Protocol of the Session on December 19, 2019

heit gravierende Fehler und Versäumnisse sowie Unzulänglichkeiten bei der Einhaltung der Regeln einer guten wissenschaftlichen Praxis gab. Aus diesem Grund hat Jülich dann auch angekündigt, die Arbeiten zu Kugelhaufenreaktoren einzustellen und die noch betriebenen Großexperimente stillzulegen.

Hamm-Uentrop dürfte aus meiner Sicht als eines der größten technischen Debakel im Nachkriegsdeutschland gelten. Von 1985 bis zur Stilllegung 1989 hat der Reaktor umgerechnet gerade einmal 423 Volllasttage erreicht. Es gab große Probleme mit der Betriebssicherheit und mit der Entsorgung von Brennelementen, weil die genutzten Brennelemente Material enthielten, das waffenfähig und leicht abtrennbar war. Aus diesem Grund und aufgrund der Proliferationsgefahr hatten die USA bereits 1977 die Ausfuhr dieser Brennelemente gestoppt. Wie man vor diesem Hintergrund über Jahrzehnte ernsthaft den Vertrieb dieses Reaktortyps in Entwicklungsländer – Gott sei Dank erfolglos – betreiben konnte, ist absolut unverständlich.

Die Reaktorbetreibergesellschaft war 1989 nicht mehr in der Lage, den Reaktor wirtschaftlich zu betreiben. Bis heute zahlen die damaligen Gesellschafter für die Rückabwicklungskosten; übrigens auch das Stadtwerk, dessen Aufsichtsratsvorsitzender ich bin.

Der THTR-300 ist genau wie der Schnelle Brüter in Kalkar ein Symbol des Scheiterns und nicht des Erfolgs.

(Markus Wagner [AfD]: Warum reden Sie über vergangene Technologie? Es geht um den Antrag!)

Was Sie dem Forschungszentrum Jülich mit diesem Antrag antragen, ist nichts anderes als der Ritt in diese wissenschaftspolitische Vergangenheit. Ihre Pläne würden das Renommee und die Zukunftsfähigkeit des Forschungszentrums infrage stellen. Es war eine wissenschaftsautonome Entscheidung von Jülich, diesen Forschungsstrang in der bisherigen Ausprägung zu beenden.

Herr Professor Dr. Marquardt hat die Neuausrichtung des Forschungszentrums in mehreren Gesprächen, auch in unserem Wissenschaftsausschuss, erläutert.

(Helmut Seifen [AfD]: Das ist mir klar!)

Dass Sie, Herr Seifen, als Ausschussvorsitzender dies offensichtlich nicht akzeptieren – und das wird durch diesen Antrag deutlich –, bestätigt meine Kritik an Ihrer Arbeit hier im Parlament. Vorsitz und Mandat dieses Ausschusses sind untrennbar verbunden. Dieser Antrag beschädigt einmal mehr das Bild des Vorsitzenden des Wissenschaftsausschusses.

(Zurufe von der AfD: Oh!)

Lassen Sie uns hier deshalb mit einem entschiedenen Nein auf diese kruden Überlegungen antworten.

Anstatt weiter auf diesen Antrag einzugehen, möchte ich darauf hinweisen, wie die vorhandene Kompetenz im Forschungszentrum aktuell sinnvoll eingesetzt wird.

In diesem Herbst haben 30 internationale Experten in Jülich Überwachungsverfahren zur Kontrolle nuklearer Abrüstung erprobt. In diesem internationalen Konsortium wird dies unter deutsch-französischer Leitung unter anderem an simulierten Sprengköpfen erprobt. Das sind wissenschaftliche Kompetenz und Verantwortung, die meine Fraktion und ich für vorbildlich halten.

(Zuruf von Markus Wagner [AfD])

Wir werden der Überweisung natürlich zustimmen, auch wenn wir uns fragen, warum Sie die Überweisung in den Digitalisierungsausschuss beantragt haben, der damit die Federführung erhält. Ich vermute, dass Sie der wissenschaftspolitischen Debatte ausweichen wollten. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Bell. – Es gibt eine Kurzintervention, angemeldet von der AfD-Fraktion. – Bitte schön, Herr Loose.

(Zurufe von der SPD: Oh! – Gegenruf von Hel- mut Seifen [AfD]: Doch!)

Danke, Herr Präsident. – Man kann natürlich auch Pferdekutschen mit einem Ferrari vergleichen, weil beide irgendwas mit Pferden zu tun haben und Ferrari das Pferd in seinem Logo trägt.

So ungefähr fällt Ihr Vergleich von Kernkraftwerken der dritten und vierten Generation mit den Kraftwerken von Fukushima oder Tschernobyl aus. Daran, dass Sie nicht einmal in der Lage sind, sich mit den neueren Kraftwerkstypen auseinanderzusetzen und überhaupt nicht erkennen, welches Potenzial für die Welt und für Deutschland darin steckt, erkennt man leider die völlige Ahnungslosigkeit oder Hilflosigkeit Ihrer Partei.

Es gibt sicherlich Forscher, die den Dual-Fluid-Reaktor erforschen wollen. Man könnte dafür durchaus einen Lehrstuhl in Jülich ausschreiben, denn dafür würden sich sicherlich Bewerber finden. Man braucht nicht unbedingt die aktuellen Forscher bemühen, die lieber Gelder für andere Projekte wollen, die Sie ihnen sicherlich geben würden.

Gerade die politische Verantwortung für den Reststoff der bisherigen Kernkraftwerke macht es erforderlich, dass wir über eine weitere Nutzung dieser

Reststoffe nachdenken. Genau das ist mit den Reaktoren der dritten und vierten Generation möglich, denn diese Reststoffe, die noch 90 % der ursprünglichen Energie enthalten, können genutzt werden, um hier in Deutschland kostengünstig Energie zu produzieren.

Aber das wollen Sie in Ihrer Borniertheit – dieses Wort haben Sie gerade benutzt – einfach nicht sehen. Sie wollen Äpfel mit Birnen vergleichen und von veralteter Technik sprechen und gar nicht mehr von der Zukunft. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Herr Kollege Bell, Sie haben nun anderthalb Minuten Zeit für Ihre Entgegnung. Bitte schön.

Die brauche ich gar nicht. Ich überlasse die Entscheidung zur Einrichtung und Einwerbung von Lehrstühlen den autonomen Hochschulen und den Forschungsinstituten dieses Landes, die dafür deutlich geeigneter sind als Sie als AfD-Fraktion.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Bell. – Nun spricht Herr Matheisen für die FDP-Fraktion.

Herzlichen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bereits 1978 kämpften die FDP-Landesminister Dr. Burkhard Hirsch, damals Innenminister, und Dr. HorstLudwig Riemer, damals Wirtschaftsminister, gegen die Errichtung von Kernkraftwerken in NRW. Ihnen haben wir es zu verdanken, dass die sozialliberale Koalition damals auch die Inbetriebnahme des Schnellen Brüters

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

in Kalkar auf Eis gelegt hat.

Weite Teile des Landes, meine ganze Generation ist ihnen dafür dankbar, dass sie dieses getan haben. Es war eine kluge Entscheidung.

Genauso wie diese liberalen Vordenker damals richtig entschieden haben, sollten wir auch jetzt genau abwägen, was wir tun. Es geht eben um diese Abwägung und nicht grundsätzlich um Denkverbote, wie Sie immer wieder suggerieren. Mittlerweile haben wir beim Atomausstieg – das wurde bereits gesagt – einen gesellschaftlichen Konsens.

Sie haben hier eben die ganze Zeit von Wiedereinstieg in die Atomkraft und damit über die Neuerrichtung von Kernkraftwerken gesprochen. Ich wüsste

ganz gerne, wo konkret die AfD das machen möchte; das habe ich bislang noch nicht gehört.

Ich glaube auch, dass Ihre Wählerinnen und Wähler kein neues Atomkraftwerk vor ihrer Tür stehen haben wollen, weil das mit erheblichen Risiken verbunden ist, die kein privater Versicherer in irgendeiner Form versichern wird.

Sagen Sie doch einmal konkret: Möchten Sie es gerne in Coesfeld haben? Möchten Sie es gerne in Bonn stehen haben? Wollen Sie es gerne in Düsseldorf neben dem Landtag haben?

Sagen Sie es doch mal konkret. Dann wird man sehen, wie Ihnen die Wähler davonrennen. Was Sie hier fordern, ist völlig absurd. Es geht wieder einmal darum, allgemein etwas zu suggerieren. Mit konkreter Handlungsfähigkeit in der Politik haben Ihre Anträge nichts zu tun.

(Vereinzelt Beifall von der FDP und der CDU)

Als NRW-Koalition haben wir eine klare Linie: Uns ist das Thema „Sicherheit“ wichtig. Wir werden weiterhin Sicherheitsforschung im Kernforschungsbereich unterstützen.

Darüber hinaus ist uns das Thema – darauf geben Sie keine Antwort – „Entsorgungsforschung“ wichtig. Das ist der Kernpunkt dessen, womit wir uns noch die nächsten Jahre, Jahrzehnte, vielleicht sogar Jahrhunderte beschäftigen müssen. Deshalb müssen wir darauf unsere Arbeit und die Mittel konzentrieren.

Wir müssen wissen, was mit dem Müll, der in den letzten Jahrzehnten angefallen ist, in Zukunft passieren wird, wie wir das entsprechend sicher gestalten. Ich werbe dafür, diesen Kurs weiterzufahren.

(Beifall von der FDP)

Wir müssen der Wirtschaft verlässliche Rahmenbedingungen geben. Es kann nicht sein, dass wir heute hü und morgen hott sagen. Man hätte ja seinerzeit eine Entscheidung treffen können. Ich will jetzt nicht über irgendwelche Entscheidungen der Vergangenheit reden, ob man es ein paar Jahre länger oder kürzer laufen lässt; aber jetzt ist eine Entscheidung getroffen.

(Zuruf von der AfD)

Niemand in der Wirtschaft möchte das wieder umkehren. Was Sie hier fordern, ist völlig absurd. Sie fordern eine Kehrtwende. Sie würde wieder zu Unsicherheit in der Energiewirtschaft führen.

Wir brauchen hingegen Wettbewerb, einen vernünftigen Markt, der die besten Ideen für modernste, neueste Technologien voranbringt. Sie jedoch fordern neue Subventionen für die Kernkraft. Das machen wir nicht mit. Wir setzen auf neue innovative Technologien, um NRW als Energieland ganz nach vorne zu bringen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU – Zuruf von Christian Loose [AfD])

Vielen Dank, Herr Kollege Matheisen. Sie haben vielleicht bemerkt, dass eine Kurzintervention angemeldet wurde, auf die Sie natürlich gerne von Ihrem Platz aus eingehen dürfen.

Zur Kurzintervention hat sich Herr Dr. Blex aus der AfD-Fraktion gemeldet. Bitte schön.