Wenn am 31. Oktober dieses Jahres zwischen Großbritannien und der Europäischen Union plötzlich Einfuhrzölle erhoben werden sollten, dann merkt das unsere Chemieindustrie in Essen und in Leverkusen.
Meine Damen und Herren, das sind ernst zu nehmende branchenspezifische Probleme. Aber reden wir damit doch bitte keine Krise herbei. Wir schreiben nicht das Jahr 1929 und auch nicht das Jahr 2009.
Deswegen liegen die Voraussetzungen für eine antizyklische Konjunkturpolitik à la John Maynard Keynes schlichtweg nicht vor, und deswegen hat Jens Weidmann völlig recht, wenn er sagt, Panik, Pessimismus und Aktionismus seien nicht das Gebot der Stunde.
Politische Führung erfordert jetzt Gelassenheit, Optimismus und vor allem kluges, langfristig durchdachtes Handeln. Daran ändert auch das gar nicht so neue niedrige Zinsniveau nichts, das in Europa voraussichtlich noch länger anhalten dürfte.
Ja, in dieser Zeit ist Schuldenmachen kurzfristig einfacher. In Amerika bezeichnet der Präsident seinen eigenen Notenbankchef als Feind, weil dieser ihm das große Schuldenmachen nicht weiter erleichtern will. Wie man liest, gehören ungedeckte Schecks und enorme Schulden wohl auch schon zum früheren Geschäftsmodell Trump.
Aber anders als bei Immobilienunternehmer Trump können weder das Land Nordrhein-Westfalen noch die Bundesrepublik Deutschland erst auf Pump Geschäfte machen, hinterher die Rechnung nicht bezahlen und danach ein paar Anwälte schicken. Die Menschen in Nordrhein-Westfalen müssten die Rechnung zahlen, um das Vertrauen zu erhalten. Die hohe Bonität von Bund und Land speist sich aus
Stichwort „Trump“: Glaubt denn jemand ernsthaft, dass es bei einer Finanzkrise wie 2009 zu einer international abgestimmten Reaktion wie damals kommen würde? Ziemlich sicher nicht. Und auch die EZB hat ihr Pulver verschossen.
Deshalb ist es in einer solchen Situation im wahrsten Sinne des Wortes Gold wert, wenn der deutsche Staat – Bund und Länder – über hinreichend Bonität verfügt, damit wir uns selber helfen können – aber erst in so einem Notfall, meine Damen und Herren.
Deswegen brauchen wir heute einen klugen haushaltspolitischen Kurs von Maß und Mitte. Wir müssen die notwendigen strukturellen Investitionen vornehmen und gleichzeitig die Balance nie aus den Augen verlieren; da halte ich es mit dem Vorsitzenden der Wirtschaftsweisen, Christoph M. Schmidt. Dafür steht unsere Haushaltspolitik vom ersten Tag an.
Davon haben sich auch neutrale Experten überzeugt. Mit Standard & Poor’s hat eine der weltweit führenden Ratingagenturen unser Land kürzlich zum ersten Mal seit 15 Jahren wieder auf die sehr gute Bonitätsstufe AA heraufgestuft.
Dieses Urteil fällte die Agentur selbstverständlich nach einem sorgfältigen neutralen Blick in die Bücher. Und es ist eindeutig: Wir setzen die richtigen Rahmenbedingungen – mit Investitionen, Zukunftsvorsorge und ohne neue Schulden.
Natürlich kann man in einer solchen Situation von der Opposition keine ähnlich neutrale Bewertung unserer Politik verlangen. Wünschen würde ich mir dennoch eine klare haushaltspolitische Haltung, die ich aber leider nicht erkennen kann.
Da ist zum Beispiel urplötzlich die neue Liebe zum Thema „Schuldentilgung“. Als wir in Nordrhein-Westfalen angefangen haben, mit weit über einer halben Milliarde Euro endlich wieder Schulden zu tilgen, fielen – daran erinnere ich mich gut – vonseiten der Opposition schrille Worte wie „armselig“ oder „Offenbarungseid“.
Aber ehrlich gesagt: Dass ausgerechnet die Vertreter der die Vorgängerregierung tragenden Parteien mit einem Mal schneller Schulden abschaffen wollen, passt nun wirklich nicht zu den knapp 15 Milliarden Euro neuer Schulden, die diese Regierung in ihrer siebenjährigen Amtszeit unserem Land zusätzlich hinterlassen hat.
Fast noch schlimmer als diese Schulden war das riesige Investitionsdefizit, das trotz dieser enormen Neuverschuldung 2017 geherrscht hat. Dass beispielweise zahlreichen Kitas die Schließung drohte, ist nur ein Beispiel für die Folgen dieser Versäumnisse.
Das bedeutet: Die Vorgängerregierung hat Schulden gemacht und nicht genug investiert. – Beides war falsch.
Das ist auch der Grund dafür, dass wir trotz des deutlichen Einstiegs in die Schuldentilgung – gleichzeitig erfolgt die konsequente Nutzung von Zinsvorteilen durch langfristige Umschuldung – vor allem in das Aufsteigerland Nordrhein-Westfalen investieren und endlich für die sträflich vernachlässigten Risiken vorsorgen.
Nur am Rande sei noch einmal erwähnt, dass die von uns getroffene Vorsorge – in Summe 2,7 Milliarden Euro seit Regierungsübernahme – aufgrund der Zinsdifferenzen im Saldo wirtschaftlicher war als eine ausschließliche Schuldentilgung im selben Zeitraum.
Aber in diesem Hohen Hause gilt offenbar aktuell: Wer am lautesten „Haltet den Dieb!“ schreit, der ist im Moment der Dieb. – Deswegen kann ich diese Haushaltspolitik der Beliebigkeit, die von der Opposition betrieben wird, intellektuell nicht teilen, um das einmal sehr vorsichtig zu sagen.
Dafür lobe ich mir die ungeschminkte Offenheit eines der immer zahlreicheren Bewerber aus NordrheinWestfalen um den Vorsitz der Bundes-SPD. Professor Karl Lauterbach plädiert ganz offen dafür, die Schuldenbremse zu lösen. Das klingt hier in Nordrhein-Westfalen viel vertrauter; denn das hatten wir hier 45 Jahre lang.
Nur: Kann eigentlich irgendjemand plausibel erklären, wie diese Politik mit der unerwarteten neuen Leidenschaft für eine verstärkte Schuldentilgung zusammenpasst? Überhaupt nicht! Sie wollen alles und von allem das Gegenteil. Klare Haltung? Fehlanzeige!
Vielleicht ist es auch eine ganz besondere Dialektik. Vielleicht denkt man ja Heinrich Brüning und John Maynard Keynes zusammen: radikale Haushaltskonsolidierung und antizyklische Konjunkturpolitik
(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP – Vereinzelt Heiterkeit – Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE] – Gegenrufe von der FDP)
Ich fürchte allerdings, dass die Wahrheit schlichter ist. Sie haben als Opposition wie schon in Ihrer Regierungszeit das Rechnen offenbar nicht ganz so ernst genommen. Deswegen habe ich das einmal für Sie übernommen.
Die zusätzlichen Forderungen der Grünen belaufen sich allein im Zeitraum 2017 bis 2019 hier in Nordrhein-Westfalen auf 33,7 Milliarden Euro; darunter ist ein 30 Milliarden teurer Infrastrukturfonds.
Die zusätzlichen Forderungen der nordrhein-westfälischen SPD belaufen sich auf knapp 10 Milliarden Euro; darunter sind unterschiedlichste Wünsche wie mehr als eine halbe Milliarde Euro für Studentenwohnheime bis hin zu einem 870 Millionen Euro teuren zusätzlichen Paket für Sozialprogramme.
In Summe belaufen sich die bereits jetzt bestehenden Forderungen aller drei Oppositionsfraktionen in den letzten beiden Jahren auf sagenhafte 43,8 Milliarden Euro zusätzlich.
Gerechnet haben kann da keiner. Oder – frei nach Wolfgang Schäuble –: Vielleicht sind die Zahlen richtig; nur das Vorzeichen ist falsch.
Ich habe das Gefühl, dass Sie einfach Plus und Minus verwechselt haben. Denn dann ist plötzlich alles ganz einfach.
Allerdings warnte schon Albert Einstein: „Man muss die Dinge so einfach wie möglich machen. Aber nicht einfacher.“
Auch mit Blick auf Ihre wahre Absicht hatte Einstein etwas zu sagen. Ich zitiere: „Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.“ Lernen Sie also vielleicht dazu!
Übrigens hat Olaf Scholz völlig recht, wenn er bezogen auf den Bund am Haushalt ohne Neuverschuldung festhält
und ergänzt – Zitat –, man müsse nur mit großer Sorgfalt, mit großer Intensität und mit großer Präzision arbeiten.
Das gilt für das erst zwei Jahre ohne Neuverschuldung auskommende Nordrhein-Westfalen in gleicher Weise. Ansonsten ist Herrn Scholz nichts hinzuzufügen.
Große Sorgfalt, große Intensität, große Präzision sind wichtig für eine Finanzarchitektur, die die Grenzen der Baustatik eben nicht ausreizt. Hätten wir die ersten beiden Haushalte auf Kante genäht, könnten 841 Millionen Euro weniger als gedacht die Konstruktion schon ins Wanken bringen. Umgekehrt wären allerdings zu geringe strukturelle Investitionen auch sträflich gewesen.
Und so paradox es klingen mag: Ausgerechnet eine Kennzahl bei den rückläufigen Einnahmezuwächsen zeigt an, dass wir vorankommen. Denn 132 Millionen Euro verliert Nordrhein-Westfalen bei den Bundesergänzungszuweisungen, weil unsere Finanzkraft im Ländervergleich gestiegen ist.
Sorgfalt bedeutet vor allem Risikovorsorge. Ein sicheres Gebäude muss gegen absehbare Einwirkungen geschützt werden. So wie ein Gebäude vor einwirkenden Lasten wie Schnee, Wind und Regen geschützt werden muss, haben wir seitdem die unterbliebene Vorsorge für Risiken in Höhe von fast 2,7 Milliarden Euro geleistet.