Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich versuche einmal, die Emotionen aus der Debatte herauszunehmen, und steige noch einmal in die Historie ein, wie Herr Tenhumberg es zuvor getan hat, Herr Hafke hingegen nicht so sehr. Ich sage das, weil Herr Laschet auch noch zugegen ist.
In der Tat hatte die Kindertagespflege vor 2005 eine andere Bedeutung als heute, weil es vor 2005 noch nicht das Tagesausbaubetreuungsgesetz gegeben hat, was die Kindertagespflege sozusagen mit der Betreuung in einer Kita gleichgestellt hat. Seit diesem Tagesbetreuungsausbaugesetz hat auch Herr Laschet dafür Sorge getragen, dass die Qualifizierung der Erzieher und Erzieherinnen, die in der Kindertagespflege arbeiten, sorgfältig durchgeführt wurde mit einem Stundenvolumen von 160 Stunden als Standard für Nordrhein-Westfalen.
Vereinbart worden ist seinerzeit auch, dass die Kindertagespflege im Bereich des U3-Ausbaus einen ganz besonderen Wert neben den Kitas bekommen soll. Genau so hat es die schwarz-gelbe Landesregierung dann umgesetzt, und die rot-grüne Landesregierung hat es weiterentwickelt.
Wir haben im Gegensatz zu dem, was Sie behaupten, Herr Hafke, keinen Rückgang bei dem Angebot der Kindertagespflege, sondern wir haben auch dort einen Aufwuchs, und zwar auch, nachdem wir das Zuzahlungsverbot in unser Gesetz in die zweite Revisionsstufe hineingeschrieben haben. Das sei hier nur einmal festgestellt. Das heißt, Sie malen hier ein Szenario, das in der Tat gar nicht existiert.
Wir wissen genau, dass Eltern im U3-Bereich sich sehr über ein Wahlangebot zwischen Kindertagespflege und Kita freuen, weil sie sich entscheiden wollen, ob sie ihr Kind in eine eher familienähnliche Situation geben oder in eine Kita. Diese Wahlmöglichkeit haben die Eltern, und sie nutzen sie auch.
Deswegen ist es nur richtig, dass wir dieses Zuzahlungsverbot in die zweite Revisionsstufe des KiBiz hineingeschrieben haben, denn dieses Zuzahlungsverbot ist im Sozialgesetzbuch VIII immanent hinterlegt. Die Rechtsprechung sagt auch, dass das der richtige Weg ist, den Nordrhein-Westfalen beschreitet. Wenn man nämlich Zuzahlungen machen würde, dann hätten die Eltern keine echte Wahlfreiheit. Das will ich hier einmal voranstellen.
Ich möchte als zweiten Punkt noch einmal darauf eingehen, dass Sie hier fordern, wir mögen in NRW eine einheitliche und leistungsgerechte Förderstruktur entwickeln. Darüber haben wir schon viel nachgedacht. Die Aufkündigung dieser einheitlichen leistungsgerechten Förderstruktur ist nämlich leider auch unter Schwarz-Gelb passiert, als den Kommunen ermöglicht wurde, im Bereich der Kitas die Gebühren nicht mehr nach sozialer Staffelung zu erheben, sondern es in der Weise zu machen, wie es ihnen in der Gebührentabelle gefällt, weil sich das Land aus einer Defizitfinanzierung zurückgezogen hatte. Die Kommunen hatten ein Finanzloch, das sie auf diese Weise stopfen sollten.
Sie wissen genau, dass die Rückkehr zu dem früheren System das Land in doppelter Weise belasten würde. Deswegen ist das nicht so ganz trivial. Insofern sind wir auch nach dem Auftrag, den uns die Fraktionen in diesem Landtag gegeben haben, in der Weiterentwicklung der Kindertagespflege auf einem sehr guten Weg.
Was wir auch nicht machen werden, und zwar auch nicht, wenn Sie es dreimal, viermal oder fünfmal fordern: Wir werden als Land nicht in die kommunale Selbstverwaltung der Jugendämter eingreifen.
Das können wir nicht, und das dürfen wir auch nicht, ob Ihnen das jetzt gefällt oder nicht. Auch wenn ich
Landtagsabgeordneter bin, habe ich nicht die Macht und die Möglichkeit, in jede Kommune hineinzuregieren. Das würde sich jeder Bürgermeister, jeder Oberbürgermeister und jeder Landrat stark verbitten, der für das Jugendamt zuständig ist. Das ist auch in Ordnung. Dafür ist unser System, Herr Hafke, hierarchisch gegliedert. Jede Ebene hat darin ihre Aufgabe. Wir erfüllen die Rahmenbedingungen, aber den Rahmen ausfüllen müssen die Kommunen auf kommunaler Ebene.
Ich finde im Gegensatz zu Ihnen, dass sie das auch sehr verantwortlich und sehr gut machen. Ich bin sehr dankbar dafür, dass unsere Kommunen in diesem Bereich so gut aufgestellt sind. Dass sie so gut aufgestellt sind, dafür bekommen sie vom Land die entsprechende finanzielle Unterstützung. Wir haben diesbezüglich in den letzten fünf Jahren sehr deutlich gemacht, dass wir hier in Nordrhein-Westfalen gut aufgestellt sind.
Im Gegensatz zu dem Szenario, das Herr Tenhumberg hier vorne immer so gern zelebriert, finde ich gar nicht, dass wir auf diesem Politikfeld schlecht dastehen. Ich glaube, dass gefällt Ihnen nicht ganz so gut. Insofern verstehe ich an dieser Stelle Ihre Erregung.
Ich hoffe aber, dass wir diese Debatte im Ausschuss entemotionalisieren und weiterführen können im Sinne der Kinder, im Sinne der Familien, im Sinne unserer Kommunen und im Sinne der frühkindlichen Politik für Nordrhein-Westfalen. – Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Frau Ministerin. – Meine Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Deshalb schließe ich die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 16/8651 an den Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend; die abschließende Abstimmung soll dort in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer ist für diese Überweisungsempfehlung? – Gibt es Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist die Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.
Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Fraktion der FDP Drucksache 16/8648
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Rednerin für die SPD-Fraktion Frau Kollegin Gebhard das Wort. Bitte, Frau Kollegin.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Werte Besucher! Bei diesem Tagesordnungspunkt erleben Sie eine völlig andere Diskussion als bei den voraufgegangenen. Es geschieht nämlich in der Tat nicht alle Tage, dass wir an dieser Stelle, so wie es der Sitzungspräsident schon angekündigt hat, einen Antrag behandeln, der nicht nur von den regierungstragenden Fraktionen, sondern auch von zwei Oppositionsfraktionen gemeinsam getragen wird und hier gemeinsam eingebracht wird ist. Das ist schon etwas Besonderes.
Daran kann man aber erkennen, dass es bei diesem Thema über alle parteipolitischen Unterschiede hinweg darum geht, nordrhein-westfälische Interessen nach außen zu vertreten. Es ist gut, dass wir uns dazu zusammenfinden. Nach dem Bericht unseres Finanzministers in der Sitzung des Haushalts- und Finanzausschusses am 16. April waren wir uns nämlich schnell einig, dass ein solches Signal nach außen sinnvoll und notwendig ist.
Es geht aus unserer Sicht um einen ungeheuerlichen Vorgang. Ein wie wir föderalistisch strukturiertes Land, nämlich Österreich, hat sich qua Gesetz seiner Haftungsverpflichtung gegenüber seinen Ländern – hier insbesondere gegenüber Kärnten – entledigt. Das heißt auf gut Deutsch: Österreich ist nicht bereit, für gegebene Bürgschaften seiner Länder zu haften.
Bei allem Verständnis, das wir als Haushälter für schwierige Haushaltslagen haben, auch in Österreich, gerade aufgrund der Hinterlassenschaft der Hypo Alpe Adria, rechtfertigt das noch lange nicht, eine Lösung zu suchen, die den gesamten Finanzplatz Europa diskreditiert. Dieses ist mehr als ein Spiel mit dem Feuer.
Wir als ebenfalls föderalistisch strukturiertes Land sind davon besonders betroffen. Wir wissen zwar, dass sich unser Föderalismus von dem in Österreich deutlich unterscheidet. Bei uns ist es ausgeschlossen, dass sich der Bund seiner Haftungsverpflichtung verschließt. Doch wir können nicht davon ausgehen, dass diese Kenntnis auf dem Finanzmarkt allgemein vorhanden ist. Föderale Strukturen sind nicht gerade weit verbreitet. Dann noch die Unterschiede zwischen den verschiedenen Systemen vor Augen zu haben, darf, glaube ich, nicht erwartet werden.
Gerade deshalb besteht auch die Gefahr, dass wir mit Österreich in einen Topf gesteckt werden und somit das Vertrauen in unseren bundesstaatlichen Haftungsverbund darunter leidet.
Wir haben uns aber außerdem auf diesen Antrag verständigt, weil wir von den Empfehlungen der BaFin irritiert sind. Würden wir ihnen Folge leisten
wollen, hieße das zum einen, das Vorgehen Österreichs hinzunehmen, und zum anderen hinzunehmen, dass dieses in einem Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission nicht sanktioniert würde.
Wir halten stattdessen eine klare Ansage an Österreich und die EU-Kommission für erforderlich und unterstützen sowohl unseren Landesfinanzminister als auch den Bundesfinanzminister darin nachdrücklich.
Österreich hat aus unserer Sicht die EU-Vorgabe zur Abwicklung der Banken nicht korrekt umgesetzt. Das Hypo-Alpe-Adria-Sondergesetz und das Moratorium der HETA, das einen sofortigen Stopp der Zahlung von Zinsen und Tilgung beinhaltet, entsprechen nicht der EU-Vorgabe zur Abwicklung von Banken. Das Hinausschleichen aus einem bundesstaatlichen Haftungsverbund gefährdet prinzipiell unser aller Kreditwürdigkeit. Ich bin froh, dass wir dieses hier und heute mit breiter Mehrheit auch so beschließen werden.
Zum Abschluss möchte ich mir noch einen Satz erlauben: Ich wünschte mir diese Gemeinsamkeit auch beim Thema Länderfinanzausgleich, bei dem es ebenfalls darum geht, nordrhein-westfälische Interessen in ihrer gesamten Breite und mit ganzer Kraft zu vertreten. Ich habe hier auch noch ein wenig Hoffnung, dass sich die Opposition ein Stück weit auf uns zubewegt. – Danke schön.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Gebhard hat eben vollkommen zu Recht darauf hingewiesen, dass es wahrlich nicht selbstverständlich ist, dass die regierungstragenden Fraktionen und die Mehrheit der Oppositionsfraktionen in finanzpolitischen Fragen hier im Hause einer Meinung sind. Bei diesem Tagesordnungspunkt ist das ausnahmsweise anders.
Hintergrund ist der einzigartige Vorgang um die Skandalbank Hypo Alpe Adria, deren Bad Bank, die HETA Asset Resolution, das österreichische Bundesland Kärnten und die österreichische Finanzmarktaufsicht.
Nachdem bei der HETA Asset Resolution eine milliardenschwere Kapitallücke zutage getreten ist, verhängte die österreichische Finanzmarktaufsicht Anfang März ein Moratorium über die bei der HETA verwalteten Schulden in Höhe von rund 10 Milliarden €. Dieses Moratorium sieht vor, dass die HETA bis zum 31.05.2016 keine Schulden aus fälligen Anleihen und Schuldverschreibungen bedienen muss. Darüber hinaus wurden die Bürgschaften des Bun
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die antragstellenden Fraktionen halten diese Vorgehensweise für äußerst fragwürdig und zweifeln an der Rechtmäßigkeit des staatlichen Handelns in Österreich.
Die Gründe für unser Zweifeln sind gewichtig und vielfältig. Die Europäische Kommission hat Informationen über die Vorgehensweise aus Wien angefordert, ob das Handeln der staatlichen Stellen mit europäischem Recht in Einklang steht.
Das Moratorium für die HETA beruht auf dem österreichischen Gesetz zur Sanierung und Abwicklung von Banken. Dieses wiederum stützt sich auf die EU-Richtlinie zur Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, BRRD. Diese Richtlinie regelt jedoch nur die Abwicklung von Banken, und die HETA als Bad Bank oder selbst auch als Abwicklungsinstitut ist keine Bank mehr, weil sie Ende 2014 ihre Bankkonzession verloren hat.
Insofern ist höchst zweifelhaft, ob sich die Republik Österreich auf die EU-Richtlinie überhaupt berufen kann. Die Chancen für ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich stehen von daher nicht schlecht.
Zweifelhaft ist darüber hinaus, ob das ausgesprochene Moratorium in Deutschland rechtliche Wirkung entfalten kann, denn viele Anleihen und damit die Verbindlichkeiten der HETA, insbesondere die Papiere, die bei der NRW.BANK in den Büchern stehen, unterliegen gemäß den Emissionsbedingungen ausschließlich deutschem Recht. Zudem wurde für Rechtstreitigkeiten ausdrücklich Frankfurt am Main als Gerichtsstand vereinbart.
NRW.BANK, durch die Einreichung einer Klage vor dem Landgericht Frankfurt eine rechtliche Klärung herbeizuführen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch die Frage, ob sich das österreichische Bundesland Kärnten so einfach aus der Verantwortung stehlen kann, ist mit großen Fragezeichen versehen. Das Land Kärnten hat seit der Gründung der Hypo Alpe Adria Bank über die Kärntner Landesholding als Ausfallbürge gehaftet. Diese Landeshaftung war die Grundlage für das gute Rating der Hypo Alpe Adria Bank International AG.
Die entsprechenden Haftungsbeschlüsse wurden von sämtlichen Parteien im Kärntner Landtag getragen und fielen einstimmig aus, wie der Bericht der unabhängigen Untersuchungskommission, der sogenannte Griss-Bericht aus Wien, aufzeigt. Diese Bürgschaften ermöglichten erst den risikoreichen Expansionskurs der Hypo Alpe Adria Bank in Süd
osteuropa. Könnten diese Bürgschaften des Landes Kärnten nun nachträglich einfach für ungültig erklärt werden, handelte es sich um einen schwerwiegenden Eingriff des Staates in bestehende Verträge. Das wäre in höchstem Maße rechtsstaatlich bedenklich und abzulehnen.