Zwar werden die bestehenden Probleme im Antrag noch erwähnt, aber zur Verbesserung der Lage der Betroffenen wird nichts Konkretes geboten. Merkwürdig unbestimmt steht im Antrag, dass die schulische Förderung sichergestellt werden muss, wenn die Arbeitsagentur Rehamaßnahmen an einem Berufsbildungswerk fördert.
Danke schön, Frau Kollegin. – Sie als Piraten sind ja auch im Petitionsausschuss vertreten. Daher müsste Ihnen doch bekannt sein, dass bei den Petitionen entsprechende Übergangs- und Altfallregelungen getroffen worden sind und für die Schülerinnen und Schülern sehr wohl Abhilfe geschaffen wurde. Das Behalten der Schulpflicht hat sich auf das folgende Schuljahr bezogen. Das heißt: Die Darstellung, die Sie hier prä
sentiert haben, ist einfach falsch, obwohl Sie es eigentlich besser wissen müssten. Stimmen Sie dem zu?
Nein, dem stimme ich nicht zu. Meines Wissens sieht es so aus, dass die Schüler zwar bleiben können, aber die entsprechenden Lehrerstellen für diese Schüler gehen nicht an diese Schulen.
Ich würde jetzt gern fortfahren. Lassen Sie mich einmal deutlicher werden. Es geht vornehmlich um die Altersgrenze für die Schulpflicht, die die Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs verhindert. Es geht darum, auszuschließen, dass eine Rehamaßnahme an einem Berufsbildungswerk infrage gestellt wird wegen realitätsferner Regelungen zum schulischen Teil der dualen Ausbildung. Die Agentur für Arbeit bezahlt die Ausbildung in den Berufsbildungswerken. Hier geht es letztlich nur um die Beschulung dieser jungen Menschen. Wir sprechen dabei von einer sehr kleinen Anzahl von Lehrerstellen.
Meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, ich hatte es heute Morgen schon gesagt: Ich verstehe einfach nicht, warum Sie sich mit diesem Antrag auf eine solch vage Sache einlassen. Sie hatten doch so einen guten Antrag. Dieser neue Antrag sagt konkret gar nicht aus, wie es weitergehen soll, wie sichergestellt wird, dass diese Schüler an dem Berufskolleg bleiben können. Was zum Beispiel passiert mit den Schülern, die nächstes Jahr neu dazukommen? Auch dazu erfahren wir nichts.
Ich frage mich, was Folgendes bedeuten soll: „Aus den Erfahrungen der Förderberufskollegs erwachsen wichtige Impulse für den Inklusionsprozess in der beruflichen Bildung.“
Da stimme ich Ihnen zu, liebe Kollegin Gebauer. Steckt dahinter vielleicht nicht doch die schleichende Auflösung der Förderberufskollegs zugunsten von Bündelschulen und allgemeinen Berufskollegs? Das fände ich ausgesprochen bitter für viele betroffene junge Menschen hier in NRW.
Inklusion bedeutet, alle notwendigen Anstrengungen zu unternehmen, jungen Menschen ein selbstbestimmtes Leben und gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen. Der gemeinsame Unterricht ist kein Selbstzweck. Es gibt junge Menschen, die eine Unterstützung brauchen, wie sie nur ein Berufsbildungswerk mit angeschlossenem Förderberufskolleg leisten kann.
Ich habe so ein bisschen den Verdacht, dass es hier nicht darum geht, den jungen Menschen wirklich Hilfe zu geben, ihnen einen Weg zu ermöglichen, auf dem ersten Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Ein biss
chen habe ich den Verdacht, dass es hier auch um eine ideologische Debatte geht nach dem Motto „Das gemeinsame Lernen ist immer besser als anderes“. Und dem kann ich mich nicht anschließen. – Danke.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, in der Debatte gehen zwei Sachen durcheinander. Auf der einen Seite geht es darum, wie in Kenntnis einer schwierigen rechtlichen Lage und der genannten schul- und sozialpolitischen Rechtslage – das ist der Hintergrund der Petition – eine geordnete Begleitung – so will ich es einmal sagen – durchgeführt werden kann. Auf der anderen Seite geht es darum, hier im Landtag die Weichen dafür zu stellen und Eckpunkte in Bezug auf die Frage vorzugeben: Wie gestalten wir die Inklusion im Bereich der Berufskollegs? Diese beiden Dinge gehen hier durcheinander.
Der Antrag bringt – erfreulicherweise in breit getragenem Konsens – zum Ausdruck, dass zukunftsfeste Strukturen für junge Menschen gestaltet werden. Mit ihm sollen bildungsbiografische Brüche bei jungen Menschen verhindert werden, die besondere Unterstützung benötigen.
Ich glaube, es tut der Sache – sie ist schwierig und komplex – nicht gut, wenn jetzt hier Ängste geschürt werden, statt dass Angst genommen wird. Frau Pieper, ich finde, Sie werden Ihrem Slogan „Angst abbauen“ – den tragen Sie ja jetzt immer auf Ihrem Logo „German Angst“ – nicht gerecht, sondern sie schüren Angst. Auch die Verdächtigungen, Frau Pieper, tun der Sache nicht gut.
Der Antrag beschreibt Eckpunkte einer inklusiven Ausrichtung der Berufskollegs. Ich will es hier gerne einmal sagen: Die Inklusion ist, wenn wir die Berufskollegs in den Blick nehmen, noch komplexer als im Bereich der Grundschulen und der Sekundarstufe I. Das liegt schlicht und ergreifend daran, dass wir auf der einen Seite schulrechtliche Fragen und auf der anderen Seite viel stärker als im Bereich des allgemeinbildenden Schulwesens sozialpolitische Fragestellungen der Bundesgesetzgebung zu beachten haben. Das kommt hier zusammen. Frau Spanier-Oppermann, Frau Vogt und Frau Beer haben schon darauf hingewiesen, dass es sehr komplex ist, das angemessen zu berücksichtigen. Dafür gibt es auch noch keine Vorbilder in der Republik. Wir sind die Ersten, die sich dieser Herausforderung stellen.
Eine der Aufgaben besteht in einer Differenzierung zwischen jungen Menschen, die während ihrer Vollzeitschulpflicht im Förderschwerpunkt „Lern- und Entwicklungsstörungen“ oder in anderen Förderschwerpunkten sonderpädagogisch unterstützt werden. Berücksichtigt wird, dass für den Besuch eines allgemeinen Berufskollegs im Bereich Lern- und Entwicklungsstörungen die Feststellung eines Bedarfs an sonderpädagogischer Unterstützung schulfachlich nicht erforderlich ist. Konzeptionell und rechtlich wird zu klären sein, wie Schulpflichtigen ein entsprechender Status für den Besuch eines Förderberufskollegs zugeschrieben werden kann. Ansonsten bleibt es beim bisherigen AO-SFVerfahren.
An dieser Stelle begrüße ich ausdrücklich, dass der Antrag multiprofessionelle Teams als systemische Unterstützung bekräftigt.
Für das kommende Schuljahr – also 2015/16 – sind dafür bereits 200 Stellen im Haushalt 2015 vorgesehen. Die Sorge, dass das ein Sparprogramm ist, ist schon durch den Haushaltsplan, den Rot-Grün im Dezember verabschiedet hat, entkräftet worden, denn für diese multiprofessionellen Teams an Berufskollegs gibt es genau 200 Stellen. Die stehen den Berufskollegs ab Sommer für ihre engagierte Arbeit im Bereich der Inklusion, aber auch der Förderung von benachteiligten Jugendlichen zur Verfügung. Die haben sie dafür erhalten, und die sind ihnen zugewiesen.
Ja, es gibt Schnittstellen. In dem Fall gibt es aber nicht nur eine Schnittstelle, sondern auch eine Überschneidung. Wir setzen damit im Übrigen auch eine im Baethge-Gutachten enthaltene Forderung um, das wir ja vor zwei Jahren intensiv diskutiert haben. Ich rufe es gern noch einmal in Erinnerung: „Zu Situation und Perspektiven der Ausbildungsvorbereitung von Jugendlichen mit besonderem Förderbedarf in NRW“. Schon in diesem Gutachten war beschrieben, dass wir für dieses Ziel, Kinder und – in diesem Fall – Jugendliche in die Ausbildung gut vorbereitet zu entlassen, präventiv, also schon vorher, etwas tun müssen. Auch dafür sind diese 200 Stellen vorgesehen. Wir führen sie hier einer sehr guten Verwendung zu.
Ich möchte – Frau Spanier-Oppermann hat das am Anfang getan – damit schließen, den Dank an die Kolleginnen und Kollegen in den Berufskollegs auszusprechen, die mit dieser Zielgruppe arbeiten und ihr Bestes geben, damit diese jungen Menschen in Berufskollegs gut beschult werden. Denen möchte ich ausdrücklich danken. Ich bin wirklich froh, dass wir diese 200 Stellen hier als zusätzliche Unterstützung vorgesehen haben. – Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Frau Ministerin Löhrmann. – Damit sind wir am Ende der Debatte. Es liegen auch keine weiteren Wortmeldungen vor.
Wir kommen zur Abstimmung. Die antragstellenden Fraktionen von SPD, CDU und Bündnis 90/Die Grünen haben direkte Abstimmung beantragt. Wir kommen somit zur Abstimmung über den Inhalt des Antrags Drucksache 16/8984. Wer stimmt dem so zu? – SPD, CDU und Grüne. – Wer stimmt dagegen? – FDP. Und Piraten?
Wer stimmt dagegen? – FDP- und Piratenfraktion sind dagegen. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Also: Mit Zustimmung von SPD, CDU und Grünen bei Gegenstimmen von FDP und Piraten ist der Antrag Drucksache 16/8984 mit breiter Mehrheit angenommen.
Kollaps – Rot-Grün muss belastbares Konzept für die Zukunft des Strafvollzugs vorlegen und nicht willkürlich Haftplätze abbauen!
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Im Zuge der Haushaltsaufstellung und -beratung 2016 wird der Justizvollzug zur weiteren landesweiten Umsetzung von EPOS.NRW als Modellhaushalt dienen. Es bestand bei den Beratungen Einigkeit mit dem Ziel, bessere Steuerungsmöglichkeiten für das Parlament und mehr Transparenz für die Bürger zu erreichen. Diesem Ziel trägt die Landesregierung bisher leider nicht Rechnung.
Im Januar dieses Jahres ist das von Rot-Grün beschlossene Strafvollzugsgesetz Nordrhein-Westfalen in Kraft getreten. Dadurch haben erstmals Gefangene im geschlossenen Erwachsenenvollzug unseres Landes einen Rechtsanspruch auf Unterbringung in einem Einzelhaftraum. Bereits während des Gesetzgebungsverfahrens hat der Bund der Strafvollzugsbediensteten darauf aufmerksam gemacht, dass dieser Anspruch faktisch nicht erfüllt werden kann, weil es an der dafür notwendigen Haftraumkapazität fehle.
Die rot-grüne Landesregierung weigert sich bislang, dieses Problem überhaupt zur Kenntnis zu nehmen. Auf Nachfrage der CDU-Fraktion hat das nordrheinwestfälische Justizministerium dem Rechtsaus
schuss zu dieser Frage eine geschönte Bilanz präsentiert. In der Vorlage 16/2762 an den Rechtsausschuss äußert sich Minister Kutschaty mit keiner Silbe zu den vorhandenen Hafträumen, sondern stellt lediglich die Anzahl der Haftplätze dar.
Die dadurch zustande gekommenen Zahlen sind aber völlig unbrauchbar. Bei dieser Darstellung wird nämlich verschleiert, ob es sich um Einzel- oder um Gemeinschaftshaftplätze handelt. Den gesetzlichen Anspruch auf Einzelunterbringung – das ist eine Binsenweisheit – in einem Einzelhaftraum erfüllen aber ausschließlich Einzelhafträume.
Hinzu kommt, dass Minister Kutschaty in seiner Auflistung der Haftplätze auch noch Bereiche des offenen Vollzuges, des Jugendstrafvollzuges, der Sozialtherapie etc. hinzuaddiert. Diese Vollzugsarten haben mit dem Anspruch auf Einzelunterbringung im geschlossenen Erwachsenenstrafvollzug rein gar nichts zu tun. Sie dienen lediglich dazu, eine möglichst hohe Summe an Haftplätzen präsentieren zu können und damit den Eindruck einer Überkapazität zu suggerieren.
Fakt ist: Ausweislich des Managementinformationssystems der Justiz NRW ergibt sich zum Stand 23. März 2015 eine Unterdeckung von 715 Hafträumen im geschlossenen Erwachsenenstrafvollzug.
Hätten die Gefangenen Kenntnis von ihrem Anspruch auf Einzelunterbringung und würden sie diesen notfalls gerichtlich durchsetzen – der Strafvollzug in Nordrhein-Westfalen stünde schon morgen vor dem Kollaps.
Dass die Landesregierung vor diesem Hintergrund auch noch angekündigt hat, in den kommenden Jahren die JVA-Zweiganstalten in Coesfeld, Krefeld, Mönchengladbach und Dinslaken sowie die JVA Duisburg-Hamborn schließen zu wollen, ist unverantwortlich.
Wenn diese Pläne umgesetzt werden, würden etwa 150 weitere Hafträume wegfallen. Die bereits heute bestehende Unterdeckung würde sich folglich auf 865 Hafträume weiter erhöhen.
Meine Damen und Herren, insgesamt drängt sich der Verdacht auf, dass der NRW-Justizminister durch die Schließung schlichtweg Gelder einsparen will – Gelder, die zur Finanzierung personeller Mehrbedarfe benötigt werden, die das rot-grüne Strafvollzugsgesetz an anderen Stellen ausgelöst hat. Dies betrifft etwa die überaus personalintensive Neuregelung der Behandlungsuntersuchung, die Ausweitung der Vollzugsplanerstellung, die Pflicht zur Erstellung von Abschlussberichten für jeden Gefangenen oder die nachgehende Betreuung und natürlich die Aufnahme von Ex-Häftlingen auf freiwilliger Grundlage.
Der Bund der Strafvollzugsbediensteten hatte bereits im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens darauf hingewiesen, dass es sich bei diesen Vorschriften um „politisch bemühte“ Neuerungen handle, die an der Vollzugswirklichkeit völlig vorbeigingen und sich in der Praxis nicht realisieren lassen, weil der personelle und zeitliche Aufwand nicht leistbar ist. Ich verweise auf die Stellungnahme 16/1886, Seite 9.