Protocol of the Session on October 16, 2013

Nach unseren Informationen liegt der IG Metall ein Schreiben vom 9. Oktober vor. Noch heute Morgen – Sie haben es erwähnt, Herr Eiskirch – ist eine neue Absichtserklärung eingegangen. Aus beiden Schreiben geht hervor, dass sich Outokumpu an die Tarifverträge halten will.

(Widerspruch von Thomas Eiskirch [SPD])

Herr Eiskirch, Sie unterstellen etwas. Sie können hier keine Belege beibringen.

In diesen Schreiben steht nichts von eigenmächtigem und einseitigem Handeln.

Nun haben sich mittlerweile aber die Rahmenbedingungen geändert. Im Edelstahlbereich gibt es 45 % Überkapazitäten. Die Schwierigkeiten, in die das Unternehmen auch durch das EEG geraten ist, erwähnen sie leider wieder einmal nicht.

(Beifall von der FDP)

Meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, trotzdem meinen wir, dass Verträge eingehalten werden müssen. Ich möchte das hier nicht gebetsmühlenartig wiederholen.

(Zurufe von der SPD: Oh! – Beifall von Thomas Eiskirch [SPD])

Ich danke für den Beifall. – Tarifverträge, auch Haustarifverträge, sind Teile des kollektiven Arbeitsrechts. Damit unterliegen sie der Rechtsprechung.

Herr Schmeltzer, gerade Sie als Mitunterzeichner müssten doch wissen, dass wir alle rechtlichen Mittel in der Hand haben. Falls Sie es vergessen haben, nenne ich beispielhaft die einstweilige Verfügung, die Unterlassungsklage etc. Kollege Preuß könnte dazu als Jurist mehr erzählen.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Der hat schon ge- nug erzählt!)

Ihr Antrag dagegen ist ein Zerrbild der Wirklichkeit. Sie verbreiten den Eindruck, als würden landauf, landab Tarifverträge gebrochen und die Belegschaft sei dem schutzlos ausgeliefert. Mit Ihrem Antrag diskreditieren Sie die Instrumente der Tarifautonomie und der Vertragsfreiheit, nämlich die Tarifverträge.

Wir von der FDP stehen dazu, dass Verträge einzuhalten sind. Wir stehen aber auch zu den jetzigen gesetzlichen Möglichkeiten – die haben die Mitarbeiter –, im Gegensatz zu Ihrem Antrag, der eine Verschlimmbesserung darstellt.

Schon heute haben die Betriebsräte gerade bei Haustarifverträgen, allein aus dem Betriebsverfassungsgesetz abgeleitet, alle Möglichkeiten zur Überwachung. Ich bitte Sie, jetzt einfach einem alten Personaler zu glauben, der in zwei Konzernen gearbeitet und Hausverträge mit der IG Metall selbst mitgestaltet hat.

Was Sie mit der Überwachung der Umsetzung einzelbetrieblicher Tarifverträge meinen, ist für mich aber noch stärker hinterfragbar. Wie bereits geschildert, ist die rechtliche Verbindlichkeit von Tarifverträgen so hoch, dass weitere Regelungen nur den Firmen schaden würden, die sich korrekt verhalten. Und das sind die allermeisten; da werden Sie mir sicher zustimmen.

(Beifall von der FDP)

Sie schaffen mit Ihrer Forderung nur neue Hürden – in Ergänzung der Einführung des Unternehmensstrafrechts. In Not geratene Mittelständler werden zukünftig zweimal überlegen, ob ein Sanierungs-TV geschlossen werden soll oder ob man den Laden nicht insolvent gehen lässt, um ihn dann zu retten.

Auch Sanktionsmechanismen und Kontrollmöglichkeiten können umfassend im Tarifvertrag geregelt werden; auch das wissen Sie. Was soll dieser – Entschuldigung – Unsinn der Sanktionsmöglichkeiten gegen Unternehmen bei Tarifbruch? Auch da fordern Sie wider besseres Wissen etwas, was es längst gibt.

Im Fall Outokumpu ist der fragliche Tarifvertrag überhaupt nicht bekannt. Legen Sie den erst mal vor. Dann können wir über Lösungsmöglichkeiten reden. Andernfalls, liebe Kollegen, setzen Sie sich dem Vorwurf aus, die Mitarbeiter von Outokumpu als Vehikel für Ihre Politik zu benutzen.

(Beifall von Dietmar Brockes [FDP] – Zurufe von der SPD: Buh! – Rainer Schmeltzer [SPD]: Ach!)

Ja! Ich freue mich ja, dass es Ihnen so gut geht.

Um es abschließend rundzumachen: Sie wollen am Exempel Outokumpu weitere Drangsalierungen ableiten, um der deutschen Wirtschaft, insbesondere der auf Aufsichtsratsebene nicht mitbestimmten Wirtschaft, den Saft abzudrehen.

(Dietmar Bell [SPD]: Deswegen sind Sie nicht mehr im Bundestag!)

Wir werden wieder reinkommen. Machen Sie sich um uns mal keine Sorgen! Herr Bell, Sie sind ja auch keine Volkspartei mehr.

(Weiterer Zuruf von Dietmar Bell [SPD])

Ich würde mich schämen, wenn ich von 50 % käme.

Unsere Stimmen werden Sie jedenfalls nicht dafür bekommen, dass Sie aus dem Fall Outokumpu einen Oktopus machen, der die gesamte Wirtschaft erdrückt. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Alda. – Für die Fraktion der Piraten spricht Frau Kollegin Brand.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Zuschauer! Und wieder Bochum! Erst im April haben wir hier in zwei Sitzungen über Bochum gesprochen. Die Schließung des Opelstandorts Ende 2014 kommt für die Stadt nach dem Weggang von Nokia vor vier Jahren einem Erdbeben gleich. Aber offensichtlich geht das Ausbluten meiner Stadt jetzt in die nächste Runde.

Im Gegensatz zu dem Agieren des GM-Konzerns kommt es hier jedoch nicht nur zu einem gnadenlosen Rückzug, sondern hier werden auch bestehende Tarifverträge gebrochen.

Auch ich habe heute Morgen ein Briefchen aus Krefeld bekommen, in dem bestritten wird, dass hier ein Tarifvertrag gebrochen wird. Aber das wird nur schön umschrieben, nämlich: Es ist unumgänglich, einige Bestandteile des bestehenden Tarifvertrags anzupassen. – Was für eine perfide Wortwahl für das, was in den nächsten Wochen und Monaten passieren wird!

Bereits im Frühjahr sagte ich jedoch auch, dass die Wirtschaft losgelöst vom politischen Wunschkonzert agiert. Niemand sollte glauben, dass es Firmenbosse nur einen Deut interessiert, wenn sich Politiker vor Ort mit irgendwelchen Forderungen aus dem Fenster lehnen.

Bürgermeisterin Ottilie Scholz appellierte letzte Woche auf der außerordentlichen Betriebsversammlung an die soziale Verantwortung des Stahlunternehmens. Nur: Wirtschaftsunternehmen operieren nun mal nicht mit dem Kernziel soziale Verantwortung.

Bei Ihnen, Herr Minister Schneider, hieß es: Verträge müssen eingehalten werden. Das Prinzip der Sozialpartnerschaft darf in Bochum nicht beerdigt werden. – Das sind gute und richtige Worte. Nur nützen sie auch hier leider nichts. Die Karawane wird auch in diesem Fall weiterziehen.

Das, was wir brauchen, ist Schmerz, der bei diesem Konzern an der richtigen Stelle ansetzt. Wir werden es nicht schaffen, solche Unternehmen durch Appelle an das Gewissen, die Ehrenhaftigkeit und das soziale Herz dazu zu bewegen, vor Ort zu bleiben. Der richtige Ansatz ist es, Vertragsbrüche zu sanktionieren, und zwar in einer Heftigkeit, dass es auch weh tut.

Es geht hier nicht um privatrechtliche Verträge zweier gleichberechtigter Partner. Es geht hier um die Existenzgrundlage von Menschen und ihren Familien. Das hat selbstverständlich große Auswirkungen auf die Gesellschaft. Dementsprechend muss der Staat sanktionierend eingreifen können. Arbeitssuchenden muten wir – siehe TOP 5 des heutigen Tages – ja noch ganz andere Sanktionen zu.

Wir wollen selbstverständlich nicht in die Vertragsfreiheit der Tarifpartner, die Tarifautonomie, eingreifen. So verstehen wir den vorliegenden Antrag auch nicht; so ist er auch nicht gemeint. Deshalb machen die Entschließungsanträge von CDU und FDP auch keinen Sinn. Eigentlich zeigen sie nur, dass Sie das Standardrepertoire zum Thema „Großkonzern

schließt Standort im Ruhrgebiet“ herausgeholt und dass Sie den Antrag nicht richtig gelesen haben, wenn Sie ihn anders verstanden haben.

Wir unterstützen die Möglichkeit für Betriebsräte, auf die Einhaltung geschlossener Tarifverträge zu achten, und stimmen dem Tenor dieses Antrags in diesem Punkt zu. Es kann ja nicht sein – den Satz wollte ich immer schon mal sagen –, dass wir uns immer auf Whistleblower, die im gesetzlichen Graubereich agieren, verlassen müssen, um sicher zu sein, dass in den Betrieben alles mit rechten Dingen zugeht. – Glück auf!

(Beifall von den PIRATEN und der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Brand. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Schneider.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Alda, …

(Dietmar Bell [SPD]: Herr Alda ist nicht mehr im Raum!)

Er ist nicht mehr im Raum? Er hilft wahrscheinlich einem Arbeitnehmer bei der Durchsetzung tarifvertraglicher Regelungen.

(Allgemeine Heiterkeit – Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Eines verstehe ich nicht: Herr Alda hat vor einer Viertelstunde darüber gesprochen, dass man gegenüber SGB-II-Empfängern Sanktionen ermöglichen muss, um diese auf den richtigen Lebensweg zu bringen. Aber wenn es darum geht, Unternehmen zu sanktionieren, weil diese vertragsbrüchig werden, gilt dieses Prinzip nicht mehr.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Schade, dass auch der Fraktionsvorsitzende der FDP nicht mehr unter uns weilt.

(Heiterkeit von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN – Zuruf von der FDP: Die Mi- nisterpräsidentin auch nicht! – Weitere Zuru- fe)

Nein, nein, ich habe vollstes Verständnis dafür. Der muss ja jetzt Ihre Partei retten; da hat er keine Zeit dafür. Ich nehme es ihm überhaupt nicht übel. Ich wollte nur anmerken: Mit solch unterschiedlichen Messlatten werden Sie die 5 % nicht mehr erreichen.