Protocol of the Session on March 27, 2014

Wir kommen zweitens zur Abstimmung über den Entschließungsantrag Drucksache 16/5305 der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Wer dem seine Zustimmung geben kann, bitte ich um das Handzeichen. – Wer stimmt dem nicht zu? – Wer enthält sich? – Damit ist der Antrag mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der FDP bei Enthaltung der CDU und des fraktionslosen Kollegen Stein angenommen.

Wir kommen drittens zur Abstimmung über den Entschließungsantrag Drucksache 16/5306 der Piratenfraktion. Wer dem seine Zustimmung geben kann, bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem seine Zustimmung nicht geben? – Wer enthält sich? – Damit ist der Antrag mit den Stimmen von SPD, CDU, Grünen, FDP und des fraktionslosen Abgeordneten Stein gegen die Stimmen der Piratenfraktion abgelehnt.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt

10 Zeitgemäße Evaluierungskultur für Wirt

schaftsförderprogramme aufbauen – Wirksamkeit und Transparenz sicherstellen

Antrag der Fraktion der PIRATEN Drucksache 16/5276

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die Piratenfraktion dem Kollegen Schwerd das Wort.

(Allgemeine Unruhe)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, diejenigen, die an diesem Tagesordnungspunkt kein besonderes Interesse haben, bitte ich, wenn Sie den Plenarsaal verlassen, dies möglichst geräuschlos tun, da

mit der Abgeordnete Schwerd seine Ausführungen machen kann.

Herzlichen Dank. – Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer auf der Tribüne und am Stream! Die Landesregierung betreibt mit über 300 Millionen € Wirtschaftsförderung in diesem Land. Viele geförderte Projekte klingen – auf den ersten Blick – gut. Einige Prioritäten würden wir Piraten natürlich anders setzen.

Doch sind diese Förderprogramme wirklich effektiv? Wie kann man innovative kleine und mittlere Unternehmen am besten unterstützen? Auf welche Weise lassen sich strukturschwache Gebiete am besten fördern? Und bei welcher Förderung müsste man nach ein paar Jahren bei ehrlicher Betrachtung sagen: „Außer Spesen nichts gewesen“?

Auf all diese Fragen gibt es viel zu selten wirklich qualifizierte Antworten, bescheinigen uns die Experten. Natürlich schreibt die Verwaltung viele Tausend Seiten über Förderprogramme. Es mangelt nicht an der Quantität von Evaluierungen, sondern an der Qualität. Denn was tatsächlich oft fehlt, ist die fundierte wissenschaftliche Grundlage – Experten nennen das „kausalanalytische empirische Studien“ –, die erst eine Aussage zulassen.

Schneiden die geförderten Unternehmen wirklich besser ab als eine Vergleichsgruppe von Unternehmen, die keine Förderung bekommen haben? Ist das Geld richtig investiert, oder gehört es vielleicht in ein anderes Segment? Ist die Investition nachhaltig?

Als Abgeordneter denke ich mir oft, dass die derzeitigen Evaluationen nicht kritisch genug sind. Das hat natürlich seinen Grund. Warum sollte die Landesregierung Gutachten in Auftrag geben, die bescheinigen, dass die eingesetzten Mittel nicht so effizient eingesetzt worden sind? In anderen Fällen werden nicht genehme Gutachten einfach nicht veröffentlicht. Das muss sich ändern! Alle Gutachten müssen grundsätzlich öffentlich sein.

(Beifall von den PIRATEN)

Zu oft werden Förderprogramme nur qualitativ evaluiert. Und das läuft so: Diejenigen Unternehmer, die Gelder bekommen haben, werden gefragt, ob sie mit dem Programm zufrieden sind. Klar, die werden sich bedanken und es prima finden, dass man ihnen Geld geschenkt hat. Lediglich dies abzufragen und sich anschließend auf die Schulter zu klopfen, wie toll man Wirtschaftsförderung betreibt, ist ein bisschen sehr anspruchslos.

Der Wissenschaftliche Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums hat sich vor Kurzem mit genau dieser Frage beschäftigt. Angelehnt an dessen Gutachten wollen wir mit dem vorliegenden Antrag zeitgemäße Evaluierungsstandards für unser Land ein

führen. Dabei geht es nicht nur um Fragen der Methodik, es geht auch um Transparenz und politische Kontrolle. Denn nur wenn aussagekräftige objektive Analysen vorliegen und einsehbar sind, können wir Abgeordnete unserer Kontrollfunktion gegenüber der Landesregierung überhaupt erst nachkommen.

Ich hoffe auf eine konstruktive Debatte in den Ausschüssen. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Schwerd. – Für die SPD-Fraktion spricht Frau Kollegin Müller-Witt.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie haben das eben schon sehr schön ausgeführt: Sie haben ein Gutachten vom Wissenschaftlichen Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums aus dem September 2013 übernommen. Daraus haben Sie ja auch keinen Hehl gemacht.

Aber aufgegriffen in dem Sinne haben Sie es eigentlich auch nicht. Nein, die Piratenfraktion hat es sich zu Eigen gemacht, das ist wohl am ehesten die richtige Beschreibung; denn anders lässt es sich nicht erklären, dass weite Passagen des Gutachtens teils wörtlich übernommen worden sind.

Das heißt, die heutige Befassung mit dem Piratenantrag ist genau genommen eine Befassung mit dem erwähnten Gutachten des Wissenschaftlichen Beirates des damaligen Bundeswirtschaftsministeriums und dem Ansinnen der Piraten, die Forderungen, die dort aufgestellt worden sind, zu übernehmen.

Deswegen gilt es, in den weiteren Beratungsrunden die Empfehlungen, die dort aufgestellt worden sind, und die Sie wiederum übernommen haben, auf ihre Übertragbarkeit auf die Evaluierung von Wirtschaftsförderungsprogrammen des Landes NordrheinWestfalen zu diskutieren.

Dabei ist zweifelsohne der Ansatz des Wissenschaftsbeirates sehr interessant. Was kann man auch anderes dazu sagen – es sind ja schließlich die hochkarätigen Wirtschaftswissenschaftler unseres Landes.

Bei der gegenwärtig geübten Praxis zur Evaluation von Wirtschaftsförderungsprogrammen in NRW werden – wie in der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Piratenfraktion beschrieben – je nach Art und Umfang der Förderung unterschiedliche Methoden der Evaluierung angewendet. Es wird nicht so einfach damit umgegangen, wie Sie es eben darzustellen versucht haben.

Diese Evaluierungspraxis ist auch an den Vorgaben der Landeshaushaltsordnung orientiert. Da überdies bei zahlreichen gemeinschaftlichen Förderpro

grammen – und die finden sehr häufig statt – die Evaluierung nicht nur in der Verantwortung des Landes liegt, sondern hier auch – wie vom Ministerium in der Kleinen Anfrage dargestellt – Vorgaben des Bundes und/oder der EU berücksichtigt werden müssen, ist eine wie im Antrag geforderte einseitige Festlegung des Landes auf der Grundlage des Sachverständigengutachtens gar nicht möglich.

Des Weiteren wird zu debattieren sein, in welchem Verhältnis der beantragte Aufwand der von den Piraten vorgeschlagenen Methoden der Evaluierung zu dem gewünschten Effekt der Transparenz des Fördereffektes steht. Insbesondere die Forderung nach einem Forschungsdatenzentrum für Evaluierungsdaten, aber auch der Aufbau einer eigenen fachlich vom Ministerium unabhängigen Organisationseinheit, wird zu einer deutlichen Ausweitung der administrativen Kosten künftiger Förderprogramme führen.

Außerdem wird die jeweilige Vorschaltung eines Wettbewerbsverfahrens zur Ausschreibung der Evaluationsstudien die zeitnahe Überprüfung von Wirtschaftsförderungsprogrammen verzögern. Es stellt sich also die berechtigte Frage, ob die Effektivität der vorgeschlagenen standardisierten Evaluationsverfahren für alle Arten und Größen vorn Förderprogrammen, aber auch die Effizienz es rechtfertigen, generell zu der von dem Gutachten des Wissenschaftlichen Beirates vorgeschlagenen Evaluation zu wechseln.

Damit bin ich am Anfang Ihres Antrages. Es gilt – und da möchte ich Sie selber zitieren –, bei der Bewertung der von Ihnen gemachten Vorschläge ebenfalls eine Wirksamkeitsprüfung im Hinblick auf Effektivität – erreicht eine Maßnahme ihr Ziel? – und Effizienz – welche Maßnahme erreicht ihr Ziel zu den geringstmöglichen Kosten? – vorzunehmen. Genau das muss bei diesem Antrag auch gemacht werden, Herr Schwerd. Darauf wird es ankommen. Wir werden überprüfen müssen, ob es der von Ihnen gemachte Vorschlag überhaupt rechtfertigt, dass die Effizienz und die Effektivität hinterher größer sind, als in dem gegenwärtigen Verfahren.

Eine letzte Bemerkung: Die Vorstellung, die generelle Vorgabe dieser Evaluationsmethoden auch allen anderen Bundesländern, dem Bund und der EU vorzugeben, ist ein Wunschdenken. Das Wunschdenken der Wissenschaftler kann man nachvollziehen. Für sie wird es hinterher hinsichtlich der Vergleichbarkeit solcher Studien sehr viel einfacher sein, wenn man diese Methoden anwendet. Ob das für unser Land das Beste ist, ist nicht unbedingt gesagt. – Danke schön.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Müller-Witt. – Für die CDU-Fraktion spricht nun der Kollege Dr. Bergmann.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Laut dem vorgelegten Antrag der Fraktion der Piraten stehen in Nordrhein-Westfalen 2014 nach Abzug der Verwaltungskosten und der institutionellen Förderung 309 Millionen € für Wirtschaftsförderung zur Verfügung. Auch wenn es nach unseren Berechnungen wohl etwa 314 Millionen € sein werden, bleibt die Summe relativ gering. Schließlich gibt unser Bundesland bei einem Gesamtetat von mehr als 60 Milliarden € damit gerade einmal 0,5 % seiner Haushaltsmittel für die Wirtschaftsförderung aus.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: De- ckungsvorschlag?)

Nicht viel, wenn man bedenkt, dass NordrheinWestfalen beim Wirtschaftswachstum anderen

Bundesländern hinterherhinkt und Mittel vielleicht auch nicht richtig eingesetzt werden. Denn nach Berechnungen von McKinsey hatte zum Beispiel Bayern zwischen 2000 und 2012 ein um acht Prozentpunkte höheres Wirtschaftswachstum als Nordrhein-Westfalen.

Würden wir diese große Wachstumslücke schließen, hätten wir nur dadurch jährlich etwa 3,2 Milliarden € mehr Steuereinnahmen für Land und Kommunen zur Verfügung. 300.000 zusätzliche Arbeitsplätze könnten im Land geschaffen werden. Herr Borjans wäre dann, wie wir alle, glücklich. Die Schuldenbremse einzuhalten, wäre selbst für RotGrün kein Problem mehr. Und das will ja schon etwas heißen.

Für uns ist klar: Nordrhein-Westfalen braucht mehr denn je eine kluge Wirtschaftspolitik, die wirtschaftliche Entwicklung fördert und unterstützt und nicht ständig durch bürokratische Zusatzhemmnisse behindert. Nordrhein-Westfalen braucht eine Politik, die Wachstum auslöst und forciert. Ein zentraler Baustein dafür ist sicherlich die Wirtschaftsförderung des Landes, die – und da stimme ich den Piraten zu – effektiv und effizient zugleich und gleichzeitig nachvollziehbar und kontrollierbar sein muss. Denn wenn wir nur so relativ geringe Mittel für die Wirtschaftsförderung bereitstellen, müssen wir wenigstens dafür sorgen, dass diese Gelder auch wirksam eingesetzt werden.

Es ist daher vom Grundsatz her richtig, die vorhandenen Evaluierungsinstrumente zu prüfen und bei Bedarf neue Wege bei den Programmen zu gehen. Allerdings haben wir an der einen oder anderen Stelle noch Beratungsbedarf. Schließlich stammen etwa 70 % der Fördermittel aus dem EFRE. Dieser wird bekanntlich europaweit evaluiert. Das berücksichtigen Sie in Ihrem Antrag aus unserer Sicht viel zu wenig. Denn Doppelausgaben bei dieser schlechten Haushaltslage wollen Sie wohl auch nicht, oder?

Hier stellt sich für uns die Frage, ob es sinnvoll wäre, ginge Nordrhein-Westfalen bei der Evaluation

einen Sonderweg oder generierte gar Doppelaufwände. Um diese und weitere Fragen zu klären, freuen wir uns auf die Beratung im Ausschuss und stimmen der Überweisung an den Ausschuss zu. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Dr. Bergmann. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Schneckenburger.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist schon ein sperriges Thema, das wir hier diskutieren – ein ganz kleines bisschen sperrig. Transparenz und Effizienz, sehr geehrter Herr Schwerd, sind absolut wichtige Kriterien. Sie ersetzen übrigens – das nur nebenbei – keine Richtschnur für politisches Handeln. Die Frage soll schon noch erlaubt sein, welche wirtschaftspolitische Position die Piraten in Nordrhein-Westfalen jenseits der Einforderung von Transparenz haben. Das ist mir noch nicht so richtig deutlich geworden. Lassen wir das einmal beiseite. Wir sind bei der Beratung Ihres Antrags, der an den Ausschuss gehen wird.

Sie sagen in Ihrem Antrag, es gebe zahlreiche Defizite bei der Evaluierung der Wirtschaftsförderung in Nordrhein-Westfalen. Wenn das so wäre, müsste man sagen: Okay, dann aber mal richtig ran, denn in der Tat, Mittel des Landes sind immer knapp. Daher muss man sie zielgerecht einsetzen. Bei dem Wort „zahlreich“ hat man schon das Gefühl: Oh, jetzt kommt aber etwas im Antrag der Piraten. Und dann zeigen sie uns, wo hier nicht genügend evaluiert wird.

Sie verweisen auf Ihre Kleine Anfrage. Das ist sozusagen der Beleg für Ihre These, es müsste stringenter und deutlicher evaluiert werden. Es zeigt sich, dass relativ viel Ahnung statt Wissen in Ihrem Antrag ist: Ahnung und Allgemeinplätze. Sie belegen nicht, wo dieses Evaluierungsdefizit ist. Sie verweisen auf eine Anfrage, die genau das Gegenteil belegt.

Was sagt die Antwort – wir haben sie einmal gelesen – auf Ihre Kleine Anfrage aus? Sie sagt aus: Es gab mehrere umfangreiche Auswertungen von Wirtschafsförderungsprogrammen durch Hochschulen, wie beispielsweise durch die Universität Lüneburg bei der Meistergründungsprämie. Die TU Dortmund hat bei der Evaluation des RWP im gewerblichen Bereich ebenfalls segensreich gewirkt. Das Ziel-2Programm wird für die Förderperiode 2007 bis 2013 evaluiert.