Protocol of the Session on December 4, 2014

Nein, das ist nicht der Fall, Herr Schwerd. Dazu gehört noch mehr. Ich habe gesagt, gerade dieser Untersuchungsausschuss auf Bundesebene muss diese Sache aufklären. Falls es da Erkenntnisse gibt, die wir hier umzusetzen hätten im nordrhein-westfälischen Landtag, um vielleicht später mit solchen Sachen umzugehen, dann würden wir gerne darauf zurückgreifen. Aber der richtige Ort ist auf jeden Fall der Untersuchungsausschuss im Bundestag.

Für die SPD-Landtagsfraktion steht somit fest, dass es sich hier um eine Angelegenheit des Bundes handelt. Deswegen werden wir diesem Antrag der Piraten nicht zustimmen können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion der Piraten, Ihre häufig zutage tretende Neigung, den Landtag mit bundespolitischen Themen zu befassen, ist nicht gerade zielführend. Wir sollten uns in diesem Hause vielmehr auf die wichtigen landespolitischen Themen konzentrieren können. Hier bleibt Ihre Fraktion zu konstruktiven Beiträgen herzlich eingeladen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Heinrichs. – Für die CDU-Fraktion spricht als nächster Redner Herr Kollege Moritz.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als „Eikonal“ wird in der geometrischen Optik die Strecke eines Lichtstrahls zwischen Ausgangs- und Endpunkt bezeichnet. Überträgt man dies in die Politik, dann muss ich feststellen, dass den Piraten beim Thema „Datenschutz“ der Aus

gangs- und der Endpunkt abhandengekommen sind. Sie finden bei diesem Thema seit über zwei Jahren keinen Anfang und kein Ende, weil Sie sich nur im Kreise drehen.

Ich will Ihnen gerne dabei helfen, einen Anfang und ein Ende zu finden, und rate Ihnen, den Menschen beim Thema „Datenschutz“ keinen Sand in die Augen zu streuen und sie verrückt zu machen, sondern lieber sachlich zu argumentieren.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Das gilt auch bei dem vorliegenden Antrag, der – wie wir es gerade auch schon gehört haben – ein Bundes- und kein Landesthema aufgreift.

Es ist richtig. Der Bundesnachrichtendienst überwacht den zentralen Internetknotenpunkt in Frankfurt und kooperierte dabei auch viele Jahre mit dem US-amerikanischen Nachrichtendienst NSA. In Ihrem Antrag berufen Sie sich auf einen Artikel der „Süddeutschen Zeitung“, wonach der BND diese Zusammenarbeit mit dem US-amerikanischen

Nachrichtendienst abgebrochen haben soll.

Fakt ist allerdings, dass die NSA die Daten des BND nicht mehr haben wollte, weil die deutsche Seite so starke Datenfilter eingesetzt hat, dass das übriggebliebene Datenmaterial für die US-Seite nur noch von geringem Interesse war und am Ende sogar die Daten manuell aussortiert worden sind.

Unser Unionsobmann im Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages hat in einem Artikel in der „ZEIT“ darauf hingewiesen, dass die Medienberichte deutlich über den dem Untersuchungsausschuss vorliegenden Inhalt hinausgehen würden, und zitiert in diesem Zusammenhang die Aussage eines BND-Mitarbeiters, wonach es zu keiner anlasslosen Massenspeicherung von Daten gekommen sei.

Wir sollten uns vor diesem Hintergrund noch einmal klarmachen, dass Kommunikationsdaten deutscher Staatsangehöriger nur durch zwei Möglichkeiten an andere Staaten weitergegeben werden können. Das kann einerseits durch eine G10-Beschränkungsmaßnahme geschehen. Dabei werden die Daten streng kontrolliert und unterliegen strengen Vorschriften. Die zweite Möglichkeit ist, dass die Daten – auch Kommunikationsdaten – von anderen Diensten bzw. menschlichen Quellen übermittelt werden. Diese Daten unterliegen ebenfalls strengen rechtlichen Grundlagen, nämlich dem Bundesnachrichtendienstgesetz und dem Bundesverfassungsschutzgesetz.

Sie, die Piraten, tun immer so, als würden die Daten aller Deutschen lose durch das Netz bzw. zur NSA fliegen. Ich rate Ihnen dringend, auf den Boden der Realität zurückzukommen; denn im Jahr 2012 gab es nach diesen Prinzipien genau zwei Übermittlungen an die USA. Diese betrafen den Fall eines im Ausland entführten Deutschen und eines US

amerikanischen Staatsbürgers. Diese beiden

Übermittlungen betrafen Erkenntnisse zu konkreten Umständen der Situation des Entführungsopfers, um dessen Leben zu retten.

Worum geht es also im Kern? – Beim Thema „Datenschutz“ geht es um die zentrale Aufgabe, einen Einklang zwischen Sicherheit und Freiheit in unserer modernen Informationsgesellschaft herzustellen. Ich will Ihnen gerne ein paar Worte dazu sagen, auch wenn das eigentlich eine Bundesaufgabe ist.

Ich bin ganz bei Ihnen, dass es nicht zu Grundrechtsbrüchen gegenüber unseren Mitbürgern

kommen darf. Auch bin ich bei Ihnen, wenn ich sage, dass der gläserne Bürger absolut nicht mit dem Menschenbild des Grundgesetzes vereinbar ist. Wir müssen aber gleichzeitig unsere Bürgerinnen und Bürger schützen und uns darüber klar sein, dass die Arbeit des Bundesnachrichtendienstes dem Schutz der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland dient.

Ich betrachte beispielsweise die Entwicklung der salafistischen Szene in meinem Wahlkreis Solingen seit längerer Zeit mit großer Sorge. So müssen wir auch feststellen, dass eine mögliche Bedrohung für Deutschland und NRW heutzutage nicht unbedingt von anderen Ländern ausgehen muss, sondern auch innerhalb Deutschlands vorhanden sein kann.

(Beifall von der CDU)

Die Verteidigung Deutschlands beginnt in Zeiten der modernen Informationsgesellschaft eben nicht am Hindukusch, sondern auch mit der konstruktiven Zusammenarbeit zwischen Geheimdiensten, die – das will ich ausdrücklich betonen – den Datenschutz nicht missachten dürfen. Für die Terrorismusabwehr bedarf es einer Kooperation mit Nachrichtendiensten befreundeter Länder. Gerade angesichts der schweren Bedrohungen, denen sich unser Staat und auch unsere Gesellschaft ausgesetzt sehen, benötigen wir auch geheimdienstliche Erkenntnisse. Die Geheimdienste können aber nur dann effektiv arbeiten, wenn sie ein gewisses Maß an Zugriff auf verschiedene Daten haben.

(Vorsitz: Präsidentin Carina Gödecke)

Um es ganz deutlich zu sagen: Ich bin keineswegs dabei, die Exzesse der NSA gutzuheißen, aber ich plädiere für eine ausgewogene Balance zwischen Sicherheit und Datenschutz. Angesichts ständig wechselnder Bedrohungsszenarien wird man nicht umhinkommen, diese Balance ständig neu auszutarieren. Deshalb bitte ich die Piraten, bei dieser Thematik ihren Standpunkt im Interesse unserer Sicherheit nicht auf eine Kreislinie mit dem Radius null zu beschränken.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Bolte.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Herr Moritz, Sie haben das alles hier als Panikmache abqualifiziert. Das spottet, muss ich sagen, wirklich jeder Beschreibung. Bevor Sie sich auf die Kollegen aus dem Untersuchungsausschuss des Bundestages beziehen, sollten Sie sich mit denen einfach einmal unterhalten. Die sind in der Bewertung dieser Affäre, die heute Gegenstand des Antrags ist, ganz anders drauf als Sie. Sie sehen auch, dass es da offensichtlich zu Grundrechtsverletzungen gekommen ist. Wenn Sie das hier einfach so abqualifizieren, ist das, finde ich, in Bezug auf den tatsächlichen Sachverhalt völlig unangemessen.

(Beifall von den GRÜNEN und den PIRATEN)

Ich bin gerne bereit, klar zu sagen, dass ich die Sorgen, die der Kollege Schwerd am Anfang seiner Rede geäußert hat, absolut nachvollziehen kann; denn auch mir macht es Sorgen, dass wir seit inzwischen eineinhalb Jahren ständig neue Enthüllungen zu lesen und zu hören bekommen. Damit wird immer wieder das Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit – das ist der zentrale Kitt des demokratischen Rechtsstaats – infrage gestellt. Dieses Vertrauen hat in den letzten eineinhalb Jahren gelitten. Das muss uns tatsächlich – bei aller unterschiedlichen Bewertung von Einzelheiten, die es möglicherweise geben mag – Sorgen machen.

Es ist auch an uns, für unseren Bereich über Konsequenzen zu debattieren und darüber nachzudenken, welche Konsequenzen wir aus den Enthüllungen ziehen können, die uns in den letzten eineinhalb Jahren begegnet sind. Darüber gibt es bereits einzelne Diskussionen. Diese sollten wir – im Übrigen auch über den konkret vorliegenden Antrag hinaus – vertiefen.

Zu „Eikonal“ haben wir schon einige Punkte gehört. Dabei geht es um ein Programm des Bundesnachrichtendienstes zur um Kooperation mit der NSA. Es wurden Kommunikationsdaten deutscher Bürgerinnen und Bürger weitergeleitet – und zwar in einer Weise, dass sich der BND offensichtlich außerhalb seines gesetzlichen Auftrages bzw. seiner Kompetenzen bewegte. Weiterhin steht nach wie vor die Gefahr eines Ringtausches zwischen verschiedenen Nachrichtendiensten im Raum. Es besteht die Gefahr, dass die Dienste ihre gewonnenen Daten immer an den Schutzklauseln vorbei tauschen. Diese Gefahr besteht. Sie ist Gegenstand des Untersuchungsauftrages des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages.

Kollege Schwerd, da haben Sie auch nicht ganz recht gehabt: Es ist nicht so, dass die deutschen Dienste überhaupt nicht in diesen PUA mit einbezogen wären. Es wurde heute Morgen im Untersuchungsausschuss über das Programm „Eikonal“ verhandelt; auch im November geschah das. Auch heute gab es wieder Aussagen von Zeugen, die aufgearbeitet werden müssen.

Über die letzte Sitzung des NSA-PUAs berichtete die „Süddeutsche Zeitung“ unter der Überschrift „So biegt sich der BND das Recht zurecht!“. Es darf nicht sein, dass Normen, die eigentlich dem Grundrechtsschutz dienen sollen, so miteinander verknüpft werden, dass dadurch Grundrechte umso stärker eingeschränkt werden. Da gab es tatsächlich einige Punkte, wo es sich gezeigt hat, dass genau so vorgegangen wurde – sei es bei dieser sogenannten Funktionsträgertheorie oder auch bei der Frage, welche und wie viele Daten eigentlich abgephisht werden dürfen. Dabei geht es um eine Beschränkung auf 20 % der Bandbreite. Das ist eigentlich als Schutzklausel gemeint.

Nach der BND-Auslegung wird dann plötzlich so vorgegangen, dass es dann eben nicht die konkret genutzte Bandbreite ist, sondern die maximal verfügbare, die nie ausgenutzt wird und so auch wieder zulasten von Grundrechtsträgern geht.

Da haben wir einfach Probleme, die aufgearbeitet werden müssen. Es ist Pflicht des Bundesgesetzgebers, da mindestens zu Klarstellungen zu kommen. Es ist aber auch Pflicht des Bundesgesetzgebers, zu grundlegenden Korrekturen zu kommen.

Wir brauchen dafür zunächst Aufklärung. Das ist klar. Dafür gibt es den Untersuchungsausschuss. Und wir brauchen Konsequenzen auf der Bundesebene und die Debatte darüber: Was haben wir möglicherweise für die Landesebene zu lernen?

Wir haben in den letzten Monaten Diskussionen geführt, Kollege Schwerd. Bezüglich der Diskussion, die wir auch mit dem Verfassungsschutz hatten, fand ich es ganz interessant, dass es da auch eine Bereitschaft gab, darüber nachzudenken, nach vorne zu diskutieren, …

Die Redezeit.

… welche Konsequenzen gezogen werden sollten, wie Nachrichtendienste noch stärker demokratisch eingehegt werden können, wie wir unseren Weg in Richtung mehr Transparenz und Kontrolle fortsetzen. Das betrifft natürlich auch die Frage: Wie kriegen wir IT-Strukturen zukunftsfähig abgesichert? Dazu haben wir in der Vergangenheit schon an der einen oder anderen Stelle zusammengearbeitet. Und es ist für die Zukunft auch nicht ausgeschlossen, dass wir das wieder machen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Bolte. – Für die FDP-Fraktion hat Herr Kollege Dr. Orth das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag der Piraten – sollten die Dinge, die dort niedergeschrieben sind, stimmen – muss natürlich dazu führen, dass man Dinge überdenkt, Dinge anders macht, Dinge neu macht. Aber wir bewegen uns hier immer noch im Bereich der Spekulation. Das ist das Erste.

Das Zweite: Wir behandeln hier ein Thema – das Stichwort Bundesnachrichtendienst legt es nahe –, das wir hier nicht entscheiden können. Von daher möchte ich auch mit Blick darauf, dass wir hier heute noch eine lange Tagesordnung haben, schlicht und ergreifend sagen: Lassen Sie uns abstimmen! Wir werden uns enthalten, weil wir, wie gesagt, im Moment keine Situation sehen, in der wir etwas zu entscheiden haben oder entscheiden müssten.

Wir hoffen auch, dass die Themen, die Gegenstand Ihres Antrags sind, sich in Luft auflösen. Wir treten auch sehr stark für Datenschutz ein und würden ansonsten entsprechende Regelungen vorschlagen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Orth. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Jäger.

Herzlichen Dank. – Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Sicherheitsbehörden in Nordrhein-Westfalen beteiligen sich nicht an Grundrechtsverstößen. Sie erzwingen auch keine Kooperationen mit nordrhein-westfälischen Unternehmen mit dem Ziel, den Grundrechten zu widerlaufen. Falls Sie diesen Eindruck erwecken wollten, Herr Schwerd, muss ich Ihnen sagen: Dieser Eindruck ist definitiv falsch.

Darüber hinaus kann ich Ihnen versichern: Der Landesregierung liegen keine Erkenntnisse zu den behaupteten Vorfällen vor. Es gibt dafür drei einfache Gründe: Der Bundesnachrichtendienst ist eine Bundesbehörde. Sie fällt in den Geschäftsbereich des Bundeskanzleramtes. Seine Kontrolle erfolgt durch das Parlamentarische Kontrollgremium des Deutschen Bundestages.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Piraten, Sie merken vielleicht, worauf es hinausläuft. Außer diesem kurzen Exkurs zu den Zuständigkeiten kann die Landesregierung zu diesem Thema nichts Erhellendes beitragen. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.