Diese ewige Oppositionsdialektik hilft uns nicht weiter. Man muss sich nur die letzte Sommerpause anschauen. Sie sagen immer: Landesregierung, gib mal weniger Geld aus! Aber jeder Kollege aus der Opposition darf jetzt ein Projekt anmelden: Der eine senkt die Klassengrößen, und Sie wollen 6.000 Stellen einsparen. Dann will einer bei der Polizei mehr Stellen, für die Sie weniger Geld ausgeben wollen. Dann darf ein Dritter noch fünf Straßen bauen. Glasfaser gibt es dann noch als Dreingabe für alle.
Das ist die Lage der Opposition in dieser Legislaturperiode im Jahr 2014. In dieser Lage werfen Sie uns dann vor, dass wir sagen: Lieber Bund, wir erwarten, dass du mit deinem Digitalminister Dobrindt nicht nur die schönen Posen für die schönen Hochglanzfotos machst, sondern auch Geld für zukunftsfähiges Netz beiträgst. – Da werfen Sie uns fehlenden Gestaltungswillen vor. Das ist unseriös bis ins Mark.
Natürlich zählen dann auch Fehler der Vergangenheit mit hinein, auf die die Digitale Agenda so keine Antwort gibt. Da kommen die Fragen von der Poststrukturreform II, über die nicht angemeldeten weißen Flecken von Frau Thoben und das ewige Mantra von Frau Merkel und Herrn Rösler, dass der Markt das schon alles richten werde. Das muss man im Kopf behalten, wenn man über den Ausbau der Netzinfrastruktur redet. Dann ist es ein sehr legitimes Anliegen zu sagen: Bund, nicht nur die Ziele definieren, sondern auch springen, wenn du Ziele definierst!
Das war der erste Link zu den landespolitischen Debatten, die wir in der letzten Zeit hatten. Vieles von dem – das ist gerade vom Kollegen Vogt angesprochen worden –, was im Antrag steht, haben wir schon aufgegriffen – oft genug, das gestehe ich gern zu, unter Mitwirkung der Piratenfraktion.
Das Thema „Störerhaftung“ behindert den so wichtigen Aufbau von offenen Funknetzen in Deutschland massiv. Das stand bei uns im rot-grünen Koalitionsvertrag, Bundesratsinitiative: Oktober 2012, Landtagsbeschluss November 2013. Damit kommen Sie jetzt noch einmal um die Ecke. Natürlich – das ist völlig klar und logisch; ich bin dem Kollegen Vogt dankbar, dass er das eben klargestellt hat –: Wenn auf der Zeitleiste mal eine konkrete Änderung des TKG kommt, werden wir darüber reden müssen, ob das den Beschlüssen in diesem Haus entspricht.
Das gilt genauso bei der Netzneutralität. Das gilt genauso bei der Datenschutzreform. Landtagsbeschluss: Mai 2013, ohne die Stimmen der Piratenfraktion. Open Government: Im Innenausschuss haben Sie dagegen gestimmt, als wir die Open.NRWStrategie auf den Weg gebracht haben. Als sie kurz vor der Sommerpause vorlag, Herr Kollege Schwerd, kam von Ihnen nur noch kleinkariertes Gemäkel an einer Strategie, die wirklich geeignet ist, alle Handlungsbereiche zusammenzufassen, abzudecken und bundesweit vorbildlich zu sein.
Dann, liebe Kolleginnen und Kollegen, kann ich nur sagen: Jeder in diesem Haus weiß, wie groß die Herausforderungen des digitalen Wandels sind. Ich mache keinen Hehl daraus, dass auch ich viele Themen habe – das ist selbstverständlich –, bei denen ich sagen könnte: Da könnte es weiter gehen, da geht es schneller, da könnte es mehr sein.
Aber ich sage auch – das habe ich im Einzelnen angesprochen –: Wir haben viele Maßnahmen und Initiativen auf den Weg gebracht, seit Rot-Grün seit 2010 hier regiert. Wir sind auf einem guten Weg. Wir sind der Motor für die Entwicklungen in Berlin. Das ist unser Anspruch an Netzpolitik in NordrheinWestfalen. Wir werden auch der Motor für europäische Netzpolitik sein.
Da hat uns die Personalie Oettinger in den letzten Tagen sehr erfreut. Er hat sich vorgenommen, dass er sich in das Thema einarbeitet. Man kann ihm nur viel Glück dabei wünschen. Ich kann versprechen: Wir werden ihn an allen sich bietenden Stellen triezen. Denn die Chancen des digitalen Wandels sind so gigantisch, dass wir sie nicht einem Kommissar überlassen können, der sie fünf Jahre nur verwaltet. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Bolte. – Bitte bleiben Sie noch am Redepult, denn Herr Kollege Schwerd von der Piratenfraktion hat sich zu einer Kurzintervention gemeldet und erhält jetzt für 90 Sekunden das Wort. Bitte, Herr Kollege.
Herzlichen Dank, ich konnte nicht widerstehen. – Sie sprachen gerade an, dass wir Bundesthemen auf Landesebene bearbeiten. Sie wollten uns das sozusagen in Ihrer Rüge der Verfahrensweise negativ auslegen. An anderer Stelle haben Sie sich gefreut, dass Themen von Landesebene im Bund aufgegriffen worden sind. Ich finde das ein bisschen merkwürdig.
Immerhin muss man feststellen: Im Bund sind Sie als Grüne Teil der Opposition, hier sind Sie Teil der Regierung. Haben sie nicht womöglich ein bisschen Angst vor der Verantwortung, hier aus der Regierung die entsprechende Initiative aufzunehmen? Das muss man ja fast so sehen.
Ansonsten enthält dieser Antrag jede Menge Punkte und ganz konkrete Forderungen, die sehr wohl einen Landesbezug in NRW haben. Da würde ich Sie auffordern, in den zukünftigen Beratungen in den Ausschüssen die dazu passenden Anträge vorzulegen. – Danke schön.
Lieber Kollege Schwerd, vielen Dank für diese Kurzintervention. – Gerügt habe ich Sie nicht. Das darf nur der Präsident. Das ist auch gut so. Ich habe nicht gesagt, Sie dürften keine Anträge mit einem bundespolitischen Bezug stellen. Das wäre ja auch Quatsch. Denn natürlich ist Nordrhein-Westfalen ein Teilstaat der Bundesrepublik Deutschland.
Wenn allerdings die Tatsache, dass NordrheinWestfalen Teil der Bundesrepublik ist, der einzige landespolitische Bezug ist, dann ist das, finde ich, vom Verfahren her ein bisschen schwierig.
Bei der Digitalen Agenda – wie gesagt, es handelt sich um ein Arbeitspapier dreier Ministerien – ist der Bundesrat nicht beteiligt, ist der nordrhein
westfälische Landtag nicht beteiligt und ist das Europäische Parlament nicht beteiligt. Natürlich ist auch dieser Landtag nicht daran beteiligt.
Ich teile die Kritik, dass es im zuständigen Ausschuss des Deutschen Bundestages – da gehört es nämlich hin – nicht in angemessener Weise diskutiert wurde. Diese Kritik teile ich voll und ganz.
Ich habe auch etwas zu den Stellen gesagt, wo sich diese bundespolitischen Vorhaben konkret auswirken. Zum Beispiel habe ich – hallo, Herr Schwerd! – das TKG angesprochen. Das wird am Ende im Bundesrat zustimmungspflichtig sein. Wir müssen dann darauf gucken: Ist das, was die Große Koalition am Ende auf der Zeitleiste macht, eigentlich mit dem vereinbar, was wir gemeinsam hier im Landtag beschlossen haben? Das ist völlig klar.
Vielen Dank, Herr Kollege Bolte. – Soweit Kurzintervention und Antwort darauf. Jetzt erhält für die FDP-Fraktion Herr Kollege Nückel das Wort. Bitte.
Vielen Dank. – Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kollege Schwerd, Sie müssen natürlich Verständnis haben. Dass Herrn Bolte das nicht gefällt, hat etwas mit der Koalitionsräson hier in Düsseldorf zu tun. Warum es SPD und CDU nicht gefällt, hat vielleicht damit etwas zu tun, dass es in der Tat schwierig ist, hier die Kompetenzkernschmelze dreier Ministerien zu verteidigen. Eigentlich gehen die Piraten mit ihrer Bewertung noch gnädig mit der Bundesregierung um. – Deswegen verstehe ich die Abneigung dagegen eigentlich nicht.
Die Piraten bezeichnen die Digitale Agenda der Bundesregierung als Etikettenschwindel. Dieser Vorwurf geht nach Ansicht der FDP in die richtige Richtung. Sie haben heute allerdings mit Ihrem Antrag den Berliner Koalitionsparteien die Möglichkeit gegeben, zu verteidigen, was irgendwie gar nicht da ist.
Denn die Digitale Agenda zeigt in keiner Weise eine wirkliche Agenda auf. Sie enthält weder detaillierte Vorschläge zur Gestaltung der digitalen Gesellschaft noch sind konkrete Maßnahmen beschrieben. Somit ist das – so würde ich mal sagen – eine behäbige Zustandsbeschreibung und nicht ein innovativer Fahrplan, der jetzt vielleicht erwartet worden war.
Diese Befindlichkeitsbeschreibung fasst zusammen, was man in Berlin derzeit für die aktuellen Herausforderungen hält. Aus unserer Sicht und auch aus Sicht der Wirtschaftsorganisationen – vor allem des Gründerverbandes – ist die Digitale Agenda schlicht und ergreifend eine Enttäuschung.
Ich nutze jetzt den Anlass, um auf einige der Baustellen einzugehen, die von der Großen Koalition wortreich umschifft worden sind:
Erstens. Trotz vieler warmer Worte zur Bedeutung von Unternehmensgründungen fehlen in diesem Papier natürlich innovative Maßnahmen, wie die Rahmenbedingungen für eine neue Start-up-Kultur konkret verbessert werden könnten. Eigentlich bräuchten wir einen Kraftakt für Gründung und Innovation und auch mehr Mittel zum Beispiel für Hochschulen. Weiter benötigen wir den Abbau bürokratischer Hürden bei Gründungen und auch eine
Zweitens. Die Große Koalition legt leider keine konkreten Vorschläge für mehr Marktwirtschaft und Wettbewerb im digitalen Markt vor. Eine Anpassung beispielsweise des Kartellrechts, um monopolartigen Unternehmen beizukommen, wird weiterhin nur – ich zitiere – „geprüft“. Allerdings hatte bereits vor Monaten Vizekanzler und Wirtschaftsminister Gabriel öffentlich eine solche Prüfung angekündigt.
Das ist zu wenig. Kartellrecht und Medienaufsicht müssen endlich an das digitale Zeitalter angepasst werden. Dazu benötigen wir eine einheitliche Aufsichtsstruktur sowie ein schärferes kartellrechtliches Schwert gegen marktbeherrschende Unternehmen.
Drittens. Lapidar wird – als ein Beispiel, wie man ambitionierter werden will – die sogenannte Premiumförderung Netzausbau, die entwickelt werden soll, geplant. Eigentlich hätte diese Beschreibung jetzt schon in diese Agenda gehört.
Die Piraten sprechen in ihrem Antrag an, dass die Bundesregierung beim Breitbandausbau ambitionierter werden muss. Das muss sie auf jeden Fall. Sie muss das allerdings schon deshalb tun, weil unter anderem das größte deutsche Bundesland Nordrhein-Westfalen in diesem Bereich irgendwie kapituliert hat.
Letzte Woche wurde der offizielle Startschuss der neuen Förderperiode des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung – EFRE – durch den Wirtschaftsminister abgegeben.
Dabei aber hat Rot-Grün hier in Düsseldorf bzw. in NRW den Bürgern und dem Mittelstand eigentlich nur klargemacht: Der Breitbandausbau in der Fläche ist für die Landesregierung keine Priorität. Man hat die große Chance vertan, den Breitbandausbau zu einer Priorität im EFRE-Förderprogramm zu machen und erhebliche Mittel dafür zu generieren. Denn nicht nur in ländlichen und dünn besiedelten Regionen werden Mittel für einen flächendeckenden Breitbandausbau benötigt, sondern – das zeigte eine Anfrage Ihres Clubs, Herr Bolte – gerade auch in Ballungsräumen gibt es Randgebiete in den Städten, die völlig unterversorgt sind. Mit dieser Haltung verfestigt Rot-Grün den stockenden Ausbau. Das ist ein Wettbewerbsnachteil für Mittelstand und Handwerk vor Ort.
Allerdings gibt es auch im Antrag der Grünen einen, wie ich meine, schweren Webfehler; denn Sie entwerten Ihren eigenen Antrag mit ewig gleichen, gestrigen Parolen. Beim Punkt Urheberrecht wird immer wieder die alte Mär überholter Geschäftsmodelle formuliert. Wenn diese Logik so richtig wäre, würden ja alle Güter, die häufig gestohlen werden, zu veralteten Geschäftsmodellen gehören. Sobald aber Piratinnen Bücher schreiben, sehen sie das mit dem Urheberrecht plötzlich auch wieder ganz an
Auch der Bundesjustizminister Heiko Maas hat nach großen Ankündigungen, dass er etwas tun wolle, jetzt schon wieder auf die Bremse getreten und ist in eine wiederholte Analysephase eingetreten. Er hat gemerkt: Es ist nicht schwer, vermeintlich Gutes anzukündigen.
Es ist jedoch schwer, zu wissen, was gut ist. Insofern freue ich mich auf die Debatte im Ausschuss. Wir stimmen natürlich der Überweisung zu. – Danke.
Vielen Dank, Herr Kollege Nückel. – Für die Landesregierung erteile ich in Vertretung für Herrn Minister Duin Herrn Minister Groschek das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Einer Agenda vorzuwerfen, dass sie eine Agenda ist, ist Tautologie. Tautologie ist, wenn man Regen als Regen bezeichnet. Eine Agenda ist natürlich keine konkretisierte maßnahmenorientierte Handlungsanleitung, sondern ein strategisches Grundsatzpapier, das zum Problem werden kann, wie wir alle bei einer anderen Agenda lernen konnten. Da muss man also, glaube ich, einen anderen Einstieg in die Begrifflichkeit finden.
Dass die digitale Transformation alle Lebensbereiche erfasst, ist im Grunde Banalität. Das ist noch einmal richtig beschrieben. Was jedoch abgesteckt werden muss, ist das, was an Stichworten in der Agenda der Bundesregierung beschrieben ist. Das muss übersetzt werden in modulare Handlungsanleitungen für die einzelnen Bereiche, die aufgeführt sind.
Wenn wir digitale Transformation als Chance begreifen, sollten wir sehr ernsthaft zur Kenntnis nehmen, dass beispielsweise im BITKOM-Papier beschrieben ist, dass Deutschland wie die gesamte Europäische Union im Vergleich zu den führenden globalen Industrie- und Wachstumsregionen allenfalls Mittelmaß ist.
Es wurde darauf hingewiesen, dass sich die EU jetzt fit machen will und einen Kommissar speziell zur Digitalen Agenda benannt hat. Herr Oettinger selbst hat allerdings darauf hingewiesen, dass er sich auf dieses Neuland – in Anführungszeichen – freue und hoffe, dass er der Herausforderung gewachsen ist. Wir hoffen das auch, weil wir natürlich in Europa eine – in Anführungszeichen – Lokomotive brauchen und nicht dauerhaft Fahrschülerinnen und Fahrschüler, gerade auf dem Feld.
Also, die Aufforderung von BITKOM, durchzustarten, nehmen wir durchaus ernst, weil wir von Prognos wissen: 2012 war mehr als ein Drittel des Wertschöpfungswachstums digital getrieben. Anders ausgedrückt: 145 Milliarden € unseres Wertwachstums war der Digitalisierung geschuldet. Oder wieder anders ausgedrückt: Wir können davon ausgehen, dass rund eineinhalb Millionen Arbeitsplätze allein in 2012 so neu entstanden sind. Das charakterisiert die wirtschaftspolitische Bedeutung mit wenigen Zahlen.