. Also auch hier ist NRW dann führend.

Selbstverständlich sind noch weitere Anstrengungen notwendig. Wir müssen noch neue Standorte ausweisen. Für die Baugenehmigung sind die Kommunen zuständig. Aber die Landesregierung unterstützt dort, beispielsweise beim Ausweis von Mobilfunkmasten auf Behördenstandorten. Also auch da geht der Ausbau mit Unterstützung des Landes voran.

Wir können somit feststellen: Die Landesregierung ist Vorreiter beim Thema „5G“. Das belegt auch die Mobilfunkstrategie des Landes, durch die gezielt gesellschaftliche Akzeptanz gestärkt werden soll. Dabei geht es nicht nur um wenige Interessengruppen, sondern auch um die Breite dieser Gesellschaft.

Wahr ist natürlich auch, dass nicht alle Menschen sich über Innovationen wie 5G freuen. Es gibt auch Menschen, deren Organismen auf die zunehmende Belastung durch Funkwellen reagieren. Auch diese Fragen muss man im Blick behalten. Aber 5G bietet auch hier eine Chance, denn im 5G-Netz ist die Strahlung anders verteilt. Besonders hohen bzw. höheren Strahlenbelastungen sind diejenigen ausgesetzt, die aktiv Mobilfunk nutzen. Diejenigen, die ganz bewusst sagen, sie möchten Mobilfunk nicht nutzen, sind durch die Funkwellen weniger betroffen.

Außerdem nutzt 5G den höheren Frequenzbereich. Jeder, der sich ein bisschen mit Technik beschäftigt, weiß: Je höher der Frequenzbereich, desto weniger tief dringen die Strahlen ein. Das sind allerdings erste Vermutungen. Dazu sind weitere Untersuchungen notwendig. Hier macht der Bund den ersten Schritt. Dort gibt es entsprechende Untersuchungen, sodass wir auch hier einem weiteren Anliegen aus dem Antrag nachkommen, indem die Forschung intensiviert wird.

Ich fasse zusammen: Das Thema „5G“ wird den Digitalausschuss beschäftigen. Der vorliegende Antrag

von Bündnis 90/Die Grünen bringt uns allerdings nur sehr bedingt weiter. Trotzdem freuen wir uns natürlich auf die Diskussion im Ausschuss.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Danke schön, Herr Schick. – Nun spricht Herr Watermeier für die SPDFraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Ausbau des 5G-Netzes ist ein zentrales Zukunftsprojekt, um Deutschland fit für die Digitalisierung zu machen. Darüber besteht hier im Hause sicherlich Einigkeit. So ist es im Antrag der Grünen auch richtig formuliert.

In vielen Bereichen kann ich den Forderungen Ihres Antrags folgen oder gar zustimmen. Begleitende Maßnahmen wie eine Akzeptanzinitiative, also frühzeitige Beteiligungsformate, und die Aufklärung der Bevölkerung können sicherlich dazu beitragen und sind sinnvoll, Sorgen und Bedenken in der Gesellschaft abzubauen, damit der 5G-Ausbau beschleunigt werden kann.

Das ist aber auch alles nicht ganz neu, sondern bereits Tenor der Mobilfunkstrategie und der Informationsinitiative der Bundesregierung. Auch in der 5GStrategie der Landesregierung ist einiges dazu angelegt.

Aus diesem Grund möchte ich auf einen Aspekt des Themas zurückkommen, der, glaube ich, einen Schritt vor Ihren Antrag zurückgeht: die grundsätzliche Planung eines flächendeckenden Ausbaus mit absehbaren, in der näheren Zukunft liegenden Ausbauschritten, die diesen Namen in der Fläche des Landes auch verdienen.

Von 5G ist planungsmäßig in Nordrhein-Westfalen noch nicht so viel zu sehen, und das trotz der Lobeshymne des Kollegen Schick, die der insbesondere auf den LTE-Ausbau bezogen hat.

Den neuen Mobilfunkstandard gibt es vonseiten der Telekom zurzeit in acht deutschen Städten, darunter für NRW Köln und Bonn. 2020 soll der 5G-Netzausbau in 14 weiteren Städten bundesweit forciert werden, darunter Düsseldorf, Schwerin, Kiel, Wiesbaden oder auch Ingolstadt. Fällt Ihnen etwas auf? Von den wichtigen Universitätsstädten in NRW – Aachen, Wuppertal, Bielefeld, Paderborn oder Münster – ist keine Rede. Auf Nachfrage der „Ruhr Nachrichten“ vom 27. Januar dieses Jahres teilte die Telekom dann auch noch mit, dass es für das ganze Ruhrgebiet aktuell keine konkreten Pläne zum Ausbau von 5G-Stationen gibt. Dabei orientiert sich die Telekom beim Ausbau angeblich schon an den Hauptstädten und Ballungsgebieten der Bundesländer.

Sie hingegen fordern in Ihrem Antrag den flächendeckenden Ausbau, losgelöst von Haushaltszahlen. Hier bliebe das Ruhrgebiet also unter Umständen sogar planmäßig weiter auf der Strecke.

Der zweitgrößte Anbieter, Vodafone, hat 5G immerhin an Stahlstandorten in Duisburg und Bochum und einem Gewerbegebiet an der Grenze zwischen Dortmund und Castrop-Rauxel realisiert, wie man auf der Netzabdeckungskarte sehen kann. Auch Vodafone ist aber weit von einer Versorgung der bevölkerungsreichen Stadtkerne oder der besonders innovationsfreudigen Universitätsstandorte entfernt.

Man fragt sich bei beiden Ansätzen: Wie kann es sein, dass rund fünf Millionen Menschen im Ruhrgebiet, die ja zufälligerweise auch noch im größten Ballungsraum der Bundesrepublik leben, einfach vergessen werden?

Das wirft für mich deutliche Fragen in Richtung der Landesregierung auf, die die Digitalisierung wie eine Monstranz vor sich herträgt, um die Lösung für scheinbar jedes Strukturwandelproblem in Aussicht zu stellen. Gleichzeitig verpennt sie in der 5G-Strategie und auch im Dialog mit den Anbietern, von denen die zwei größten sogar ihren Sitz in NRW haben, die Formulierung fester Ausbauziele und einer auf die digitale Teilhabe für die vielen – nicht die wenigen – gerichtete Schwerpunktsetzung.

Das wird ziemlich deutlich offenbar, wenn auf der Internetpräsenz der Ruhr-Konferenz Frau Ministerin Scharrenbach zitiert wird – ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten –:

„Wer im Ruhrgebiet lebt, lebt in der Zukunft.“

Es ist auf Sicht und wohl auch mit stillschweigender Billigung dieser Landesregierung eine Zukunft ohne 5G.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Es ist offensichtlich, dass die mangelnde Akzeptanz bei den Bürgerinnen und Bürgern nur eine Baustelle von vielen ist.

Die wahren Probleme liegen woanders. Ich darf nur an die Äußerungen von Bundesministerin Karliczek erinnern, nach denen 5G ja „nicht an jeder Milchkanne“ notwendig sei und man sich beim flächendeckenden Ausbau ruhig „ein bisschen Zeit“ lassen könne. Ich komme dann nicht umhin, zu fragen, ob zum Beispiel das Ruhrgebiet in den Augen der Deutschen Telekom oder auch der Telefónica eigentlich nur eine solche Milchkanne ist, und welche Zeitspanne durch die Karliczeksche Maßspanne „ein bisschen“ abgedeckt ist.