Protocol of the Session on February 12, 2020

Ich werde Ihnen das kurz erklären: VERA ist ein von der KMK beschlossenes, für alle Länder grundsätzlich verbindliches Verfahren, um vor Ort und durch die Nutzung von Vergleichsgruppen Aussagen über die Leistungssituation der einzelnen Schüler, der Klassen sowie der Schulen bezüglich der Klassen 3 und 4 zu treffen. Die Zuordnung zu diesen verschiedenen Gruppierungen macht die Aussage auch klar.

VERA hat eine wichtige Vermittlungsfunktion für die Einführung nationaler Bildungsstandards. Ich kann aus meiner persönlichen Erfahrung als Kollege und

Schulleiter rückmelden, dass VERA 3 – im Gegensatz zu vielen anderen Belastungen im Grundschulbereich – ein gutes In- und Output-Verhältnis aufweist. Der eingebrachte Aufwand steht also in einem sinnvollen Zusammenhang zum Ergebnis.

Ja, es gibt auch Kritik aus den Schulen am Nutzen von VERA. Deshalb hat die KMK im Rahmen ihrer oben genannten Neuvereinbarung beschlossen, für die Schulen passgenauere Testmaterialien im Hinblick auf Bildungsgänge, Schülerpopulationen und die Ausrichtung auf die Unterrichtsentwicklung zur Verfügung zu stellen. Zudem wird VERA zunehmend onlinebasiert durchgeführt werden, was sowohl den Nutzen für die Lehrkräfte erhöhen, als auch ihren Aufwand reduzieren wird.

In NRW wurde mit der Umsetzung dieser KMKBeschlüsse bereits begonnen. In Gesprächen mit Lehrerverbänden und der Schulaufsicht wurden diese vor allem mittelfristige Wirkung entfaltenden Maßnahmen grundsätzlich positiv aufgenommen. Das bestätigte mir gestern auch Frau Finnern von der GEW.

Den Ablauf von VERA kann man in fünf Phasen gliedern: Vorbereiten, Schreiben, Eingabe, Auswertung und die Erstellung entsprechender Maßnahmen. Eine größere Belastung tritt bei der Eingabe und der Erstellung von Maßnahmen auf. Das ist so. Dennoch läuft die Eingabe größtenteils onlinebasiert und ist in vielen Bereichen sehr einfach zu tätigen – sie ist nicht, wie von Ihnen beschrieben, kryptisch. Die Erstellung von Maßnahmen ist generell ein wichtiger Bestandteil der regelmäßigen Unterrichts- und Schulentwicklung. Das Vorbereiten, das Schreiben und die Auswertung erzeugen in meinen Augen keine größeren Belastungen.

Kolleginnen und Kollegen der AfD, es wundert mich, dass gerade Sie, die in Ihren Wortbeiträgen sonst das schulische Leistungsprinzip einfordern, heute eine regelmäßige Leistungseinschätzung ablehnen.

Schauen wir doch mal in die schulische Praxis. Aufgrund der hohen Individualisierung in der Leistungsbewertung haben viele Schulen schon längst auf klare und teilweise diagnostische Leistungsverfahren unabhängig von VERA gesetzt, ob bei Leseleistungsüberprüfungen, standardisierten Arbeiten in den Hauptfächern mit klar gegliederten schulinternen Leistungskriterien, die erst die Grundlage für eine individualisierte Leistungsbewertung darstellen. Aufwendige Leistungsverfahren, diagnostische Verfahren sind schon längst in Schule angekommen.

Die von Ihnen in der Ausgangslage beschriebenen Punkte, vor allem mit den internationalen Studien im Kontext mit der QA, hängen in keiner Weise mit der Ausführung und Durchführung der VERA-Arbeiten zusammen. In einem Absatz gehen Sie auf die Belastungen ein und enden mit dem Satz:

„Letztlich werden die pädagogischen Konsequenzen im Nachgang des Verfahrens lediglich für die Schulaufsicht formuliert; denn für den Schulalltag hat das Verfahren keine Bedeutung.“

Das weise ich zurück. Wenn Sie das so gemacht haben, lieber Herr Seifen – ich weiß von vielen Kollegen und Kolleginnen, die das ernst genommen und Konsequenzen daraus gezogen haben.

Ich komme zum Schluss: Ich möchte deutlich machen, dass wir Ihre Beschreibungen wie „hohe Kosten“, „kein diagnostischer Ertrag“, „unnötige Belastungen“ nicht teilen und auch wissen, dass es nicht so ist.

Wir werden Ihrem Antrag aus dem Grund nicht zustimmen, werden aber den weiteren Diskussionen entspannt entgegensehen.

Ich möchte mit einem Zitat von Antoine de Saint-Exupéry enden, der mal etwas ganz besonders Kluges gesagt hat: Um klar zu sehen, genügt oft ein Wechsel der Blickrichtung. – Eine klare Sicht wünsche ich Ihnen nicht nur beim Thema „VERA“. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die SPD-Fraktion hat nun der Abgeordnete Herr Ott das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In den vergangenen Plenarrunden hat die SPD, haben fast alle demokratischen Parteien die Bedeutung der Grundschule hervorgehoben. Zum November-Plenum hatten wir eine Aktuelle Stunde beantragt mit dem Titel „Keine Geschenke der Schulministerin zum 100. Geburtstag der Grundschule – stattdessen unbesetzte Stellen, unfaire Besoldung und überlastete Lehrkräfte!“.

In der Frankfurter Paulskirche hat der Bundespräsident im letzten Jahr betont, was für ein großer gesellschaftlicher Schritt diese allgemeine Schulpflicht war, die das Standesdenken des Kaiserreichs überwinden sollte.

Die Grundschule ist ungemein wichtig. Warum, müssen wir an dieser Stelle nicht weiter erläutern.

Allerdings: Die Realität in unserem Land stellt unser Schulsystem vor gewaltige Herausforderungen. Wir haben Gott sei Dank nicht mehr die Gesellschaft der Fünfzigerjahre und erst recht nicht die Gesellschaft der Dreißiger- oder Vierzigerjahre.

Die AfD zitiert in ihrem Antrag aus eigenen Kleinen Anfragen und den jeweiligen Antworten der Landesregierung. Sie zitiert ihre Sachverständigen aus der Anhörung zur Zukunft der Grundschule am

15.01.2020. Eine Sachverständige, die bekanntlich

übrigens der Bielefelder AfD und dem AfD-Landesvorstand angehört, äußerte sich dort mit der Aussage – ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten aus der Anhörung –: Auch meine Mutter, ebenfalls Lehrerin, hatte gut 50 Kinder in der Klasse, und das ging damals auch. – Zitatende. Da fehlt nur noch: wahrscheinlich auch mit dem Stock.

Ich muss Ihnen sagen: Auf diesem Niveau findet Ihre schulpolitische Auseinandersetzung statt.

(Beifall von der SPD)

Kommen wir zu Ihrem Antrag und Ihrem Anliegen. Sie wollen die Vergleichsarbeiten der Jahrgangsstufe 3 temporär aussetzen, abschaffen. Für Sie stellt das VERA-Verfahren eine unnötige Belastung dar ohne jeglichen Mehrwert.

Wir sehen das anders. Mit VERA in der Stufe 3, aber auch später in 8, haben wir in Nordrhein-Westfalen eine Möglichkeit, Veränderungen zu beobachten. Gerade weil die Klassen in Nordrhein-Westfalen heterogen sind, weil das die Realität ist und unser Land viel bunter und anders aufgestellt ist als vor vielen Jahren, macht es eben auch Sinn, sich immer wieder die Entwicklung in den Teilen des Landes anzugucken.

Die Überprüfung des Lernstands ist sinnvoll, damit anschließend auch individuelle Förderung greifen kann, weil natürlich klar ist, dass das Ergebnis am Ende auch zu mehr Ressourcen führen sollte. Mit der Entwicklung des Sozialindex ist ja auch die Möglichkeit gegeben, dem tatsächlich dann auch Taten folgen zu lassen.

Was ist denn die Alternative? – Die Kinder von vornherein aufzugeben und überhaupt nicht mehr hinzugucken, wie die Herausforderungen in welcher Schule aussehen? Kinder mit besonderen Förderbedarfen gibt es in jeder Klasse in Nordrhein-Westfalen, natürlich unterschiedlicher Art. Aber wir dürfen kein Kind zurücklassen.

Wir wissen natürlich, dass das Verfahren auch eine Mehrbelastung für die Kolleginnen und Kollegen darstellt. Aber es ist eine notwendige an dieser Stelle. Gerade wenn einem Leistung wichtig ist – und uns ist Leistung sehr wichtig –, dann brauchen wir solche Erhebungen, um sicherzustellen, dass auch in Zukunft Leistung gewährleistet werden kann und jedes Kind so gefördert werden kann, dass es seine Höchstleistung bringen kann.

Viele Kolleginnen und Kollegen in Nordrhein-Westfalen – da bin ich bei dem, was Herr Rock gesagt hat – nutzen das auch als Chance, sich und ihren Unterricht zu hinterfragen.

Aber es geht Ihnen im Grunde genommen doch auch gar nicht um die Mehrbelastung. Es geht Ihnen um einen Grundangriff auf das humanistische Bildungsideal.

(Beifall von der SPD)

Ihre reaktionäre und unerträglich faschistische Vorstellung von Schule werden wir mit aller Kraft bekämpfen.

(Beifall von der SPD)

Wie Sie alle wissen, ist auch die Qualitäts- und UnterstützungsAgentur des Landesinstituts für die Vergleichsarbeiten zuständig. Sie versucht, den Lehrern zur Seite zu stehen, und alles, was die Landesregierung an dieser Stelle tut, um die Lehrer dort zu unterstützen, begrüßen wir ausdrücklich. Eine professionelle Schulentwicklung braucht auch Empirie.

VERA ist in den vergangenen Jahren optimiert worden und wird weiterentwickelt. Wir brauchen VERA in unserer differenzierten Schulwirklichkeit. Vergangene VERA-Ergebnisse halfen damals, die Standortfaktoren für Schule zu definieren. Umso wichtiger ist es, dass wir das heute auch nutzen bei der Entwicklung des Sozialindexes. Diese wiederum helfen, Schulen miteinander zu vergleichen und dann Stärken und Schwächen in den Blick zu nehmen, aber nicht von oben herab, sondern als Entwicklungsinstrument für ein besseres Schulsystem.

(Beifall von der SPD – Helmut Seifen [AfD]: VERA ist von oben herab!)

Mit etwas Enttäuschung muss ich nur leider jetzt sagen, dass die Christlich Demokratische Union scheinbar den Masterplan Schule schon kennt. Das heißt, die weiß das schon alles. Es ist wieder einer einen Schritt voraus. Ich finde, das ist eine Missachtung des Parlaments, dass wir hier so beiläufig erfahren, was da drinsteht. Das ist nicht in Ordnung, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall von der SPD)

Zum Schluss: Das eigentliche Problem liegt darin, dass unsere Kolleginnen und Kollegen an den Grundschulen sich von uns alleine gelassen fühlen. Deshalb haben wir hier mehrfach gesagt: Wir brauchen endlich eine klare Offensive. Wir sind gespannt, ob der Masterplan dann so Dinge wie ein angemessenes Gehalt mit A13 enthält, das dringend notwendig ist, um den Lehrern Respekt zu zollen. Wir sind gespannt, ob dort auch die Fragen geklärt werden, wie mit den Schulen, die besonderen Lehrermangel haben, umgegangen wird und wie wir diese Schulen dann unterstützen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir werden den Antrag der AfD ablehnen, aber natürlich der Überweisung in den Ausschuss zustimmen.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die FDP-Fraktion hat die Abgeordnete Frau Müller-Rech das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon gesagt worden: Die Grundschulen sind für unser Land fundamental wichtig, und es ist fundamental wichtig, dass wir hier im Hohen Haus immer wieder über die Situation an den Grundschulen sprechen und nach den besten Verbesserungsmöglichkeiten für die Schule suchen.

Die Herausforderungen sind groß. Es gibt Lehrermangel, wir wollen kleinere Klassen schaffen, wir diskutieren auch über die Besoldung, wir sprechen über multiprofessionelle Teams, darüber, wie wir sie einsetzen können, über den Sozialindex, wie wir Sozialräume stärken können, denn oft sind Grundschulen der Mittelpunkt der Sozialräume, darüber, wie wir grundsätzlich treffsicher unsere Lehrkräfte an den Grundschulen von unnötigen Aufgaben entlasten können. – Das sind alles die großen Schlagworte, die wir hier bereits diskutiert haben und die wir weiter diskutieren werden, große wichtige Themen, um die Grundschule nach vorne zu bringen.

Was ist der Beitrag der AfD-Fraktion zu diesen Themen? – Zum Lehrermangel: keine eigenen Vorschläge oder Ideen.

(Helmut Seifen [AfD]: Doch!)

Zu multiprofessionellen Teams, eine der größten Entlastungsmöglichkeiten: völlige Fehlanzeige.

Inklusion: Dazu haben Sie sich leider zu Wort gemeldet. Herr Seifen, Sie haben im Schulausschuss gesagt, sie hielten Inklusion für eine schadhafte Idee. Das war ein Tiefpunkt der parlamentarischen Befassung mit diesem Thema.

(Beifall von der FDP, der CDU, der SPD und den GRÜNEN)