Protocol of the Session on November 15, 2019

Damit das Instrument der psychosozialen Prozessbegleitung auch die ausreichende Inanspruchnahme durch Opfer erfährt, fordern wir außerdem, dass ein Formular zur Beantragung einer Beiordnung zu psychosozialer Prozessbegleitung für Verletzte bereitgestellt wird, um diese zu vereinfachen, und auf eine beschleunigte Bearbeitung von Beiordnungsanträgen zu psychosozialer Prozessbegleitung an Gerichten hinzuwirken.

Denn, meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen: Denn die Opfern sind es, denen wir unbürokratisch und schnell helfen müssen. Dies wollen wir mit diesem Antrag tun. – Vielen Dank und Glück auf.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Mangen. – Als nächster Redner hat nun für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herr Abgeordneter Engstfeld das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu Beginn der Rede ein Dank an die beiden Fraktionen von CDU und FDP.

Als wir Ihren Antrag letzte Woche erhielten, haben wir ihn uns angeschaut und dabei gesehen, dass alle von Ihnen darin aufgeführten Punkte auch unserer Auffassung und unserer Lehre aus der Anhörung im Rechtsausschuss entsprechen.

Deswegen haben wir darum gebeten, als Antragsteller aufgenommen zu werden. Diesem Wunsch haben Sie entsprochen. Vielen Dank dafür, dass es damit möglich ist, dass wir heute den Opferschutz im Namen von CDU, FDP und Grünen stärken können.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU und der FDP)

Die psychosoziale Prozessbegleitung ist ein wichtiges Instrument, um Opfer von Straftaten während belastender Gerichtsprozesse bestmöglich zu unterstützen, zu begleiten und den Ablauf von Verhandlungen und verwertbare Aussagen der Opfer zu sichern.

Das Instrument wird seit der Einführung eigentlich von allen Seiten als sinnvoll bewertet. Jetzt kommt es darauf an, die Probleme, die sich in den letzten Jahren gezeigt haben, zu lösen, um die Opfer von Straftaten und die Prozessbegleiterinnen und -begleiter bestmöglich zu unterstützen.

Für Opfer von schweren Straftaten können polizeiliche Ermittlungen und gerichtliche Verfahren beängstigend sein. Sie müssen mit vielen verschiedenen Menschen über die Tat sprechen, unter Umständen dem Täter vor Gericht begegnen, oft als Zeuginnen und Zeugen aussagen und dabei auch unangenehme Fragen beantworten.

Die Opfer können in Gerichtsverfahren auch eingeschüchtert werden oder im allerschlimmsten Fall – Klammer auf „re-„ Klammer zu – traumatisiert werden. Daher brauchen Opfer schwerer Straftaten neben der Möglichkeit, einen rechtlichen Beistand zu erhalten, die bestmögliche psychosoziale Begleitung während des gesamten Verfahrens.

Die Einführung der psychosozialen Prozessbegleitung war ein entscheidender Schritt hin zu mehr Opferschutz, und das Instrument funktioniert ganz gut. Nach den ersten Jahren gibt es nun mal Verbesserungsbedarf; das hat auch die Anhörung im Rechtsausschuss, die, wie ich fand, sehr interessant war, gezeigt.

Ein erstes großes Problem bisher war die fehlende Bekanntheit des Angebots auf allen Seiten, also bei den Opfern, der Polizei, den Fachleuten – zum Beispiel bei Therapeutinnen und Therapeuten und Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern –, beim Kinderschutzbund, aber auch bei Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten, bei Gerichten, Staatsanwaltschaften und in der Gesellschaft insgesamt.

Dem wird mit dem vorliegenden Antrag unter anderem durch die Forderungen nach einem Informationsangebot in einfacher, niedrigschwelliger Sprache und in verschiedenen Sprachen, nach einer öffentlichkeitswirksamen Kampagne und nach einer weiteren Sensibilisierung der Verfahrensbeteiligten begegnet; in den beiden vorherigen Reden von der CDU- und der FDP-Fraktion wurde das schon ausgeführt.

Ein zweiter aus unserer Sicht wichtiger Aspekt ist, dass der Anspruch auf psychosoziale Prozessbegleitung ausgeweitet und der Beantragungsprozess vereinfacht und beschleunigt werden soll. Die Beantragung ist bisher einfach zu kompliziert, und die Bewilligung dauert leider oft zu lange. Das bedeutet eine enorme Unsicherheit für die Opfer und die Begleiterinnen und Begleiter.

Auch muss die Ausweitung auf weitere Straftatbestände erfolgen sowie ein fester Anspruch auf Beiordnung insbesondere in Fällen von häuslicher Gewalt oder Sexualdelikten geschaffen werden.

Ich möchte zum Schluss auf einen Punkt hinweisen, der in dem Antrag nicht behandelt wird, der aber bei der Anhörung immer wieder thematisiert wurde und aus unserer Sicht auch zu Recht bemängelt wurde. Wir finden, dass wir das politisch weiter begleiten müssen.

Es handelt sich um das Problem, dass die Pauschalen für eine Beiordnung derzeit einfach zu niedrig angesetzt sind. Die Vereine und Verbände zahlen derzeit immer drauf, um eine angemessene Prozessbegleitung leisten zu können.

Hier besteht noch Handlungsbedarf. Der wird jetzt über diesen Antrag zwar nicht abgedeckt, aber wir werden das weiter als Thema behandeln und gucken, wie wir da auch noch eine Lösung herbeiführen.

Der Opferschutz wird durch diesen Antrag gestärkt. Ich werbe um Zustimmung zum Antrag und danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN und Matthias Kerk- hoff [CDU])

Vielen Dank, Herr Kollege Engstfeld. – Für die SPD hat Frau Kollegin Bongers das Wort. Bitte sehr.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Opfer einer Gewalttat zu werden, gehört zu den schlimmsten Erfahrungen, die ein Mensch in seinem Leben machen kann. Opfer leiden oftmals ihr ganzes Leben lang an den Folgen solcher Erfahrungen.

Wir müssen nicht nur alles daran setzen, dass solche Straftaten verhindert werden, sondern auch, dass Menschen, die tragischerweise Opfer geworden sind, nicht bei der Aufklärung der Taten erneut leiden müssen.

Um in solchen Fällen psychische Unterstützung erhalten zu können, wurde das Instrument der psychosozialen Prozessbegleitung entwickelt. Bei der psychosozialen Prozessbegleitung geht es darum, besonders belastete Opfergruppen – insbesondere Kinder und Jugendliche sowie Opfer schwerer Sexual- und Gewaltstraftaten – während der Beweisaufnahme und der Verhandlung angemessen psychosozial zu begleiten, damit der Prozess für die Betroffenen zumindest einigermaßen erträglich und für die Opfer nicht zu einer weiteren retraumatisierenden und belastenden Erfahrung wird.

Bei den Prozessbegleitern handelt es sich um Sozialarbeiter, Pädagogen oder Psychologen, die eine entsprechende Zusatzausbildung für diese Arbeit haben.

Opfer, die während eines Prozesses diese professionelle Unterstützung bekommen, sind nicht nur emotional stabiler, sondern auch eher bereit, über ihre Erfahrungen Aussagen zu machen.

Psychosoziale Prozessbegleitung ist somit nicht nur ein wichtiges Instrument zur Unterstützung von Op

fern, sondern trägt ebenfalls dazu bei, dass Verbrechen aufgedeckt und gegebenenfalls auch Wiederholungstaten verhindert werden können.

Wir finden aus diesem Grund, dass das Instrument unsere vollste politische Unterstützung verdient. Wir Sozialdemokraten waren es, die aus diesem Grund das Thema zweimal in den Rechtsausschuss eingebracht haben und dann auch noch eine Anhörung dazu beantragt haben.

Die psychosoziale Prozessbegleitung steht nicht im politischen Streit und gehört auch nicht in den politischen Streit. Niemand kann die psychosoziale Prozessbegleitung ernsthaft in Zweifel ziehen, und das macht in diesem Haus ja auch keiner. Es kann nur darum gehen, das Gute, was schon da ist, noch besser zu machen. Dafür war die von uns beantragte Anhörung sehr wertvoll.

Im Jahr 2017 gab es in Nordrhein-Westfalen 77 Beiordnungen, die durch richterlichen Beschluss zugewiesen wurden. Sie fordern in Ihrem Antrag, dass die Öffentlichkeitsarbeit über die Möglichkeit der psychosozialen Prozessbegleitung verbessert werden soll. Dies ist gut und richtig.

Wir denken aber, dass die Informationen auch vonseiten der Justiz und der Polizei kommen sollten, und zwar in genau dem Moment, wenn Anzeige erstattet wird oder, wenn das Opfer nicht selbst Anzeige erstattet, zu dem Zeitpunkt, wenn eine Einladung als Zeuge oder Zeugin ausgesprochen wird, sodass die oder der Betroffene direkt über eine mögliche Beantragung entscheiden kann.

Liebe Koalitionsfraktionen, liebe Grüne, mal abgesehen davon, dass wir in der Sache Ihren Vorstoß im Bereich der psychosozialen Prozessbegleitung begrüßen, lassen Sie mich noch ein paar Worte zum Verfahren formulieren:

Im September hat bereits eine Anhörung zum Thema der psychosozialen Prozessbegleitung stattgefunden. Im Rechtsausschuss in der letzten Woche stand das Thema auf der Tagesordnung und wurde behandelt. Dort wurden von der Landesregierung die Ergebnisse dieser Anhörung vorgestellt.

Allerdings haben Sie bereits vor dieser Sitzung einen Antrag zu diesem Thema gestellt, noch bevor das Ergebnis der Anhörung im Rechtsausschuss vorgestellt werden konnte. Das ist nicht verboten, das ist zu akzeptieren, aber dennoch zu hinterfragen. Ganz ehrlich: Wir finden dieses Verfahren unüblich und unkollegial.

Ich komme aber nicht umhin, einen Punkt aus der Anhörung anzusprechen, den Sie umgehen, indem Sie ihn gar nicht erwähnen: Alle Sachverständigen haben kritisiert, dass der Ambulante Soziale Dienst der Justiz auch psychosoziale Prozessbegleitung macht. Die Kritik ging in die Richtung, dass es nicht sein könne, dass der ASD sowohl Täter- als auch

Opferarbeit leistet. Soweit ich weiß, geschieht dies zum Beispiel in Niedersachsen auch nicht.

Ich selbst und auch meine Fraktion haben darauf noch keine abschließende Antwort. Ich finde aber, dass wir diese Thematik im Rechtsausschuss weiter diskutieren müssen. Das sind wir den Sachkundigen, die an der Anhörung teilgenommen haben, schuldig, und unsere Diskussion wird es beleben.

Ich bin gespannt, wie das Ministerium uns im Rechtsausschuss weiterhin informieren wird. Wie bereits gesagt: Wir halten das vorgeschlagene Instrument für äußerst wichtig. Wir stimmen deshalb natürlich der Überweisung in den Rechtsausschuss zu. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Bongers. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der AfD Herr Abgeordneter Röckemann das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Noch im Dezember 2015 wurde die Einführung der psychosozialen Prozessbegleitung als Meilenstein für den Opferschutz gefeiert, und seitdem sind beinahe zwei Jahre vergangen. Es ist an der Zeit, Nabelschau zu halten, und diese Nabelschau, meine sehr geehrten Damen und Herren von Union und SPD, fällt leider nicht positiv aus.

Zur Sache: Da es auch infolge der grenzenlosen Politik der Bundesregierung aus CDU und SPD immer mehr Opfer schwerer und schwerster Gewalttaten gibt, hat sich die Bundesregierung augenscheinlich entschlossen, den Opfern ihren Gang vor Gericht zu erleichtern bzw. überhaupt erst möglich zu machen.

Wir kennen es ja zur Genüge, dass viele Opfer derart eingeschüchtert werden – sei es durch Erpressung, Nötigung, Bedrohung oder physische Präsenz der Familien der Täter –, dass sie, die Opfer der schweren Straftaten, ihr Aussageverhalten entsprechend abändern und häufig schweigen oder gar die Unwahrheit sagen.

Dadurch leidet nicht nur das Verfahren, sondern es findet insbesondere eine weitere seelische Verletzung der Opfer statt. Dabei hat es der Katalog des § 406g StPO in Verbindung mit § 397a Abs. 1 Nr. 4 und 5 StPO in sich. Der Rahmen reicht schließlich von Sexualdelikten über gefährliche Körperverletzungen bis hin zu Raubdelikten. Es geht also um schwerste personenbezogene Gewaltkriminalität. Deshalb war der Ansatz des Gesetzes vom Prinzip her richtig: Ohne Opfer, die als Zeugen aussagen, ist den Tätern kaum noch beizukommen.

Es ist kein Geheimnis, dass gerade in NordrheinWestfalen als dem größten Bundesland mit einer entsprechend hohen Kriminalität viele dieser Katalogstraftaten mit entsprechend vielen Opfern begangen werden. Allein im Jahre 2018 gab es 2.138 Fälle der Vergewaltigung, der sexuellen Nötigung und des sexuellen Übergriffs in besonders schweren Fällen – und das ist nur ein einziger Deliktsbereich aus dem Katalog.

Trotzdem gab es im Jahre 2018 gerade einmal 150 Abordnungen von ausgebildeten Verfahrensbegleitern – deren Anzahl im März 2019 mit 151 angegeben ist. An vorhandenen Kapazitäten mangelt es bei den zuvor benannten Zahlen als Maßstab daher nicht.

Woran liegt es also, dass das Angebot nicht angenommen wird? Liegt es an den Opfern, die nicht in der Lage sind, einen einfachen Antrag zu stellen? Ist der Straftatenkatalog nicht ausreichend? Müssen weitere Delikte wie einfache Körperverletzung mit einbezogen werden? Benötigt es eines anderen Verfahrens, um die Opfer besonders auf die Möglichkeit der Verfahrensbeteiligung hinzuweisen? Oder sollen Formulare in möglichst einfacher Sprache und/oder in Fremdsprachen geschaffen werden? Schließlich besitzen ausländische Opfer häufig nicht das entsprechende Bildungsniveau und/oder sprechen nur rudimentär Deutsch.

Nicht dass wir uns falsch verstehen, meine Damen und Herren Kollegen: Was ich sage, ist kein billiger Populismus auf dem Rücken der Opfer. Es ist die Realität und größtenteils Ihrem Antrag entlehnt.