Protocol of the Session on May 21, 2015

Insofern werden wir das natürlich bei uns im entsprechenden Ausschuss beraten. Ich will auch hoffen, dass wir das konstruktiv machen.

Am Ende meines Beitrages will ich Ihnen noch einmal ganz herzlich zu Ihrer ersten Rede gratulieren und hoffe auf einen guten Dialog in den kommenden Jahren bis 2017, wo wir uns zumindest einer Wahl stellen müssen. – Vielen Dank für Ihre Rede. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Hübner. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Abgeordneter Krüger.

Guten Morgen, meine Damen, meine Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Präsident! Frau Thönnissen, wo sitzen Sie eigentlich?

(Zuruf von der CDU)

Ah, jetzt sehe ich Sie. Danke. – Man soll ja etwas zurückhaltend sein, insbesondere wenn man die Rede einer Debütantin kommentiert. Ich kann aber die Verwunderung von Herrn Hübner auch nur teilen. Ich habe mich, als ich vorhin Ihren Beitrag gehört habe, allen Ernstes gefragt, zu welchem Punkt Sie eigentlich reden.

Sie haben als Beispiel die Verschuldung der Kommunen angeführt. Ohne Zweifel ist diese Verschuldung nicht gut. Oder anders formuliert: Sie ist besorgniserregend. Da gibt es Handlungsbedarf. Auch wir kennen in diesem Zusammenhang die entspre

chenden Mehraufwendungen, die im Laufe der Jahre – beispielsweise im Bereich der sozialen Aufwendungen – angewachsen sind. Ob Sie das aber mit einem Bürokratieabbaugesetz werden regeln können, bezweifle ich doch stark.

Es gibt aber etwas, das viel mehr gefragt ist und an dem man arbeiten sollte. Da sind Sie als Partei auch gefordert. Beispielsweise ist es in diesem Zusammenhang erforderlich, beim Gesetz zur Sicherung der Eingliederung von Behinderten – Bundesteilhabegesetz – tätig zu werden. Allein im Bereich der beiden Landschaftsverbände haben wir mittlerweile Aufwendungen in Höhe von insgesamt 4,5 Milliarden € pro Jahr. Wenn man sich die letzten fünf oder sechs Jahre ansieht, haben wir Kostenanstiege von 200 bis 250 Millionen € pro Jahr.

Ich nenne ein anderes Beispiel aus der Sozial- bzw. Flüchtlingspolitik, die Sie gerade auch angeführt haben: das Thema „Gesundheitskarte“.

Ich habe mir einmal vor Ort in Dortmund zeigen lassen, wie das ausgeht. Beim einzelnen Flüchtling, der akut erkrankt, wird erst einmal danach geschaut: Ist gerade ein Dolmetscher vor Ort? Dieser muss dann gerufen werden, marschiert dann sozusagen mit dem Flüchtling zur Sozialverwaltung, dann bekommen sie einen Berechtigungsschein, und erst dann ist man in der Lage, einen praktizierenden Arzt aufzusuchen. Das ist völlig überbürokratisiert. Was wir eigentlich brauchen, ist eine Gesundheitskarte.

(Beifall von Torsten Sommer [PIRATEN])

Wann kommt Bundesgesundheitsminister Gröhe damit rüber? – Es ist ein unhaltbarer Prozess mit der Konsequenz, dass die Kommunen versuchen, das sozusagen in Eigenregie zu regeln. In diesem Zusammenhang sind Sie eigentlich gefordert.

Zu den Kosten der Unterkunft: Es ist doch nicht hinnehmbar, dass bezogen auf die Frage, in welchem Umfang die Kommunen eine entsprechende Erstattung vom Bund erhalten, Baden-Württemberg zum Beispiel wesentlich besser gestellt ist als NordrheinWestfalen. Schauen wir uns die Kostenentwicklung an und vergleichen einmal den Kreis Unna. Dieser hatte in den letzten vier Jahren Kosten der Unterkunft in Höhe von mehr als 300 Millionen €, aber auch Kosten im Bereich ambulanter und stationärer Pflege – im Gegensatz zum Kreis Gütersloh.

Da sehen wird, wo wir anpacken müssen. Insofern möchte ich meine Verwunderung darüber zum Ausdruck bringen, wie Sie dort eingestiegen sind bzw. mit welcher Argumentation Sie den hier vorgelegten Gesetzesentwurf zum Bürokratieabbaugesetz begründet haben.

Wir sind uns einig, Frau Thönnissen: Vermeidbare Bürokratiestandards führen zu entsprechenden Mehraufwendungen in den Kommunen, sind zudem den Betroffenen oftmals überhaupt nicht zu vermit

teln und führen auch nicht unbedingt zu einer verbesserten Aufgabenerledigung.

Wir haben gerade ein nettes Beispiel zum Thema „Flaggen“ gehört. In Dortmund werden auch Flaggen aufgehängt, unter anderem schwarz-gelbe. Dazu gibt es auch keine kommunale Satzung.

(Torsten Sommer [PIRATEN]: Am Samstag!)

Wenn Borussia Dortmund spielt, dann hängt die Flagge. Wenn gewonnen worden ist, bleibt sie oben, und wenn nicht, wird sie auf Halbmast gesetzt, und zwar ohne kommunale Satzung.

(Zuruf von Kai Abruszat [FDP])

Das ist auch kein Thema, das uns erst heute erreicht hat. Ich habe mir im Rahmen der Vorbereitung einmal angesehen, wann das diskutiert worden ist, und bin unter anderem im Zusammenhang mit diversen Initiativen fündig geworden, die dazu bereits im Jahr 2000 ergriffen worden sind. Selbst RotGrün hat für sich im Koalitionsvertrag an verschiedenen Punkten, beispielsweise zu Themen wie Mittelstandspolitik, Pflegewohngeld und Kulturförderung, den Anspruch erhoben, Bürokratie abzubauen.

Aber, Frau Thönnissen, Sie sollten auch zur Kenntnis nehmen, dass wir bereits jetzt diverse Regelungen haben. – Immer noch Schwarz-Gelb und die Fahne?

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Ja, klar!)

Aber am Samstag wird sie ganz oben hängen, und zwar über die gesamte Spielzeit und darüber hinaus, und dann feiern wir.

(Minister Ralf Jäger: Herr Kollege, am 30. Mai!)

Genau, dann treffen wir uns möglicherweise auf dem Borsigplatz. Die Straßen sind dann entsprechend abgesperrt. Das wir ein schöner Umzug werden, und wenn dann erst einmal das Berliner Spiel ansteht, haben wir noch einen Grund mehr zu feiern.

(Zuruf von der SPD)

Ich bin aber bei diversen Regelungen und beim Bürokratieabbaugesetz. Bereits jetzt finden regelmäßige Evaluationsverfahren und Dienstbesprechungen zwischen den Beteiligten statt. Selbstverständlich werden die Kommunen und die kommunalen Spitzenverbände bereits heute intensiv bei der Erarbeitung von Gesetzentwürfen, Verordnungen oder Erlassen eingebunden.

Darüber hinaus erinnere ich an das Konnexitätsausführungsgesetz, in das die kommunalen Spitzenverbände im Detail eingebunden werden. Es ist eine hervorragende Plattform zur Diskussion von Standards, und – Frau Thönnissen, das kann ich Ihnen sagen – dies wird auch regelmäßig genutzt.

Ferner haben wir in § 129 Gemeindeordnung bereits jetzt eine Experimentierklausel. Im Rahmen dieser kann das Innen- bzw. Kommunalministerium bereits jetzt zeitlich begrenzte Ausnahmen von organisatorischen Regelungen des Gesetzes und der dazu erlassenen Verordnungen zulassen. In welchem Umfang dies genutzt wird, ist eine andere Frage.

Wir wollen uns diesem Prozess überhaupt nicht verwehren. Wir gehen offen an dieses Thema heran und werden Ihre Initiative auch entsprechend aufgreifen. Darüber hinaus werden wir auch mit den Beteiligten, sprich der kommunalen Familie, erörtern, inwieweit Ihr Vorschlag, der im Wesentlichen nur den kommunalen Spitzenverbänden die Möglichkeit einräumen will, entsprechende Vorschläge zu erarbeiten, sachgerecht ist und weiterhilft.

Aber bezogen auf die chronische Finanznot der Kommunen wird der Gesetzentwurf nicht weiterhelfen. Da ist vielmehr der Bund gefordert, und da sind Sie als Partei gefordert. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Krüger. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Abruszat.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! In der Vorbereitung auf die heutige Debatte sind mir zwei Sätze eingefallen. Der eine stammt von Abraham Lincoln, der zur Bürokratie einmal erklärt hat:

„Ausführungsbestimmungen sind Erklärungen zu den Erklärungen, mit denen man eine Erklärung erklärt.“

Man könnte es als Zweites mit Otto von Bismarck viel einfacher sagen, der einmal treffend bemerkte:

„Die Bürokratie ist es, an der wir alle kranken.“

Ich finde, diese beiden wegweisenden Worte haben bisher mehr zur Debatte beigetragen als die Äußerungen meiner Vorredner. Denn das Thema „Bürokratieabbau“ stand nicht immer im Zentrum der bisherigen Debatte, und das finde ich sehr schade. Denn, meine Damen und Herren, die Forderungen nach Normenkontrolle und Bürokratieabbau sind zwar, wie auch die Zitate gezeigt haben, fast so alt wie die Verwaltungsstrukturen selbst, aber sie sind notwendig. Denn je dichter das Netz von Regulierungen wird, die unseren Lebensalltag strukturieren, desto lauter werden auch die Forderungen nach Einfachheit und Übersichtlichkeit.

(Zuruf von Michael Hübner [SPD])

Wir finden es seitens der FDP-Fraktion in der Tat paradox, dass wir auf der einen Seite zu Recht immer wieder über die hoffnungslos verschuldeten öffentlichen Haushalte sprechen und von Generatio

nengerechtigkeit reden, andererseits aber ständig immer neue Aufgaben und Pflichten kreieren, die wiederum hohe Folgekosten nach sich ziehen.

Deswegen ist es wichtig, wenn wir es mit der Konsolidierung unserer öffentlichen Haushalte ernst nehmen wollen, dass wir diesen Teufelskreis durchbrechen und das Thema „Bürokratie“ bzw. „Bürokratieabbau“ auch in das Zentrum der Landespolitik stellen. Das ist völlig richtig und wichtig.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Dass das Ganze nicht immer von Erfolg gekrönt ist, sieht man im Übrigen auch im Rahmen der kommunalen Familie selbst. Wir hatten in Berlin vor einigen Jahren eine Gemeindefinanzkommission, angesiedelt beim Bundesfinanzminister. Mit großen Erwartungen gestartet, hat man versucht, Punkte zu finden, bei denen man am Ende Bürokratie abbauen, Verwaltung verschlanken und Kosten einsparen kann.

Lang und breit ist über Standards diskutiert worden. Sie wissen, was dabei herausgekommen ist; die Quintessenz lautet im Prinzip: Alles bleibt, wie es ist. Es fehlt also am Ende auch an einer Mentalität, sich mit dem Thema „Bürokratieabbau“ entsprechend zu befassen.

Deswegen ist es gut und richtig, dass sich die Union mit ihrem heutigen Vorstoß dieses Themas annimmt und im Übrigen auch mit ihrem Verschlag die Initiative aus unserer gemeinsamen Regierungszeit aus der 14. Wahlperiode noch einmal aufgreift und reaktiviert.

Im Kern geht es um die Frage: Müssen bestimmte kommunale Aufgaben zwingend überall auf die gleiche Art und Weise erledigt werden? Ist es nicht sinnvoller, gemeinde-individuelle Lösungen zuzulassen, wenn der jeweilige Normenzweck trotzdem erfüllt werden kann? – Wir als Freie Demokraten sind jedenfalls davon überzeugt, dass das geht. Wir wollen nicht, dass hinter jeder noch so kleinen öffentlichen Aufgabe eine Armada von Gesetzen, Verordnungen, Erlassen lauert und die kommunale Selbstverwaltung durch Bürokratie so eingeschränkt wird, dass sie vielfach nur noch eine Worthülse ist.

Meine Damen und Herren, nun wollen wir aber auch nicht glauben, dass der Gesetzentwurf, der in der Tat die Revitalisierung der kommunalen Selbstverwaltung zum Gegenstand hat, ein großer Wurf ist, der am Ende alles löst. Das ist seitens der antragstellenden Fraktion sicherlich auch nicht so gemeint. Wir müssen vielmehr den Blick auch darauf lenken, dass vieles von dem, was unsere Kommunen bei der Art und Weise ihrer Leistungserbringung handlungsleitend strukturiert, bundesrechtlichen und auch europarechtlichen Vorgaben geschuldet ist. Der Aspekt der europarechtlichen und bundesrechtlichen Vorgaben führt eben auch zu einer überbordenden Bürokratie.