Protocol of the Session on December 4, 2014

sondern dass es in die Verantwortung der Energieversorger gelegt wird, wie diese Ziele erreicht werden.

(Christof Rasche [FDP]: Das ist doch genau das Gleiche!)

Lieber Herr Kufen, wenn Sie sagen, wir sollten NRW-Interessen vertreten, bin ich sofort bei Ihnen. Aber das Schlechteste, was man im Sinne von NRW-Interessen tun kann, ist, FDP-Anträgen zuzustimmen,

(Zurufe von der CDU und der FDP: Oh, wie billig!)

und deswegen sollte man das nicht tun.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Danke, Herr Minister. – Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe deshalb die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Die antragstellende FDP-Fraktion hat direkte Abstimmung über den von ihr vorgelegten Antrags beantragt. Zu dieser Abstimmung über den Inhalt des Antrags Drucksache 16/7404 kommen wir nun. Wer dem Antrag der FDP seine Zustimmung geben möchte, den darf ich um das Handzeichen bitten. – Das sind die Fraktionen von FDP und CDU. Wer stimmt dagegen? – Das sind die Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und die Piratenfraktion. Wer enthält sich der Stimme? – Kein Abgeordnetenkollege enthält sich der Stimme. Damit ist der Antrag Drucksache 16/7404 abgelehnt.

Ich schließe die Beratung zu Tagesordnungspunkt 3 und rufe auf:

4 Der Landtag Nordrhein-Westfalen verurteilt

den millionenfachen Grundrechtsbruch durch „Eikonal“!

Antrag der Fraktion der PIRATEN Drucksache 16/7151

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die Piratenfraktion Herrn Kollegen Schwerd das Wort. Bitte sehr.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Tribüne und am Stream! Aus der deutschen Geschichte, vor allem aus der NS-Zeit, haben wir das Bewusstsein gewonnen, dass Rechtsstaatlichkeit ein hoher Wert ist. Sie zu verteidigen, ist uns von den Müttern und Vätern des Grundgesetzes zu einer Verpflichtung erhoben worden.

So erklärte einmal Konrad Adenauer:

„Demokratie ist mehr als eine parlamentarische Regierungsform, sie ist eine Weltanschauung, die wurzelt in der Auffassung von der Würde, dem Werte und den unveräußerlichen Rechten eines jeden einzelnen Menschen.“

Es ist nicht bekannt, ob Adenauer dies an einem Sonntag sagte. Bekannt hingegen ist, was er veranlasste, als sein Innenminister Hermann Höcherl einst verfassungsrechtlich geschützte Grundrechte mit den Füßen trat. Dieser erlaubte dem Verfassungsschutz, von alliierten Nachrichtendiensten gesetzwidrig abgehörte Telefongespräche und ausgespähte Briefe der Bürger auszuwerten – Bürgerrechte, die laut Art. 10 des Grundgesetzes unverletzlich sind.

Die Antwort: Er veranlasste nichts, selbst als jener Innenminister über den bekannt gewordenen

Grundrechtsverstoß spottete und dazu nur hämisch anmerkte – ich zitiere –: „Die Beamten können nicht den ganzen Tag mit dem Grundgesetz unter dem Arm herumlaufen.“ Daraufhin geschah wiederum nichts. Entfernte der Bundeskanzler einen solchen Menschen aus einem Amt? – Nein. Er stellte sich hinter ihn, und der Bürger rieb sich den Augen. Eine bittere Lektion, so den Unterschied zwischen Verfassungstext und Verfassungswirklichkeit zu enthüllen!

Seitdem sind mehr als 50 Jahre vergangen. Die Welt hat sich verändert. Die Mauer ist passé. Der Unrechtsstaat der DDR ist vergangen, und Gregor Gysi erklärte aus den Erfahrungen im anderen Teil Deutschlands: „Rechtssicherheit ist beste Staatssicherheit.“

Gleichwohl haben sich zwischen 2004 und 2008 die Dinge wiederholt. Diesmal stellte sich im Nachhinein heraus, dass der Bundesnachrichtendienst grundgesetzlich geschützte Informationen an den amerikanischen Geheimdienst NSA weitergab. Dies geschah vom deutschen Internetknotenpunkt DE-CIX aus und hätte, wenn überhaupt, nur in sehr wenigen begründeten Einzelfällen und mit Richtervorbehalt geschehen dürfen. Das wusste der BND sehr genau; denn zumindest versuchte er – erfolglos –, aus den weitergeleiteten Daten und Inhalten diejenigen deutscher Besitzer auszufiltern. Die Beamten hatten also ihr Grundgesetz unter dem Arm, aber nicht die Politik.

Was geschah aber, als feststand, dass der angestrebte Filter nicht hinreichend funktionierte und innerhalb des BND ernste verfassungsrechtliche Bedenken geäußert wurden? – Man setzte die Praxis des systematischen Verfassungsbruchs ungerührt weiter fort. Und damit noch nicht genug: Den politisch Verantwortlichen war sehr wohl bewusst, dass es den US-Amerikanern nicht um die Abwehr einer konkreten Terrorgefahr ging. Vielmehr geht aus den mittlerweile enthüllten Unterlagen hervor, dass das

Interesse der USA an Wirtschaftsspionage an vorderster Stelle stand.

So rufen wir Piraten hier mit dem vorliegenden Antrag dazu auf, aus der massiven Grundrechtsverletztes dieses Mal Konsequenzen zu ziehen.

(Beifall von den PIRATEN)

Weder gibt es einen Grund, die Wahrung unserer verfassungsmäßigen Grundrechte einer wie auch immer gearteten Staatsräson zu unterziehen – der Preis dafür wäre nämlich, die Glaubwürdigkeit unseres Staatswesens zu unterminieren –, noch kann eine wie immer begründete vage Bedrohungslage die Preisgabe von zentralen Verfassungsrechten rechtfertigen.

Kant drückte das so aus: Der Sinnspruch des Notrechtes heißt zwar „Not kennt kein Gebot“, doch es kann keine Not geben, die aus Unrecht Recht macht. – Wenn Sie anderer Meinung sind, sollten Sie sich schleunigst eine Antwort auf die Frage einfallen lassen, wie oft den Bürgern dieses Landes diese bittere Lektion denn noch zugemutet werden soll.

In Sonntagsreden werden Verfassungsstaat und Rechtsstaatlichkeit beschworen. Im politischen Alltag soll es aber zu einer Binsenweisheit werden, dass zwischen Verfassungstext und Verfassungswirklichkeit Welten liegen?

Auch die Bundesregierung hat inzwischen erkannt, wie weit die Angelegenheit greift. Doch welche Schlussfolgerungen zieht sie daraus? Sie sanktionierte das Bekanntwerden weiterer Details auf das Schärfste und klassifizierte die Vernehmung eines hochrangigen BND-Mitarbeiters mit der höchsten denkbaren Geheimhaltungsstufe, die da heißt: Die Weitergabe von Kenntnissen würde den Bestand der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder gefährden.

In der Tat haben wir es mit einem derartig ernsthaften Fall des Versagens staatlicher Vertreter zu tun, dass man von drohender Kernschmelze staatlicher Integrität sprechen kann.

Den Bezug zu Nordrhein-Westfalen haben wir in unserem Antrag ganz klar dargestellt. Mit diesem Antrag haben Sie die Gelegenheit, sich verantwortlich dazu zu positionieren. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Schwerd. – Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Heinrichs.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unter dem Codenamen „Eikonal“ soll der Bundesnachrichtendienst in Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Geheimdienst NSA in den Jahren 2004 bis 2008 ei

nen zentralen Internetknotenpunkt in Frankfurt am Main angezapft haben. Es sollen geschützte Daten bzw. Informationen über den Telefon- und Mailverkehr deutscher Bürger millionenfach an die USA weitergegeben worden sein. Eine Software, die dafür bestimmt war, die Daten deutscher Bürger hinauszufiltern – das hat der Kollege Schwerd schon gesagt –, habe nicht zuverlässig funktioniert. Zudem bestehe der Verdacht der Wirtschaftsspionage durch die USA.

Geht man den Medienberichten nach, auf die die Fraktion der Piraten hier zu Recht in ihrem Antrag verweist, gewinnt man natürlich den Eindruck, dass hier nicht nur auf die Verbindungsdaten, sondern womöglich auch auf Inhalte von Telefongesprächen und E-Mails zugegriffen wurde. Keine Frage – wenn dieser Sachverhalt zutreffend sein sollte, wäre dies sicherlich absolut skandalös.

Allerdings: Zeugenaussagen im NSA-Untersu

chungsausschuss am 13. November 2014 bestätigen zwar, dass der BND in einem Gemeinschaftsprojekt mit der NSA Daten auch deutscher Staatsbürger abgefangen habe, diese seien aber nicht millionenfach an die NSA weitergegeben worden. Die technischen Filter funktionierten angeblich nicht so wie gewünscht. Daher seien die Daten der deutschen Staatsbürger mit anderen Methoden weiterverarbeitet worden. So wurden vielleicht 100 Datensätze pro Jahr an die NSA weitergegeben, die allesamt nicht von deutschen Staatsbürgern stammen sollten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, vor diesem Hintergrund dieser widersprüchlichen Behauptungen ist es noch viel zu früh, auf politische Verantwortlichkeiten zu schließen. Ohne gesicherte Erkenntnisse wäre das, glaube ich, nicht seriös.

(Zuruf von den PIRATEN: Es ist immer zu früh oder zu spät!)

Bei Licht betrachtet gehört der Antrag der Piraten auch gar nicht in den nordrhein-westfälischen Landtag.

(Beifall von der SPD)

Denn der Bundesnachrichtendienst BND gehört als Bundesoberbehörde dem Geschäftsbereich des Bundeskanzleramtes an. Dienst- und Fachaufsicht obliegen daher dem Bundeskanzleramt in Berlin. Und die parlamentarische Kontrolle der nachrichtendienstlichen Tätigkeiten des Bundes nimmt das vom Bundestag eingesetzte Parlamentarische Kontrollgremium wahr. All dies ist gesetzlich geregelt.

Hinzu kommt, dass die Tätigkeit der NSA in Deutschland Gegenstand des oben genannten Parlamentarischen Untersuchungsausschusses auf

Bundesebene ist. Dort ist der richtige Ort, um sich mit der Operation „Eikonal“ auseinanderzusetzen und die Vorwürfe aufzuklären.

Zudem ist an dieser Stelle ausdrücklich festzuhalten, dass nordrhein-westfälische Sicherheitsbehörden an nachrichtendienstlichen Kooperationen im Sinne des Antrages weder beteiligt waren noch sind.

Entschuldigung, Herr Kollege, würden Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Schwerd zulassen?

Gerne, Herr Schwerd, bitte.

Bitte.

Sind Sie denn bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass die Zielrichtung des Untersuchungsausschusses in erster Linie auf die US-amerikanischen bzw. die Five-Eyes-Geheimdienste gerichtet ist und eben nicht auf die Verwicklung des BND?

Nein, das ist nicht der Fall, Herr Schwerd. Dazu gehört noch mehr. Ich habe gesagt, gerade dieser Untersuchungsausschuss auf Bundesebene muss diese Sache aufklären. Falls es da Erkenntnisse gibt, die wir hier umzusetzen hätten im nordrhein-westfälischen Landtag, um vielleicht später mit solchen Sachen umzugehen, dann würden wir gerne darauf zurückgreifen. Aber der richtige Ort ist auf jeden Fall der Untersuchungsausschuss im Bundestag.