Wenn man diese Ausbaugeschwindigkeit zugrunde legt, dann werden Sie, Herr Minister, Ihr Ziel, 2025 100 % Versorgung zu haben, krachend verfehlen – selbst zu Ihren Gunsten mit einem linearen Ausbaupfad gerechnet, obwohl wir als Fachleute alle wissen, dass es den gar nicht gibt. Die wirklichen Probleme und Herausforderungen liegen am Ende des Ausbaupfades. Da lohnt es sich dann auch nicht, eine wunderbare, goldene Zukunft zu beschwören. Man muss das jetzt machen.
Ich kann Ihnen den Vorwurf nicht ersparen, dass Sie immer noch gut darin sind, schöne Statistiken zu kreieren, schöne Labels zu kreieren. Aber wenn man dahinterguckt, bleibt nicht mehr so viel von den Versprechungen übrig.
Die Gigabit-Ziele wurden stillschweigend relativiert. Ursprünglich gab es ein Flächenziel beim Ausbau. Jetzt gibt es ein Haushalteziel. Ländliche Gebiete würden darunter leiden. Es ist nach wie vor so, dass Sie gut darin sind, kreative Formulierungen zu finden: „glasfaserbasierte Netze“, „Gigabit first“ usw. – Nein, wir brauchen puren, reinen Glasfaserausbau. Dahin müssen wir kommen: echte Glasfaser.
Wir brauchen im Übrigen nicht nur Fördergelder, weil jenseits der anerkennenswerten Bemühungen beim eigenwirtschaftlichen Ausbau brauchen wir auch gute Bedingungen. Wir brauchen Bürokratieabbau in diesem Bereich. Es ist nach wie vor zu kompliziert, auszubauen. Wir brauchen eine Beschleunigung der Planungs- und Bauprozesse. Da ist nach wie vor reichlich Luft.
Vielen Dank, Herr Kollege, dass Sie die Zwischenfrage zulassen und dadurch vielleicht sogar ein paar Sekunden Redezeit gewinnen können. – Können Sie mir benennen, in welchem Förderprogramm der Landesregierung oder auch der Bundesregierung keine Glasfasernetze beim Breitbandausbau gefördert werden? – Vielen Dank.
Ich komme gleich zu dem tatsächlichen Problempunkt, nämlich dass es nicht allein eine Frage der Förderprogramme ist. Im Übrigen hatten wir es auch in der Ausschussdebatte, wo seitens der regierungstragenden Fraktionen – bin mir nicht mehr sicher, ob von der CDU oder von der FDP – gelobt wurde, wie toll das jetzt alles mit den Kabelverbindungen ist. Es geht auch darum, dass die Kabelversorgung locker, flockig eingerechnet wird
als eine Infrastruktur, die durchaus eine Übergangsleistung erbringen kann. Das mag alles sein, aber wenn wir darüber sprechen, was eine zukunftsfähige Infrastruktur ist, was eine Infrastruktur ist, die im Upstream und im Downstream funktioniert, was eine Infrastruktur ist, die da funktioniert, wo ich große Daten
mengen transportieren muss, die im Übrigen auch energieeffizient ist, dann muss ich natürlich über Glasfaser sprechen.
Mir geht es auch ganz stark darum zu sagen: Gigabit heißt nicht Glasfaser. – Das läuft bei euch aber immer synonym. Das ist das Problem, und da muss man einfach sagen, dass da ein schönes Label draufsteht. Aber das, was die Leute kriegen, ist nicht das, was ihnen versprochen wird.
Diese Form des Etikettenschwindels kann man durch alle Bereiche durchdeklinieren, auch bei den Gewerbegebieten. Die sollen auch bis 2022 vollständig mit Glasfaser versorgt sein. Bisher sind es 17 %; das ist zu wenig.
Wir haben vor wenigen Wochen eine Umfrage unter Familienunternehmern bekommen. 55 % der Mittelständler sind nicht an schnelles Internet angebunden. Da haben wir tatsächlich eine Wachstumsbremse, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Wenn wir beim Etikettenschwindel sind, der ursächlich für die Zwischenfrage war, dann können wir uns auch noch einmal die Schulen angucken. Das finde ich besonders schön: Bei den Schulen rühmen Sie sich, Herr Minister, mit 96 % Glasfaser-Versorgung. Diese 96 % Glasfaser-Versorgung sind entweder versorgt oder geplant. Auf einer geplanten Leitung kann man ziemlich schlecht surfen.
Obendrauf sind in diesen 96 % nicht nur die geplanten Leitungen drin, sondern auch „Homes last“. Das heißt, wenn die Glasfaser in der Straße vor dem Schulgebäude liegt, dann gilt das in der schwarz-gelben Welt schon als versorgt.
Ich habe eine Idee, was Karl-Josef Laumann dazu sagen würde, wenn man ihm so eine Statistik unter die Nase hält.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, im Mobilfunkbereich sieht es ganz ähnlich aus. In Nordrhein-Westfalen gibt es 14.000 Funklöcher. Auch da brauchen wir keine PR-Zahlen, auch da brauchen wir reale, koordinierte und kooperative Ausbaubemühungen. Wir brauchen auch den Ausbau durch die Netzbetreiber und eine zukunftsfähige Infrastruktur. Wir haben hier das gleiche Problem, das wir beim Ausbau der digitalen Infrastruktur haben: große Ankündigungen, aber was kommt dann?
Genauso haben wir das – Kollegin Spanier-Oppermann hat es eben schon ausgeführt – im Bereich der digitalen Verwaltung. Es ist gut, dass mit dem EGovernment-Gesetz weitere Landesbehörden aufgenommen wurden, zum Beispiel die Hochschulen.
Ich darf ergänzen, dass die Hochschulen nicht aufgenommen werden wollten, als wir 2016 das EGovernment-Gesetz gemacht haben. Es ist gut, dass es das jetzt gibt, aber dann muss man ihnen auch das Geld dafür geben. Wenn man die Hochschulen mit in den Geltungsbereich des E-Government-Gesetzes reinnimmt und die Hochschulen hier in der Sachverständigenanhörung sagen, das dafür zur Verfügung gestellte Geld reiche nicht aus, dann kann dieser Prozess nicht funktionieren.
Wir haben es im ersten Block bereits angesprochen: Wir haben einen Digital- und Wirtschaftsminister, bei dem die Ausgaben für die digitale Wirtschaft in diesem Jahr nicht steigen. Das ist ein Problem, wenn wir aus einer tiefgreifenden, historischen Wirtschaftskrise herauskommen wollen, weil der Schlüssel für eine zukunftsfähige Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen natürlich in der Digitalisierung liegt. Das müssen Sie angehen, wenn Sie diesen Zukunftsmarkt nicht von irgendjemand anders bedienen lassen wollen.
Im Übrigen ist das – man kann das noch weiter deklinieren – bei der Künstlichen Intelligenz genauso. Gefühlt fällt das in jedem zweiten Satz und sowieso in jeder Sonntagsrede, und man muss einfach einmal gucken, was davon im Handeln der Landesregierung ankommt.
Es passiert etwas, wobei durchaus in ganz vielen Bereichen etwas passiert. Wenn man das jedoch neben die Herausforderungen legt, neben das, was eigentlich passieren müsste, dann ist das eindeutig zu wenig. Im tatsächlichen Handeln ist das unterrepräsentiert.
Die von Ihnen beauftragten Sachverständigen stellten Lösungen für eine KI nach europäischem Alleinstellungsmerkmal auf. Es ist sehr gut, dass es dazu konkrete Ideen und Studien gibt. Diese müssen aber umgesetzt werden. Dafür bedarf es wiederum eines entsprechenden Einsatzes von Ressourcen, um die entsprechenden Finanzmittel bereitgestellt zu bekommen und so bei diesem Thema von NordrheinWestfalen aus voranschreiten zu können.
Ansonsten hätten wir einen Ankündigungsminister. Wir wollen jedoch gerne einen Wirtschafts- und Digitalminister, der das Thema voranbringt. Ich würde mir wünschen, dass Sie das auch tun, Herr Pinkwart. – Herzlichen Dank.
Rede der Kollegin Spanier-Oppermann und da ich den Kollegen Bolte-Richter schätze – er hat Sachkenntnis und gräbt sich tief in Themen ein – hatte ich eigentlich gedacht, dass wir mit dieser sachlichen Debatte fortfahren können. Stattdessen erleben wir ein wildes Herumstochern in den Zahlen, die Sie sich offenbar nicht richtig angesehen haben.
Wir erleben, dass Sie die Realität in diesem Land überhaupt nicht wahrnehmen. Um bei Ihrem Ausflug ins Tierreich zu bleiben – Sie sprachen gerade von einem Schneckentempo –: Ich möchte einmal die Schnecke erleben, die seit 2018, also in den vergangenen zwei Jahren, die Anzahl der Haushalte, die einen Zugriff auf Gigabit-Anschlüsse haben, verfünffacht. Ich möchte auch einmal die Schnecke erleben, die die Anzahl der Schulen mit Gigabit-Anschluss verdreifacht. Das ist keine Schnecke, sondern da ist ein Gepard unterwegs.
Wir werden in diesem Tempo weitermachen, und wir werden uns das Ganze von Ihnen auch nicht schlechtreden lassen.
Herr Bolte-Richter, schauen Sie sich die Zahlen an, mit denen wir in diesem Haushalt bei diesem wichtigen Zukunftsfeld unterwegs sind, das vieles von dem auffangen muss, was wir an wirtschaftlichen Entwicklungen durch die Pandemie gerade erleben. Wir müssen unsere Wirtschaft zukunftsfest machen. Deshalb haben wir insbesondere im Bereich der Zukunftstechnologien 5G und bei der Förderung des Gigabit-Ausbaus fast eine Verdoppelung der Mittel von 184 Millionen Euro auf 364 Millionen Euro vorgesehen. Wir erleben auch, dass die Mittel für den Ausbau der Gigabitnetze in Gebieten, in denen die Netzbetreiber das nicht rentabel gestalten können, sich verdreifachen und sich gegenüber diesem Jahr auf 300 Millionen Euro belaufen.
Es ist eine originäre Aufgabe des Staates, eine funktionierende Verwaltung zur Verfügung zu stellen, die bürgerfreundlich ist und die schnell und effizient arbeitet. Wir erleben jetzt, dass die Mittel dafür um 130 Millionen Euro angehoben werden.
Wenn also irgendwo zum Ausdruck kommt, dass wir einen besonderen Schwerpunkt auf die Digitalisierung legen, dann ist das in diesem Haushalt 2021. Deswegen bin ich auf diesen Haushalt stolz und bitte Sie, ihm zuzustimmen. Ich bitte Sie allerdings auch darum, sich beim nächsten Mal etwas intensiver mit den Zahlen zu beschäftigen und nicht solche Märchen zu erzählen. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die amtierende schwarz-gelbe Regierungskoalition hat sich 2017 in Sachen „Digitalisierung“ die Messlatte denkbar hoch gelegt. Mich erinnert das, weil wir gerade bei Analogien aus dem Tierreich sind, eher an einen Pfau. Man kann das aber auch anerkennen, denn gemessen an den Haushaltskennzahlen haben wir in NRW in den letzten Jahren durchaus Fortschritte gemacht.
Ein Beispiel ist der Breitbandausbau. Dafür stehen erhebliche Fördermittel bereit, und zwar auch vom Land, und wir hören von den Betroffenen schon seit Jahren keine Klagen mehr, dass es am Geld fehle.
Jetzt sind eher – wir haben es gerade gehört – ein Förderdickicht, langwierige Genehmigungsverfahren und vor allem fehlende Tiefbaukapazitäten das Problem. Eine besonders unrühmliche Rolle spielt dabei leider die EU. Sie hat beihilferechtliche Bedenken hinsichtlich der Aufgreifschwelle und verbot daher die Förderung des Gigabit-Ausbaus dort, wo Kupferleitungen aktuell Datenraten von 100 Mbit liefern können. Das soll auch bis 2023 so bleiben.
In der Folge führt das dazu, dass die Förderungen fleckenweise anstatt in zusammenhängende Gebiete ausgeschüttet werden. Diese Verinselung des Ausbaus kostet riesige Summen Geld und bindet die knappen Tiefbauressourcen.
„Nicht nur die Verschwendung von Steuermilliarden scheint weder Brüssel noch die Bundesregierung zu interessieren, auch der Gesamtausbau verzögert sich durch derartige tiefbauressourcenfressende Einzelbaumaßnahmen. Durch ineffizienten Ausbau und den gleichzeitigen Einsatz von Fördermilliarden genau für solch einen ineffizienten Ausbau steigen die Tiefbaukosten immer weiter und machen den eigenwirtschaftlichen Ausbau von Jahr zu Jahr teurer und damit unwirtschaftlicher. Und genau dies erhöht wiederum den Förderbedarf in Zukunft dramatisch.“
Das ist nur ein Beispiel, das aber zeigt, warum NRW, Deutschland und Europa im internationalen Digitalisierungswettlauf häufig nicht mithalten können. Man setzt auf Dirigismus und Kontrolle, anstatt auf die Innovationskraft der Marktwirtschaft zu vertrauen, und dabei steht man sich häufig noch selbst im Weg.
Ein ähnliches Bild ergibt sich auch bei der Start-upFörderung. Es ist zwar schön, dass Sie den Universitäten in dieser Sache 150 Millionen Euro mehr zugestehen, aber auch da geht es leider wieder nicht ohne Dirigismus. Das Geld soll natürlich nur für die aktuellen Modethemen Klima, Umwelt, Energiewende, Verkehrswende und Nachhaltigkeit verwendet werden. So macht man das in der Planwirtschaft –