Protocol of the Session on November 12, 2020

Was ist Innovation? Was bedeutet Fortschritt? Ist es nur der technische oder auch der gesellschaftliche und soziale Fortschritt, der zu einem Wandel oder Umdenken in der Gesellschaft führt? Über diese Fragen sollten wir uns in unserem Fachausschuss auf jeden Fall unterhalten. Denn das soziale Unternehmertum vereint mehrere Aspekte aus vielen Bereichen, wie hier schon angesprochen wurde.

Es verbindet eben das unternehmerische Handeln mit übergeordneten, gemeinnützigen Zielen, um Antworten auf die drängenden gesellschaftlichen und ökologischen Fragen unserer Zeit zu finden. Aber soziale Unternehmen und besonders Start-ups aus diesem Bereich haben es eben besonders schwer, an das notwendige Wagniskapital oder eine passgenaue Beratung zu kommen, beispielsweise weil sie eine ungewöhnliche, nicht förderfähige Rechtsform gewählt haben. Die vorgegebenen inhaltlichen Anforderungen sind insofern für Sozialunternehmen zum Teil nicht erfüllbar.

Dabei können diese Unternehmen maßgeblich zur Lösung vieler Probleme beitragen. In den letzten Jahren haben sie das in vielen Themenfeldern unter Beweis gestellt, vom Gesundheitsschutz über den Bildungssektor bis hin zum Klimaschutz. Das Innovationspotenzial an sich ist also sehr hoch.

Die Unternehmen sind vielfältig und können nicht auf eindimensionale Schablonen angepasst werden. Sie sind weder das eine, oftmals auch nicht das andere und können doch beides sein. Spätestens seit der Finanzkrise 2008 müssen wir uns doch darüber im Klaren sein, dass ein Rennen um die Gewinnmaximierung allein nicht immer die Patentlösung sein kann und darf.

Wir müssen uns vor Augen führen, dass es Bereiche gibt, in denen die herkömmlichen renditeorientierten Modelle versagt haben. Umso dringender brauchen wir Innovationen und Lösungen für unsere Gesellschaft.

Hessen wurde schon angesprochen. Darauf können wir im Ausschuss sicher weiter eingehen. Ich möchte dazu sagen, dass Hessen soziale Gründerinnen und Gründer auf ihrem Weg in die Selbstständigkeit und bei der Etablierung ihrer Geschäftsmodelle sehr ausführlich und eindringlich unterstützt, wie wir das vom Sozialinnovator in Hessen gelesen haben.

In Hessen erhalten soziale Gründerinnen und Gründer seit diesem Jahr die Möglichkeit, sich in dem Rahmen besser zu vernetzen; das sagte der Kollege Herr Braun vorhin schon. Sie erhalten weiterhin, wenn Interesse besteht, Zugang zu Coworking-Plätzen und zu einer fundierten Gründungs- und Fachberatung. Wie wir auch gerade gehört haben, stellt das Land pro Jahr 228.000 Euro an Landesmitteln zur Verfügung. Die Förderung dieser Art von Sozialunternehmen ist ein Zeichen, das ich mir in der Form auch für Nordrhein-Westfalen gewünscht hätte.

Passgenaue Angebote für Social Entrepreneurs schließen aber nicht nur eine Lücke in der Innovations- und Start-up-Förderung, sondern mitunter auch eine Lücke im Bereich der Gendergerechtigkeit. So orientieren Frauen ihre Unternehmen beispielsweise häufiger als Männer an gesellschaftlichen oder sozialen Fragestellungen. Leider lag der Frauenanteil bei den Start-up-Gründungen laut „Startup Monitor“ bei gerade einmal 10,8 %. Auf nahezu neun Männer kommt bei nordrhein-westfälischen Start-ups folglich lediglich eine Frau als Gründerin infrage. Somit ist der Frauenanteil noch einmal geringer als im Bundesdurchschnitt.

Nicht allein aus gleichstellungspolitischen Gründen werden jedoch deutlich mehr Gründerinnen gebraucht, sondern auch, weil Frauen anders gründen als Männer. Für uns muss klar sein, dass wir diese innovationsstarken Persönlichkeiten unbedingt brauchen. Denn wo die Maßnahmen des Staates allein nicht ausreichen, können sie mit Ideenkapital, inno

vativen Modellen und sozialem Engagement einen wichtigen Beitrag für unsere Gesellschaft leisten.

Wir von der SPD freuen uns auf die Diskussionen im Ausschuss und stimmen der Überweisung selbstverständlich zu. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD)

Danke schön, Frau Spanier-Oppermann. – Jetzt spricht Herr Matheisen für die FDP-Fraktion.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unternehmertum, Entrepreneurship, ist nicht das Problem unserer Gesellschaft, sondern es ist die Lösung für viele Probleme in unserer Gesellschaft, auch für viele soziale und viele ökologische Probleme. Für die Freien Demokraten und auch für die NRW-Koalition ist es grundsätzlich gut, wenn Menschen mit ihren Ideen diese Gesellschaft besser machen. Deswegen freue ich mich auch grundsätzlich über eine Diskussion zu diesem Thema.

Ich habe mich zuerst gefreut, dass die Grünen das jetzt auch so sehen, das jetzt aufgreifen, dass sie nicht sagen, der Staat müsse alles machen, sondern erkennen, dass wir Ideen von Menschen brauchen, die sich dort einbringen.

Dann bin ich aber auf einen Satz in Ihrem Antrag gestoßen, der mich doch ein wenig stutzig gemacht hat. Der Satz lautet:

„Damit wird der soziale und ökologische Mehrwert von sozialen Innovationen und Sozialunternehmen zum Anhängsel von ökonomischen Interessen degradiert.“

Da ist wieder diese alte antimarktwirtschaftliche Rhetorik, mit der Sie gesellschaftliche Probleme nicht mit marktwirtschaftlichen Lösungen angehen wollen. Sie versuchen jetzt, mit diesem Antrag ein bisschen in liberalen Gewässern zu fischen, aber man merkt ganz klar, Sie haben es immer noch nicht verstanden.

(Zuruf von Matthi Bolte-Richter [GRÜNE])

Unternehmertum ist nicht per se nur ein Renditestreben, es ist auch immer – das zeigen viele Unternehmerinnen und Unternehmer in unserem Land; junge Unternehmer, kleine Unternehmer, Mittelständler – zugleich eine Verbesserung der gesellschaftlichen Situation.

(Beifall von der FDP, Josef Hovenjürgen und Matthias Kerkhoff [CDU])

Durch Innovationen kommt es zu einer Verbesserung der Umweltsituation. Die Menschen haben diesen inneren Antrieb: Wir wollen die Welt besser machen. – Deswegen geht Ihr Antrag leider wieder in

die falsche Richtung. Wir können die Marktwirtschaft nicht gegen soziale und gegen ökologische Zielsetzungen ausspielen, sondern wir müssen es gemeinsam machen.

(Beifall von der FDP, Josef Hovenjürgen [CDU] und Matthias Kerkhoff [CDU])

Genau da sind wir jetzt unterwegs, und genau da ist die Landesregierung unterwegs, und genau da ist Professor Pinkwart als Wirtschaftsminister unterwegs.

Ich freue mich sehr, dass die Landesregierung in vielen Bereichen –NRW.MicroCrowd wurde gerade angesprochen, es sind aber auch Digital Hubs, „Exzellenz Start-up Center.NRW“, die STARTERCENTER – den jungen Sozialunternehmern und Sozialunternehmerinnen genau das an Beratungsleistung, an Unterstützung und auch an Kapital bietet, was sie brauchen.

Insofern geht der Geist Ihres Antrags in eine falsche Richtung. Wir werden ihn dennoch beraten. Wir freuen uns auf die Diskussion, weil jede Diskussion zu dem Thema „Wie kann unsere Gesellschaft durch Marktwirtschaft besser werden?“ richtig ist. Aber wir lehnen den Antrag in der hier gestellten Form ab. – Danke schön.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Danke schön, Herr Matheisen. – Jetzt spricht Herr Tritschler für die AfDFraktion.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Man sollte diesen Antrag der Grünen rahmen und ins Büro hängen – als mahnendes Beispiel dafür, was passiert, wenn eine Partei zu einem großen Teil aus Leuten besteht und überwiegend von Leuten gewählt wird, die am privatwirtschaftlichen Erwerbsleben noch nie teilgenommen haben und auch nicht teilnehmen, als mahnendes Beispiel dafür, wie eine ständig wachsende Klasse von Staatsprofiteuren auf die immer geringere Zahl von Leuten herabblickt, die etwas erwirtschaften und mit ihren Steuern dafür sorgen, dass Sie alle in einem schönen warmen Büro sitzen.

Die Grünen glauben, dass sie neue Geschlechter erfinden können. Die Grünen glauben, sie hätten Einfluss auf die Welttemperatur. Die Grünen glauben, man könnte Strom im Netz speichern. Jetzt geht es an die Unternehmer. Social Entrepreneurs sollen sie jetzt sein und nicht mehr nach so profanen Dingen wie Geld streben, sondern nach dem Guten, Reinen und Schönen oder wie es im Antrag heißt – ich zitiere –:

„Gleichzeitig implementieren die Unternehmen Steuerungs- und Kontrollmechanismen, die dazu beitragen sollen, dass das primäre Unterneh

mensziel der gesellschaftlichen Wirkung stets im Vordergrund steht und nicht durch ökonomische Ziele verdrängt wird.“

Keine ökonomischen Ziele – also keinen Gewinn! Unternehmen aber, die keinen Gewinn erzielen, verschwinden irgendwann von der Bildfläche. Sie können keine Menschen beschäftigen, sie bekommen keinen Kredit, sie können nichts kaufen – sie sind weg.

Das ist auch wichtig, denn damit signalisiert man ihnen in der Marktwirtschaft, dass für das, was sie anbieten, kein Bedarf besteht und dass die Ressourcen, die sie in ihrem Unternehmen binden, an anderer Stelle besser aufgehoben sind. Das klingt nicht so schön wie „Social Entrepreneurship“, aber es ist ein verdammt gutes System, und überall, wo man ihm folgt, sind die Menschen wohlhabender, gesünder, besser ernährt und glücklicher.

In einer normalen Welt würde man jetzt sagen: Na gut, macht eure Kuschelunternehmen auf. Ihr werdet ja sehen, was ihr davon habt.

Aber, und das ist auch wieder klassisch grün, Sie wollen ja nicht Ihr eigenes Geld in diese Unternehmen stecken, sondern Geld vom Steuerzahler, also von den Leuten, die richtige Unternehmen betreiben oder für sie arbeiten und dort Gewinn erwirtschaften, der Ihrer Meinung nach ja böse ist. Damit wollen Sie dann Ihre Pseudounternehmen füttern.

Natürlich entscheiden Sie alleine, wo das erbeutete Geld hinfließt und wo nicht – nicht mehr der Markt, nicht mehr die Marktteilnehmer und damit auch nicht mehr die Bürger.

Was werden die Leute wohl machen, diese Social Entrepreneurs, die Sie so alimentieren? Für wen werden die sich interessieren: für ihre Kunden oder für ihre Gönner hier im Parlament? Ganz klar, die werden grün wählen, die werden grün spenden, und schon haben Sie wieder einen neuen Korruptionssumpf angelegt, in dem Sie sich suhlen können, wie das im Energie-, im Sozial- und im Bildungsbereich heute schon der Fall ist.

Das ist alles nicht neu. Das ist die 2.0-Version eines tausendfach gescheiterten Systems der Planwirtschaft. Egal, wo es sie gab, sie hat die Menschen immer ärmer, kränker, hungriger und unfreier gemacht.

In der Welt, wie sie sein sollte, wäre ein solches System für alle Zeiten diskreditiert. Niemand würde so einen tausendfach widerlegten Käse mehr kaufen. Aber Sie haben vorgesorgt. Seit Jahrzehnten okkupieren Sie unser Bildungswesen, pflanzen genau so etwas in die Köpfe unserer Kinder und erziehen sie zu ökonomischen Analphabeten, die dann wieder glauben, dass Planwirtschaft funktioniert.

Die Debatte hat mich dahingehend nicht überrascht, außer, dass die CDU das jetzt offensichtlich auch toll

findet. Wir jedenfalls lehnen den Antrag ab, der die Axt an die Grundlagen unseres Wohlstands und jeden Fortschritts legt. Wir können darüber aber natürlich gerne im Ausschuss diskutieren. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Vielen Dank. – Das war Herr Abgeordneter Tritschler. Als nächster Redner hat Herr Minister Professor Dr. Pinkwart für die Landesregierung das Wort.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst mal mit Blick auf Ihren Beitrag, Herr Tritschler, etwas sagen, da ich mich mit dem Thema auch wissenschaftlich beschäftigt habe. Social Entrepreneurship ist nicht so definiert, wie Sie das hier vorgetragen haben.

Es geht darum, dass soziale Aufgaben von solchen Unternehmen mit gelöst werden, dies aber nach betriebswirtschaftlichen Kriterien. Gewinnerzielung

steht nicht im Mittelpunkt, ist aber durchaus Teil des Verständnisses. Eine leistungsorientierte Vergütung des Entrepreneurs ist auch Teil des Verständnisses von Social Entrepreneurship, ebenso wie der Verzicht – so weit es eben geht – auf öffentliche Subventionen. Insofern ist Ihre Definition jedenfalls fachlich nicht abgesichert. Ich rede hier so über Social Entrepreneurship, wie der Begriff fachlich verwendet und von uns in Nordrhein-Westfalen auch nachdrücklich unterstützt wird.

Daher haben wir in Nordrhein-Westfalen das Thema „Social Entrepreneurship“ zum Teil in unsere Initiative „Neue Gründerzeit NRW“ längst implementiert und die Förderung von umweltbezogenen und sozialen Aspekten im Gründungsgeschehen mit einem besonderen Schwerpunkt versehen.

Für uns gehört aber auch das Thema „Wirtschaft und Verantwortung“ zum sozialen Unternehmertum, denn wir bewegen uns in der sozialen Marktwirtschaft. Die Digitalisierung hat natürlich auch ganz wichtige Rückwirkungen auf das Innovationsgeschehen und auf die Frage nach Verantwortung digitaler Prozesse und digitaler Geschäftsmodelle. Deswegen haben wir seit Januar 2020 das bundesweit erste Landeszentrum für Wirtschaft und digitale Verantwortung ins Leben gerufen, das CSR.digital.

Dadurch werden Unternehmen auf ihrem Weg zu nachhaltiger Wettbewerbsfähigkeit unterstützt. Das Zentrum ist ein mit EU-Mitteln gefördertes Projekt zwischen dem Wuppertaler Collaborating Centre on Sustainable Consumption and Production, der Industrie- und Handelskammer in Nordrhein-Westfalen und dem Lehrstuhl für Controlling und Accounting an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.