Protocol of the Session on December 3, 2014

Vielen Dank, Frau Kollegin Schneckenburger. – Für die Piratenfraktion spricht Herr Kollege Schwerd.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Tribüne und hinter den Bildschirmen! Während in Bochum am Freitag der letzte Opel vom Band läuft, kündigt E.ON an, seine konventionelle Kraftwerkssparte abzustoßen. Stattdessen will man sich auf erneuerbare Energien konzentrieren. Diese beiden unternehmerischen Entscheidungen sind beispielhaft für den tiefgreifenden Strukturwandel, den wir derzeit erleben.

Während wir den alten Strukturwandel, also den schwindenden Einfluss von Kohle, Stahl und klassischer Industriefertigung, in Nordrhein-Westfalen noch nicht einmal vollständig verkraftet haben, drohen wir bereits bei der nächsten Herausforderung, nämlich der digitalen Revolution, der Transformation zur Informationsgesellschaft, ins Hintertreffen zu geraten. Auch das lässt sich am Haushalt ablesen.

Das Budget der gesamten Wirtschaftsförderung in Nordrhein-Westfalen ist nur ein paar Prozentpunkte größer als die Mittel, die für den Ausstieg aus dem Steinkohlenbergbau verwendet werden. Wir beschäftigen uns mehr mit der Vergangenheit als mit der Zukunft! Den regierenden Politikern ist die Beerdigung des Steinkohlenbergbaus dreißig Mal mehr wert als die Förderung der Zukunftsinfrastruktur, nämlich des Breitbandausbaus. Dass das Haushaltspöstchen „Förderung der digitalen Wirtschaft“ mit 150.000 € im Promillebereich des Gesamthaushalts liegt, muss ich wohl nicht erwähnen.

Obwohl Herr Minister Duin einen Schwerpunkt seiner Politik bei der Förderung der digitalen Wirtschaft sieht, passiert sehr wenig. Man merkt, dass das Umdenken auf den Wandel zur Informationsgesellschaft schwerfällt und die in Jahrzehnten gewachsene klassische Wirtschaftsförderung immer noch dominant ist.

Frau Schneckenburger, es ist eben nicht erkennbar, an welcher Stelle der Schwenk zur Förderung digitaler Wirtschaft stattgefunden haben soll.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Das hät- ten Sie vorausgesehen!)

Wir hatten Sie vor inzwischen zwei Jahren aufgefordert, den Breitbandausbau zur Chefsache zu machen. Eine zeitgemäße Breitbandinfrastruktur gehört zur materiellen Daseinsvorsorge und ist gerade für ländliche Regionen wichtig, um die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse zu garantieren.

Herr Eiskirch, wir jammern eben nicht nur. Wir haben sehr konkrete Vorschläge vorgelegt, zum Beispiel zu diesem Punkt. Sie haben sie aber grundsätzlich einfach vom Tisch gefegt.

Es wurde ein runder Tisch einberufen. Mittlerweile haben wir ja das Jahr 2014. Er hat Handlungsempfehlungen formuliert. Au weia! Wenn man sich diese Handlungsempfehlungen anschaut, sieht man vor allem leere Floskeln – zum Beispiel die Empfehlung,

Gespräche mit regionalen Ansprechpartnern zu suchen. Der Minister setzt ein großes Beratungsgremium ein. Dieses Gremium empfiehlt ihm dann, mit regional Verantwortlichen zu sprechen. Das klingt mehr nach Verzögerungstaktik als nach Aufbruch.

(Beifall von den PIRATEN)

Auch die letzte Handlungsempfehlung – nämlich, sich der regulierungs- und ordnungsrechtlichen Fragen anzunehmen – ist ja nicht falsch. Allerdings hätten längst die Antworten auf diese Fragen gefunden und entsprechend umgesetzt werden müssen. Ich frage mich: Sollen die ganzen beratenden Gremien und Sonderbeauftragten, die der Wirtschaftsminister eingesetzt hat, mangelnden politischen Willen ersetzen?

Wir fordern, dass die Landesregierung ihrer Verantwortung gerecht wird und nachhaltige Impulse für den Breitbandausbau in NRW setzt. Dazu zählt eine starke Koordinierungsfunktion des Landes. Wenn wir Synergieeffekte beim Glasfaserausbau nutzen wollen, ist es längst Zeit, diese zu planen. Hier haben Bund und Land in den letzten Jahren viel zu lange geschlafen. Ich hoffe, dass die Förderprogramme in Zukunft nicht mehr an der Internetsteinzeit ausgerichtet werden. Die Bedingungen dieser Programme sind mittlerweile nur noch anachronistisch.

Gleichzeitig sehen sich das Land und die Regierung nicht in der Verantwortung, eine digitale Agenda für das Land aufzustellen. Mit dem Breitbandausbau alleine ist es nämlich noch lange nicht getan. Alle unsere Anträge und Vorschläge hierzu haben Sie vom Tisch gefegt. Das ist fahrlässig!

Einen weiteren Punkt möchte ich noch ansprechen. Es wird Zeit, moderne Standards vorzugeben, wie Wirkungskontrollen von Förderprogrammen auszusehen haben. Denn wie kann sonst eine ehrliche, ergebnisoffene Überprüfung der eingesetzten Mittel stattfinden? Derzeit überprüft die Regierung sich selbst. Dass in den veröffentlichten Berichten keine allzu kritischen Aussagen getroffen werden, ist doch glasklar.

Wir Abgeordneten haben den Auftrag, die Regierung zu kontrollieren. Das geht aber nur, wenn es eine unabhängige Evaluation gibt und wenn grundsätzlich alle Gutachten und Berichte sowie alle Prüfungsdaten veröffentlicht werden. Auch der Landesrechnungshof bemängelt, dass die Landesregierung die Vorgaben im Bereich der Wirkungskontrollen regelmäßig nicht einhält. Das muss sich ändern. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Schwerd. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Duin.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nordrhein-Westfalen ist nicht so, wie man das als Opposition gerne beschreibt. Nordrhein-Westfalen ist und bleibt ein starkes Industrieland. Es bleibt ein starker Standort für innovative Dienstleistungen und bleibt ein starker Wirtschaftsstandort. Genau diese Linie, dass man auch mit dem entsprechenden Optimismus und mit der entsprechenden Entschlossenheit diese Maßgabe umsetzt, dokumentiert sich in diesem Einzelplan 14.

Wir können gerne die einzelnen Punkte durchgehen, die gerade schon angesprochen worden sind, die aber darüber hinausgehend auch aus meiner Sicht von entscheidender Bedeutung sind. Wie wir alle wissen, wird man damit immer noch nicht alles, was die Vielfalt dieses Landes ausmacht, abdecken.

Erster Punkt: In der Tat müssen wir uns auf das Thema „Innovation“ konzentrieren und eine wirkliche Innovationskultur in diesem Land beleben. Dafür sind Gründerinnen und Gründer von ganz entscheidender Bedeutung.

Wer in der Gründerwoche Deutschland 2014, die bundesweit stattgefunden hat, nach NordrheinWestfalen geguckt hat und sich angeschaut hat, wer beim Gründergipfel mit dabei war und wer an den verschiedenen Veranstaltungen teilgenommen hat, die wir selbst als Land und als NRW.BANK organisiert haben, die aber zum Beispiel auch der Initiativkreis Ruhr ins Leben gerufen hat, um die Innovations- und Gründerkultur, die hier nicht besonders ausgeprägt war, zu stärken und ihr Flügel zu verleihen, hat gesehen, dass wir mit unseren Ansätzen, insbesondere auch mit den Unterstützungsmaßnahmen, die sich vielleicht nicht direkt im Einzelplan 14 wiederfinden, die aber über unsere Einflussnahme dann zum Beispiel auch in einer Veränderung der Programme für die Gründerinnen und Gründer der NRW.BANK zum Ausdruck kommen, einen ganz besonderen Schwerpunkt setzen.

Dieses Land braucht mehr Gründerinnen und Gründer, um seine Innovationskraft in Zukunft zu stärken, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD)

Zweiter Punkt: das große Thema „Industrie 4.0“. Wir sind uns wohl alle noch relativ einig, dass niemand in der Lage ist, in einem Satz zu definieren, was „Industrie 4.0“ in der Zukunft eigentlich bedeutet. Klar ist aber, dass es darum geht, die digitalen Chancen mit dem, was ich einmal „klassische Industrie“ nennen möchte, verknüpfen.

Beim IuK-Tag, an dem leider nur wenige, aber immerhin einige von Ihnen teilgenommen haben und bei dem enorm viele Experten aus NordrheinWestfalen, der ganzen Bundesrepublik und auch dem Ausland zugegen waren, um dieses Thema zu

diskutieren – übrigens inklusive der Gewerkschaften, die auch einen ganz wichtigen Beitrag zur Entwicklung von „Industrie 4.0“ leisten –, ist deutlich geworden, dass wir in Nordrhein-Westfalen eine Chance haben, uns bei diesem Thema im Wettbewerb an die Spitze zu setzen, die weit besser ist als die aller anderen Bundesländer.

An einem Ort, in dem die digitale Welt für Wachstum und für eine spannende Szene gesorgt hat, nämlich unserer Bundeshauptstadt Berlin, wird das besonders deutlich. Die dort ansässigen Firmen werden nicht die Kunden aus der klassischen Industrie vor Ort finden; denn diese Kunden sind hier in Nordrhein-Westfalen. Deswegen verstehen immer mehr Start-ups, verstehen immer mehr Unternehmen aus der digitalen Branche, dass sie hier – ob in Köln, in Düsseldorf, im Ruhrgebiet oder wo auch immer – in diesem Land den richtigen Ort finden, um voranzukommen.

An vielen Stellen fehlen uns allerdings noch die Bereitschaft und die Offenheit des Mittelstandes, sich diesem Thema wirklich zu widmen. Viele Untersuchungen, die ich nicht alle zitieren will, haben das belegt. Gerade in den mittelständischen Unternehmen – wir kennen die vielen Hidden Champions, die weltweit erfolgreich sind – ist das aber eine Riesenchance, um auch die Wettbewerbsfähigkeit für die Zukunft sicherzustellen. Deren Skepsis, deren Zurückhaltung ist insbesondere in der mangelnden oder jedenfalls nicht definierten Sicherheit begründet.

Wir haben auch die Chance – angefangen bei den Kompetenzzentren, beispielsweise beim Görtz Institut in Bochum, über viele andere, die dort ihren Beitrag leisten –, uns beim Thema „Sicherheit des Internets/Cybersicherheit“, bei der Machine-to

Machine-Kommunikation an die Spitze zu setzen. Diesen Rang sollten wir uns nicht ablaufen lassen, sondern dort massiv investieren – das wird in diesem Haushalt deutlich –, um unseren Standort als den Zukunftsstandort für „Industrie 4.0“ zu prägen, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD)

Dazu gehört auch – es ist angesprochen worden – das Thema „Breitband“. Wir brauchen die Diskussionen der Vergangenheit nicht zu wiederholen; da sind wir unterschiedlicher Auffassung, was die Nutzung verschiedener Instrumente angeht. Einig sind wir uns darin, glaube ich – das hat die Diskussion bis zu diesem Zeitpunkt gezeigt –, wie wichtig es ist, die Spitzenposition, die wir mit 70 % Versorgung mit 50 Mbit/s und mehr bereits haben, weiter auszubauen.

Deswegen sage ich Ihnen an dieser Stelle ohne Wenn und Aber zu: Die Erlöse aus der Versteigerung der 700-MHz-Frequenzen werden aller Voraussicht nach – nach Abzug der notwendigen Investitionen zur Umrüstung von Mikrofonen etc. –

hälftig und nach den normalen Schlüsseln zwischen Bund und Ländern verteilt. Wir werden dieses Geld eins zu eins in den Ausbau von Breitband und Digitalisierungsinfrastruktur investieren und nicht irgendwo anders versickern lassen.

(Beifall von der SPD)

Ich sage Ihnen noch etwas, weil immer wieder der Versuch unternommen wird, die in den Handlungsempfehlungen des runden Tisches genannten Punkte irgendwie ins Lächerliche zu ziehen:

Ich bin vor zwei Wochen im Kreis Euskirchen gewesen. Das ist eines unserer größten Sorgenkinder, wenn es um das Thema „Breitband“ geht. Die haben nämlich nicht die 70 %, die haben noch nicht einmal 50 % Versorgung mit 50 Mbit/s. Das muss also ein erster Schwerpunkt für solche Investitionen sein. Es ist ausgesprochen positiv aufgenommen worden – ich glaube, Landrat Rosenke gehört der CDU an, wenn ich richtig informiert bin –,

(Minister Guntram Schneider: So ist es!)

dass wir mit unseren Handlungsempfehlungen jemandem wie Herrn Landrat Rosenke den Rücken stärken.

Denn wir brauchen auch auf der kommunalen Ebene Koordinierungsfunktionen. Wir brauchen Beauftragte in den Kommunen, die sich des Themas annehmen. Es reicht nicht aus, nur Geld zur Verfügung zu stellen, sondern man braucht auch vor Ort das Know-how. Die Diskussion, die wir im Kreis Euskirchen haben führen können, hat bewiesen: Der eingeschlagene Weg mit den Handlungsempfehlungen des runden Tisches ist genau richtig. Das bestätigen uns auch Mitglieder der Oppositionsparteien.

(Beifall von der SPD – Zuruf von Hendrik Wüst [CDU])

Eng damit zusammen hängt das Thema „Innovationsökonomie“. Wie können wir dort für einen Schub sorgen? Ich bin davon überzeugt, dass wir nicht nur die digitalen Start-ups brauchen, sondern für die Attraktivität des Standorts brauchen wir unbedingt die gesamte Kreativwirtschaft. Raum für Kreative zu bieten, ist deswegen einer der Schwerpunkte der Landesregierung und meines Ministeriums. Wir haben nicht umsonst nicht irgendwelche Leitmärkte ausgewählt, wir gehen nicht mit der Gießkanne über das Land, und jeder bekommt ein bisschen, sondern wir setzen die Schwerpunkte.

Der erste Leitmarktaufruf, den wir durch zwei Veranstaltungen ins Werk gesetzt haben – einmal mit der Kollegin Schwall-Düren in Köln, einmal habe ich das in Dortmund selber gemacht –, war „CreateMedia.NRW“, weil wir diejenigen, die in unserem Land im Bereich der Kreativwirtschaft unterwegs sind, nach Kräften unterstützen wollen. Sie sind so etwas wie die Hefe in dem Teig unserer industriellen Kultur. Wir brauchen die jungen Kreativen, und deswe

gen unterstützen wir sie auch so massiv, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD)

Weil wir es in den nächsten Tagen an verschiedenen Stellen der Tagesordnung des Plenums noch diskutieren werden, will ich auf das Thema „Energie“, das natürlich entscheidend für die Zukunftsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes ist, nicht weiter eingehen. Aber wir können feststellen, dass sich das, was wir mit vereinten Kräften aus unterschiedlichen Richtungen bei der EEG-Reform für Nordrhein-Westfalen erreicht haben, durchaus sehen lassen kann.

Auf das Thema „Außenwirtschaft und Außenhandel“ ist bereits hingewiesen worden; dort sind wir die Nummer eins.

Ich will aber in einer Haushaltsrede auch sagen, dass wir mit großer Sorge sehen, welche Auswirkungen insbesondere die außenpolitischen Entscheidungen – mit Blick auf die Ukraine, mit Blick auf Russland – auf unsere Wirtschaft haben. Das ist nicht direkt von uns zu beeinflussen.

Daher – ich bin dem Kollegen Schneider sehr dankbar, dass er die Initiative mit eingebracht hat – brauchen wir die Scharfstellung aller Instrumente, auch was das Kurzarbeitergeld angeht, um den Unternehmen, die aufgrund dieser Situation in eine Schieflage geraten, helfen zu können. Nordrheinwestfälische Unternehmen dürfen in der Situation, die für manche schon sehr schwierig und zum Teil bedrohlich ist, nicht alleingelassen werden. Auch dafür treffen wir entsprechende Vorkehrungen, meine Damen und Herren.