„Ausgerechnet im 70. Jahr der grundgesetzlich gesicherten Forschungs- und Wissenschaftsfreiheit scheint diese so bedroht zu sein wie selten zuvor. In Berlin sind es Baberowski und Münkler, in Frankfurt Schröter, Schönecker in Siegen und nun in Hamburg Lucke. An all diesen Orten war es eine kleine Minderheit von ‚Gesinnungspolizisten‘, die ihre Mitstudenten und die gesamte Universität in Geiselhaft ihrer Ansichten nahm.“
Der Fall Lucke war dann besonders prominent. Man kannte ihn. Verräterisch war vor allem die Aussage des 32-jährigen – ich wiederhole: des 32-jährigen – AStA-Vorsitzenden, man wolle Lucke nicht nur als ehemaligen AfD-Politiker verhindern, sondern – jetzt kommt es – auch nicht seine wissenschaftlichen Ansichten an der Universität gelehrt wissen.
Wo kommen wir hin, wenn AStA-Vorsitzende, die 32 Jahre alt sind, bestimmen wollen, was an der Universität gelehrt wird? Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Wenn wir so weit kommen, dass AStA-Vorsitzende das bestimmen, dann ist unser Land am Ende.
Gerade deshalb ist diese Situation so wahnsinnig bedrohlich. Das wilhelminische Kaiserreich mag keine Demokratie nach unserem Zuschnitt gewesen sein. Aber die Wissenschaftsfreiheit war in dieser Zeit gesichert – wesentlich mehr gesichert, als wir das heute kennen.
Gegen diese Übergriffe müssen sich Staat und Universitätsleitungen wehren, wenn sie nicht die Grundlage ihrer eigenen Existenz untergraben wollen.
Der Antrag der AfD hat das Ziel, dass der Landtag den Universitätsleitungen ein deutliches Signal gibt, in dieser Richtung ihre Pflichten zur Wahrung der Wissenschaftsfreiheit wahrzunehmen.
Ich weiß, dass Vorgesetzte Rückendeckung von den Behörden, in diesem Falle vom Gesetzgeber, brauchen. Wir tun gut daran, den Kolleginnen und Kollegen, die in den Universitäten ihren Dienst verrichten, den Rücken zu stärken. – Vielen Dank.
Verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der „Süddeutschen Zeitung“ vom 8. November schreibt Matthias Drobinski, dass die Gesellschaft die Kunst zivilisierter Auseinandersetzung wieder erlernen müsse.
In Deutschland sei nicht Meinungsfreiheit das Problem – jeder könne frei sagen, was er wolle –, sondern dass es einigen sehr schwerfalle, die Meinung anderer auszuhalten.
Der Journalist konstatiert eine Unfähigkeit zum Streit, eine Unfähigkeit zu einer guten Gegnerschaft. Wer nicht in der Lage sei, fremde Gedanken auszuhalten, wer immer nur bestimmen wolle, ob jemand mitreden dürfe oder den Mund zu halten habe, befinde sich in einer harmoniesüchtigen Blase der Selbstbestätigung. Ein konstruktiver Streit ist so nicht möglich.
Dann fragt Drobinski, ob man üben könne, Gegnerschaft oder sogar Feindschaft auszuhalten, ohne den anderen moralisch oder physisch vernichten zu wollen.
Die Feindesliebe, die beispielsweise Jesus predigte, bedeute nicht, so Drobinski, Gegnerschaften zu negieren, sondern vielmehr zu akzeptieren, dass Feindschaften manchmal unausweichlich werden. Menschenverachtung sei zum Beispiel alle Feindschaft wert.
Feindesliebe nötige aber dazu, den Feind als Menschen in seiner Würde zu achten, vom Ross einer höheren Moral herabzusteigen auf die Augenhöhe des Gegners und sich dem Streitgegenstand inhaltlich zuzuwenden.
Ich füge dem hinzu, dass diese Semantik der Feindesliebe allen, die sich einem wie auch immer gedachten christlichen Abendland verschreiben, geläufig sein müsste.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, zum vorliegenden Antrag möchte ich nur folgende drei Bemerkungen machen:
Erstens. Es ist selbstverständlich nicht hinnehmbar, dass öffentliche Veranstaltungen, Lesungen oder Vorlesungen durch Protestaktionen gesprengt und verunmöglicht werden. Das gilt für linke wie für rechte Proteste gleichermaßen.
Die demokratische Debatte, die die Grundlage unserer freiheitlichen Gesellschaft ist, lebt vom Austausch von Argumenten. Das weiß jeder – das bestreitet hoffentlich hier im Haus keiner – und ist auch normale Selbstverständlichkeit an unseren nordrhein-westfälischen Hochschulen.
Zweitens. Es gibt zwei unterschiedliche Formen von Politikern. Die Fachpolitiker vertiefen sich in die Probleme der Bürger. Sie suchen Lösungen und verhandeln Kompromisse, um letztlich Konflikte zu befrieden. Sie sind die Brückenbauer, die unsere Gesellschaft nach vorne bringen.
Die Erregungspolitiker dagegen schüren die Konflikte. Sie reiten begierig jede ihnen entgegenkommende Welle in der Hoffnung auf die Hoheit über die Stammtische. Es geht ihnen nicht um die Menschen, sondern nur um sich und um die eigene Macht.
Drittens. Mir ist neu, dass Hamburg, Göttingen und Berlin in Nordrhein-Westfalen liegen. Davon, dass bei uns irgendwo die akademische Freiheit eingeschränkt sei, habe ich noch nichts mitbekommen. Der Gegenstand dieses Antrags ist konstruiert, man könnte sagen: an den Haaren herbei an den Rhein gezogen.
Ich debattiere nicht über T-Shirts. Ich finde es so peinlich wie demagogisch, eine aktuelle Studierendengeneration zu diffamieren. Ich weise unsere autonomen Hochschulen, mit denen wir auf Augenhöhe reden wollen, nicht auf Selbstverständlichkeiten hin.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sollten besonnen und gelassen bleiben. Meine Eltern hatten früher einen erziehungsratgeberischen Aufkleber in der Küche kleben: Toben Sie nicht, wenn Ihre Kinder toben.
Das ist auch ein guter politischer Rat. Natürlich lehnt die CDU-Fraktion den Antrag ab. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vorab sei gesagt, dass wir – das ist Ihnen bekannt – jede Form von Gewalt ablehnen. Dazu zählt auch ausdrücklich verbale Gewalt.
Wir verteidigen hier auch die Freiheit der Wissenschaft, das heißt von Forschung und Lehre. Aber darum geht es eigentlich gar nicht in dem Antrag der AfD.
Es ist schon bemerkenswert, Herr Kollege Seifen, wie Sie versuchen, sich mit Balladen von Goethe einen bildungsbürgerlichen Anstrich zu verpassen
hören Sie zu – und sich dann wundern, dass andere Sie in die Nähe von Rechtsextremisten und Neonazis rücken. Das machen Sie selbst. Sie selbst, Ihre Partei rückt sich in die Nähe von Neonazis und Rechtsextremisten.
Wir haben doch alle Ihr Video gesehen, in dem Sie vor Höcke warnen in der eigenen Partei und deutlich machen, wie das Auftreten von Höcke mit dem Auftreten von Hitler zusammengeht.
Also wird es Ihnen nicht gelingen, immer wieder bildungsbürgerliche Tunke über eine Partei zu gießen, die so antibürgerlich ist, wie man nur sein kann. Da hilft Ihnen auch Goethes Ballade nicht weiter.
Wenn man sich die Beispiele, die Sie nennen, jetzt mal im Einzelnen anguckt, muss man sagen: Sie versuchen einen Zusammenhang zu konstruieren, den es gar nicht gibt, weil jede einzelne Veranstaltung und jede einzelne Störung einer solchen Veranstaltung – die wir ebenfalls verurteilen – in einem ganz anderen Kontext steht.
Bei der Veranstaltung mit Thomas de Maizière, die in dem Antrag steht, ging es um einen sogenannten Protest gegen die türkische Invasion in Syrien.
Dass Sie übrigens Herrn Lucke so verteidigen, finde ich auch interessant. Das ist parteigeschichtlich ein bemerkenswerter Vorgang. Ich hätte mir gewünscht, Sie hätten ihn gegen die Rechtsradikalen verteidigt, als er abgewählt und aus der Partei rausgedrückt wurde.
Herr Lucke wird sich noch nachträglich für Ihre Unterstützung hier in diesem Landtag zu bedanken wissen.
Im Übrigen stimmt es auch nicht, dass die Universitätsleitung nichts gemacht habe. Sie hat die Störung nicht nur verurteilt; vielmehr hat sie einen privaten Sicherheitsdienst eingesetzt und die Polizei alarmiert. Also ist Ihre Unterstellung schlichtweg falsch.
Das Zitat der Präsidentin der Berliner Humboldt-Universität, Sabine Kunst, reißen Sie auch aus dem Zusammenhang. Sie müssen schon sagen, worum es ging. Es ging damals um die Konflikte, die in der Kontroverse um den Osteuropahistoriker Jörg Baberowski entstanden waren. Aber es ging nicht um einen allgemeinen Trend oder um Antifa; darum ging es überhaupt nicht.