Protocol of the Session on November 4, 2015

Antrag der Fraktion der PIRATEN Drucksache 16/10062

Zunächst gibt es dazu eine Aussprache und danach eine direkte Abstimmung; darauf haben sich die Fraktionen verständigt.

Ich eröffne die Aussprache und erteile Frau Kollegin Brand für die Piratenfraktion das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Zuschauer! Helfer helfen – wie schön! Auch wir haben heute die Gelegenheit dazu. An dieser Stelle geht mein ausdrücklicher Dank an alle Helfer, die dort draußen Unglaubliches leisten, und auch an diejenigen, die jetzt zu unserer Helferkonferenz gekommen sind und sich miteinander ausgetauscht haben.

(Beifall von den PIRATEN)

Oftmals werden Lösungen einfach von oben aufgeflanscht, ohne die wirklichen Bedarfe der Akteure zu berücksichtigen. Es gibt zum Beispiel die Seite „ichhelfe.nrw“. Diese ist gut, und ich will sie auch nicht schlechtmachen. Dort wird schon vieles von dem umgesetzt, was gewünscht ist. Aber der Austausch, nach dem die Helfer fast schreien, ist dort nicht möglich.

Unsere Maxime bei der Lösung von Problemen ist, dass wir mit den Leuten reden und nicht über sie. Deshalb haben wir diese besagte Helferkonferenz veranstaltet und diese ganz bewusst offen gestaltet, anders als die handverlesene Veranstaltung, die zwei Tage später hier im Landtag nach schriftlicher Einladung stattfand. Die Teilnehmer waren uns richtig dankbar für das Forum und die Möglichkeit, sich untereinander über Probleme und mögliche Lösungen auszutauschen.

Was ist das Ergebnis der Konferenz? – Es fehlen Regionalkonferenzen zum Austausch der Helferinnen und Helfer. Es fehlen Informationen zu aktuellen Entwicklungen, rechtlichen Bedingungen und neuen Errungenschaften in der Flüchtlingsaufnahme in NRW, die man zum Beispiel in Form eines Newsletters präsentieren könnte.

Der Flüchtlingsrat, dem ich hier auch ausdrücklich meinen Dank aussprechen möchte – was dieser leistet, ist fast unglaublich –, ist dringend mit genügend Ressourcen auszustatten, um künftig unter anderem ein moderiertes Flüchtlingsforum zu implementieren und zu betreuen.

Projekte in den Kommunen, die Modelle von Self Empowerment entwickeln und durchführen, sollen finanziell gefördert werden. Es soll also Hilfe für Flüchtlinge geben, die somit wiederum anderen Flüchtlingen helfen können. Außerdem muss endlich das angekündigte überregionale Beschwerdemanagement implementiert werden.

Am allerwichtigsten sind aber – das war die durchgängige Meinung – die hauptamtlichen Koordinierungsstellen auf Landes- und kommunaler Ebene. Das Schöne ist: Ich kann Ihnen versichern, dass die Kommunen bei diesen Forderungen der Helfer eins zu eins auf unserer Seite sind. Das haben sie mir erst vor kurzer Zeit persönlich versichert.

Unser Antrag hilft den Helfern unmittelbar und ist leicht umzusetzen. Man muss aber vielleicht auch einmal ein paar Schritte weiterdenken. So fordert aktuell das Deutsche Rote Kreuz eine Freistellung der Helfer, wie zum Beispiel bei der Feuerwehr. In dieser Hinsicht stände einmal ein Gespräch mit den Arbeitgeberverbänden an. Man sollte vielleicht auch einmal über die Anrechnung von Rentenpunkten für ehrenamtliche Helfer nachdenken. Rentenpunkte sind keine finanzielle Unterstützung. Das wäre eine Konterkarierung des Ehrenamts. Dennoch wird damit eine Wertschätzung ausgedrückt. Bis zum Renteneintritt sind die Flüchtlinge integriert und zahlen

in die Rentenkasse ein. Es ist also eine Win-winSituation.

Aber das ist nur ein möglicher Ausblick. Heute haben wir die Gelegenheit, die helfenden Menschen mit einfachen Maßnahmen schnell und effektiv zu unterstützen. Das sollten wir nicht versäumen. Deshalb bitte ich Sie, unseren Antrag zu unterstützen. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Frau Brand. – Als nächster Redner spricht Herr Kollege Yetim für die SPD-Fraktion.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegin Brand, ich möchte kurz zwei Punkte aufgreifen. Nicht nur Sie, sondern auch wir reden mit den Leuten, und ich glaube, fast jeder Abgeordnete hier redet vor Ort mit den ehrenamtlichen Helfern. Auch wir von der SPDFraktion haben hier vor Ort vor einigen Tagen eine große Veranstaltung mit über 400 ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern organisiert und haben uns angehört, wo es drückt.

(Frank Herrmann [PIRATEN]: Handverlesen war das, oder?)

Allerdings bin ich mir sicher – und das ging auch aus den Wortbeiträgen hervor, die es in den letzten Wochen und Monaten zu diesem Thema gab –, dass viele Abgeordnete mit den ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern, aber auch mit den hauptamtlichen Akteuren vor Ort im Gespräch sind und ganz genau wissen, wo der Schuh drückt.

Einen weiteren Punkt möchte ich direkt am Anfang aufgreifen, nämlich die Internetplattform „ichhelfe.jetzt“. Das ist ein Baustein. Ich weiß, dass in den Kommunen vor Ort ganz viele Internetplattformen in Arbeit oder auch schon umgesetzt sind. Deswegen ist es viel wichtiger, dass es diese Angebote vor Ort gibt, die übrigens von vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern und auch von vielen Organisationen vor Ort geschaffen werden. Dort findet, wie ich beobachte, eine sehr gute Vernetzung statt.

Zu Ihrem Antrag! Ganz wichtig an diesem Antrag – das kann man gar nicht oft genug sagen – sind der Dank an die und die Anerkennung des Engagements der haupt- und ehrenamtlichen Akteure in der Flüchtlingsarbeit. Man kann auch ganz offen und ehrlich sagen, dass wir es als Land sowie als Kommunen ohne dieses Engagement überhaupt nicht schaffen würden, die notwendige Hilfe zu leisten. Deshalb möchte ich meinen ganz herzlichen Dank an alle ehrenamtlichen, aber auch hauptamtlichen Akteure in den Kommunen richten; schon Frau Ministerpräsidentin Kraft und viele andere haben diesen Dank in den letzten Sitzungen hier ausgesprochen.

Ich glaube, dass diese Menschen, die vor Ort aktiv sind, genau das Bild von Deutschland sind, das wir vermitteln sollten – und nicht diese PEGIDAS und diese ganzen anderen Rechten, die da unterwegs sind. Das wünsche ich mir. Denn das ist gelebte Willkommenskultur. Das sollte das Bild sein, das wir als Deutschland und als Nordrhein-Westfalen ausstrahlen.

Der Piratenantrag, liebe Kolleginnen und Kollegen, greift mehrfach das angebliche Organisationsversagen der staatlichen Behörden auf. Frau Brand, ich will das noch einmal ganz deutlich sagen – wir hatten das Thema „Wortwahl“ ja schon vorhin in der Aktuellen Stunde –: Die Behauptung und Wortwahl, es gäbe ein „Organisationsversagen“ ist angesichts all der Anstrengungen, die ich von ministerieller Seite, vonseiten der Mitarbeiter der Ministerien, der Bezirksregierungen, aber auch der Menschen, die in den Kommunen arbeiten, wahrnehme, ein Baustein von dem, was Sie ja immer wieder kritisieren, dass wir nämlich über die Wortwahl den Rechten Zulauf bringen. Das sind nicht nur die Transitzonen. Das ist auch das, womit dann transportiert wird: Die staatlichen Ebenen schaffen das nicht, und deswegen müssen wir das selbst in die Hand nehmen.

Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn wir auch das vermeiden würden. Denn ich stelle kein Organisationsversagen fest, sondern ich stelle fest, dass es eine unglaubliche Herausforderung gibt. Aber die kann man bewältigen. Ich bin sicher, die werden wir auch bewältigen.

Die Landesregierung arbeitet mit einem sehr, sehr großen Einsatz daran. Wenn man sich die Zahlen, die wir ja gerade auch noch einmal gehört haben, noch einmal vor Augen führt – es gibt Tage, an denen über 3.000 Menschen zu uns kommen –, dann stellen Sie fest, wie wichtig das ist. Die Maßnahmen der Landesregierung, die wir umsetzen wollen, wird, glaube ich, auch der Minister gleich noch einmal vorstellen.

Aber ich will zum Thema „Ehrenamt“ noch einmal sagen: Wir werden in den Bezirksregierungen fast 380 Stellen schaffen, die insbesondere zur Unterstützung der ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer gedacht sind. Von daher meine ich nicht, dass wir da einen Nachholbedarf haben. Zwei Maßnahmen der Landesregierung kennen Sie, Frau Brand. Das sind unser Förderprogramm „Ehrenamt in der Flüchtlingshilfe“ und das Förderprogramm „Zusammenkommen und Verstehen“.

Zu Ihren Forderungen bezüglich des Handlungskonzepts für die ehrenamtliche Flüchtlingshilfe in Nordrhein-Westfalen: Wir arbeiten daran. Die Landesregierung arbeitet daran. Das Programm „Komm An“ wird gerade bearbeitet. Ich glaube, dazu wird der Minister auch noch etwas sagen.

Hauptamtliche Koordinierungsstelle! Ja, das ist alles wichtig. Aber wir haben erst vor Kurzem Kommuna

le Integrationszentren eingerichtet. Ich glaube, die sind viel wichtiger; denn vor Ort muss das stattfinden. Eine Koordinierungsstelle hier beim Land sehe ich als nicht so vordringlich an. Vor Ort muss das passieren, und viele Kommunen tun das ja auch. Deswegen sollten wir lieber darüber nachdenken, wie wir das in den Kommunen unterstützen können.

Self-Empowerment-Modelle zu fördern, finde ich grundsätzlich begrüßenswert. Aber im Vordergrund steht, dass sich die ankommenden Menschen zurechtfinden müssen und wissen, was sie tun können. Wenn sie das abgeschlossen haben, wäre der nächste Schritt, auch anderen zu helfen. Aber erst einmal müssen wir den Menschen helfen.

Überregionales Beschwerdemanagement! Herr

Herrmann kann Ihnen dazu sicher etwas sagen. Er ist ja auch Mitglied des Innenausschusses. Auch das ist schon längst in Arbeit.

(Frank Herrmann [PIRATEN]: Seit einem Jahr passiert nichts!)

Deswegen hat sich dieser Antrag, glaube ich, überholt, Frau Brand. Deswegen werden wir den auch ablehnen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Yetim. – Nun spricht für die CDU-Fraktion Frau Güler.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Kollege Yetim, meines Erachtens reicht es nicht aus, hier zu sagen: Ja, all das, was im Antrag steht, mag ja richtig sein, aber im Austausch mit den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort würde eigentlich jeder wissen, wie die Situation vor Ort ist, und im persönlichen Gespräch könnte man das eine oder andere klären. – Ich verkürze das jetzt mal,

(Ibrahim Yetim [SPD]: Sehr verkürzt!)

aber das war schon der Inhalt Ihrer Aussage.

Das ist einerseits sicherlich richtig. Aber wenn Sie sich andererseits wirklich, wie Sie hier behaupten, mit den Menschen vor Ort austauschen, dann werden Ihnen diese Menschen – genauso wie sie es Frau Brand oder mir gegenüber tun – auch sagen, dass sie sich mit ihrer Hilfe einfach oft alleine gelassen fühlen. Dann zu sagen, „Wenn du helfen möchtest, dann geh doch da hin, dann klopf mal an die Tür, du könntest dieses und jenes tun“, hilft dann manchmal einfach nicht. Dass man ihnen stärker das Gefühl gibt, dass man sie unterstützt, dass man ihnen hilft, und vonseiten der Landesregierung hier auch ein Zeichen setzt, finde ich richtig.

Ich begrüße den Antrag deshalb sehr. Ich möchte mich dafür auch bedanken, weil vieles enthalten ist, was richtig ist, vor allem die Erwähnung, dass ein

trockenes Dankeschön – so richtig das Ganze ist – oft nicht ausreichend ist.

Neue Konzepte zur Förderung der Ehrenamtlichen sind das, was wir jetzt in der Tat brauchen. Denn die gegenwärtige Zuwanderung von Flüchtlingen nach Europa stellt uns alle vor große Herausforderungen, ob die staatlichen Institutionen oder die Gesamtgesellschaft.

Deutschland und unser Bundesland stellen sich ihrer humanitären Verantwortung. Natürlich sind wir bereit, den vor Krieg und politischer Verfolgung geflohenen Menschen zu helfen.

Auch ich möchte es an dieser Stelle nicht versäumen, mich bei den vielen freiwilligen Helferinnen und Helfern zu bedanken, die durch ihr wirklich großartiges Engagement die Unterbringung der vielen Flüchtlinge erst möglich gemacht haben. Herr Yetim hat es gerade auch angesprochen, dass das ohne ihre Hilfe oft gar nicht möglich wäre.

(Beifall von Dr. Joachim Stamp [FDP])

Sie helfen bei der Essensausgabe, organisieren Kleidung und Spielzeug oder vermitteln die ersten Deutschkenntnisse.

Es berührt uns alle, dass es ein Engagement über alle Altersgruppen gibt – ob Schülerinnen und Schüler, die nach ihrem Unterricht helfen, Studierende, Hausfrauen und Rentner, die genauso anpacken wie Berufstätige.

Damit fangen die vielen Helferinnen und Helfer auch die Versäumnisse der Landesregierung auf. Die CDU-Fraktion fordert schon seit Langem ein Gesamtkonzept, und zwar nicht nur, was die Unterbringung der Flüchtlinge betrifft. Denn es kann nicht sein, dass Kommunen per Amtshilfe zur Errichtung von Notunterkünften verpflichtet werden. Das kann auf Dauer keine Lösung sein, verehrte Kolleginnen und Kollegen. Kommunen müssen finanziell und in der Organisation der Flüchtlingsunterbringung entlastet werden.

(Zuruf von Martin-Sebastian Abel [GRÜNE])

Sie müssen auch mal lernen, zuzuhören. – Anderenfalls sorgt die Landesregierung nur für Unmut und Enttäuschung vor allem bei denjenigen, die mit großem Eifer in den Flüchtlingsunterkünften ihre Hilfe anbieten.