Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Dr. Optendrenk, ich glaube, wir müssen doch noch die eine oder andere Resolution oder Entschließung im Landtag machen. Ich richte am heutigen Tage nur den Blick nach Karlsruhe. Da hat die Bundesregierung eine Niederlage mit Ansage bekommen. Die Erbschaftsteuer ist nicht verfassungskonform. Die Ausnahmetatbestände bevorzugen in unzulässiger Weise die Erbenfolge bei Unternehmen. Und Sie unterstützen wiederum – trotz Ansage – in bedeutender Größenordnung nicht nur Besserverdienende, sondern Besservermögende, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Das unterscheidet uns in dieser Koalition massiv von dem, was Sie in Berlin steuerpolitisch so treiben.
(Beifall von den GRÜNEN – Dietmar Schulz [PIRATEN]: Was hat das mit der Grunder- werbsteuer zu tun? Ablenkungsmanöver!)
Dieser Haushalt von heute Morgen, um diese Zahl noch einmal ins Gedächtnis zu rufen, ist mit einer Neuverschuldung von unter 2 Milliarden € der zweitbeste, den es in diesem Jahrtausend gegeben hat, um auf die großartigen Ankündigungen einzugehen, die hier im Raum üblich zu sein scheinen.
Ich will auch zu Ihrer Aussage „Soundso viele Leute waren in der Anhörung dagegen“ Stellung nehmen. Diejenigen, die sich dagegen ausgesprochen haben, waren samt und sonders Verbandsvertreter. Diejenigen, die nicht Verbandsvertreter waren, hatten keine Kritik an der Erhöhung des Grunderwerbsteuersatzes, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Zuruf von der CDU: Haben Sie nicht zuge- hört? – Dietmar Schulz [PIRATEN]: Das ist doch gar nicht wahr!)
Alles gut? – Diejenigen, die nicht Verbandsvertreter waren, haben die Grunderwerbsteuererhöhung maximal in dem Punkt kritisiert, dass sie vielleicht nichts davon abbekommen. Ich bitte Sie allerdings auch, sich Folgendes noch mal ins Gedächtnis zu rufen, was massiv dem widerspricht, was FDP und CDU hier vortragen: Herr von Kraack hat eine gan
ze Menge zu dem gesagt, was 1982 und in den Folgejahren Fakt bei der Grunderwerbsteuer war. Denn die Ausnahmetatbestände, die Sie hier herbeireden, haben die Bemessungsgrundlage nicht in einer derartigen Art und Weise verändert. Damit war der damalige Steuersatz faktisch in der gleichen Größenordnung wie der heutige.
Insofern hätten wir natürlich lieber eine höhere Erbschaftsteuer von denen, die es sich eher leisten können, als die Grunderwerbsteuer zu erhöhen.
Ich bringe aber doch noch einmal folgendes Beispiel, das auch zur Wahrheit gehört: Wer vor zehn Jahren etwa eine Fremdfinanzierung in einer Größenordnung von 300.000 € hat vornehmen müssen, hat in den zehn Jahren danach insgesamt 90.000 € mehr an Zinsen gezahlt, als es bei vergleichbarer Liquidität und Bonität nach heutiger Zinslage der Fall wäre. Er wird jetzt einmalig zusätzlich mit einer Summe von maximal 4.500 € herangezogen.
(Zuruf von Ralf Witzel [FDP] – Dietmar Schulz [PIRATEN]: Das ist eine unglaubliche Rechnung! – Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU] – Dietmar Schulz [PIRATEN]: Das kann doch nicht wahr sein!)
Zur Wahrheit gehört auch – wir haben die Tabellen in der Anhörung gesehen, was EnEV und anderes betrifft –: Sie hatten versucht zu suggerieren, dass die Gesetze, die zum Klimaschutz, also zur Energieeinsparung, erforderlich und in aller Regel mit schwarz-gelber Mehrheit im Bund verabschiedet worden sind, so weit zu den Kosten beitragen, dass man sich eine Grunderwerbsteuererhöhung nicht auch noch leisten könnte. Diese Logik, Herr Kollege Witzel, müssen Sie mir vielleicht irgendwann auch noch erklären. Aber ich verzichte auch gerne darauf, weil ich Ihre Argumente mit Sicherheit auch nach Ihrem Vortrag nicht werde nachvollziehen können.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Grunderwerbsteuererhöhung ist notwendig, um möglich zu machen, dass wir in Bildung, in Schuldenabbau und in die Unterstützung der Kommunen investieren können. Diese Grunderwerbsteuererhöhung ist auch moderat und in diesen Zeiten angemessen. Insofern bitte ich darum, diesem Grunderwerbsteuersatz zuzustimmen.
Ich bitte auch, dem Entschließungsantrag zuzustimmen. Denn dass wir die Sharedeals vermeiden müssen, ist richtig. Aber auch dort, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, hätten Sie vielleicht in den vergangenen Jahren handeln können, als Sie in der Regierung waren.
Sie kriegen immer nur Handlungsdruck, wenn Sie in der Opposition sind und an dem, was gesetzlich im Land vorgeht, nichts mehr tun müssen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist natürlich immer interessant, bei Steuererhöhungen zu schauen, wen sie treffen und wen nicht. Deshalb haben wir unseren Antrag bewusst frühzeitig vorgelegt, der mit Gegenstand der Anhörung war und deutlich gemacht hat, wer eigentlich Leidtragender dieser Erhöhung ist. Das sind natürlich allen voran Familien, Personen aus der Mitte unserer Gesellschaft, Selbstständige, kleine und mittlere Unternehmer. Es sind eben nicht Hedgefonds, internationale Finanzanleger, Spekulanten, die sich in die Sharedeals stürzen.
Genau diese Praxis der Sharedeals gibt es ja nicht nur im Bereich der Privaten, sondern wird auch mit Vorliebe von Landesunternehmen hier in NordrheinWestfalen praktiziert. In der Debatte ist schon auf mehrere Gebäudeverkäufe bei der Portigon AG verwiesen worden, auf den alten WestLB
Fondsimmobilienbestand WestFonds, wo das mit Immobilienanlagegesellschaften auch so gemacht worden ist. Da wird Kunden das in zweistelliger Millionenhöhe gerne erspart, wo das Land selber am Markt Akteur ist und dieses Beispiel setzt. Deshalb ist es völlig unglaubwürdig, wenn Rot-Grün sich zu dieser Frage in der Art und Weise heute so betroffen äußert.
Das Zweite ist das, was immer mit dem angeblich so niedrigen Betrag beschrieben wird. Das sei ja mit den anderthalb Prozentpunkten – diese 30%ige Erhöhung – für eine kleine Wohnung vielleicht gerade mal ein Betrag von 5.000 € und bei einem Einfamilienhäuschen vielleicht von 7.500 €.
Das ist ja zunächst nur der primäre Grunderwerbsteuereffekt. Deshalb war es so interessant, von Experten aus der Praxis zu hören, was das in der Fortsetzung für die Immobilienfinanzierung heißt. Geld, das man zur Begleichung der Steuerschuld aufnimmt, ist selbstverständlich nichts, was eine Bank finanziert. Damit verschiebt sich der Zeitpunkt der Ansparphase für einen Immobilienerwerb, in der Zeit kann es zu Preissteigerungen kommen, die Höhe der Fremdfinanzierung steigt, sodass bei der Bank für das aufgenommene Geld ein höherer Zinssatz zu zahlen ist.
Von Praktikern, die diese Baufinanzierung machen, sind die Rechnungen im Landtag vorgestellt worden. Sie freuen sich, wenn sie Kunden und möglichst viele Leute für Bauvorhaben gewinnen, weil es ihr Geschäft ist, und haben mit den Programmen, die sie auch sonst geschäftlich anwenden, nachgerechnet und festgestellt: In der Konsequenz ist man schnell bei mehr als 20.000 €, weil das, was
nachher wirtschaftlich zu tragen ist, drei oder vier Mal so viel ist wie der nominelle Steuererhöhungsbetrag.
Deshalb ist diese Initiative eigentlich gegen all das, was Rot-Grün politisch ansonsten kommuniziert. Sie ist gegen Ihre städtebaulichen Ziele, die Sie proklamieren, sie richtet sich gegen Ihre Absicht zur Modernisierung des Wohnungsbestandes, hier Investitionen zu generieren. Selbstverständlich verstärkt sie auch die Tendenz, in Randlagen von urbanen Milieus zu gehen, weil da der Grund und Boden noch ein wenig günstiger ist, womit wieder höhere Wegekosten anfallen. Insofern erreichen Sie mit dieser Erhöhung des Grunderwerbsteuersatzes faktisch Verhaltensänderungen bei den Menschen, die genau dem widersprechen, was Sie ansonsten gerne als Politik kommunizieren.
Daher sollte gerade die SPD ein Problem mit dieser Initiative haben. Dass die Grünen für jede Steuererhöhung, die sie vollziehen können, immer glücklich sind, ist bekannt. Man muss ja nur in das letzte Wahlprogramm schauen. Aber dass die SPD hier so gleichgültig dasteht, was die Frage der Vermögensbildung von Arbeitnehmerhaushalten angeht, was das Verständnis dafür angeht, dass Menschen, die hart gearbeitet haben, die etwas geleistet haben, irgendwann den Wunsch nach eigenen vier Wänden haben, und das in einem Land, in dem die Wohneigentumsquote mit am geringsten ist, stimmt bedenklich. Sie ist in Nordrhein-Westfalen geringer als in anderen Bundesländern, und sie ist deutschlandweit geringer als in sehr vielen anderen EULändern.
Wir sind hier ein Land der Mieter. Wir als FDPLandtagsfraktion möchten das ändern, weil wir der Auffassung sind, dass Menschen Vermögensbildung betreiben sollen. Das ist die wichtige Vorsorge auch für das Alter. Wer etwas geleistet hat, soll auch zukünftig die Perspektive haben, in den eigenen vier Wänden zu wohnen. Deshalb lehnen wir Ihre Grunderwerbsteuererhöhung ab. Wir werden das morgen in der dritten Lesung ausführlicher diskutieren.
Zuschauerinnen und Zuschauer im Saal und daheim! Grunderwerbsteuer erhöhen: Wir beraten hier ein Gesetz, welches ein weiterer Bestandteil des Finanz-Tetris dieser Landesregierung sein wird. Löcher müssen gestopft werden. Wo diese Löcher genau sind, weiß man nicht, aber Hauptsache ist, dass die Tetrisklötze herunterfallen. Das ist in diesem Fall das erwartete Volumen von 400 Millionen € jährlich an erhöhter Grunderwerbsteuereinnahme.
Der Kollege Herter hat es vorhin erwähnt, nämlich den Dreiklang der Landesregierung, bestehend aus der Verbesserung der Einnahmenseite, der Konsolidierung der Ausgabenseite, aber insbesondere der Investitionen. Es bleibt dabei, wie ich schon in der ersten Lesung zum Haushalt sagte: Es ist ein Missklang und wird einer bleiben. Er wird jetzt nur ersetzt durch ein „Augen zu und durch“ seitens der regierungstragenden Fraktionen im Hinblick auf die Einnahmenseite. Die Politik hat an dieser Stelle versagt, sonst würde es nicht zu dieser Grunderwerbsteuererhöhung kommen müssen.
Mit anderen Worten: Sie kommen einfach von diesem Missklang nicht los. Wie man unlängst hören und lesen konnte, ist es ja sogar innerhalb der die Regierung tragenden Fraktionen, die diesen Gesetzentwurf vortragen, zu erheblichen Auseinandersetzungen und Streit gekommen bis hin zum Rücktritt des haushalts- und finanzpolitischen Sprechers der SPD-Fraktion, der sich nun, egal vor welchem Presseorgan, hingestellt und deutlich gemacht hat, wie er und seine Mitstreiter innerhalb seiner Fraktion zu dieser Grunderwerbsteuerinitiative stehen; die Zeichen stehen nämlich auf glatte Ablehnung. Wir werden angesichts der namentlichen Abstimmung, die hier beantragt ist, sehen, wie es ausgeht.
21 von 23 Sachverständigen haben in der Anhörung zum Gesetz über die Grunderwerbsteuererhöhung gesagt, dass sie es ablehnen. Das mögen Verbandsvertreter sein,
aber all diese Verbandsvertreter, lieber Kollege Witzel, stehen für Zigtausende Menschen und Unternehmen in diesem Land, und das scheint hier vergessen zu werden.
Sie lernen es einfach nicht, wie das funktioniert. Das haben wir ja schon bei der Besoldungsanpassung gemerkt. Da haben Sie auch von 21 Sachverständigen gehört: verfassungswidrig. – Und was haben Sie gemacht? Sie haben das Gesetz durchgepeitscht. Vom Besoldungsdesaster ins Verfassungsdesaster und vom Kassendesaster des Landes in die Grunderwerbsteuererhöhung! Herzlichen Glückwunsch, liebe Landesregierung, dass Sie in
Ich glaube Ihnen, Herr Finanzminister, wenn Sie sagen: Ja, Sharedeals müssen plattgemacht werden. Das Stopfen von Steuerschlupflöchern ist eine Sache, wie wir es in drei verschiedenen Ausschusssitzungen nachhaltigst gefordert haben,
nämlich dass wir sagen: Grunderwerbsteuerumgehungstatbestände müssen eliminiert werden, andernfalls ist eine Grunderwerbsteuererhöhung in Nordrhein-Westfalen nicht durchführbar.
Das können Sie den Menschen hier im Lande nicht mehr verkaufen. Bereits im Jahr 2013 haben wir Sie im Zusammenhang mit den Lizenzboxen aufgefordert: Stopfen Sie diese Modelle! Sie haben dazu am 20. November 2013 einen Entschließungsantrag gestellt, in dem Sie angekündigt haben, dafür zu sorgen, dass das geschieht. Jetzt berufen Sie sich immer auf OECD-BEPS. Aber in Bezug auf die Schließung von Steuerschlupflöchern können Sie sich nicht mehr darauf berufen. Das ist eine rein nationale Angelegenheit. Und im Hinblick auf die rein nationalen Angelegenheiten, Herr Finanzminister, haben Sie angekündigt, dass Sie notfalls den Alleingang nach Berlin wagen werden.
Gut, das besagt jetzt der Entschließungsantrag. Der Kollege Herter hatte es letzte Woche im Haushalts- und Finanzausschuss auf mein Anraten hin, sage ich jetzt mal, in Aussicht gestellt. Vielen Dank, liebe SPD. Dies liegt jetzt zum Teil im Entschließungsantrag vor. Er geht aber natürlich wieder einmal über die klare Kante hinaus, zu sagen: Wir machen das Ding dicht. Stattdessen vermischen Sie das wieder mit irgendwelchen Strukturänderungen im Bereich der Grunderwerbsteuer: Da müssen wir mal gucken, und eventuell. Einmal klare Kante! Einmal sagen: Wir gehen nach Berlin! Einmal sagen: Wir gehen in den Bundesrat! Und einmal sagen: Wir stopfen die Schlupflöcher!