Meine Damen und Herren, ich muss auch immer über Berichte schmunzeln, in denen solche Leidensgenossinnen berichten, wie sie an den Rand der Erschöpfung geraten, und zwar durch Hürden, die sie sich meistens selbst setzen. Denn in keiner Generation vor uns hatten Frauen eine größere Auswahl an Möglichkeiten.
Natürlich stimmt es, dass der gesellschaftliche Wandel, der sich durch Frauen und bei Frauen vollzogen hat, nicht im gleichen Tempo im Kopf, im Herz und im Handeln der Männerwelt festzustellen ist. Aber, meine Damen und Herren, auch da liegt es doch an uns, etwas zu ändern.
Ich glaube, wir haben politisch einiges auf den Weg gebracht und haben auch die Rückmeldung, dass sich bei den jungen Männern langsam etwas tut.
Meine Damen und Herren, keine Müttergeneration vor uns hat mit Kindern einen ruhigen Job gehabt, aber vielleicht wusste man früher mehr über Kinder, und zwar instinktiv, in Form eines Erfahrungswissens, das durch Mütter, Großmütter und Geschwisterkinder weitergegeben wurde. Vielleicht wusste man, dass Kinder Dreck machen und oft auch unberechenbar und nicht planbar sind.
Liebe, Demut und Geduld empfahl Pestalozzi im 19. Jahrhundert den Eltern. Er hat nicht gesagt, dass das Haus auf Hochglanz poliert sein muss, der Chinesischkurs im dritten Lebensjahr zu beginnen hat und die Mutter für den Sieben-Tage-Stundenplan des Kindes zu sorgen hat.
Ich bin ausdrücklich dafür, dass Eltern verlässliche Hilfe bekommen, und in diesem Zusammenhang gibt es sicher noch Steigerungspotenzial. Übrigens sind die Helden der Republik, glaube ich, die Großeltern. Denn diese sorgen nach Forschungsberichten sehr häufig dafür, dass überhaupt das Ja zum Kind und zur Familie stattfinden kann.
Nennen wir das Kind doch beim Namen, meine Damen und Herren: Zu lange Ausbildungsgänge, zu häufig befristete Jobs und zu wenig Hilfe haben schon den Kinderwunsch ganzer Generationen in der Vergangenheit unerfüllt gelassen. Uns liegen Unterlagen aus jahrelangen Shell-Studien vor, in denen wir nachlesen können, dass der Kinderwunsch bei jungen Leuten ganz stark ausgeprägt ist, und in der Realisierung dieses Kinderwunsches halbieren sich dann die Zahlen.
Natürlich fragt man auch nach der Rolle der potenziellen Väter. Mehr akademische Männer als Frauen bleiben kinderlos. Den Begriff der Selbstverwirklichung gibt es hier aber nur in Bezug auf Mütter, die ihre Mutterrolle vielleicht nicht wahrnehmen wollen oder die nicht Mütter werden wollen, und auch nur in diesem Zusammenhang gibt es einen vorwurfsvollen Unterton.
Wir sollten die Menschen in diesem Bereich eher nicht belasten. Mit sehr häufigen Diskussionen tun wir aber gerade dies. Die vorwurfsvolle Grundhaltung gegenüber kinderlosen Paaren finde ich ganz schrecklich. Jede fünfte Ehe in Deutschland ist ungewollt kinderlos. Warum belasten wir diese jungen Leute mit diesem unausgesprochenen Vorwurf?
Auch das darf in dieser Debatte mal gesagt werden. Wir freuen uns natürlich über jedes Kind, das zur Welt kommt. Deshalb müssen wir die jungen Leute unterstützen. Also: Geben wir ihnen unbefristete gute Jobs! Erleichtern wir ihnen das Arbeitsleben mit Kindern! Bieten wir die kleinen Dienste an, die die Eltern brauchen! Erziehen wir auch unsere Jungen zu Menschen, denen die Arbeit im Haushalt vertraut ist! Das hilft auch schon einmal ein bisschen.
Meine Damen und Herren, der FDP-Antrag enthält nicht viel Falsches. Deshalb werden wir ihm zustimmen.
Wer dieses Thema aber ernsthaft behandeln will, meine Damen und Herren, der hätte diesen Antrag in den Ausschuss überweisen lassen können. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass wir trefflich über diesen Antrag hätten diskutieren können. Es wäre uns sicherlich das eine oder andere aufgefallen. Insbesondere hätten wir Familienforscher dazu vortragen lassen können. Diese Chance wollen Sie scheinbar nicht nutzen. Das finden wir eher schade. – Danke schön.
Vielen Dank, Frau Kollegin van Dinther. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Asch.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Aus diesem Antrag der FDP-Fraktion – man kann es nicht anders sagen – spricht ein durch und durch traditionelles Rollenverständnis. Hier wird die Elternrolle auf Mutterschaft reduziert. Wir haben uns in der Fraktion gefragt: Leben denn lauter Halbwaisen in Deutschland? Wo ist denn der Vater, wo ist die Vaterrolle? Davon ist in diesem Antrag kein Wort zu lesen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Erziehungsarbeit betrifft aber Mütter und Väter, betrifft Frauen und Männer. Dass in Deutschland – das ist ja richtig – Kinderziehung nach wie vor größtenteils Frauenaufgabe ist, dass nämlich meistens die Frauen teilweise zu Hause bleiben, das ist doch die politische Herausforderung, die wir anpacken müssen. Da reicht es nicht, Lob und schöne Worte den Müttern zu geben, sondern da müssen wir politische Maßnahmen ergreifen, um die Rahmenbedingungen für die Frauen, für die Mütter zu verbessern. Und davon ist in Ihrem Antrag nichts zu lesen.
Die Situation für Mütter hat sich leider auch durch das Elterngeld nicht verändert. Nur jeder dritte Vater nimmt in Deutschland überhaupt Elternzeit, und der größte Teil dieser Väter, nämlich 80 %, nimmt diese Elternzeit auch nur für zwei Monate. Insofern ist schon der Begriff der Zweimonatsväter geprägt worden. Und es ist leider auch nur ein Bruchteil aller Väter, nämlich 6 % – nur 6 % –, die anschließend in Teilzeit gehen, während ein Großteil der Mütter ausschließlich in Teilzeit beschäftigt ist. Nochmal: zu diesen Rahmenbedingungen in dem FDP-Antrag kein Wort!
Sie erwähnen auch mit keinem Satz, dass immer mehr Väter wünschen, ihrer Väterrolle mehr gerecht zu werden, ihnen aber durch ihre beruflichen Rahmenbedingungen Steine in den Weg gelegt werden, dass die berufliche Aufstiegsmöglichkeit gefährdet ist, wenn sie den Wunsch äußern, länger in Erziehungszeit und im Anschluss in Teilzeit gehen zu wollen. Das ist doch die Situation von vielen Vätern, dass ihnen das von den Arbeitgebern verwehrt wird.
Ich möchte nur am Rande erwähnen: Es gibt nicht nur die Doppelbelastung der Frauen durch die Mutterrolle; es gibt sie auch dadurch, dass immer noch die Verteilung bei der Hausarbeit so ist, dass 65 % der Paare angeben, dass Kochen, Putzen, Aufräumen nach wie vor Frauensache ist. Ich möchte hier keine Umfrage bei den Mitgliedern des Landtages durchführen; aber ich könnte mir vorstellen, dass das hier auch so aussieht.
Darauf allerdings mit dem Verweis auf den Muttertag, auf diesen einen Tag im Jahr und das, was dort geschieht – Wertschätzung, das Überreichen von Blumensträußen, Lob –, zu reagieren, während über den Rest des Jahres nichts von alledem zu merken ist: Das kann doch um Himmels willen keine politische Antwort sein, Frau Schneider.
Genau dieses Symbolische – mal eben loben, Wertschätzung geben, Blumensträuße überreichen – ist doch das Trostpflaster, das dafür sorgt, dass sich im Alltag der Frauen konkret nichts ändern muss.
Ich folge ganz gespannt Ihren Ausführungen. Ich frage mich jetzt: Haben Sie den Antrag gelesen? Wenn ja, dann haben Sie ihn nicht verstanden?
Es geht in diesem Antrag in keinster Weise darum, Mütter am Muttertag wertzuschätzen, sondern die FDP wünscht sich einfach, dass alle Lebensmodelle respektiert werden, für die sich die Mütter entscheiden, dass sie nicht in ein rot-grünes Rollenbild gezwängt werden. Wir wünschen uns Respekt für unsere Mütter. Sind Sie bereit, ihnen den das ganze Jahr über entgegenzubringen? – Danke schön.
Frau Kollegin Schneider, vielen Dank für die Frage. Ich kann Ihnen sagen, wir als Fraktion – nicht nur ich – haben diesen Antrag sehr intensiv gelesen. Ich habe ihn auch mitgebracht. Wir haben uns gewundert, weil wir in der Vergangenheit FDP-Frauenpolitik – ich habe mit Ina Albowitz in der Landschaftsversammlung zusammengearbeitet – etwas anders wahrgenommen haben.
Ich kann Ihnen einen Satz vorlesen, der genau für dieses traditionelle Rollenbild steht, das ich hier eben angeprangert habe. Er ist im zweiten Absatz zu finden: „Elternschaft hat … immer noch eine unterschiedliche Bedeutung für Mütter und für Väter.“ – Das ist rückwärtsgewandtes Rollenverständnis.
Ich frage Sie als FDP-Fraktion: Wo sind denn Ihre konkreten Vorschläge? Was wollen Sie tun, um dem Stress, um der Doppelbelastung, denen Frauen und Mütter ausgesetzt sind, tatsächlich zu begegnen? Davon findet sich nichts in Ihrem Antrag. Hier finden sich nur wohlfeile Worte und die Aufforderung zum Lob und für Blumen.
Wirkliche Wertschätzung für Mütter heißt: gerechte Aufteilung der Familienarbeit, ein starkes Netz an Betreuungseinrichtungen und gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Dann tun Sie etwas für die Frauen.
Genau das sind unsere rot-grünen Antworten. Das sind die Antworten, die wir hier in NordrheinWestfalen seit 2010 geben. Wir haben 50 % mehr Betreuungsplätze für die Ein- und Zweijährigen geschaffen. Wir haben die Platzzahlen um 82 % er
höht. Wir fördern das Netzwerk Wiedereinstieg in das Berufsleben, das Kompetenzzentrum „Frau und Beruf“, wir investieren in NRW in die Aktionsplattform „Familie und Beruf“.
Es muss aber noch weiter gehen. Wir müssen die Unternehmen auffordern – auch in ihrem eigenen Interesse im Übrigen –, familienfreundlicher zu denken. Auch Väter müssen längere Elternzeit nehmen können. Es muss auch möglich sein, dass sie in Zukunft in Teilzeit gehen können, ohne sich berufliche Sorgen machen zu müssen.
Meine Damen und Herren, diese Fragen sind Fragen der Zeitpolitik und Zeitpolitik ist auch eine Gerechtigkeitsfrage. Überlastung und Zeitnot finden sich bei Frauen und Männern.
Ich kann sagen: Wir als grüne Partei stellen uns diesen Fragen. Wir haben am letzten Samstag bei unserem Parteitag in Berlin einen Antrag zur Zeitpolitik gestellt. Wir wollen uns diesen Fragen stellen und Maßnahmen weiterentwickeln, damit Väter und Mütter ihrem Erziehungsauftrag gerecht werden können und Zeit für die Kinder haben können.
Wir fragen uns in der Tat: Bei welcher Wählergruppe wollen Sie eigentlich mit diesem rückwärtsgewandten Antrag punkten?
Ganz sicher nicht bei jungen Frauen, die sich nicht auf ihre Mütterrolle reduzieren lassen wollen, und auch nicht bei der Wirtschaft, die dringend diese Fachkräfte, die Frauen, braucht. Ich habe das Gefühl, Sie wollen hier bei Ihrem schärfsten Konkurrenten, der AfD, fischen