Protocol of the Session on September 19, 2019

Es ist die Aufgabe des Staates, seine eigene demokratische Verfasstheit und die Prinzipien einer offenen Gesellschaft dadurch zu bewahren, dass er allen Bestrebungen Widerstand leistet, die darauf aus sind, diese demokratische Verfasstheit zu schwächen oder zu beseitigen und aus der offenen Gesellschaft eine geschlossene zu machen.

Die Aufgabe stellt sich immer wieder neu, und wir dürfen uns ihr nicht verweigern. Besonders gefordert sind wir dann, wenn es die Wehrlosen in unserer Gesellschaft betrifft. Das sind nun einmal die Kinder in unserem Land.

Besonders Kinder aus muslimischen Elternhäusern geraten dann in den Blick, wenn die Eltern und das familiäre Umfeld die besonders strenggläubige Form des Islam leben. Sie verlangen bereits von ihren Kindern, über die normale Kleidung hinaus auch das Haupt, den Hals und die Arme zu verhüllen. Damit werden die jungen Mädchen als stille Botschafterinnen einer Ideologie in die Öffentlichkeit entsendet, welche wesentliche Elemente der demokratisch-aufklärerisch-humanistischen Grundlage unseres Staats- und Gesellschaftswesens ablehnt, verachtet und bekämpft.

Der Psychologe und Islamexperte Ahmad Mansour sagt zum Thema „islamisches Kopftuch“ – ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten –:

„Das Kopftuch bedeutet Tabuisierung der Sexualität und Geschlechtertrennung … Mit dem Kopftuch sage ich meinem Kind: ‚Diese westliche Gesellschaft, die anders mit Sexualität umgeht, ist

moralisch nicht in Ordnung, und du kannst kein Teil davon werden.‘“

Das muslimische Kopftuch ist das Symbol des Gehorsams der Frau gegenüber allen männlichen Personen und ihrer Unmündigkeit. Für Schülerinnen, die aus patriarchalischen Strukturen kommen, böte die Schule die einzige Möglichkeit, einen anderen Umgang mit männlichen Personen zu erleben und sich selbst auch anders wahrzunehmen, als sie es aus ihrem familiären Umfeld kennen.

Diese Möglichkeit nehmen wir den jungen Muslima, wenn der Staat nicht die Vorgaben unserer Verfassung durchsetzt. Wir lassen sehenden Auges zu, dass heranwachsende Mädchen und Frauen frühzeitig religiös indoktriniert, ja geradezu konditioniert werden für einen Lebensstil, welcher die gleichberechtigte Entwicklung von Mädchen und Frauen verhindert, die Selbstausgrenzung aus der Mehrheitsgesellschaft befördert und das dauernde Unmündigkeitsverhältnis von Frauen gegenüber den Männern begründet.

Wir bieten der orthodoxen Ausprägung des Islam unsere Schulen als Laufsteg für ihre Ideologie an. Wir lassen letztlich alle diejenigen unter den Muslimen im Stich, welche unsere freiheitliche Staats- und Lebensordnung schätzen und nach ihr leben wollen. Denn diese liberalen Muslime setzen wir dem Druck orthodoxer Muslime aus, ein Kopftuch als Zeichen der Sittsamkeit zu tragen. Dies zeigt bereits Wirkung. Die Zahl der Kopftuchträgerinnen an den Schulen ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, bisher haben Sie sich der Verantwortung entzogen. Viele von Ihnen verbrämen ihre Untätigkeit in dieser Sache mit dem Hinweis auf die Garantie der Religionsfreiheit in unserem Land. Ich kann Ihnen versichern, dass Freiheit und Toleranz nur denen gebührt, die selbst Toleranz und Freiheit fordern und leben.

Entziehen Sie sich nicht weiterhin Ihrer Pflicht in dieser Sache, sondern stellen Sie sich endlich der Verantwortung, welche Ihnen der Wähler für dieses Staatswesen übertragen hat. Werden Sie zum Verteidiger unserer Freiheit und unserer offenen Gesellschaft, wie es Ihnen das französische und das österreichische Parlament vorgemacht haben. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD )

Vielen Dank, Herr Seifen. – Für die CDU-Fraktion spricht nun Frau Abgeordnete Wermer.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Für die NRW-Koalition steht stets der Mensch im Mittelpunkt ihrer Politik, sei es in der

Schul-, der Integrations- oder der Gleichstellungspolitik. All diese Politikbereiche sind bei der Frage des Kopftuchtragens von jungen, noch nicht religionsmündigen muslimischen Mädchen berührt.

Für uns steht das Kind im Fokus, das muslimische Mädchen. Ihnen von der AfD geht es jedoch nur darum, auf dem Rücken von Kindern weiter Angst vor der vermeintlichen Islamisierung zu schüren. Das schreiben Sie auch so in Ihrem Antrag, und das ist nicht hinnehmbar. Welche Absichten Sie haben, zeigt der Antrag unmissverständlich.

Uns geht es um die inhaltliche Debatte, Ihnen um die Polarisierung und darum, Menschen gegeneinander aufzubringen. Uns geht es darum, das Kindeswohl mit der Ausübung von Religionsfreiheit und dem Erziehungsrecht der Eltern abzuwägen. Deshalb hat die Landesregierung ein Gutachten in Auftrag gegeben, um all diese komplexen Fragen zu beantworten: Wie können wir junge Mädchen in ihrer Identitätsfindung unterstützen? Wie können wir die staatliche Religionsfreiheit schützen? Wo endet diese aber auch?

Es geht also sowohl um rechtliche als auch um entwicklungspsychologische Fragen. Es bedarf einer gesamtgesellschaftlichen Diskussion und einer Berücksichtigung verschiedenster Perspektiven.

Die NRW-Koalition macht genau das. Wir gestalten unsere Politik so: sorgfältig, auf dem Stand der Fachdebatten, in verschiedenen Disziplinen und mit Empathie für die Menschen. In diesem Fall tun wir dies für die jungen Mädchen und ihre Familien. Einen AfD-Antrag, gespickt mit Polemik und Panikmache, braucht es dafür nicht. Warten wir die Ergebnisse und Bewertung des Gutachtens des Ministeriums ab. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU )

Vielen Dank. – Für die SPD spricht Herr Abgeordneter Yetim.

Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Herr Seifen sprach gerade von der Pflicht des Parlaments. Die einzige Pflicht, die meiner Meinung nach uns als Parlament obliegt, ist die, rechte Demagogen dort hineinzustecken, wo sie hingehören, nämlich in die Mottenkiste, um das ganz deutlich zu sagen.

(Beifall von der SPD, der CDU und den GRÜNEN)

Dieser Antrag der AfD – auch das will ich ganz deutlich sagen – ist bösartig. Sie bauen hier Feindbilder auf, wahrscheinlich weil Sie keine mehr haben. Seitdem die Flüchtlingsentwicklung so ist, wie sie ist, nämlich rückläufig, versuchen Sie, neue Feindbilder aufzubauen.

(Beifall von der SPD )

Sie sprechen in Ihrem Antrag von einer Islamisierung der Gesellschaft. Sie sprechen von einer „fundamentalistischen muslimischen Community“, die „durch Selbstausgrenzung eine gezielte Provokation gegenüber staatlicher Hoheit ausübt“. Was für ein Quatsch! Was für ein Quatsch! Denn wenn man sich die Zahlen anschaut, dann merkt man, dass es gar keine Zahlen gibt.

Herr Seifen sprach gerade davon, in den Schulen gebe es eine gestiegene Anzahl von kopftuchtragenden Mädchen.

(Helmut Seifen [AfD]: Gehen Sie mal nach Gelsenkirchen!)

Es gab mehrere Anfragen aus dem Parlament von Kolleginnen und Kollegen der Grünenfraktion, aber auch von uns, von Frau Altenkamp, genau zu dieser Thematik. Aber es existieren überhaupt keine belastbaren Zahlen, wie viele kopftuchtragende Mädchen es gibt. Wir haben keine Zahlen dazu, ob es Probleme an Schulen gibt, an denen Mädchen Kopftuch tragen. Das alles gibt es überhaupt nicht. Deswegen ist es an der Stelle wieder einmal so, Herr Seifen: Sie behaupten etwas, obwohl Sie es nicht belegen können.

(Beifall von der SPD)

Herr Seifen, Sie sagten, wir als Parlament seien dafür verantwortlich, wie die Gesellschaft diskutiere. Ihre Wortwahl spaltet aber diese Gesellschaft. Insofern bitte ich Sie um Mäßigung. Ich glaube allerdings, dass das nicht funktionieren wird.

Das Thema „Kopftuch“ zieht sich wie Kaugummi durch die Jahre. Ich glaube, hier sind einige Kolleginnen und Kollegen unter uns, die schon etwas länger im Parlament sitzen als ich; ich tue dies seit 2010. Schon vor meiner Zeit war dies ein Thema; der eine oder andere wird sich daran erinnern.

Ein Verbot des Kopftuchtragens allein für minderjährige muslimische Mädchen wäre sowieso verfassungswidrig.

Da frage ich mich: Wie kommt es eigentlich zu diesem Antrag?

Die AfD nutzt eine Vorlage der Integrationsstaatssekretärin aus, die diese Scheindebatte letztes Jahr für ein bisschen Aufmerksamkeit in den Medien angezettelt hat. Der Integrationsminister musste das dann einfangen, Sie werden sich erinnern, und hat von einem Prüfauftrag gesprochen, den man vergeben wollte. Das war sozusagen gesichtswahrend. Dieser Plan ist aber leider krachend gescheitert; denn jetzt haben wir diese Debatte hier im Landtag.

Viel wichtiger, als über ein Verbot oder eine „Kopftuchpolizei“ zu sprechen, wäre doch, wenn wir mehr

Lehrerinnen und Lehrer hätten, die sensibel sind, reagieren und sehen, wo ein Mädchen vielleicht unter Druck steht und möglicherweise etwas tut, was es gar nicht tun will, wo zum Beispiel Schulsozialarbeiterinnen Einfluss nehmen können. Darauf kommt es eigentlich an.

Wir müssen die Lehrerinnen und Lehrer sensibilisieren, und dafür brauchen wir genügend Lehrerinnen und Lehrer.

Kollegen von der AfD, mir hat eine kopftuchtragende Frau in einer Debatte darüber mal gesagt: Wir verdecken mit dem Kopftuch unser Haupt und nicht unsere Intelligenz. – Manchmal habe ich den Eindruck, Sie hätten ein Bettlaken über dem Kopf. – Danke.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Yetim. – Es gibt eine Kurzintervention aus den Reihen der AfD. Herr Abgeordneter Seifen, bitte. Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Yetim, ich höre im Fernsehen immer wieder von irgendwelchen Parteileuten aus CDU, SPD usw., man wolle uns inhaltlich stellen. Ihre Rede war vollgespickt mit Demagogie, Verleumdung, Anklage und Polemik.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Das haben Sie sich vorher aufgeschrieben! – Eva-Maria Voigt- Küppers [SPD]: Untersuchen Sie mal Ihre Re- den!)

Nein, Sie haben nichts geantwortet.

Wenn orthodoxe Moslems ihre Kleinkinder mit dem Kopftuch zur Schule schicken, dann ist das eine deutliche Botschaft. Wenn diese Zahl der Kinder immer weiter zunimmt, …

(Josefine Paul [GRÜNE]: Das tut sie ja nicht!)

Doch, das tut sie.

(Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD]: Behauptun- gen werden nicht wahrer, wenn man sie wie- derholt! – Zuruf von Josefine Paul [GRÜNE])

… dann ist das eine Form der Islamisierung. Und wir lassen diese Kinder alleine. Die Wortwahl des Antrags und meiner Rede war staatspolitisch völlig korrekt.

Sie sollten sich einfach mal mit den Mädchen beschäftigen. Da sagt ein Mädchen – fragen Sie bei TERRE DES FEMMES nach –:

„Ich trage ein Kopftuch, weil ich Angst habe vor Gott. Weil ich Angst habe vor den Männern, die mich komisch anschauen, wenn ich kein Kopftuch trage. Weil es eine Schande ist, kein Kopftuch zu