Protocol of the Session on May 21, 2015

Liebe Freunde von Rot-Grün: Das ist bei diesem wichtigen Anliegen einfach zu dünn, zumal, wenn man sich der nicht ganz unberechtigten Hoffnung hingibt, dass zumindest die zuständigen Stellen über die Rechtslage informiert sein dürften. Nein, so geht es nicht. Während Sie und der Bund sich darüber streiten, wer nun zuständig ist, gucken die Kommunen und die Flüchtlinge – um die es hier ja geht – weiterhin in die Röhre.

Die FDP hat deswegen einen Entschließungsantrag gestellt – es ist gerade schon von Frau Maaßen erwähnt worden –, der die Landesregierung auffordert, all die schönen Maßnahmen, die Sie fordern, sofort umzusetzen, statt auf die Finanzierung über den Bund zu warten.

Die Flüchtlinge und die Kommunen haben keine Zeit, darauf zu warten, bis Sie sich endlich mit der Bundesregierung über die Kostenverteilung geeinigt haben. Die vielen Menschen, die zu uns kommen, dürfen nicht in unverschuldeter Untätigkeit gehalten werden.

Meine Damen und Herren, wir brauchen ein flächendeckendes Programm, um diese Menschen –

es wurde schon gesagt, dass nicht Arbeitskräfte, sondern Menschen zu uns kommen – ins Arbeitsleben zu integrieren.

Erich Kästner hat in seinem Gedicht „Moral“ gesagt: Es gibt nichts Gutes, außer: Man tut es. – Liebe Kolleginnen und Kollegen von Rot-Grün, bitte nicht nur über die Arbeitsmigration reden, sondern auch handeln. Das ist das Gebot der Stunde. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Alda. – Nun spricht Frau Brand für die Piratenfraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer, und – dank der Freifunkinitiative – auch ein Willkommen an die Geflohenen in den Unterkünften!

(Beifall von den PIRATEN)

Wir Piraten begrüßen ausdrücklich den Vorstoß, asylsuchenden und geflohenen Menschen den Zugang zum Arbeitsmarkt in Deutschland zu erleichtern. Arbeit und Ausbildung sind Schlüssel zur Integration – so lautet die Überschrift des Antrags von SPD und Grünen. In dem Antrag findet sich dazu allerdings nichts.

Es ist ja schon schlimm, dass die Grünen seit Kretschmann integrationspolitische Schildkröten sind. Dass die SPD ihnen aber auch noch Fußfesseln anlegt, ist die Höhe.

(Beifall von den PIRATEN – Zuruf von den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, schauen wir uns doch einmal an, was hier im Landtag in den letzten zwei Jahren so gelaufen ist. Dezember 2013, Antrag der Piraten: Abschaffung der Arbeitsverbote für Flüchtlinge. – Abgelehnt. Vorrangprüfung abschaffen. – Abgelehnt. November 2014, Antrag der Piraten: Kostenlose Deutschkurse für alle Flüchtlinge. – Abgelehnt. Haushalt 2015, Antrag der Piraten: Verdoppelung des Integrationshaushalts. – Abgelehnt. 25 Millionen € für Sprachkurse. – Abgelehnt.

Frau Velte würde sich, wenn sie jetzt da wäre, sicherlich an den 19. November 2014 erinnern. Da sagte sie, unsere Forderungen gingen nicht weit genug und man sollte – Zitat – „unseren Antrag zeitgemäß weiterentwickeln“. Nach Burbach und zwei Flüchtlingsgipfeln bleiben Sie heute mit diesen Forderungen weit hinter Ihren eigenen Ansprüchen und unseren Anträgen zurück.

(Beifall von den PIRATEN)

Wir würden uns freuen, wenn die grünen Schildkröten endlich die roten Fußfesseln ablegten und zu

mutiger, kreativer und aufrichtiger Integrationspolitik finden würden. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Frau Brand. – Nun spricht für die Landesregierung Herr Minister Kutschaty in Vertretung für Herrn Minister Guntram Schneider. Bitte schön, Herr Minister Kutschaty.

Vielen Dank. – Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Menschen, die jetzt zu uns kommen, sind in Nordrhein-Westfalen willkommen. Wir sind stolz darauf, dass Menschen aus allen Teilen der Welt zu uns ziehen, um hier zu leben, zu lernen und zu arbeiten. Nordrhein-Westfalen wird durch diese Einwanderung stärker; das hilft uns wirtschaftlich, das bereichert uns kulturell, das hilft uns auch demografisch. Es ist beruhigend zu wissen, dass nicht nur wir Alteingesessenen dieses Land mögen und ihm vertrauen, sondern auch die Einwanderinnen und Einwanderer.

Mehrere 100.000 sind in den letzten Jahren gekommen – ja, darunter auch viele Flüchtlinge und Asylbewerber. Es ist deprimierend, mit anzusehen, wie immer neue Kriege, Bürgerkriege, religiöse oder ethnische Verfolgungen Menschen dazu zwingen, ihre Heimat zu verlassen. Den Flüchtlingen und Asylbewerbern gehört deshalb unsere besondere Solidarität.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Sie haben keine Wahl. Sie suchen Schutz und sind auf Hilfe für sich und ihre Familien angewiesen.

So traurig ihr Schicksal ist, so großartig und mutmachend ist die Hilfsbereitschaft in der nordrheinwestfälischen Zivilgesellschaft, die den Flüchtlingen zur Seite steht und ihnen auf vielfältige Weise den Start in ein neues Leben erleichtert. Immer wieder, wenn in den zurückliegenden Monaten ein neues Flüchtlingsheim errichtet wurde, bildeten sich zum Glück mehr Bürgerinitiativen dafür und nicht etwa dagegen. So erleben wir auch – so hoffe ich – den Beginn eines Paradigmenwechsels in der Flüchtlingspolitik.

Wir nehmen auch mit Genugtuung zur Kenntnis, dass trotz der großen Herausforderungen, die vor uns liegen, ein breiter gesellschaftlicher Konsens darüber besteht, dass Flüchtlinge eine Bereicherung für unser Land sind. Dieser Konsens fußt auch auf dem Wissen, das die Potenziale der jungen und qualifizierungswilligen Flüchtlinge sehr wichtig für die Fachkräftesicherung in unserem Land sind. Denn viele Menschen, die aufgrund von Gefahr um Leib und Leben für sich und ihre Kinder aus ihrer Heimat zu uns geflüchtet sind, sind gut ausgebildet.

Bildung und Arbeit sind bedeutsame, ja sogar die wichtigsten Bausteine im Integrationsprozess. Aber dieser Integrationsprozess muss bereits mit Ankunft in Deutschland einsetzen. Viele gesetzliche Erleichterungen haben in den letzten Monaten für eine bessere Ausgangslage gesorgt. So dürfen Asylbewerber und Geduldete nunmehr schon nach drei Monaten arbeiten.

Doch insbesondere Asylbewerber und Geduldete, aber auch anerkannte Flüchtlinge benötigen weitere umfassende Unterstützung. Diese beginnt mit der Erlernung der deutschen Sprache. Gute Sprachkenntnisse sind zwingend erforderlich, damit Flüchtlinge Arbeit beim Handwerk, im Handel, im Gesundheitswesen oder in vielen anderen Bereichen finden können. Diese frühe Sprachförderung muss sehr rasch beginnen und flächendeckend zugänglich sein.

Das, meine Damen und Herren, ist zunächst vordringlichste Aufgabe des Bundes. Daher setzt sich die nordrhein-westfälische Landesregierung schon seit Langem intensiv dafür ein, dass der Bund hier seiner Verantwortung gerecht wird. Mit Nachdruck setzen wir uns dafür ein, dass Asylbewerbern und Geduldeten Zugang zu den Integrationskursen gewährleistet wird.

Gleiches gilt für alle Fragen der Ausbildung von geflüchteten oder geduldeten Menschen. Kein Arbeitgeber, meine Damen und Herren, nimmt einen Flüchtling zur Ausbildung auf, wenn er nicht sicher ist, dass der junge Mensch nach Beginn der Ausbildung nicht gleich abgeschoben wird. Darauf muss sich ein Ausbildungsbetrieb auch verlassen können. Deshalb muss es ein Bleiberecht für die Dauer der Ausbildung geben. Dafür setzen wir uns auch auf Bundesebene ein.

Auch müssen wir Flüchtlinge und geduldete Menschen umfassend über ihre Einstiegsmöglichkeiten beraten. Dafür ist aber Voraussetzung, dass diejenigen, die diese Aufgabe übernehmen müssen, dazu auch in der Lage sind. Deshalb unterstützt die Landesregierung die Forderung des Antrags, dass die zuständigen Stellen zügig und umfassend über die geänderten gesetzlichen Bestimmungen beim Zugang zum Arbeitsmarkt einschließlich der Nebenbestimmungen informiert werden und sie dann auch nutzen. Denn nur die, die gut informiert und geschult sind, können auch die zu uns geflüchteten Menschen gezielt und erfolgreich beraten.

Mit dem Projekt „Early Intervention Plus“ sind wir in Nordrhein-Westfalen auf einem, wie ich finde, guten Weg. Natürlich müssen wir da, wo nötig, auch die Arbeitgeber darüber aufklären, welche Chancen in der Ausbildung und Beschäftigung von Flüchtlingen liegen.

Es freut uns, dass wir da mit dem Handwerk und den Wirtschaftsverbänden auf einer Linie sind. Aber auch die Arbeitgeber vor Ort müssen erkennen,

dass Flüchtlinge Potenziale mitbringen, die ihrem Betrieb nutzen.

Viele Flüchtlinge, meine Damen und Herren, werden dauerhaft bei uns bleiben. Darin liegt eine Chance, wenn uns die Integration in Ausbildung und Arbeit rasch gelingt. Deshalb begrüßt die Landesregierung den vorliegenden Antrag ausdrücklich, weil er genau in die richtige Richtung zielt. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. – Für die SPD-Fraktion spricht als nächster Redner Herr Kollege Yetim.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei dieser wie auch bei der gestrigen Debatte verstehe ich überhaupt nicht, warum die Opposition einfach nicht zur Kenntnis nimmt, was wir eigentlich als Land NordrheinWestfalen schon alles leisten.

Ich will noch einmal auf einige Punkte eingehen: Wir haben, Herr Kerkhoff, im November letzten Jahres beschlossen, als Land Nordrhein-Westfalen 91 Millionen € unter anderem auch in Lehrerstellen zu investieren. Wir haben die Einrichtung von 300 Lehrerstellen beschlossen. Wir haben gestern im Nachtragshaushalt beschlossen, noch einmal 180 Millionen € auszugeben und fast 800 Lehrerinnen und Lehrer für die Bildung insbesondere im Flüchtlingsbereich einzustellen.

Frau Brand, das muss man auch an der Stelle einfach einmal zur Kenntnis nehmen, dass das Land Nordrhein-Westfalen sehr viel Verantwortung übernimmt und sich genau um diese Menschen kümmert.

Herr Kerkhoff – ich will das mal so deutlich sagen –, bei Ihrer Rede habe ich die übliche Rhetorik festgestellt: Abschottung. Sie reden über Aufnahmefähigkeit dieser Gesellschaft.

(Zuruf von der CDU)

Worüber reden wir denn? Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat gesagt: Wir werden in diesem Jahr ca. 450.000 Asylbewerber in Deutschland haben. – Die Menschen kommen in die Bundesrepublik Deutschland. An der Stelle wird sehr deutlich, wer eigentlich zuerst in der Verantwortung ist. Die Menschen kommen nicht nach Duisburg, nach Solingen, nach Wuppertal, sondern in die Bundesrepublik Deutschland und brauchen unsere Unterstützung.

Als Erstes müssen sie unsere Sprache lernen. Wir alle sagen immer: Sprache ist der Schlüssel. Ich will deutlich sagen, wenn sie die Sprache nicht erlernen, können sie keine Ausbildung oder Umschulung machen und keine Arbeit aufnehmen. Deswegen ist es

so wichtig, dass der Bund – denn die Menschen kommen nach Deutschland – seiner Verantwortung gerecht wird und die erforderlichen Sprachkurse finanziert. Deswegen ist es auch richtig, noch einmal ganz deutlich zu formulieren und zu fordern, dass die Bundesrepublik Deutschland endlich diese Sprach- und Integrationskurse finanziert. Darum geht es.

Ich hatte gestern, Herr Kerkhoff, weil Sie auch das Thema Wirtschaft angesprochen haben, ein Gespräch mit dem Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Duisburg. Mit ihm habe ich ein Projekt angestoßen, bei dem uns das Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales wunderbar unterstützt hat. Mit dem Projekt geben wir 15 Flüchtlingen die Chance, erstens an einem Sprachkurs teilzunehmen und zweitens an einer Umschulung – genau für die Bereiche, die die Handwerkerschaft braucht: Anlagenmechaniker, Elektroniker usw.

Gestern hatte ich mit diesem Geschäftsführer nun ein Gespräch über ein Projekt, mit dem er 120 Flüchtlingen die Chance auf eine Umschulung geben will. Aber zunächst einmal brauchen sie einen Sprachkurs.

(Zuruf von Ilka von Boeselager [CDU])

An der Stelle hapert es. Wer finanziert diesen Sprachkurs? Wenn sie den Sprachkurs haben, können sie in eine Umschulung gehen. Er braucht Altenpfleger, Elektroniker, Sanitär- und Anlagenmechaniker für seine Betriebe. Da ist es völlig egal, in welcher Region in Nordrhein-Westfalen, denn auch diese Menschen sind beweglich.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Sie gehen dahin, wo sie Arbeit finden. Deswegen kann ich nicht verstehen, warum Sie an dieser Stelle wieder diese Abschottungspolitik fahren wollen und erst mal fragen: In welchen Regionen brauchen wir bestimmte Berufe? – Wir sagen es immer wieder: Man muss sich bewegen und dahin gehen, wo die Arbeit ist. Das können Flüchtlinge genauso wie wir.