Protocol of the Session on January 29, 2015

In der Tat leidet die Pflege – da haben wir einen Konsens – unter zu viel Bürokratie; das ist überhaupt keine Frage. Es fängt bei den unsinnigen Pflegenoten an und hört beim Dokumentationswesen noch lange nicht auf. Daneben gibt es noch sehr viele andere Dinge, die diejenigen beschäftigen, die sich in der Pflege um Menschen kümmern

wollen. Gerade die Dokumentation ist für viele Beschäftigte eine massiv demotivierende Belastung.

Bei jedem Termin vor Ort ist das einer der Hauptpunkte. Die Pflegefachkräfte sagen, dass sie mehr Zeit für die Menschen haben wollen, nicht für Akten, und dass sie diese Art der Dokumentation als eine gefühlte Kultur des Misstrauens erleben. Das ist es im Grunde genommen auch. Wir brauchen rechtliche Regelungen und Rahmenbedingungen, was aus welchen Gründen dokumentiert werden muss, aber so, wie es ausgeufert ist, ist das ein Unding.

Klar ist: Das Landesrecht – deswegen ist die Diskussion hier im Landtag vielleicht nicht ganz richtig platziert – ist hieran unbeteiligt; denn wir haben im WTG keine Vorgaben dazu. Es gibt die Vorgabe, dass dokumentiert werden muss, aber wir haben keine eigenen Dokumentationserwartungen, sondern akzeptieren vorhandene ordnungsgemäß geführte Dokumentation. Daher gibt es hier keine eigenen Anforderungen.

Die Dokumentation findet vonseiten der Kostenträger statt. Oft geht es um haftungsrechtliche Fragen, weil wir ein Stück weit die Amerikanisierung des Prozesswesens haben. Immer, wenn es irgendwo Bedenken der Angehörigen gibt, wird geklagt. Die Dokumentation hat eher ganz andere Ursachen als solche, die vom Land kommen. Deswegen brauchen wir eine Dokumentation, aber sie soll den Menschen dienen und nicht nur um des Dokumentierens willen geschehen.

Es ist richtig, dass wir in die Richtung gehen, die Arbeit der Pflegekräfte zu erleichtern durch eine Dokumentation, die strukturiert ist, die Sicherheit bei der Übergabe gibt, die auch so etwas wie Biografiearbeit liefert. Wir brauchen eine Dokumentation, die den Fachkräften hilft und die Pflegebedürftigen vor schlechter Pflege schützt.

Die ehemalige Ombudsfrau für Bürokratieabbau, Elisabeth Beikirch, hat hier einen wichtigen Stein ins Rollen gebracht. Wir haben uns in NordrheinWestfalen in der Zeit, in der sie an dem Prozess gearbeitet hat, sehr intensiv beteiligt und sie unterstützt. Sie ist, wie ich finde, einen sehr unkonventionellen und sehr guten Weg gegangen. Sie hat nämlich mit den Fachleuten diskutiert und nicht die politische Beteiligung in den Vordergrund gestellt. Sie hat nicht die Verbandsrituale vollzogen, die sonst immer üblich sind, sondern sie ist in die Praxis gegangen und hat versucht, mit neuen Modellen zu zeigen, wie in der Struktur eine andere Dokumentation möglich ist. Dieser pragmatische, einfache, unkonventionelle Weg war genau richtig. Das Ergebnis sehen wir.

Nordrhein-Westfalen hat sich daran, wie gesagt, mit seinen Modellen beteiligt; ich habe das auch schon in der Antwort auf die Kleine Anfrage mitgeteilt. Zahlreiche Einrichtungen in Nordrhein-Westfalen und auch bundesweit haben sich daran beteiligt. In

dem ganzen Prozess haben fortlaufend Besprechungen mit den Heimaufsichten stattgefunden. Deswegen auch da: Die Heimaufsichten in Nordrhein-Westfalen sind darüber informiert. Sie wissen seit Beginn des Prozesses, dass das Land sagt: Diese neue Art der Dokumentation entspricht unseren Anforderungen gemäß WTG. Damit sind wir völlig zufrieden, das ist eine gute Dokumentation. Wir haben sogar schon vor Ablauf des Modellversuchs in alle Richtungen deutlich kommuniziert, dass wir in Nordrhein-Westfalen die klare Auffassung haben: Diese neue Dokumentation ist der Weg in die richtige Richtung, sie entspricht unseren Anforderungen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das Ziel auf Bundesebene ist es, in 25 % der ambulanten und stationären Einrichtungen durch Schulungen genau das zu implementieren. Ich wäre froh, wir würden die 25-%-Latte ganz schnell reißen und sehr viel mehr erreichen, weil ich glaube, dass das im Interesse der Menschen ist. Der neue Landesausschuss Alter und Pflege wird in seiner konstituierenden Sitzung ein Begleitgremium einrichten, das diese 25 % mit vorantreibt, hoffentlich auch mehr.

Eine gesetzliche Regelung, wie Sie sie eben gefordert haben, können wir nicht in der DVO treffen. Dafür müssten wir das WTG novellieren und dort diesen Weg der Dokumentation festschreiben. Ich kann Ihnen nicht sagen, ob das rechtlich so einfach machbar ist. Der bessere Weg wäre der bundesgesetzliche gewesen, aber wir gehen jetzt diesen Weg gemeinsam. Darüber können wir auch gerne noch im Ausschuss diskutieren. Ich meine, wir sind in Nordrhein-Westfalen mit allem, was wir schon gemacht haben, auf einem sehr guten Weg. – Danke.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Die Landesregierung hat ihre Redezeit um 48 Sekunden überschritten. Möchte jemand noch das Wort ergreifen? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen damit zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 16/7768 an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales. Die abschließende Abstimmung soll dort in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön. Wer kann dem nicht zustimmen? – Wer enthält sich? – Damit ist die Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Ich rufe auf:

3 Schulministerin muss ihrer Verantwortung

gegenüber Kindern und Lehrkräften an Realschulen nachkommen

Antrag

der Fraktion der FDP Drucksache 16/7779

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die FDPFraktion Frau Kollegin Gebauer das Wort. – Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute Morgen hat Frau Ministerpräsidentin Kraft in ihrer Regierungserklärung unter anderem gesagt, dass im Rahmen der rot-grünen Politik in Nordrhein-Westfalen der Mensch für sie weiter im Mittelpunkt stehe und sie sich für Chancen für alle Kinder in Nordrhein-Westfalen einsetze. Große Worte, hinter denen dann aber auch Taten stehen müssen. Ob Frau Kraft als Ministerpräsidentin, aber auch Sie, Frau Ministerin Löhrmann, dieser Verantwortung für alle Kinder in Nordrhein-Westfalen gerecht werden, das wage ich doch in Zweifel zu ziehen.

(Beifall von der FDP)

Denn der Umgang der Landesregierung mit weit über 200.000 Realschülerinnen und -schülern in Nordrhein-Westfalen spricht an der Stelle eine andere Sprache und lässt die notwendigen Taten vermissen.

Meine Damen und Herren, Kinder, Jugendliche und Pädagogen an unseren Realschulen werden massiv benachteiligt, und das, obwohl die Landesregierung im Rahmen des Schulkonsenses die Realschulen als verbindliche Angebotsschulform in NordrheinWestfalen festgeschrieben hat.

(Vorsitz: Vizepräsident Oliver Keymis)

Wir haben als FDP immer gesagt, dass wir aufgrund der demografischen Entwicklung mehr Zusammenschlüsse von Haupt- und Realschulen in Nordrhein-Westfalen brauchen. Uns war dabei aber immer wichtig, dass der Elternwille berücksichtigt wird.

Was passiert momentan vor Ort? Es wird ganz gezielt nach demografiefesten Realschulen gegriffen. In diesem Verfahren wird bei der Beratung der Eltern nicht davor zurückgeschreckt, bei entsprechenden Elternabenden Informationen zu politisch unliebsamen Varianten der Sekundarschulen, nämlich die des kooperativen Lernens der differenzierten Bildungsgänge, gezielt wegzulassen. Ein solches Verfahren, meine Damen und Herren, ist unredlich. Wenn man es zu Ende denkt, dann ist es eine Missachtung des Elternwillens und auch eine Manipulation.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Aber Realschulen werden auch ganz gezielt benachteiligt. Pädagogen müssen an Realschulen 28 Stunden unterrichten, an Gesamtschulen, an Gym

nasien und an Sekundarschulen sind es nur 25,5 Stunden. Wir haben als FDP Rot-Grün gefragt, ob zumindest hier mittelfristig eine Angleichung angedacht ist. Die Antwort der Landesregierung lautete: Nein.

In einer Vielzahl von Briefen, die mich erreichen – wahrscheinlich auch andere Kolleginnen und kollegen im Bereich Bildungspolitik –, wird immer wieder dargelegt, dass die Unterrichtsversorgung an den Realschulen nicht sichergestellt wird. Eltern beklagen sich massiv, dass teilweise über Jahre in den Fächern der gesetzlich vorgeschriebene Unterricht nicht erteilt werden kann.

Dass es sich hierbei nicht um sogenannte Einzelphänomene handelt, bestätigen auch die Anträge der Lehrerversammlungen der Realschulen aus ganz Nordrhein-Westfalen. Gewerkschaftsübergreifend – das ist nicht immer selbstverständlich – fordern hier die Personalversammlungen gleiche Chancen und eine faire Unterstützung.

Durch das Handeln der Landesregierung bzw. durch das Unterlassen an dieser Stelle demotivieren Sie diese Lehrkräfte und bluten die Realschulen zulasten der Chancen unserer jungen Menschen, unserer Jugendlichen, aus.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Auch bei der Verteilung von Schulsozialarbeitern gibt es bei den Realschulen eine Benachteiligung. Im Haushalt 2014 zu den landeseigenen Schulsozialarbeitern kann man Folgendes nachlesen: Für die Sekundarschulen sind es 46 Stellen, für die Gesamtschulen 275. Für die Realschulen sind es 3.

Zu guter Letzt war noch in der Zeitung zu lesen, dass für auslaufende Realschulen auch Schulleiterstellen gar nicht mehr ausgeschrieben werden. Da frage ich Sie, Frau Ministerin Löhrmann, aber auch in Abwesenheit Frau Ministerpräsidentin Kraft: Wo bleibt da Ihre Verantwortung für die Kinder und für die Jugendlichen, für die jungen Erwachsenen, für die Schulen, die oft noch über Jahre entsprechend auslaufend weiterbestehen?

(Beifall von der FDP)

Wie sieht es hier mit den Chancen für alle Kinder aus? Denn auch für auslaufende Haupt- und Realschulen muss eine vernünftige Stellenausstattung erfolgen, damit beste Bildung für unsere Kinder und Jugendlichen bis zu der Schließung der entsprechenden Schulen auch stets gewährleistet ist. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Frau Gebauer. – Nun spricht für die SPD-Fraktion Herr Kollege Weiß.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ihr Antrag, meine Damen und Herren der FDP, für eine Stärkung der Realschulen in NRW zielt nicht nur inhaltlich an der Sache vorbei, sondern es hilft den Betroffenen in keiner Weise. Falsche Behauptungen bleiben falsche Behauptungen,

(Beifall von Sigrid Beer [GRÜNE])

auch wenn sie gebetsmühlenartig vorgetragen werden. Sie werden deshalb dadurch nicht zur Wahrheit.

So behaupten Sie beispielsweise, dass die Landesregierung – ich zitiere – „Realschulen gezielt abwickeln möchte“. Sie wissen jedoch ganz genau, dass das blanker Unsinn ist. Weder die Landesregierung noch die sie unterstützenden Politikerinnen und Politiker lösen Schulen im Land auf. Es ist einzig und allein Aufgabe des Schulträgers, das zu tun. Der Schulträger löst diese Aufgabe unter Berücksichtigung der demografischen Entwicklung und des konkreten Anmeldeverfahrens.

Wenn Sie Beispiele dafür nennen könnten, wo eine Bezirksregierung in ihrer Beratung gezielt einen Schulträger dazu gedrängt hat, eine Realschule unter Nichtbeachtung der eben angeführten Kriterien zu schließen, wie Sie es in Ihrem Antrag behaupten, wären wir schon einen Schritt weiter. Im Übrigen – das haben Sie dankenswerterweise erwähnt – steht im Schulkonsens sogar ausdrücklich, dass die Realschule als zukunftsfähige Schulform gewollt ist.

Worum geht es in Ihrem Antrag wirklich? Steht er nicht in einer Reihe mit anderen Anträgen wie dem Stärkungspakt Gymnasium oder dem Fach Wirtschaft an Realschulen? Es ist eine grundlegende Strategie der FDP erkennbar, sich, nachdem sie sich dem Schulkonsens verweigert hat, um vermeintlich vorhandene Schulprobleme zu kümmern.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Die FDP macht Schul- formpolitik!)

Sie sprechen von einer Lehrerunterversorgung an den Realschulen in NRW. Das Gegenteil ist doch der Fall. Belastbare Zahlen, die vorliegen, beweisen das auch. Für das Schuljahr 2015/2016 wird eine Personalausstattungsquote von 102,7 % erwartet. Dies ist eine ebenso gute Quote wie an Gymnasien und Sekundarschulen und auch an Gesamtschulen.

Sie schreiben in Ihrem Antrag weiter – und haben das gerade auch ausgeführt – es gebe deutlichen und steigenden Unterrichtsausfall. Gibt es dazu vielleicht konkrete Zahlen?

Zum Vergleich: Wenn ich die Ausfallquote an Gesamtschulen oder an Hauptschulen nehme, liegt der Unterrichtsausfall mit 2,7 % deutlich darunter. Dass er immer noch zu hoch ist, können wir gerne konzedieren, aber es ist eben nicht so das Schreckgespenst, wie Sie es gerade hier an die Wand gemalt haben.